seiner
Ordination auf eine Art Nachtstuhl (sella stercoraria) setzen, um von einem der jüngsten
Diakonen sein
Geschlecht prüfen
zu lassen. Dieser machte sodann das günstige
Resultat mit dem dreimaligen Ausruf »Habet!« bekannt, worauf
Klerisei und
Volk
mit einem frohlockenden
»Deo gratias!« antworteten. Diese
Erzählung, die zuerst Marianus
Scotus (gest. 1083)
in seinem »Chronicon«, ausgeschmückter dann Sigbert von
Gembloux (gest. 1113), am vollständigsten
Martin Polonus (gest. 1278)
mitteilte, galt bis in das 16. Jahrh. als historische
Wahrheit, bis
DavidBlondel 1649 ihren Ungrund darlegte. Es ist geschichtlich
bewiesen, daß auf
Leo IV. unmittelbar
Benedikt III. folgte.
Die
Sage ist wohl eine
Satire auf das Weiberregiment
(Pornokratie), welches in
Rom
[* 2] herrschte, als die
PäpsteJohann X. bis
Johann XII. (914-963) den päpstlichen
Stuhl innehatten. Sie lieferte den
Stoff zu einem der ältesten und berühmtesten
deutschen
Dramen, zu
Th. Schernbecks »Ein schön
Spiel von Fraw Jutten« (1480, gedruckt
Eisleb. 1565); in der Neuzeit
dichtete
Achim von
Arnim ein
Schauspiel: »Die Päpstin J.« (1823). Das Vorhandensein der sella stercoraria
ist allerdings erwiesen, aber auch ihr
Zweck. Wenn nämlich ein
Kardinal zum
Papst erwählt wurde, setzte man ihn zuerst auf
diesen
Stuhl, und während er von ihm aufstand und sich auf einen andern, prächtigenSessel niederließ,
sang man die
Worte: »Suscitat de pulvere egenum et de stercore erigit pauperem«
(Ps. 103, 7. 8). Der
Gebrauch kam im 16. Jahrh. ab.
»Tagebuch Susannens, Baronin von
Albret-Miossens, aus den
Jahren 1548-1572« (hrsg. von Wackerhagen,Brem.
1884, die Lebensgeschichte der J. enthaltend).
(Johann, hebr. Jehochanán, griech. Ioannes), 1) J.
der Täufer, eine von der christlichen
Sage schon früh mit Vorliebe erfaßte und in möglichst nahe Beziehung zuJesus
von
Nazareth gebrachte, nichtsdestoweniger aber wahrhaft geschichtliche Gestalt.
Er trat in der asketischen Lebensweise der
alten
Propheten auf und zwar in der
WüsteJuda und am untern
Jordan, sammelte
Jünger um sich, verkündigte die
Nähe des von
den
Propheten geweissagten
Reichs Gottes, aber so, daß er als Vorbedingung für dessen Kommen
Buße und
Bekehrung forderte und der Verpflichtung dazu durch das
Symbol der Wassertaufe im
JordanAusdruck gab.
Auch auf
Jesus Christus (s. d.) übte J. einen tiefgehenden Einfluß aus, wie ihn
jener denn auch geradezu für seinen
Vorläufer erklärte, in dessen tragischem
Ende er die
Weissagung des eignen Geschicks
erkannte
(Matth. 17, 11. f.;
Mark. 9, 12. f.). Dieses Ende bringen die Evangelien mit der bekannten
Geschichte von
Herodias in
Verbindung.
Anders berichtet
Josephus
(Ant., XVIII, 5, 2) den Hergang, indem er als
Motiv der
Enthauptung
des J. auf der Bergfestung Machärus (34
n. Chr.) die
Furchtvor der durch seine Reichspredigt hervorgerufenen
Volksbewegung angibt, welch letztere leicht zu einer Umwälzung hätte führen können.
2) J. der
Apostel, einer der
Vertrauten Jesu, Sohn eines
Fischers, Zebedäus, und der Salome,
Bruder des ältern
Jacobus, trieb
das
Gewerbe seines
Vaters am
SeeGenezareth und gehörte zu den Erstberufenen in Jesu Nachfolgerschaft. Die
synoptischen Evangelien schildern ihn und seinen
Bruder als heftige, ehrgeizige, sogar zur Gewaltthat neigende »Donnerskinder«,
während das seinen
Namen tragende vierte
Evangelium in ihm den sanften und treuen Lieblingsjünger sieht, welcher selbst beim
Tod Jesu in dessen
Nähe ausharrt und von dem sterbendenMeister die Weisung empfängt, sich der
Mutter desselben
als Sohn anzunehmen.
Nach Jesu Hinscheiden ging er auf kurze Zeit nach
Samaria und hielt sich dann wieder in
Jerusalem
[* 8] auf, wo er zu den
»Säulen
[* 9] der
Gemeinde«, zu den
Autoritäten der judenchristlichen
Richtung gerechnet ward. Der spätern kirchlichen, besonders kleinasiatischen
Sage zufolge soll er nach
Kleinasien übergesiedelt sein und von
Ephesos
[* 10] aus eine oberhirtliche Thätigkeit
entfaltet haben. Daß er unter Domitian auf die
InselPatmos verwiesen worden und unter
Nerva zurückgekehrt sei, beruht auf
Offenb. 1, 9. und hängt zusammen mit der
Annahme, daß der Verfasser der
Apokalypse mit dem
Jünger Jesu
identisch sei.
