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machte. Ein Jahr später wurde Taka-uji Shogun. Das Shogunat der Ashikaga dauerte von 1334 bis 1573. Als wichtigstes Ereignis während desselben ist die Entdeckung Japans durch Mendez Pinto 1542 und die Ausbreitung des Christentums durch Francis Xaver (1549) und andre portugiesische Jesuiten zu erwähnen. Sonst war diese Periode die Zeit der großen politischen Verwirrung, der rechtlosesten und trübseligsten Zustände sowie großer sittlicher Entartung des buddhistischen Mönchtums.
Ota Nobunaga, ein Taira, machte ihr (1573) ein Ende. Derselbe stürzte den letzten Ashikaga, stellte Ordnung und das Ansehen des Mikado wieder her und begünstigte das Christentum gegenüber der ihm verhaßten buddhistischen Priesterschaft. Aus diesem Grund wurde er in den Jesuitenschriften seiner Zeit gepriesen, obgleich er in Gesinnung und Lebenswandel dem Christentum fern stand. Nach seinem Tod (1582) folgte ihm Toyotomi Hideyoshi, ein großes Kriegsgenie und Günstling Nobunagas.
Dieser hatte ihn als Bauernjungen mit affenartigem Gesicht, [* 2] aber sehr schlauem, intelligentem Blick entdeckt, erst zu seinem Stalljungen, dann zum Soldaten gemacht und zu einem hervorragenden Heerführer herangebildet. Hideyoshi übertraf seinen Meister an Kriegsglück und in der Kunst zu regieren. Nachdem er die Herrschaft an sich gerissen hatte, that er viel zur Beruhigung und friedlichen Entwickelung des Landes und seiner Hauptstadt Kioto. Dann aber führte er seinen Lieblingsplan aus, die Expedition gegen Korea, welche er auf Kiushiu organisierte; deren Zweck war: die Bewohner dieser Halbinsel zur alten Lehnspflicht und zum Zahlen von Tribut an J. zurückzubringen. Er rüstete zwei Heere aus, ein christliches unter Führung von Konishi Yukinaga (Don Augustin der Jesuiten), das andre unter Kato Kiyomasa bestand aus Heiden.
Konishi landete vor seinem Feind und Rivalen im April 1592 und eroberte ansehnliche Teile der Halbinsel. Später, als sich China [* 3] einmischte, ging es beiden Führern jedoch schlecht, und nachdem endlich Taikosama, wie Hideyoshi auch viel genannt wird, 1598 gestorben war, rief man, wie er es gewünscht hatte, die Truppen aus Korea zurück. Nun gab es für dieselben in J. selbst zu thun, im Kampf nämlich um das Erbe Hideyoshis. Dieser hatte es seinem Sohn zugedacht und für denselben auch Konishi gewonnen. Als Gegner trat Tokugawa Iyeyasu (spr. ijejasu) auf, der Mikawahäuptling, wie er früher hieß, welcher sich mit Hideyoshis Hilfe zum Herrn des Kuwanto emporgeschwungen u. Jedo zu seiner Residenz gemacht hatte. Auf seiner Seite standen auch einige christliche Fürsten des Südens. Im J. 1600 kam es bei Sekigahara am Biwasee zur Schlacht, der blutigsten und folgenschwersten, welche in J. je stattgefunden hat. Iyeyasu ging daraus als Sieger hervor.
Die Schlacht bei Sekigahara bildet den großen Wendepunkt in der japanischen Geschichte. Mit ihr beginnt das Shogunat der Tokugawa und dauert bis zum Jahr 1868. Es brachte dem Land Gesetz und Ordnung, einen 250jährigen Frieden nach längern innern Wirren, eine Zeit, in welcher das Feudalsystem seine größte Ausbildung und unter seinem Schutz das Kunstgewerbe seine eigenartige Entwickelung erhielt. Um fremde Einflüsse möglichst abzuhalten, wurde das Christentum ausgerottet und der Verkehr allein in Nagasaki auf Holländer und Chinesen beschränkt.
