Japanische Erde - Japanische Sprache und Litteratur
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Verwaltung verschafften. Die Beseitigung ihrer privilegierten Stellung, die Reduktion ihrer erblichen Einkünfte auf ein Zehntel,
das Verbot, Schwerter zu tragen, und andre Neuerungen mehr verletzten viele unter ihnen aufs tiefste, und so folgten von 1873 bis 1877 eine
Reihe von einzelnen Mordanfällen auf Fremde und hervorragende Freunde derselben, namentlich aber eine Anzahl
Aufstände, die bis auf den letzten leicht unterdrückt wurden und jedesmal ihren hervorragenden Teilnehmern die Köpfe kosteten.
Am besten vorbereitet und geleitet, am umfangreichsten, verhängnisvollsten und am schwersten zu unterdrücken war der Aufstand
von Satsuma im J. 1877.
Urheber und Führer desselben war kein Geringerer als General Saigo, der Mann, welcher früher durch seinen
klugen Rat und tapfern Arm dem Mikado vornehmlich zur Wiedererlangung der weltlichen Macht verholfen und dafür reichen Lohn
an Geld und hohen Ehren erhalten hatte, der dafür und als der tapferste Mann im ganzen Land hochgeachtet wurde. Er hatte sich
1873, unzufrieden mit der Entwickelung und schmollend, aus der Regierung nach seiner Heimat Kagoshima in der
Provinz Satsuma zurückgezogen und hier mit einigen Freunden 30,000 Samurai in den Waffen geübt und den Aufstand lange ziemlich
offenkundig vorbereitet.
Sein Zweck war, mit einem Heer treu ergebener Männer nach Tokio zu ziehen, die Regierung zu stürzen und den
Mikado zu veranlassen, Satsuma eine hervorragende Stellung in der neuen einzuräumen. Dabei rechnete er auf die Unzufriedenheit
und Mithilfe andrer Clans, welche ausblieb, und auf die Untreue des Heers, welches rasch mit Dampfschiffen gelandet wurde und,
dem Mikado ergeben, seinen Führern willig und siegreich folgte. Nach sieben Monate langen Kämpfen endete
das letzte Zucken des Aufstandes, wo derselbe so gewaltig begonnen hatte, in Kagoshima.
Saigo und seine Freunde suchten und fanden den Tod zum Teil durch ihre eignen Schwerter. Die Teilnahme am tragischen Ende Saigos
war eine allgemeine bei Freund und Feind. Alle erkannten ihm die Tugenden des Helden zu, der seiner Zeit
»Herz und Schwert« der Sache des Mikado genannt worden war und nun, einem Phantom folgend, elend als Rebell geendet hatte. Der
Aufstand von Satsuma hatte einen Verlust von 14,000 Toten und 21,500 Verwundeten bereitet und außerdem die Regierung 176 Mill.
Mk. gekostet, ganz abgesehen von den Opfern an Geld und Habe seitens der Rebellen. Zu seinen Nachwehen gehörten
eine Meuterei in einer Artilleriekaserne zu Tokio, die Ermordung des Ministers Okubo 1878, eine Cholera, die 1879 über 100,000
Menschen hinraffte, und der rasch sinkende Kredit des Landes infolge des vielen Papiergeldes, welches zur Bestreitung der Kosten
ohne genügende Deckung ausgegeben wurde.
Das Land hat auch diese schwere Krisis siegreich überstanden und schreitet trotz mancher Fehlgriffe doch in der intellektuellen
und materiellen Entwickelung weiter vor. Auch die Regierung wurde durch Einsetzung eines verantwortlichen Ministeriums und eines
Hofrats reorganisiert und die Berufung eines Parlaments für 1890 vorbereitet (s. oben, S. 162). Die Sympathien
des Abendlandes begleiten es auf diesem Weg, auf dem es ihm auch gelungen ist, mit Korea einen Handelsvertrag abzuschließen
und die Eröffnung dieses abgeschlossenen Landes für den fremden Verkehr anzubahnen.
Vgl. Rein, J. nach Reisen und Studien (Leipz. 1881-86, 2 Bde.);
Kämpfer, Geschichte und Beschreibung von J. (hrsg. von Dohm, Lemgo 1777-1779, 2 Bde.);
P. F. v. Siebold, Nippon,
Archiv zur Beschreibung von J. etc. (Leiden 1832-51, 20 Abtlgn.);
mehrere Reisewerke von Wilh.
