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lebender Gelehrten und der viel umhergewanderte Arzt Giovanni Cinelli-Calvoli aus Florenz [* 2] (gest. 1706) in seiner »Biblioteca volante« eine sehr brauchbare Sammlung unzähliger kleiner Schriften. Reicher noch ist die »Biblioteca dell' eloquenza italiana« von Giusto Fontanini (gest. 1736). Der erste, wenn auch schwache Versuch einer wirklichen Geschichte der italienischen Litteratur ist die »Idea della storia dell' Italia letterata« von Giacinto Gimma (gest. 1735). Wichtige Werke über die i. L. sind noch G. Maria Crescimbenis (gest. 1728) »Storia della volgar poesia«, einen großen Schatz von litterarischen Notizen enthaltend, aber im höchsten Grad unkritisch und unzuverlässig; des Jesuiten Francesco Saverio Quadrio (gest. 1756) »Storia e ragione d'ogni poesia«, auch die Litteratur andrer europäischer Völker umfassend, und die »Scrittori d'Italia« des Grafen Giovanni Maria Mazzucchelli (gest. 1765),
ein Werk unendlichen Fleißes, aber unvollendet. Bedeutend höher als die Genannten durch gesundes Urteil und Kritik steht Girolamo Tiraboschi (gest. 1770),
dessen »Storia della letteratura italiana« nur an dem Fehler allzu kleinlicher biographischer und bibliographischer Untersuchungen leidet. Eine Fortsetzung seines Werkes für das 18. Jahrh., aber in jesuitischem Geist, lieferte Antonio Lombardi, eine weitere für das erste Viertel des 19. Jahrh. Ant. Levati. Eine Galerie von Lebensbeschreibungen ausgezeichneter Italiener sind die »Secoli della letteratura italiana« von Giambattista Corniani (gest. 1813),
welche sich vom 13. bis über die Mitte des 18. Jahrh. verbreiten, und in derselben Art, aber mit mehr Kenntnis und Geist verfaßt ist die Fortsetzung dieses Werkes von Camillo Ugoni (gest. 1856) unter dem Titel: »Della letteratura italiana«, welche bis zum Ende des 18. Jahrh. reicht. Ein die ganze Litteratur des Altertums und der neuern Zeit umfassendes, aber wenig gründliches Werk ist: »Dell' origine, progresso e stato attuale d'ogni letteratura« von dem Exjesuiten Giovanni Andrès (gest. 1817). Ältere Werke, welche sich mehr auf einzelne Teile der Litteratur beschränken, sind: Antonio Mongitores »Bibliotheca sicula«, ferner der 1. Band [* 3] der »Epistolae Ambrosii Camaldulensis« (Traversari) von Lorenzo Mehus (gest. 1791),
welcher eine aus handschriftlichen Quellen geschöpfte, höchst interessante Litterärgeschichte des 13. und 14. Jahrh. enthält, Angeli Fabronis »Vitae Italorum doctrina illustrium seculi XVIII« und endlich das »Specimen historiae litterariae florentinae seculi XV« des Bibliothekars Angelo Maria Bandini (gest. 1800). Eine gute, meist aus Tiraboschi geschöpfte Übersicht des Wichtigsten aus der Geschichte der italienischen Litteratur gibt die »Storia della letteratura italiana« von Giuseppe Maffei, welche gegen das 18. Jahrh. abschließt. Um ästhetische Theorie und Kritik verdient machten sich zuerst der schon oben erwähnte Crescimbeni in seinem »Trattato della bellezza della volgar poesia«, der gelehrte Jurist Giov. Vincenzo Gravina (gest. 1718) in »Della ragion poetica«, worin er, die Nachahmung der Natur als höchstes Gesetz ausstellend, sowohl gegen Aristoteles als gegen die Marinisten zu Felde zieht, und Muratori (gest. 1750) in seinem Werk »Della perfetta poesia«. Geistreicher, aber planlos sind die ihrer Zeit vielgelesenen »Ragguagli di Parnasso« des Trajano Boccalini (gest. 1613) und deren Fortsetzung »Pietra del paragone politico«. Durch freie und unabhängige, aber oft auch launenhafte Kritik zeichnete sich vor allen Giuseppe Baretti (gest. 1789) aus. Noch sind als die Häupter derjenigen Schule, welche sich bemühte, französische Bildung in Italien [* 4] zu verbreiten, zu nennen: Francesco Algarotti (gest. 1764), Saverio Bettinelli aus Mantua [* 5] (gest. 1808, »Lettere Virgiliane«, »Risorgimento d'Italia« etc.) und Melchiore Cesarotti (gest. 1808, »Saggio sulla filosofia della lingua«).