Alles dies geschah von Iyeyasu und seinem thatkräftigen Enkel Iyemitsu, um ihre Herrschaft zu befestigen und ihrer Familie zu erhalten. Die Gesetze, welche Iyeyasu, nachdem er die Regierung seinem Sohn abgetreten hatte, mit einigen Freunden zu diesem Zweck entwarf, regeln alle Beziehungen der verschiedenen scharf geschiedenen Stände zu einander. Sie lehnen sich eng an die Lehre [* 4] des Konfutse von den fünf Universalpflichten und Beziehungen der Menschen zu einander an, nämlich zwischen Herrschern und Unterthanen, Eltern und Kindern, Mann und Frau, Geschwistern und Freunden.
Die Bevölkerung [* 5] zerfiel in den Mikado und seine Familie nebst den Kuge, in den Wehrstand oder die Daimios und Samurai und den Nährstand oder die Heimin (spr. hemin). Die Doktrin von der himmlischen Abkunft des Herrschers oder Mikado hatte sich durch alle Wechsel der Zeiten, über Machtlosigkeit, Unfähigkeit und selbst Gemeinheit des Trägers hinweg erhalten. Iyeyasu aber zog daraus für sich und sein Haus die nötigen Konsequenzen. Suaviter in modo et fortiter in re, nahm er seinem Herrn alle Gewalt und drückte ihn zu einem bloßen Schatten [* 6] herunter, indem er ihm sogar Zeremoniell und Einkünfte vorschrieb.
Als Tennô durfte er sich nicht mit den gemeinen Fragen und Aufgaben des Lebens befassen, erlaubte ihm die Etikette nicht, sich vor den gewöhnlichen Sterblichen zu zeigen. Auch den Kuge oder dem Hofadel ließ Iyeyasu wenig mehr als den Stolz auf ihre alte Abstammung und ihren hohen Rang. Damit unter den Daimios oder Feudalherren des Landes die 18 Kokushiu oder Herren von Provinzen sich nicht gegen ihn und sein Haus verbinden möchten, trennte er ihre Fürstentümer durch die Besitzungen der ihm treu ergebenen Fudai Daimios, welche aus seinen Vasallen hervorgingen, während er seinem Gefolge, den 80,000 Hatamotos, eine bevorzugte Stellung unter den Samurai anwies und daraus seine Leibgarde und untern Beamten nahm.
Den Samurai aber oder der privilegierten erblichen Soldatenklasse wußte er Stolz auf ihre Schwerter [* 7] und Privilegien und ein großes Ehrgefühl einzuflößen, während das gemeine Volk in knechtischer Unterwürfigkeit erhalten wurde. Hatten vorher die Vasallen ihrem Lehnsherrn einmal einen Unterthänigkeitsbesuch zu machen, so wurden nunmehr die Daimios genötigt, dies öfter zu thun und jedes zweite Jahr in Jedo zu wohnen sowie während der übrigen Zeit ihre Familien daselbst als Bürgschaft für ihr Wohlverhalten zurückzulassen. Beim ganzen Regierungssystem aber war Furcht das Hauptmotiv zum Gehorsam und Spionage die Erhalterin der Furcht. Dieses System, das Iyeyasu eingeleitet, sein Enkel Iyemitse aber noch weiter ausgebildet hatte, bewährte sich auch dann noch, als ihre Nachfolger Schwächlinge waren und die Gewalt in den Händen ihrer Minister: des Bakufu, lag.