Aber sowohl diese
Annahme als auch überhaupt die
Tradition von dem ephesinischen Aufenthalt eines Zwölfapostels haben in
neuer Zeit starke
Anfechtung erfahren, und man wollte in der judenchristlichen
Autorität, welche nach den
Zeiten des
ApostelsPaulus in
Ephesos unter dem
Namen J. auftritt und wahrscheinlich in derApokalypse sich bezeugt, sogar einen
andern J. finden, welchen der gegen 150 schreibende
Papias den
»Presbyter J.« nennt. Dann wären auf diesen J. auch die kirchlichen
Zeugnisse zu beziehen, denen zufolge der
Apostel zu
Ephesos als der letzte der
Apostel während der
Regierung Trajans eines natürlichen
Todes gestorben sein soll. Im Verlauf der zweiten Hälfte des 2. Jahrh.
konsolidiert sich diese Form der Johanneslegende, und die spätere
Kirche hat sie noch mehr ausgeschmückt. In der katholischen
Kirche ist der 27. Dezember sein Gedächtnistag. Den
Namen des
Apostels J., als des Verfassers, tragen in unserm neutestamentlichen
Kanon
ein
Evangelium, drei
Briefe und eine prophetische
Schrift, die
Apokalypse oder
Offenbarung des J. Das
Evangelium
des J. unterscheidet sich wesentlich von den drei ältern Evangelien. Es gibt in
¶
mehr
großen Zügen einerseits ein Gemälde des Widerstreits der Welt gegen die in dem menschgewordenen Gottessohn geoffenbarte
Wahrheit, anderseits ein Bild der innern Beseligung der Auserwählten, welche sich ihm als dem Lichte des Lebens hingeben. Nicht
Thaten und Aussprüche, vom Gedächtnis bewahrt, sind dem Verfasser die Hauptsache, sondern Ideen, von der Spekulation
erzeugt, vom Gefühl empfangen und als Glaube geboren. Soll J. dieses Buch überhaupt geschrieben haben, so müßte dies erst
gegen Ende seines Lebens in Ephesos geschehen sein, woselbst eine Berührung mit der alexandrinischen Spekulation, wie sie die
Ausführung über den Logos (s. d.) im Anfang des Evangeliums voraussetzt, denkbar wäre.
Freilich weisen innere Zeitspuren das Werk in das 2. Jahrh., vielleicht schon in die Blütezeit der Gnosis. Jedenfalls wird
es seit der sogen. Tübinger Schule in immer weitern Kreisen sogar als rein ideale Komposition betrachtet.
Vgl. Thoma, Die Genesis
des Johannesevangeliums (Berl. 1882).
Von den Briefen des J. ist der erste der bei weitem bedeutendere. Derselbe bildet ein untrennbares Seitenstück zu dem Johanneischen
Evangelium und führt insonderheit die praktische Seite der dort niedergelegten Ideen aus. Er knüpft weit mehr als das Evangelium
an die Verhältnisse der Wirklichkeit an, aber der Grundgedanke ist auch hier die Realität des im Fleisch
erschienenen Heils und die durch die Gemeinschaft desGlaubens und der Heiligung bedingte Liebe der Gläubigen untereinander.
Die zweite und dritte Epistel sind kleine Handschreiben mit vieldeutigen Adressen. Ihr Verfasser nennt sich Presbyter, was auf
die oben besprochene Hypothese vom Presbyter J. zurückweist.
3) Bischof von Ephesos im 6. Jahrh., beteiligte sich an den monophysitischen Streitigkeiten und
schrieb syrisch eine »Kirchengeschichte« seiner Zeit, deren noch vorhandener Teil von Cureton (Oxf. 1853; deutsch von Schönfelder,
Münch. 1862) herausgegeben wurde.
4) J. der Priester, nach der Überlieferung des Mittelalters ein christlicher Fürst eines Reichs im östlichen Asien
[* 15] im 12. Jahrh.,
der auch Indorum rex genannt wird, von dem durch mittelalterliche Chronisten Briefe, die wahrscheinlich
apokryph sind, mitgeteilt werden, der aber auch nach Ostafrika und Äthiopien versetzt wird, wo ihn später die Portugiesen
aufsuchten. Endlich befestigte sich die Ansicht, daß Abessinien das Reich J.' sei, und noch im 17. Jahrh. hieß es Regnum Presbyteri
Johannis. Die im Lauf der Zeit vielfach ausgeschmückte Sage, die zu vielen Reisen, um das Reich des J. zu
entdecken, Anlaß gab, bezieht sich (nach Oppert, Der Priester J. in Sage und Geschichte, 2. Aufl., Berl. 1870) auf das Reich
des Kurchans (Volkschans) von Karakitai (der schwarzen Kitan), das im 12. Jahrh. von dem aus Nordchina
vertriebenen Stamm der Kitan unter Jeljutaschi in der GroßenBucharei gegründet wurde, und dessen ResidenzKaschgar war. Der
letzte Abkömmling Jeljutaschis wurde von Kutschluk gestürzt, der 1208 Dschengis-Chan erlag. Die Karakitaier waren wahrscheinlich
nestorianische Christen. Kurchan verwechselte man mit dem syrischen Juchan (»Johann«). Doch ist diese Deutung angefochten und
die indische Heimat und die Echtheit der Briefe des priesterlichen Fürsten verteidigt worden.
3) J. III. Dukas Vatatzes, Schwiegersohn und Nachfolger des Theodor I. Laskaris, regierte während des lateinischen Kaisertums
in Konstantinopel
[* 16] zu Nikäa 1222-54, eroberte den größten Teil von Thrakien und Makedonien, namentlich 1246 Thessalonich,
und bereitete so die Wiederherstellung des byzantinischen Kaisertums vor.