Während die Jurisprudenz seit dem durch die Philosophie herbeigeführten Verfall der Scholastik keine bedeutenden und erwähnenswerten Namen mehr aufzuweisen hat, nahmen dagegen die mathematischen und physikalischen Wissenschaften einen erfreulichen Aufschwung. Die Astronomie, [* 6] die Mathematik, die Physik, die Medizin zählen unter den Italienern des 17. Jahrh. Bearbeiter, wie sie in solcher Zahl kein andres Land aufzuweisen hat. Der glänzendste Name dieser Periode ist der des Galileo Galilei (gest. 1642), dessen Werke auch in sprachlicher Hinsicht ausgezeichnet sind. Unter seinen Schülern sind die berühmtesten: Vincenzo Viviani aus Florenz, der Erfinder des Barometers, Evangelista Torricelli (gest. 1647) aus Faenza und Benedetto Castelli aus Brescia.
Andre berühmte Mathematiker und Physiker dieser Zeit waren: Gianalfonso Borelli aus Neapel, [* 7] Domenico Guglielmini aus Bologna, Giovanni Domenico Cassini. Der Jesuit Giambattista Riccioli aus Ferrara [* 8] und Francesco Grimaldi aus Bologna gehörten zu den ausgezeichnetsten Astronomen ihrer Zeit. Die Medizin, bis dahin nur traditionell und unwissenschaftlich betrieben, mußte beim Erwachen der physikalischen Wissenschaften eine neue Gestalt annehmen. Unter ihren ersten Beförderern zeichnen sich aus: Marcello Malpighi, Lorenzo Bellini, vor allen aber Francesco Redi aus Arezzo (gest. 1697), Arzt, Naturforscher und geistreicher Dichter. Später machte sich Antonio Cocchi als Lehrer der Medizin zu Pisa [* 9] und Florenz berühmt. Als Botaniker und Mediziner war ausgezeichnet Domenico Cirillo. - Sowenig dieses Zeitalter den philosophischen Studien günstig war, so fehlte es doch nicht an einzelnen ausgezeichneten Köpfen.
Dahin gehören: Tommaso Campanella (gest. 1639), welcher hauptsächlich danach strebte, einen philosophischen Dogmatismus dem Zweifel der Skeptiker entgegenzustellen;
Giambattista Vico (gest. 1744), welcher durch sein Hauptwerk: »Principj di scienza nuova«, das erste Licht [* 10] in die Geschichte der Römer [* 11] brachte und in vielen Punkten mit den Resultaten Niebuhrs übereinstimmt.
Gegen das Ende dieser Periode, als durch den Einfluß französischer Ideen auch in Italien ein freierer Geist der Untersuchung bezüglich aller Verhältnisse des Lebens erwachte, zeichneten sich aus: Cesare Beccaria (gest. 1794), dessen lange überschätztes Werk »Dei delitti e delle pene« wenigstens das Verdienst hat, auf Abschaffung der Tortur hingewirkt zu haben, und Gaetano Filangieri aus Neapel (gest. 1788),
dessen treffliches Werk »Scienza della legislazione« leider unvollendet geblieben ist. Noch sind zu nennen: Antonio Genovesi, Ferdinando Galiani, Mario Pagano, Pietro und Alessandro Verri.
Fünfte Periode (Neuzeit).
