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Zeit zum erstenmal gedruckt ist »Fortunatus Siculus ossia l'aventuroso Siciliano, di Bosone da Gubbio«, angeblich 1311 von einem Freunde des Dante geschrieben. Der Belehrung oder Erbauung gewidmet sind des Piero de' Crescenzi »Trattato dell' agricoltura« und Jacopo Passavantis (gest. 1357) »Specchio di vera penitenza« sowie die vielen, aber in roher Sprache, [* 2] zum Teil aus dem Lateinischen übersetzten asketischen Schriften des Fra Domenico Cavalca aus Pisa [* 3] (gest. 1342). Ausgezeichnet für die Sprache sind die »Ammaestramenti degli antichi« von Bartolommeo da Santa Concordia aus Pisa (gest. 1347) sowie Agnolo Pandolfinis (gest. 1446) »Trattato del governo della famiglia«, ein Buch voll gesunder Lebensregeln in einfacher und kerniger Sprache.
Unter den berühmten Rechtsgelehrten dieser Periode, die zugleich eine wissenschaftliche Litteratur schufen, ist zuerst Irnerius als derjenige zu nennen, welcher die bisher gebrauchten dürftigen Auszüge beseitigte und dafür das Studium der Quellen wieder in Aufnahme brachte. Die berühmtesten Glossatoren des 13. Jahrh. sind: Pillius, Azzo, Odofredus, Accursius, Bartolus von Sassoferrato und Baldus von Perugia. Als der berühmteste Kanonist dieser Periode gilt J. ^[Johannes] Andreä, welcher einen lange Zeit hochgeschätzten Kommentar (»Novellae«) verfaßte.
Zweite Periode (15. Jahrh.).
Die zweite Periode umfaßt das 15. Jahrh., welches für Italien [* 4] das Zeitalter der Philologie ist. In keinem andern Land ist das wieder erwachte Studium des Altertums mit so großem und allgemeinem Eifer und so glänzendem Erfolg betrieben worden wie damals in Italien. Mit einem Ernst ergab man sich diesen Studien, der nicht bloß die Kenntnis des Altertums erwerben, sondern dieses selbst in Gesinnung und Leben, sogar mit Hintansetzung des Christentums, wieder auferwecken wollte.
Aus Petrarcas Schule ging der Mann hervor, welcher weniger durch Schriften als durch sein Lehrtalent am meisten zur Verbreitung dieser Studien beigetragen hat, Giovanni da Ravenna (gest. 1420), dessen unmittelbare oder doch mittelbare Schüler fast alle berühmten Philologen jener Zeit gewesen sind. Die Häupter der philologischen Schule ihrer Zeit, durch Schriften, aber auch durch wütende Streitigkeiten berühmt, sind: Poggio Bracciolini (gest. 1459), Francesco Filelfo (gest. 1481), Laurentius Valla (gest. 1457), Angelo Poliziano (gest. 1494), Marsiglio Ficino (gest. 1499). Ihnen standen würdig zur Seite: Leonardo Bruni (gest. 1444), Ambrogio Traversari, bekannter unter dem Namen Ambrosius Camaldulensis (gest. 1439), Cristoforo Landino (gest. 1504), Pico von Mirandola (gest. 1494) u. a. Bei dem Eifer, sich ausschließlich mit dem Altertum zu befassen und die hinterlassenen wissenschaftlichen Schätze der alten Griechen und Römer [* 5] auszubeuten, konnte es nicht fehlen, daß auch dichterische Geister zu ihren poetischen Erzeugnissen der alten römischen Sprache sich bedienten. Zu den berühmtesten lateinischen Dichtern dieses Zeitraums gehören, außer einigen der vorhin schon genannten Philologen, namentlich Filelfo, noch folgende: Matteo Veggio aus Lodi (gest. 1458), Tito Vespasiano Strozzi (gest. 1508) und sein Sohn Ercole, Battista Mantovano (gest. 1516), Antonio Beccadelli, bekannter unter dem Namen Panormita, auch als Geschichtschreiber von Ruf (gest. 1471), und sein Schüler Giovio Pontano (gest. 1503);
auch ein Grieche von Geburt, M. Marullo Tarchaniota (gest. 1500).
