(spr. jering), Rudolf von, Rechtsgelehrter, geb. zu Aurich, habilitierte sich 1843 in Berlin als Dozent
des römischen Rechts, ging 1845 als ordentlicher Professor nach Basel,
1846 nach Rostock, 1849 nach Kiel, 1852 nach Gießen, 1868 nach
Wien, von wo er 1872 einem Ruf an die Universität Göttingen folgte. Sein Hauptwerk, welches sich, wie alle
seine Schriften, durch Originalität der Auffassung und Neuheit der Ideen auszeichnet, ist: »Geist des römischen Rechts auf
den verschiedenen Stufen seiner Entwickelung« (Leipz. 1852-65, 3 Tle. in 4 Abtlgn.; mit Register, 1878; 4. Aufl. 1878 ff.; ital.
von Bellavile). Außerdem schrieb er noch: »Abhandlungen aus dem römischen Recht« (Leipz. 1844);
»Zivilrechtsfälle
ohne Entscheidungen« (das. 1847; 4. Aufl., Jena 1880);
»Der Lucca-Pistoja-Aktienstreit« (Darmst. 1867);
»Das Schuldmoment im
römischen Privatrecht« (Gieß. 1867);
»Beiträge zur Lehre vom Besitz« (Jena 1868; 2. Aufl. u. d. T.: »Über den Grund des Besitzschutzes«,
1869);
»Die Jurisprudenz im täglichen Leben« (das. 1870, 6. Aufl. 1886);
»Der Kampf ums Recht« (Wien 1872, 8. Aufl. 1886),
welche Schrift in fast alle europäischen Sprachen übersetzt ward;
»Scherz und Ernst in der
Jurisprudenz« (1.-3. Aufl., Leipz. 1885).
In den »Jahrbüchern für die Dogmatik des heutigen römischen und deutschen Privatrechts«, die er mit Gerber u. a. seit 1856 herausgibt,
lieferte er eine Reihe wertvoller Abhandlungen. Letztere erschienen in besonderer Ausgabe als »Gesammelte Aufsätze« (Jena 1881-86, 3 Bde.).
(spr. chhichona), Bezirksstadt in der span. Provinz Alicante, am Fuß eines turmgekrönten Hügels, mit (1878) 6287 Einw.,
welche berühmte und namentlich in Madrid zur Weihnachtszeit beliebte Honigkuchen (tuvrones), Leder und
Schuhwaren herstellen.
deCisneros (Ximenes, spr. chhi-), Francisco, span. Staatsmann,
geb. 1436 zu Torrelaguna aus einem heruntergekommenen altkastilischen Geschlecht, studierte in Salamanca die Rechte und arbeitete
dann sechs Jahre als Jurist in Rom. Nach seiner Rückkehr nach Spanien wirkte er zuerst als Weltpriester und trat, 50 Jahre alt,
in den Franziskanerorden und zwar unter die Brüder der Observanz. Durch sein asketisches Leben und seine
harte Selbstpeinigung in Gebirgsöden erlangte er den Ruf großer Heiligkeit und ward Beichtvater der Königin Isabella von Kastilien
und 1495 nach Mendozas Tod Erzbischof von Toledo und Großkanzler von Kastilien, welche Ämter der bescheidene Mann nur nach langem
Sträuben annahm.
Über 20 Jahre besorgte er trotz seines hohen Alters die Geschäfte seiner hohen Stellung mit der größten
Umsicht, Klugheit und Thätigkeit, ohne von seiner strengen, klösterlichen Lebensweise abzuweichen, indem er nur seiner Überzeugung
und seinen Grundsätzen folgte. Er führte sogar eine gründliche Klosterreform durch und erzog den spanischen Klerus
zu strenger
Disziplin und ernstem Pflichteifer. Aber mit gleicher Energie schritt er in seinem Bekehrungseifer gegen
die Morisken in Granada ein, deren Widerstand gegen seine Bekehrungsversuche er mit blutiger Strenge unterdrückte.
Als Philipp von Österreich 1506 das Königreich Kastilien erhielt, wußte er die Zwistigkeiten zwischen Philipp und dem Gemahl
der verstorbenen Königin, Ferdinand dem Katholischen, zu beseitigen. Auch unter der Regentschaft Ferdinands
in Kastilien hatte er großen Einfluß. Der Papst Julius II. sandte ihm 1507 den Kardinalshut und ernannte ihn zum Großinquisitor
von Spanien. 1509 unternahm er mit von seinem Geld geworbenen Truppen eine Expedition nach Afrika, um die Mauren zu bekehren und
ihnen Oran zu entreißen, das er auch eroberte. In demselben Jahr gründete er die Universität zu Alcalá de
Henares und ließ von den Gelehrten derselben die komplutensische Polyglotte zusammenstellen, die 1517 vollendet, 1522 durch
den Druck veröffentlicht wurde.
