Umschwung der
Dinge durch den deutschen
Krieg 1866 wollte er nicht anerkennen, trat vielmehr im
Landtag wie in der von ihm begründeten
Zeitung »Die Zukunft« aufs entschiedenste der
Politik der
Regierung, der er regelmäßig das
Budget verweigerte, entgegen, bekannte
sich zuletzt zu republikanischen, ja antinationalen
Grundsätzen, erklärte die EinigungDeutschlands
[* 2] für
das
Grab der
Freiheit und wurde in seinen
Ansichten um so schroffer, je mehr er sich vereinzelt sah.
BeimAusbruch des
Kriegs 1870 wurde er als Stimmführer der internationalen
Demokratie auf Befehl
Vogel v.
Falckensteins verhaftet
und einige Zeit in der
Festung
[* 3]
Lötzen interniert. Er erklärte sich auch sofort gegen die
Annexion von
Elsaß-Lothringen.
[* 4] Einer
Niederlage in seinem
Berliner
[* 5] Wahlkreis bei den
Neuwahlen 1871 beugte er durch
Ablehnung der Kandidatur
vor und zog sich ganz vom politischen
Leben zurück, für das er infolge seiner eigensinnigen Rechthaberei alles Verständnis
verloren hatte. J. starb in
Königsberg.
[* 6] Er veröffentlichte: »Gesammelte
Schriften und
Reden«
(Hamb. 1872, 2. Bde.; Nachträge 1877).
Aus seinem
Nachlaß gab
Rühl heraus:
»Geist der griechischen Geschichte« (Berl. 1884).
Später lebte er in strenger
Askese in seiner Vaterstadt, wo er 1306 starb und in der Fortunatuskirche begraben ward. Seine
teils rohen, teils gefühlswarmen, häufig eindringlichen und schwungreichen Gedichte (darunter beißende
Satiren auf
Bonifacius
VIII. in der
Lingua volgare) lebten im
Munde des
Volkes. Das bei weitem bedeutendste derselben ist die berühmte,
bereits im 13. Jahrh. ihm allgemein zugeschriebene Osterhymne
»Stabat mater«, nächst dem
»Dies irae« das ergreifendste und
zugleich volkstümlichste
Produkt der mittelalterlichen Kirchendichtung. Zuerst 1490 zu
Florenz
[* 20] gedruckt, erlebten seine
»Poesie«
zahlreiche
Auflagen; deutsch von
Julius
(Münster
[* 21] 1853).
Vgl.
Ozanam, Les poètes franciscains en
Italie (Par.
1852);
Seit 1818 trat er in
Löwen mit seiner
Methode des Universalunterrichts hervor, die viele Anhänger, besonders in
Belgien,
[* 26]
Frankreich
und der
Schweiz,
[* 27] aber auch gewichtige Gegner, namentlich in
Deutschland
[* 28]
(Alberti,
Chr.
Schwarz u. a.), fand. Seine
Grundsätze
klingen paradox. Er geht von den
Sätzen aus:
»AlleMenschen haben gleicheIntelligenz« und
»Alles ist in
allem«. Dennoch liegt in ihnen viel Wahres, sofern es sich einerseits um gesunde, normal entwickelte
Menschen und anderseits
um die Grundelemente alles
Erkennens handelt. Am deutlichsten tritt dies in seiner
Methode des ersten
Sprachunterrichts hervor,
die auch am vollkommensten entwickelt ist. Er wählt für diesen den Weg der
Analyse, indem
er denSchüler
nicht zunächst
Buchstaben kennen lehrt und zu
Silben, diese aber zu Wörtern,
Sätzen etc. zusammensetzen läßt, sondern gerade
umgekehrt, von einem auswendig gelernten kurzen
Satz ausgehend, zu Wörtern,
Silben,
Lauten gelangt.
Damit soll zugleich der Schreibunterricht und die sachliche Besprechung des
Inhalts verbunden werden,
so wie auch der eigentliche
Sprachunterricht, ohne Anwendung einer
Grammatik, an sie geknüpft wird. In
Deutschland fand die
Leselehrmethode Jacotots seit 1840 Eingang durch Seltzsam in
Breslau
[* 29] und später in etwas veränderter Gestalt (auf Normalwörter
begründet) durch
Vogel in
Leipzig,
[* 30] der selbständig zu ähnlichen
Grundsätzen wie J. gelangt war. In dieser
veränderten Gestalt ist sie weit verbreitet unter dem
Namen der Normalwörter-,
Vogel-Böhmeschen oder
Kehr-SchlimbachschenMethode. Jacotots
»Méthode d'enseignement universel« wurde mehrfach übersetzt, z. B. von
Braubach (Marb. 1830, mit
Erläuterungen)
und in Auswahl von Göring
(Wien
[* 31] 1883).