Im Vergleich mit der vorigen Periode erscheint diese zweite arm an bedeutenden Schriftstellern in der Muttersprache; das allgemeine Verlangen der Schriftsteller, sich an die Alten anzuschließen und die römische Litteratur gleichsam fortzusetzen, ließ die in italienischer Sprache geschriebenen und ebendarum jedem zugänglichen Werke als unbedeutend und plebejisch erscheinen. Ganz besonders dürftig ist in dieser Hinsicht der Anfang dieses Abschnitts, und in dem ganzen ein Jahrhundert langen Zeitraum von dem Tod Petrarcas (1374) bis auf die glänzenden Zeiten Lorenzos des Erlauchten, am Ende des 15. Jahrh., sind kaum zwei oder drei Dichter von einiger Bedeutung zu nennen. Giusto de' Conti da Valmontone (gest. 1449) wird als einer der glücklichsten Nachahmer Petrarcas betrachtet, obgleich bei ihm oft genug gesuchter Witz die Stelle des Geistes und des Gefühls vertritt. Der lustige Barbier Domenico Burchiello (gest. 1448) zu Florenz [* 6] hat eine Sammlung jetzt fast vollkommen unverständlicher Sonette hinterlassen, welche von den Liebhabern florentinischer Volkswitze lange Zeit hoch geschätzt und von mehreren kommentiert worden ist. Die Manier seiner Sonette hat sogar Nachahmer gefunden, und solche Gedichte wurden »Burchiellesca« genannt. Erst gegen das Ende des 15. Jahrh. wendeten sich auch bedeutende und edle Geister wieder der lange vernachlässigten und verachteten Muttersprache zu. Namentlich verdient Lorenzo de' Medici (gest. 1492) neben die bessern Lyriker Italiens [* 7] gestellt zu werden, insofern er sich durch die Gewandtheit, Anmut und den Geist, womit er kleine Ereignisse seines Privatlebens und geselligen Kreises zu artigen Werken scherzenden und satirischen oder auch ernsten Inhalts zu benutzen verstand, auch als Improvisator weit über seine Zeitgenossen erhebt. Neben ihm und als Genosse seiner Studien ist vornehmlich Angelo Poliziano (gest. 1494) zu nennen, dessen »Favola d'Orfeo« das erste selbständige und wirklich ausgeführte italienische Drama ist. Zu den nähern Freunden Lorenzos gehörten ferner die drei Dichterbrüder Bernardo, Luca und Luigi Pulci, von denen sich aber nur der dritte, Luigi (gest. 1487), einen bleibenden Namen erworben hat.
Durch sein romantisches Rittergedicht »Morgante Maggiore«, in welchem ein Stoff aus dem Sagenkreis von Karl d. Gr., der bisher schon roh-volksmäßige Bearbeitungen durch herumziehende Sänger erfahren hatte, zum erstenmal in kunstmäßiger Gestalt erscheint. In ernsterer Weise behandelte das Rittergedicht Matteo Maria Bojardo, Graf von Scandiano (gest. 1494), in seinem demselben Sagenkreis angehörigen Heldengedicht »Orlando innamorato«, besonders indem er die edlere Liebe, welche bisher der Sage von Roland gefehlt hatte, derselben als einen neuen Schmuck zuwendete.
Sein Hauptverdienst jedoch ist, daß er nicht allein den schon vor ihm bekannten Helden der Sage scharf ausgeprägte und durchgeführte Charaktere gegeben, von denen seine Nachfolger nicht abzuweichen wagten, sondern daß er auch mit wahrhaft schöpferischer Kraft [* 8] eine bedeutende Zahl selbsterfundener Helden hinzugedichtet und ihnen durch seine Darstellung fast historische Wahrheit und Würde gegeben hat. Wie die Pulci für die Medici, so bearbeitete Francesco Cieco da Ferrara (gest. 1495) in seinem »Mambriano« die Heldensage für seine Gönner, die Gonzaga. Die als Folge der unter den Mediceern verlornen Freiheit im Volk durchweg herrschend gewordene sinnliche Lebensrichtung, der hochmütige, wahrhaft antichristliche Sinn der zahlreichen ¶
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Gelehrten und das sittliche Verderben der Geistlichkeit mußten notwendig als Gegensatz eine christlich-asketische Richtung hervorrufen, welche denn auch in dem bekannten Dominikaner Girolamo Savonarola gegen Ende des 15. Jahrh. hervortrat. Unter den gebildeten Männern, welche seine eifrigen Anhänger wurden, verdient vor allen Girolamo Benivieni (gest. 1542) genannt zu werden, dessen Gedichte sich vor denen der meisten seiner Zeitgenossen nicht allein durch Reinheit der Sprache, sondern vorzüglich durch Reinheit des Sinnes und hohe Frömmigkeit auszeichnen.