Nach Ferdinands Tod (1516) ward er, da der Thronfolger Karl noch minderjährig war, Regent des Reichs. Er
ordnete die Finanzen und erwarb der Krone die veräußerten Domänen wieder, brachte die Gesetze wieder zur Geltung und setzte
die spanische Kriegsmacht auf einen ansehnlichen Fuß, ließ sich aber von seinem fanatischen Glaubenseifer auch zu Grausamkeiten
gegen die Neuchristen verleiten; er hat als Großinquisitor 2500 Menschen zum Scheiterhaufen verurteilen
lassen. Er starb von Karl V. mit schnödem Undank aus dem Staatsdienst entlassen.
Vgl. Hefele, Der Kardinal Ximenes
und die kirchlichen Zustände Spaniens im 15. Jahrhundert (2. Aufl., Tübing. 1851).
(spr. -tscheck), 1) Joseph, böhm. Litterarhistoriker, geb. zu Hohenmauth, studierte in Prag die Rechte
und redigierte bereits 1848 die »Prazské Noviny«. Seit 1850 beim Kultusministerium angestellt, verfaßte er eine Reihe von
Schulbüchern in böhmischer Sprache, organisierte 1856 den Wiener Schulbücherverlag, ward 1859 Ministerialsekretär, 1869 Ministerialrat
und 1871 unter Hohenwart Kultusminister. In dieser Stellung war sein Hauptbestreben, die Gleichberechtigung der Nationalitäten
beim höhern Unterricht durchzuführen wodurch er sich die Mißgunst der deutschen Parteien zuzog. 1875 wählte ihn die Königlich
böhmische Gesellschaft der Wissenschaften zu ihrem Präsidenten; auch ist er Landtags- und Reichsratsabgeordneter für Böhmen.
J. ist einer der fruchtbarsten der zeitgenössischen böhmischen Schriftsteller.
Von selbständigen Werken nennen wir: »über den Versuch, das Ruthenische mit lateinischen Schriftzeichen zu schreiben« (1859);
»Aktenmäßige Darstellung der griechischen Hierarchie etc.« (1861);
»Handbuch des Unterrichts- und Prüfungswesens in Österreich«
(1868);
»Nákres mluvnice staroceské« (1870);
»Rukovet k dejinàm literatury ceské«, biographisches Lexikon
der böhmischen Schriftsteller (1874-75, 2 Bde.).
Außerdem besorgte er neben anderm die Herausgabe der Schriften seines Schwiegervaters
P. Schafarik, des Grafen Wilhelm Slavata etc. und verfaßte mit seinem Bruder Hermenegild die vielbesprochene Schrift »Die Echtheit
der Königinhofer Handschrift« (1862), in der er die Angriffe auf das genannte Sprachdenkmal zurückzuweisen versuchte.
2) Hermenegild, Bruder des vorigen, geb. zu Hohenmauth, studierte in Prag die
mehr
Rechte und ward 1854 im österreichischen Unterrichtsministerium angestellt, in welchem er 1871 Abteilungsrat wurde.
Er schrieb seit 1854 eine Reihe von Erzählungen, die teils in Zeitschriften, teils gesammelt unter dem Titel: »Novely« (Wien
1853) erschienen, war an der Redaktion verschiedener Blätter beteiligt und lieferte eine Anzahl tüchtiger Arbeiten aus der
slawischen Rechtsgeschichte. Von seinen selbständig erschienenen Schriften sind zu nennen: »Über Eigentumsverletzungen und
deren Rechtsfolgen nach dem altböhmischen Recht« (Wien 1855);
»Das slawische Recht in Böhmen u. Mähren bis zum 14. Jahrhundert«
(tschechisch, Prag 1863-73, 3 Bde.);
»Das Recht in Böhmen und Mähren« (das. 1865-66, Bd.
1).
Mit Joseph I. veröffentlichte er den noch unvollendeten »Codex juris bohemici« (Prag 1867-83, Bd. 1-5).
Neuerdings schrieb er: »Geographische Dichterbilder« (Wien 1881).
3) Konstantin Joseph, Sohn von J. 1), geb. zu Wien, studierte daselbst und in Prag, bereiste die südslawischen Länder,
über die er in Zeitschriften zahlreiche Artikel veröffentlichte, und habilitierte sich 1878 an der Prager
Universität für Geschichte. Er gab heraus: »Bibliographie de la littérature bulgare moderne 1806-70« (1872);
die wertvolle
»Geschichte der Bulgaren« (Prag 1876);
»Die Heerstraße von Belgrad nach Konstantinopel und die Balkanpässe« (das. 1876);
»Die
Handelsstraßen und Bergwerke von Serbien und Bosnien während des Mittelalters« (das. 1879) u. a.
J. ist gegenwärtig, nachdem er einige Zeit Unterrichtsminister in Bulgarien gewesen, ordentlicher Professor der allgemeinen
Geschichte an der böhmischen Universität in Prag.