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Kuppel, nächst der Moschee zu Mekka die heiligste der ganzen mohammedanischen Welt, an welche wie an den darin befindlichen heiligen Felsen sich eine Menge jüdischer und arabischer Sagen knüpft. Eine andre Moschee, El Aksa, ehemals die schöne, der Jungfrau Maria geweihte Basilika [* 2] Justinians, liegt im südlichen Teil des Tempelplatzes.
[Bevölkerung.]
Die mächtigste christliche Gemeinde in J. ist die griechische, 4600 Seelen stark; sie besitzt einen Patriarchen, 17 Klöster, welche Raum für 2500 Pilger bieten, ein Seminar für griechische Priester (im Kreuzkloster), eine Mädchen- und eine Knabenschule, ein Hospital etc. Die Katholiken (2100 Seelen) besitzen das Salvatorkloster im W. der Stadt mit Pilgerherberge, schöner Druckerei, Schule und Spital, mehrere Mädchenerziehungsinstitute und das österreichische Hospiz.
Die armenische Kirche zählt etwa 450 Bekenner unter einem Patriarchen und hat 2 Mönchsklöster (darunter das erwähnte Jakobskloster) und ein Nonnenkloster; die 85 koptischen (ägyptischen) Christen unter einem Patriarchen haben 2 Klöster, die Jakobiten ein kleines Kloster mit einem Bischof; desgleichen haben die wenigen (56) Abessinier einen Bischof. Eine protestantische Gemeinde (1886: 850 Seelen) besteht in J. seit den 40er Jahren. Ihr gehören die anglikanische Christuskirche auf dem Berg Zion (1842-48 erbaut), die deutsche Kapelle auf dem Johanniterplatz (seit 1871) und die St. Paulskirche für die arabischen Protestanten vor der Stadt, nahe dem Damaskusthor (seit 1874). Auf Anregung Friedrich Wilhelms IV. von Preußen [* 3] wurde 1841 ein evangelisches Bistum von England und Preußen gemeinsam errichtet und der erste Bischof von Preußen, der zweite 1879 von England ernannt; als aber 1883 der letztere starb, blieb die Stelle unbesetzt, und 1886 wurde der Vertrag seitens Preußens [* 4] gekündigt. Die Gemeinde besitzt eine anglikanische und eine deutsch-evangelische Schule, einige Knabeninstitute, eine englische Industrieschule für Proselyten, ein Hospital mit Diakonissinnen aus Kaiserswerth, ein Mädchen- und ein Knabenwaisenhaus, ein Kinderspital, das Johanniterhospiz und das Aussätzigenhaus. Die Sekte der »Templer« hat ein Lyceum mit 9 Lehrern. J. ist Sitz eines deutschen Berufskonsuls.
Die Gesamtzahl der Einwohner wird 1886 zu 33,850 angegeben, worunter 8250 Christen, 20,000 Juden und 5600 Mohammedaner, deren Zahl beständig abnimmt. Die Hauptsprache ist die arabische; außerdem hört man italienisch, griechisch, französisch, englisch, deutsch und russisch sowie türkisch sprechen. Im allgemeinen stehen die Bewohner Jerusalems nicht im besten Ruf, indem sie für träg, ränkesüchtig, lügenhaft und feig gelten. Doch halten sie streng auf Beobachtung ihrer verschiedenen kirchlichen Gebräuche. Von Industrie ist kaum die Rede, man treibt nur etwas Weberei [* 5] und Pantoffelmacherei. Ausgeführt werden Pilgermuscheln, Rosenkränze, Amulette, Kruzifixe, [* 6] Reliquien, doch nicht mehr in solcher Menge wie früher. Der neuerlich im Wachsen begriffene Handel ist unbedeutend, wiewohl es in J. manche reiche Kaufleute, namentlich unter den Armeniern, gibt.
[Umgebung.]
Was die Umgebung Jerusalems anbelangt, so fehlt, wie bemerkt, der Stadt an der Nordseite der natürliche Schutz durch ein tiefes Thal, [* 7] da sich hier eine Hochebene anschließt. Hier sind die sogen. Königsgräber, die aus Christi Zeit herrühren mögen, und die »Gräber der Richter«; näher der Stadt zeigt man eine geräumige Höhle, worin Jeremias seine Klagelieder gedichtet haben soll. Im NW. liegen die ausgedehnten Gebäude des russischen Konsulats und Hospizes, die des österreichischen Konsulats, das evangelische Mädchenwaisenhaus Talitha Kumi etc. Hier hat sich in den letzten Jahren eine große, zumeist von Juden bewohnte Vorstadt gebildet. Im W. sind die beiden in den Felsen gehauenen viereckigen Teiche Mamilla und Birket es Sultan im Felsenthal Er Rababi (Ben Hinnom), wo zahlreiche Felsengräber sich erhalten haben; Zion gegenüber liegt der Töpferacker (nachher Blutacker oder Hakeldama genannt).