Diese Periode begreift die neueste Zeit vom Ende des 18. Jahrh. ab. Die politischen Ereignisse der letzten Dezennien des vorigen Jahrhunderts und namentlich die französische Revolution veranlaßten eine Krisis, durch welche eine Regeneration der Sprache, [* 12] der Litteratur und des Volksgeistes überhaupt für Italien herbeigeführt worden ist. Die Nichtsthuerei, die unmännliche Weichlichkeit der höhern Stände, der kriechende ¶
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und tändelnde Sinn, welcher sich in den meisten Geistesprodukten der unmittelbar vorhergegangenen Zeit offenbart, ist unleugbar einem ernstern und würdigern Geist gewichen, und die durch ebenjene großen Begebenheiten herbeigeführte Bekanntschaft der Italiener mit deutscher und englischer Sprache und Litteratur ist nicht ohne heilsamen Einfluß geblieben. Zwei Hauptgegensätze haben sich in dieser neuern Zeit entwickelt: der eine auf dem Gebiet der Sprache, der andre, tiefere und umfassendere auf dem Gebiet der litterarischen Kritik. Durch die lange Anwesenheit der Franzosen in Italien steigerte sich deren Vergötterung, aber auch der patriotische Zorn mehrerer um ihre Nationalität besorgter Männer wurde infolge davon rege gemacht und dadurch ein Umschwung ermöglicht und herbeigeführt. Als rüstiger Vorkämpfer dieser Schule ist der um die Sprache wohlverdiente Antonio Cesari aus Verona [* 14] (gest. 1828) zu nennen, welcher durch Herausgabe alter italienischer Klassiker, durch Übersetzungen aus dem Lateinischen, durch eine weitläufige Schrift zur Erläuterung der Sprachschönheiten des Dante, vorzüglich aber durch eine mit Tausenden veralteter Wörter und Redensarten bereicherte Ausgabe des Wörterbuchs der Crusca für die Ausbildung der Sprache zu wirken gesucht hat.
Der danach entbrannte Streit zwischen Puristen und Gallizisten (Puristi und Libertini) hat sich ganz zu gunsten der erstern entschieden. Weniger zu bestimmter Entscheidung gekommen ist der zweite Gegensatz, welcher in Italien zwischen den Klassikern und Romantikern oder den Anhängern der ältern poetischen Schule und denen, welche die freiern Ansichten der Deutschen und Engländer verfochten, lange Zeit bestand. Als die bedeutendsten Erscheinungen im Anfang dieser ganzen Bewegung sind zu nennen: Gasparo Gozzi (1713-86), der in Prosa wie in Poesie, als lehrender Journalist und kämpfender Kritiker wie als Dichter bahnbrechend und als Vorbild wirkte, und Melchiore Cesarotti (1730-1808), der Übersetzer des Ossian und gleichsam der Vorläufer der modernen romantischen Schule.
Als originelles Genie folgte ihnen der Lombarde Giuseppe Parini (1729-99), ein Dichter von tiefem und reichem Gemüt und unabhängigem Charakter, dem der Unwille über die Erbärmlichkeit, namentlich der Vornehmen, seiner Zeit das satirische Gedicht »Il giorno« in die Feder diktierte, während er mit seinen Oden eine neue Ära der italienischen Lyrik eröffnete. Ihm würdig zur Seite steht der Lyriker Ippolito Pindemonte aus Verona (gest. 1828), der, von Natur weich und schwermütig, in fast allen seinen Liedern und Kanzonen eine den Italienern sonst fremde melancholische Stimmung verrät.
Unendlich mehr wirkte auf seine Zeit der piemontesische Graf Vittorio Alfieri (1749-1803), der Schöpfer der italienischen Tragödie und das Haupt einer bedeutenden Schule, in dessen nach antikem Vorbild geschaffenen, von sittlichem Pathos erfüllten Werken glühende Vaterlandsliebe und Begeisterung für die Herstellung der untergegangenen Größe der Nation lebt. Zur Schule Alfieris gehört der ihm an Charakter ähnliche Ugo Foscolo (gest. 1827), der Verfasser der »Sepolcri«, der indessen weit bekannter durch seine prosaischen Schriften, namentlich durch den Roman »Ultime lettere di Jacopo Ortis«, eine ins Politische übersetzte Nachahmung von »Werthers Leiden«, [* 15] ist. Als Lyriker sind aus dem Ende des 18. Jahrh. noch zu nennen: der Odendichter Giovanni Fantoni (gest. 1807) und besonders Giovanni Meli (gest. 1815) aus Palermo, [* 16] von welchem man reizende Gedichte in sizilischer Mundart, auch ein satirisches Gedicht, »Don Chisciotte«, hat. Den bedeutendsten Einfluß auf die Regeneration der Poesie und der Sprache seiner Zeit hat ohne Zweifel Vincenzo Monti (1754-1828) ausgeübt, dessen berühmte »Cantica in morte di Ugo Basville«, auf den Tod des 1793 in Rom [* 17] von dem Volk ermordeten französischen Gesandten Basseville, wie auch die »Visione di Ezechiello«, »Bellezza dell' Universo« etc. an Dante erinnern.