Das Christentum hatte sich, seit es 1549 durch die portugiesischen Väter, die Schüler Loyolas, Xaver, Fernandez und de Torres verkündigt wurde, rasch verbreitet, insbesondere im südlichen J., wozu namentlich de Torres während 21 Jahren einer aufopfernden Thätigkeit durch Wort und Beispiel viel beigetragen hatte. Um das Jahr 1581 zählte man im südlichen und mittlern J. schon 150,000 Christen und an 200 Kirchen. Sechs Daimios von Kiushiu und benachbarten Inseln bekannten sich zu ihm, und selbst an den Höfen zu Jedo und Kioto besaß es manchen warmen Freund. Unter dem Einfluß des Superiors Valignan richteten 1582 die Daimios von Bungo, Omura und Arima eine Gesandtschaft an den Papst und den König von Portugal [* 8] und Spanien aus. Dieselbe kam erst im August 1584 in Lissabon, [* 9] ein Jahr darauf in Rom an. [* 10] Als sie später nach achtjähriger Abwesenheit 1590 wieder in Nagasaki landete, fanden ¶
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ihre Mitglieder wesentlich veränderte Verhältnisse. Nobunaga, der Beschützer des Christentums, war gestorben, Kriege und die feindliche Haltung Hideyoshis hatten die Besitzverhältnisse zum Nachteil der christlichen Daimios verändert, das Christentum hatte die ersten Verfolgungen und Märtyrer kennen gelernt. Bald folgten weitere nach. Am wurden in Nagasaki auf Befehl des Hideyoshi (Taikosama) gekreuzigt: 3 portugiesische Jesuiten, 6 spanische Franziskaner und 17 einheimische Christen. Am Pfingstfest 1862 erfolgte durch Papst Pius IX. die Kanonisation derselben, welche schon 1627 von den Franziskanern beantragt, der Kosten wegen aber nicht ausgeführt worden war.
Iyeyasu war den Christen anfangs wohlgesinnt. Erst als die ankommenden Holländer und Engländer ihn vor den katholischen Priestern, ihrer Verräterei und Herrschsucht warnten, erneuerte er Taikosamas Verbot gegen das Christentum und ging wenige Jahre darauf schärfer gegen dasselbe vor. Die blutigen Verfolgungen der Christen, deren Zahl allmählich auf 600,000 gestiegen war, und die Ausrottung des Christentums fällt unter die Herrschaft des Sohns und Enkels von Iyeyasu und in die Zeit von 1617 bis 1637. Es ist eine ewige Schmach für die Holländer, daß sie die Japaner dabei unterstützten.
Die Beschreibung all der ausgesuchten Qualen, welche die Christen dabei zu erdulden hatten, liest sich wie ein Kapitel aus Dantes Hölle; die Freudigkeit und Standhaftigkeit, mit welcher Tausende ihres Glaubens wegen starben, wirkt erhebend auf jedes Christenherz. Der Haß gegen das Christentum hatte sich allmählich entwickelt, als staats- und gesellschaftverderbende Religion wurde es von nun an bis zum Jahr 1873 an den Pranger gestellt und vor ihm gewarnt. Wo jemand desselben verdächtig war, wurde ihm das Bildnis Christi vorgelegt, daß er es durch Betreten verachte.
Ist es nicht wunderbar, daß ungeachtet all dieser und andrer Mittel, die verhaßte Religion auszurotten, sich im stillen bei Nagasaki im Dorf Urakami eine Gemeinde dieser Dschashumon oder »verderbten, bösen Sekte« bis in die Neuzeit erhalten konnte? Dem fast ausschließlichen Verkehr der Portugiesen mit J. von 1542 bis 1624 folgte der ebenso ausschließliche und viel beschränktere der Holländer und Chinesen bis 1854. Auf Deshima (s. d.) bei Nagasaki wohnten von 1641 an die 12-20 Beamten der Holländisch-Ostindischen Handelsgesellschaft und ließen sich der großen Vorteile ihres Monopols wegen die drückendsten und demütigendsten Bedingungen und Behandlungen gefallen, unter welchen die schimpflichsten die sind, welche ihnen jede Äußerung ihrer Religion verboten. Daß wir dieser Zeit und besonders den Ärzten in holländischen Diensten: Kämpfer, Thunberg und v. Siebold, unsre ersten bessern Kenntnisse von J. verdanken, darf nicht unerwähnt bleiben;
ebensowenig der große Einfluß, den holländische Bücher und Handelsartikel mit der Zeit auf viele intelligentere Japaner übten.
Eine neue Zeit und eine Bewegung ohnegleichen brach 1854 mit der Landung der Perry-Expedition über J. herein, in deren Folge Shogunat und morsches Feudalsystem über den Haufen geworfen, mit alten Vorurteilen gebrochen, die Verkehrs- und Religionsschranken allmählich beseitigt, begierig das Fremde eingeführt und diejenigen als Lehrer berufen wurden, die man noch kurz zuvor als fremde Barbaren gehaßt und verachtet hatte. Kommodore Perry war der geistige Urheber der nach ihm benannten nordamerikanischen Expedition und ihr glücklicher Führer.