Aus der großen Schar der Lyriker dieser Zeit heben wir folgende hervor: Bernardo Bellincioni (gest. 1491), Feo Belcari (gest. 1454), welcher außer lyrischen Gedichten auch mehrere geistliche Mysterien schrieb, Antonio Alamanni und Giovanni Acquietini, welche in der burlesken und beißenden Art des Burchiello schrieben. Andre nahmen sich Petrarca zum Muster, so Francesco Cei, Gasparo Visconti aus Mailand [* 10] (gest. 1499), Agostino Staccoli (gest. 1485). Serafino Aquilano aus Aquila in den Abruzzen (gest. 1500) machte sich durch seine Improvisationen an den Höfen beliebt. Namentlich aber war Bernardo Accolti aus Arezzo, mit dem Zunamen l'Unico (gest. 1534), als Improvisator berühmt.
An ausgezeichneten Prosaikern fehlt es in dieser Periode fast ganz. Von den Novellendichtern sind zu erwähnen: Masuccio von Salerno (um 1470), der unter dem Titel: »Novellino« 50 Novellen herausgab, die sehr freimütig und besonders gegen die Geistlichkeit gerichtet sind, Sabadino degli Arienti aus Bologna (gestorben um 1506),
der unter dem Titel: »Le [* 11] Porrettane« 71 Novellen in fast barbarischer Sprache schrieb, und Gentile Sermini aus Siena, von welchem 40 Novellen in sienesischer Mundart erhalten sind. Bei weitem bedeutender sind die Schriften einiger Künstler und Historiker. Leon Battista Alberti (gest. 1490) schrieb über Bildhauerei, Malerei und Architektur und einen Dialog: »Della famiglia«, über das Glück eines zurückgezogenen und stillen Lebens, und Leonardo da Vinci (gest. 1519) verfaßte einen »Trattato della pittura«.
Von Historikern, welche in italienischer Sprache geschrieben, sind zu erwähnen: Pandolfo Collenuccio aus Pesaro (gest. 1504), welcher eine Geschichte von Neapel [* 12] schrieb, auch einige Komödien des Plautus zum Behuf der Aufführung übersetzte, Bernardino Corio aus Mailand (gest. 1519), der eine Geschichte dieser Stadt schrieb, welche eine sehr zuverlässige Quelle [* 13] für die Begebenheiten seiner Zeit ist, die Florentiner [* 14] Buonaccorso Pitti, Piero Buoninsegni, Goro, Dati u. a. In lateinischer Sprache schrieben: Äneas Sylvius Piccolomini (später Papst Pius II., gest. 1464), Marcantonius Sabellicus (eigentlich Coccio, gest. 1506), der erste bedeutendere Geschichtschreiber Venedigs, Bernardus Giustinianus (gest. 1489), der die ältere Geschichte von Venedig [* 15] behandelte, und Georgius Stella (gest. 1420), Verfasser einer Geschichte von Genua. [* 16] Was die Reisebeschreibungen dieser Periode anlangt, so muß hier des Venezianers Cadamosto gedacht werden, welcher die Beschreibung seiner beiden Seereisen im Atlantischen Meer hinterlassen hat. Ebenso hat Chr. Kolumbus (gest. 1506), viel schriftliche Nachrichten über seine Entdeckungen geliefert. Ferner verfaßte der Florentiner Amerigo Vespucci (gest. 1512) die erste ausführliche Beschreibung der neuentdeckten Länder. Marino Sanudo und Giorgini lieferten die ersten Beschreibungen Ägyptens, und Girolamo Benzoni versuchte sich schon mit einer Geschichte der Neuen Welt. - Die Philosophie suchte sich nicht nur von den Fesseln der Scholastik, den Lehren [* 17] der Peripatetiker und Humanisten sowie von allem Aberglauben freizumachen, sondern ging bereits so weit, alle positive Religion zu verwerfen. Petrus Pomponatius (Pomponazzi, gest. 1524), welcher die Unsterblichkeit der Seele in Abrede stellte, soll sich sogar den Beifall des Papstes Leo X. erworben haben.