Heine (s. d.);
Sir R. Alcock, The
capital of the Tycoon (Lond. 1863);
»Die preußische Expedition nach Ostasien« (offizieller Bericht, Berl. 1865-73, 4 Bde.)
und die Reisewerke mehrerer Mitglieder derselben (R. Werner, Maron, Spieß etc.);
Griffis, The Mikados empire (2. Aufl., New York
1884);
B. Taylor, J. in our days (das. 1871);
»Commercial reports from H. M. consuls in J.« (Lond.);
v. Scherzer, Fachmännische
Berichte über die österreichisch-ungarische Expedition nach Siam, China und J. (Stuttg. 1872);
Metschikow,
L'empire japonais (Genf
1878);
Reed, J., its history, traditions and religions (Lond. 1880, 2 Bde.);
Depping, Le Japon (Par. 1883);
Adams, History of J. (Lond. 1874, 2 Bde.; deutsch,
Gotha 1876, Bd. 1);
Rosny, Extraits des historiens du Japon (Par. 1875, 3 Tle.);
Mounsey, The Satsuma rebellion
(Lond. 1879);
Hassenstein, Atlas von J. (7 Blätter, 1:1,000,000, Gotha 1885);
Reisehandbuch von Satow und Hawes (Lond. 1884).
Meer, Meer im O. von Asien, zwischen Japan, Korea, der russischen Küstenprovinz und der Insel Sachalin, steht
durch die Meerenge Lapérouse mit dem Ochotskischen, durch die von Korea mit dem Ostchinesischen Meer in
Verbindung und wird viel von Stürmen heimgesucht.
Durch seinen westlichen Teil führt das Kabel von Wladiwostok nach Nagasaki.
Sprache und Litteratur. Die japanische Sprache, deren älteste uns bekannte litterarische Denkmäler vor
etwa anderthalbtausend Jahren entstanden sind, schließt sich in ihrem Charakter eng an den finno-tatarischen
oder ural-altaischen Sprachstamm an. Auch sie ist eine agglutinierende, kennt als einzige Wort- und Formbildungsmittel die
Zusammensetzung und Suffixion, und ihre Syntax steht, was die Wortstellungsgesetze und die Häufigkeit partizipialer Konstruktionen
anlangt, in auffallender Übereinstimmung mit der Sprache der Mandschu (s. d.). Daß sie auch etymologisch
dieser Sprache und somit dem ganzen Stamm verwandt sei, ist höchst wahrscheinlich, wenn auch noch nicht voll erwiesen.
Ist das der Fall, so ist es jedoch kein Wunder, daß sie sich von ihren Schwestern weit entfernt hat; denn seit ziemlich 2400 Jahren
leben die Japaner auf ihren Inseln. Unter ihren verschiedenen Dialekten hat bald der von Yamato, insbesondere
der der Hauptstadt Miako, die Oberhand gewonnen, so daß Yamato kotoba (»die Sprache von Yamato«) der Ausdruck für das reine
Japanisch ist, dies im doppelten Gegensatz, einmal zu der seit dem 15. Jahrh. in Aufnahme gekommenen neujapanischen Sprache,
die stark mit chinesischen Ausdrücken durchsetzt und in ihren Formen vielfach verändert und abgeschliffen
ist, dann im Gegensatz zu den nicht schriftmäßigen Dialekten.
Die Sprache ist sehr arm an Lauten. Ursprünglich bestand jede Silbe nur aus einem der Vokale a, e, i, o, u, mit oder ohne vorhergehenden
Konsonanten, und als organisch verschiedene Mitlauter besitzt sie nur k, g;
f (h), b, p;
t, d (vor i und u:
ts und ds gesprochen);
m, n, r, s, z;
w, y, also kein besonderes h, l etc. Dazu kommt, daß gewisse Silben, wie e, ye, we, fe;
i, wi, fi etc., wenigstens in der neuern Aussprache und Schreibung, oft miteinander verwechselt werden.