Durch die Entfaltung einer den Japanern imponierenden Macht, wie sein Geschwader sie gewährte, und viel Etikette, durch Anlage und Benutzung einer kleinen Eisenbahn und Telegraphenleitung, durch taktvolles und festes Auftreten erlangte er von den Japanern das, wonach bisher verschiedene europäische Regierungen vergeblich gestrebt hatten, nämlich einen Handelsvertrag und die Eröffnung mehrerer Häfen für amerikanische Schiffe. [* 12] Die andern seefahrenden Nationen folgten bald seinem Beispiel, so daß zehn Jahre später die Häfen Jokohama (Kanagawa), Jedo, Hiogo, Osaka, Nagasaki, Niigata und Hakodate dem fremden Verkehr geöffnet waren und Fremde sich in ihnen niederlassen und innerhalb eines Umkreises von 10 Ri (5 geogr. Meilen), der allgemeinen Vertragsgrenze, frei bewegen konnten.
Sie standen und stehen noch unter der Jurisdiktion ihrer Konsuln und genießen deren Schutz. Durch diese Verträge, welche der Bakfu oder die Regierung des Shogun in Jedo abschloß, geriet sie in Widerspruch mit der noch herrschenden Antipathie gegen alles Fremde. Die Unzufriedenheit wurde durch einige Kuge in Kioto sowie andre hervorragende Männer genährt und geleitet und dann dazu benutzt, das Shogunat und seine Regierung verächtlich zu machen und zu schwächen, um es endlich zu stürzen und den Mikado auch faktisch wieder an die Spitze des Landes zu stellen.
»Ehrt den Mikado und vertreibt die fremden Barbaren« wurde der Wahlspruch aller Feinde der Fremden. Als jedoch Kämpfe mit den Engländern vor Kagoshima (1863), mit Engländern, Franzosen, Holländern und Nordamerikanern vor Shimonoseki (1864) die tapfersten und kriegslustigsten Clans des Landes, die von Satsuma und Choshiu, belehrt hatten, daß das Vertreiben der Barbaren nicht gehe, diese auch bei näherer Betrachtung manches Nachahmenswerte besäßen, wurde eine Annäherung an dieselben angebahnt und nur noch die Beseitigung des Shogunats und Restauration der Mikadoherrschaft eifrig verfolgt.
Die Leiter der Bewegung waren die Kuge Iwakura und Sanjo in Kioto, die Samurai Kido in Choshiu und Saigo und Okubo in Satsuma sowie verschiedene andre. Im J. 1868 kam es zum Bürgerkrieg, blutigen Kämpfen zwischen dem Süden, welcher die Sache des Mikado führte, und den trotz vielen Wankelmuts und großer Schwäche des Shogun selbst sehr treuen Anhängern seiner Herrschaft im Norden. [* 13] Dieselben begannen vor Kioto, setzten sich dann über Osaka und Jedo nach dem Norden fort und endeten schließlich auf Jeso.
Der Sieg verblieb dem Süden. Dieser äußern Revolution folgte eine ebenso tief greifende innere nach. Hierzu gehörten unter andern:
1) die Ergreifung der Regierung durch den Mikado und die Verlegung seiner Residenz nach Jedo, das von da ab Tokio [* 14] genannt wurde;
2) die Mediatisierung der Daimios und die Reorganisation des Heers und der Flotte nach europäischen Mustern, ebenso der Verwaltung;
3) die Erneuerung und Sanktionierung der Verträge mit den fremden Mächten;
4) die Berufung fremder Lehrer für Schulen, Armee, Flotte, Bergbau, [* 15] Eisenbahnbau [* 16] etc.;
5) das gesamte, nach noch vielen andern Richtungen sich äußernde Bestreben, möglichst rasch sich die Vorteile der abendländischen Kultur anzueignen, bei welchem natürlich vielerlei Mißgriffe nicht ausbleiben konnten. Bald zeigte sich, daß der Stand, welcher diese große Revolution zuwege gebracht hatte, die Kriegerklasse oder Samurai, unter ihren Folgen am meisten litt, soweit Intelligenz und Einfluß ihren Mitgliedern nicht vorteilhafte Stellungen in der neuen ¶