Dritte Periode (16. Jahrh.).
Die dritte Periode begreift das 16. Jahrh. Im Anfang derselben kämpft die in der vorigen fast allein herrschende philologische Richtung noch eine Zeitlang mit der immer mächtiger hervortretenden echt nationalen, bis endlich beide sich (und das bildet den wahren Glanzpunkt dieses Abschnitts) auf das innigste durchdringen. Der Sieg der nationalen Richtung ist nun entschieden; aber wie im 15. das einseitige Studium des Altertums jenes wahrhaft volkstümliche fast erdrückte, so entfaltet sich nun dieses wiederum gegen das Ende dieser Periode zum Nachteil und bis zum allmählichen Absterben der philologischen Studien, mit welchen aber auch der Nationallitteratur Haltung und Maß entzogen wurde.
Was zuerst das Epos in diesem Jahrhundert betrifft, so läßt sich bei einigen Dichtern sowohl in der Wahl des Stoffes als in der Behandlung noch deutlich die Vorliebe für das Antike erkennen, während andre uns das Antike vom Modern-Nationalen überwunden und mit demselben assimiliert, beides in schöner Harmonie verschmolzen zeigen, noch andre die Reminiszenz an das Altertum nur als Gegenstand des Scherzes betrachten. Neben diesen mit bestimmter künstlerischer Physiognomie ausgestatteten Werken hat diese Zeit eine Flut von charakter- und geistlosen versifizierten Ritterromanen, meist aus dem Sagenkreis von Karl d. Gr., aufzuweisen. An der Spitze der Dichter, welche die antike Richtung mit hartnäckigem, aber nicht eben glücklichem Eigensinn festgehalten, steht Giangiorgio Trissino (gest. 1550), der in seinem Epos »Italia deliberata dai Goti« (in reimlosen Versen) seinem Volk ein episches Gedicht im Geist und in der Form der Alten geben wollte, jedoch nur eine äußerliche Nachahmung Homers zu stande brachte. Höher steht Luigi Alamanni (gest. 1556) als Dichter, obwohl dessen zwei Heldengedichte: »Girone il cortese« (aus dem Sagenkreis von König Artus) u. »L'Avarchide« gleichfalls wenig gelungene Kopien der »Ilias« sind. Giambattista Giraldi Cinthios (gest. 1573) Heldengedicht »Ercole« ist ebenso ungenießbar wie die früher erwähnten, und noch viel geistloser und unpoetischer ist das zur Verherrlichung Karls V. in Versi sciolti geschriebene Gedicht über den Schmalkaldischen Krieg: »La Allamanna« (1567) von Ant. Franc. Oliviero. Den veränderten Geschmack der Zeit, der außer poetischem Gehalt nunmehr auch möglichste Vollendung der Form verlangte, kennzeichnet am besten Francesco Bernis (gest. 1536) durch Eleganz der Diktion und Schönheit des Versbaues ausgezeichnete, aber ganz ins Burleske gezogene Umarbeitung von Bojardos »Orlando innamorato«, welcher es gelang, das Original bis auf die neueste Zeit fast vollständig zu verdrängen. Einen glänzenden, seinen Vorgänger an schöpferischer Phantasie, Anmut und Formschönheit weit übertreffenden Fortsetzer fand Bojardo in Lodovico Ariosto (1474-1533), dessen »Orlando furioso« als eine der reizendsten Dichtungen dasteht, beseelt von echt italienischem, durch das Studium der Alten wahrhaft gebildetem, aber nicht in Fesseln geschlagenem Geist. Fünfzig ¶