Auf der Ostseite der Stadt fließt der Bach Kidron durch das Thal Josaphat. Ganz im S. liegt der Teich Siloah, welcher von der intermittierenden Quelle [* 8] Siloah gespeist wurde. Das Thal Kidron wird im O. vom Ölberg (s. d.) begrenzt, an dessen südwestlichem Fuß das Dorf Kefr Silwan mit meist in den Felsen gehauenen Wohnungen liegt. Nördlich davon das sogen. Grab Absaloms, Zacharias' und viele andre alte Gräber. Weiter thalaufwärts kommt man zunächst nach Gethsemane, einem etwa 70 Schritt im Quadrat großen, mit einer Mauer umgebenen Garten [* 9] mit einigen sehr alten Ölbäumen, wo verschiedene durch die Leidensgeschichte Jesu geheiligte Lokalitäten gezeigt werden. Weiter nördlich, ebenfalls am Fuß des Ölbergs, zeigt man das angeblich von der heil. Helena errichtete Grabmal der Jungfrau Maria, daneben die Gräber ihrer Eltern und ihres Gatten Joseph.
[Spätere Geschichte.]
J. blieb unter der Herrschaft der oströmischen Kaiser, bis es von Chosroes II., König der Perser, 614 erobert ward. Zwar gewann der Kaiser Heraklios die Stadt im Frieden 628 wieder; doch
[* 1] ^[Abb.: Karte der Umgebung von Jerusalem.] [* 10] ¶
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fiel sie schon 637 nach zweimonatlicher Belagerung in die Hände der Araber, deren Kalif Omar selbst in die heilige Stadt einzog. Die Araber gestatteten jedoch den Christen, die heiligen Orte zu besuchen. Später, besonders seit sich 1076 die Seldschukken Jerusalems bemächtigt hatten, sahen sich jedoch die Christen vielfachen Bedrückungen ausgesetzt. Nachdem im ersten Kreuzzug Gottfried von Bouillon J. erobert hatte, wurde ein eignes christliches Königreich J. gestiftet.
Auf dem Thron [* 12] desselben saßen nacheinander Gottfried von Bouillon, Balduin I. (seit 1100), Balduin II. (seit 1118), unter welchem die Johanniter und Tempelherren emporblühten, Fulko von Anjou (seit 1131), Balduin III. (seit 1143), Amalrich I. (seit 1162), mit dem der Verfall des Reichs beginnt, Balduin IV. (seit 1173), Balduin V. (seit 1184) und endlich 1186 Guido von Lusignan. Nachdem die Sarazenen unter Saladin J. erobert hatten (s. Kreuzzüge), trat Guido die Krone 1193 für Cypern [* 13] an Heinrich von Champagne ab; doch vermochte dieser sowenig wie seine Nachfolger Amalrich II. von Cypern und Johann von Brienne seinen Ansprüchen Geltung zu verschaffen.
Kaiser Friedrich II. setzte sich zwar 1229 die Krone von J., auf die er durch Heirat ein Recht erworben hatte, aufs Haupt; doch fiel die Stadt schon 1244 wieder in die Hände der Mohammedaner. 1382 bemächtigten sich die tscherkessischen Mamelucken Jerusalems; 1517 eroberte es der türkische Sultan Selim I., dessen Sohn und Nachfolger die Stadt 1534 mit der jetzigen Ringmauer umgab. Seitdem blieb J. der Pforte unterworfen, bis diese sich 1833 genötigt sah, Syrien und mit diesem auch J. an Mehemed Ali, Vizekönig von Ägypten, [* 14] abzutreten; 1840 kehrte es unter die Herrschaft der Pforte zurück. 1841 wurde von England und Preußen ein evangelisches Bistum zu J. gegründet (s. oben). Streitigkeiten über die heiligen Orte wurden 1853 Mitveranlassung zu dem orientalischen Krieg. Die deutschen Kaiser führten seit Friedrich II. den Titel »König von J.«
Zur Erforschung Palästinas und namentlich Jerusalems bildete sich 1865 eine englische Gesellschaft, der Palestine Exploration Fund, und 1877 der Deutsche [* 15] Verein zur Erforschung Palästinas; beide veröffentlichen regelmäßige Berichte über ihre Arbeiten. Die Forschungen der englischen und amerikanischen Gelehrten sind zusammengestellt in den Werken: Wilson und Warren, The recovery of J. (Lond. 1870), »Our Work in Palestine« (das. 1872), und Besant und Palmer, J., the city of Herod and Saladin (das. 1872). Von sonstigen Schriften über J. aus neuester Zeit nennen wir als die vorzüglichsten: Sepp, J. und das Heilige Land (2. Aufl., Regensb. 1876, 2 Bde.);
Derselbe, Neue architektonische Studien etc. (Würzb. 1867);
T. Tobler, Denkblätter aus J. (St. Gallen 1853);
Derselbe, Topographie von J. (Berl. 1853-54, 2 Bde.);
ferner Wolff, J. (3. Aufl., Leipz. 1872);
Bartlett, Walks about the city and environs of J. (neue Ausg., Lond. 1872);
Tyrwhitt-Drake, Modern J. (das. 1875);
Warren, Underground J. (das. 1876);
de Saulcy, J. (Par. 1881);
Bädeker, Palästina [* 16] und Syrien (bearbeitet von Socin, 2. Aufl., Leipz. 1880);
»Meyers Reisebücher«: Orient, Bd. 2 (2. Aufl., das. 1887);
Zimmermann, Karten und Pläne zur Topographie des alten J. (Basel [* 17] 1876);
Derselbe, Plan des heutigen J. mit Umgebung (Leipz. 1881);
Guthe, Ausgrabungen bei J. (das. 1883).