Unter den Dramatikern des 19. Jahrh., welche der Schule Alfieris angehören, gebührt unstreitig der erste Rang dem Florentiner [* 18] Giambattista Niccolini (gest. 1861),
dem Dichter des »Arnoldo da Brescia«, der mit der Einfachheit des Plans eine blühende Sprache und bei weitem mehr historische und Lokalfarbe als Alfieri verbindet. Schwächer, aber durch Liebenswürdigkeit und vaterländische Gesinnung ausgezeichnet sind die dramatischen Werke des genialen, durch die von ihm selbst beschriebene Kerkerhaft (»Le [* 19] mie prigioni«) berühmt gewordenen Silvio Pellico aus Saluzzo (gest. 1854),
dessen Tragödie »Francesca da Rimini« noch immer zu den Lieblingsstücken der italienischen Bühne zählt. Auch sein Unglücksgefährte Carlo Maroncelli (gest. 1846),
hat eine Tragödie: »Corso Donati«, geschrieben. Neben jenen bedeutendern Dichtern sind noch zu nennen: Luigi Scevola und Cesare della Valle, Herzog von Ventignano (gest. 1860), welche beide die alten mythologischen Stoffe in gewohnter Weise behandeln, der Tragödiendichter Francesco della Valle und der überaus fruchtbare neapolitanische Dramatiker Cosenza, Verfasser von etwa 300 Lust- und Trauerspielen. Eine neue Bahn im Tragischen wie auch in andern Gattungen der Poesie brach sich Aless.
Manzoni (1785-1873), dessen beide Tragödien: »Il conte di Carmagnola« und »Adelchi« mit glücklich eingeflochtenen lyrischen Chören ausgestattet sind. Als schwache Nachahmungen davon sind zu nennen: Tebaldo Fores' »Buondelmonte«, »Beatrice Tenda« und »Fieschi ed i Doria«, de Cristoforis' »Ser Gianni Caraccioli« und Rosinis »Torquato Tasso«, »Adelgisa«, »Il conte Ugolino«, »Ezzelino« u. a. Im Anschluß an die Schule Niccolinis wurde einiges Schätzbare und Wirksame für die Bühne geleistet, so von Carlo Marenco (»Pia de' Tolomei«),
von Giuseppe Revere (»Lorenzino de' Medici«),
Ippolito d'Aste, Giuseppe Pieri (»Ippolito e Dinora«) u. a. Im ganzen aber geriet die dramatische Dichtung der Italiener in einen Verfall, aus welchem sie erst gleichzeitig mit dem Erwachen des nationalen Bewußtseins nach 1848 sich erhob. Eine Dichterkraft von epochemachender Bedeutung blieb dem italienischen Theater [* 20] freilich auch jetzt versagt, und auf dem Gebiet der Tragödie sind nur zwei Poeten zu nennen, welche in den letzten Dezennien längere Zeit die italienische Bühne wirklich beherrscht haben: Giacometti und der jüngere (Leopoldo) Marenco. Paolo Giacometti (gest. 1882) errang zahlreiche Triumphe nicht bloß in der Tragödie, sondern auch im Schauspiel und Lustspiel; aber der volle und ungeteilte Beifall scheint von seiten der Kritik nur seinem »Sofocle« gegönnt. Leopoldo Marenco machte verschiedene Phasen durch, versuchte es bald mit der Tragödie, bald mit dem Familienstück, jetzt mit dem Ritterschauspiel, dann wieder mit dem modernen Sittenbild, und in jeder dieser Phasen fand er nicht bloß Lorbeeren, sondern auch zahlreiche Nachahmer. Groß ist neben diesen beiden die Zahl derjenigen, welche oft nur mit einzelnen ihrer tragischen Werke sich eines vorübergehenden Erfolgs erfreuten. Wir ¶