Erst in verhältnismäßig neuerer Zeit ist ein Schluß -n (aus mu entstanden) als besondere Silbe in Gebrauch gekommen. Da
nun i und yi, u und wu, e und we etc. nicht
mehr
voneinander geschieden werden, so zählt die Sprache im ganzen nur 68 offene Silben. Veränderungen in der Aussprache haben
jene ursprüngliche Einfachheit modifiziert, z. B. sto für fito, szru für suru, oi für
Wofoki. So bedeutend die Bildsamkeit des Japanischen, seine Fähigkeit zur Schöpfung zusammengesetzter und abgeleiteter Wörter,
sein Formenreichtum ist, so ist doch die Erlernung seiner grammatischen Elemente nicht eben schwierig;
denn der Agglutinationsprozeß ist überall durch einfache, durchgreifende Gesetze geregelt.
Allein das Verständnis, die Analyse der Texte wird oft sehr durch die geschilderten Eigentümlichkeiten des Lautwesens, durch
den Mangel einer genügend feststehenden Orthographie und einer sichtbaren Abgrenzung der Wörter und Sätze
(durch Trennungen und Trennungszeichen) erschwert. Dazu kommt, daß, wer sein Studium nicht nur auf die ältesten, rein japanischen
Sprachdenkmäler beschränken will, notwendig auch der chinesischen Sprache und Schrift einigermaßen kundig sein muß. Die
Beeinflussung des sprachlichen Ausdrucks durch Regeln der Etikette ist eine Eigenschaft, die das Japanische mit vielen
Sprachen Asiens gemein hat; die Stellung des Redenden zum Angeredeten und beider zu dem Dritten, von dem etwa die Rede ist, will
berücksichtigt sein. - Die Japaner bedienen sich verschiedener Syllabare, Irova genannt.
Jedes derselben besteht aus den Zeichen für die 48 Grundsilben, zu welchen noch das Schluß -n hinzukommt.
Alle diese Zeichen sind der chinesischen Schrift entlehnt, und ihre Reihenfolge ist nach einem Verschen geordnet, das mit »iro
va« anhebt. Die gebräuchlichsten Syllabare sind das Katakana (s. die »Schrifttafeln«),
eine Kürzung chinesischer Zeichen, meist nur in zweisprachigen Texten angewandt, und das Firakana, die im Verkehr üblichste
Schrift, dabei die schwierigste; denn in ihr kann jede Silbe durch eine größere oder geringere Anzahl
Zeichen der chinesischen Schnellschrift (Thsao) ausgedrückt werden. Doppelpunkte und Ring zur Rechten des Buchstabens dienen
dazu, aus f: b, p, aus t: d, aus k: g, aus s: z zu machen. Um das Verständnis chinesischer Texte und deren
Ablesung in japanischer Sprache zu erleichtern, ist ein Notensystem erfunden worden.
Neuerdings herrscht in Japan eine starke Strömung zu gunsten der Einführung der europäischen (lateinischen) Schrift. An der
Spitze der Bewegung steht die Gesellschaft Romaji-kai, die durch eine Zeitung für Verbreitung ihrer Bestrebungen wirkt. Grammatiken:
von Alvarez (Amacusa 1593), Rodriguez (Nagasaki 1604, Macao 1620, Par. 1825), Collado (Rom 1632), Oyan-guren
(Mexiko 1738), de Rosny (Par. 1857, 4. Ausg. 1872), Donkar Curtius (Leid. 1857, Par. 1861), Alcock (Schanghai 1861), Hoffmann (Leiden
1868; deutsche Ausg., das. 1877; mit dem Nachtrag: »Japanische Studien«, das. 1878), Brown (Schanghai 1863), Aston (Lond. 1872),
Noack (Leipz. 1886), Chamberlain (Lond. 1887). Wörterbücher: von Calepini (Amacusa 1595, Rom 1870, Par.
1870);
anonyme: Nagasaki 1603, Manila 1630;
von Collado (Rom 1632-38), Meadhurst (Batav. 1830, 1839), Goschkewitsch (Petersb.
1857), de Rosny (Par. 1857), Pagès (das. 1858), Hepburn (2. Aufl., Lond.
1872), Satow und Massakata (»English-Japanese dictionary«, 2. Aufl.,
das. 1879), Lehmann (Tokio 1877).
[Litteratur.]
Unsre Kenntnis von der japanischen Litteratur ist noch immer eine verhältnismäßig oberflächliche.
Zahlreiche
Hände sind jahraus jahrein thätig, ihre Schätze zu Tage zu fördern und uns zugänglich zu machen; allein den Umfang und
Wert
des gewaltigen Materials können wir kaum erst ahnen, geschweige denn bemessen. Dieselbe Regsamkeit, Gewandtheit
und Empfänglichkeit, mit der die Japaner sich heute die Errungenschaften europäischen Wissens und Denkens zu eigen machen,
haben sie auch damals bewährt, als sie zuerst chinesische Kultur und dann buddhistisch-indische Religion auf ihren Boden verpflanzten.
Und was diesem selbst ureigen ist, seine Geschichte, seine Geographie, sein Natur- und Kulturleben, haben
sie früh schon in den Bereich ihrer vielseitigen Schriftstellerei gezogen. Selbständige Denker auf philosophisch-theologischem
Gebiet sind uns nicht bekannt; es scheint, daß man sich mit der Durchsuchung und Verarbeitung chinesischer und indischer
Quellen begnügt hat. Neuerdings halten öffentlich angestellte Prediger populäre Vorträge über Gegenstände der Moral, und
die uns davon vorliegenden Proben können in ihrer Lebensfrische, ihrer Gemütsinnigkeit und ihrem gesunden Humor geradezu
als Muster volkstümlicher Beredsamkeit bezeichnet werden. Die einheimische (Schinto-) Mythologie hat sorgfältige Bearbeitungen
erfahren. Die Geschichtschreibung folgt dem chinesischen Muster; sie ist sehr reich vertreten, aber chronikmäßig trocken.
Geographie und Naturwissenschaften sind immer, soviel wir wissen, beschreibend, nicht spekulativ behandelt;
die japanische Landeskunde ist mit großer Liebe gepflegt, und die zahlreichen Werke dieser Gattung versprechen eine wertvolle
Ausbeute. Überall ist die encyklopädische Tendenz vorherrschend, und eigentliche Encyklopädien sind in Japan ebenso beliebt
und womöglich noch verbreiteter als in China, nur scheinen sie mehr dem praktischen als dem wissenschaftlichen
Interesse und nebenbei der Befriedigung einer harmlosen Neugier zu dienen. Daher die Vorliebe für illustrierte Bücher, deren
Abbildungen trotz der naivsten Zeichenfehler meist lebendig und sprechend sind. Zu den Werken dieser Art gehören auch die
technologischen Sammelwerke, deren Studium auch für uns nicht ohne praktischen Nutzen bleiben dürfte.
Auch hier jedoch herrscht mehr gewissenhafte Empirie als wissenschaftliche Untersuchung vor. Die Lehrthätigkeit scheint seither
mehr im Anweisen als im Beweisen bestanden zu haben, und nur an dem Studium der chinesischen Weltweisen wurde der kritische
Sinn bei der gebildeten Jugend geübt. Diese Beschäftigung mit ausländischen Schriftstellern war aber
für die Pflege der Sprachkunde ebenso förderlich, wie sie für die Sprache selbst nachteilig wurde; denn letztere nahm eine
Menge Wörter und Redensarten aus dem so ganz anders gearteten Chinesischen in sich aus. Aber gerade der Gegensatz zwischen den
beiden so vermählten Sprachen mochte wiederum das Bedürfnis zum Studium beider wecken. Daher zahlreiche
lexikalische und sogar grammatikalische Arbeiten, welche sich nächst dem Japanischen und Chinesischen auch auf das Sanskrit,
das Koreanische, die Ainosprache und neuerdings auf die wichtigern europäischen Sprachen erstreckt haben. Mit viel Verständnis
und Liebe ist für die Bedürfnisse der niedern Volksklassen und der Kinder Sorge getragen. Für ein wahres
Spottgeld kauft der arme Mann ein dickes Buch, das so ziemlich alles enthält, weswegen er ein Buch zu Rate ziehen möchte,
unter anderm auch ein (chinesisches) Fremdwörterbuch, die Anweisung zu den gewöhnlichen mathematischen Operationen, Briefsteller
etc. Illustrierte Volksbücher im engern Sinn erzählen bald Erfundenes, bald interessante historische Begebenheiten.
Für die Jugend