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Österreich [* 2] ward indes Piemont durch England und das Österreichs Machtentwickelung in I. eifersüchtig beobachtende Frankreich geschützt. Österreich mußte auf alle Territorialveränderungen verzichten, Piemont aber entwickelte in den Formen eines konstitutionellen Staatslebens in den nächsten Jahren seine Wehrkraft und wurde bald die einzige Hoffnung der italienischen Patrioten.
Denn inzwischen hatte das Drama der republikanischen Versuche überall sein blutiges Ende gefunden. Venedig [* 3] war in den Besitz Österreichs zurückgekehrt; die Mittelstaaten nahmen ihre Souveräne wieder auf; in Rom [* 4] lag die Republik in den letzten Zügen. Es konnte nur die Frage sein, welche von den Mächten, Österreich, Neapel [* 5] oder Frankreich, in der Ewigen Stadt die päpstliche Herrschaft wieder aufrichten sollte. Die Neapolitaner, welche zu gunsten des Papstes intervenierten, warf Garibaldi mit Leichtigkeit über den Haufen; Österreich ließ nur langsam seine Truppen vorgehen; ein erster Versuch der Franzosen auf Rom im April 1849 zeigte sich auch als unzulänglich.
Indem nun dadurch die militärische Ehre Frankreichs verpfändet war, zögerte die Regierung des Präsidenten Napoleon nicht länger, mit ausreichenden Mitteln Rom anzugreifen, um so mehr, da Napoleon für seine dynastischen Pläne der Gunst des Klerus bedurfte. Nachdem die Franzosen sich hinreichend verstärkt hatten, begannen sie die Belagerung der Stadt, welche von den Römern heldenmütig verteidigt wurde. Am 2. Juli zogen die Franzosen in Rom ein in der Meinung, es würde ihnen nun vergönnt sein, dem Kirchenstaat eine die Rechte des Papstes wahrende Verfassung, dem ganzen I. eine beruhigende Gestalt zu verschaffen.
Aber alle diese Absichten scheiterten an dem Widerstand der päpstlichen Regierung, welche die französische Besatzung zwar niemals mehr auf lange Zeit zu entbehren vermocht hätte, aber jeden Versuch der fremden Mächte, in die innern Angelegenheiten des Kirchenstaats sich einzumischen, höhnend zurückwies. Hierbei wurde der päpstliche Hof [* 6] von Österreich bestens unterstützt, welches, von Schwarzenberg geleitet, entschlossen war, zu dem einfachsten Absolutismus zurückzukehren, und diesen Entschluß, wo es die Macht in Händen hatte, durch grausame Hinrichtungen, Prügelstrafen und Konfiskationen zur Wahrheit machte.
Die Gründung des Königreichs Italien.
So hatte sich seit 1850 geistlicher und weltlicher Absolutismus auf der Halbinsel verbunden, um noch einmal die alten Einheitsbestrebungen zu zerstören; aber die harte Schule, durch welche insbesondere die gebildeten Stände Italiens [* 7] zu gehen hatten, wirkte wenigstens das Gute, daß die unklaren Träumereien der nationalen Parteien verschwanden, die Fragen über föderale oder zentrale Entwickelung, über Monarchie oder Republik nicht mehr, wie 1848, zersetzend und zerstörend wirkten. Es kam die Zeit, wo es Staatsmänner wieder wagen konnten, die nationale Frage in die Hand [* 8] zu nehmen, ohne fürchten zu müssen, an der Unreife des Volkes zu scheitern.
Während der Einfluß Österreichs und des mit ihm verbündeten Papsttums überall triumphiert hatte, schärfte sich deren Gegensatz zu Sardinien [* 9] von Jahr zu Jahr. Die Durchführung der Verfassung mit allen Garantien einer freien Presse, [* 10] Gewissens- und Handelsfreiheit, Vereinsrecht und Volksbildung sicherten dem kleinen oberitalienischen Staate die Überlegenheit seiner geistigen und materiellen Mittel über alle andern italienischen Mächte. Österreich gegenüber den Schutz der andern Großmächte zu gewinnen, war die Aufgabe einer klugen und gemäßigten Politik, welche den Händen des hervorragendsten Staatsmannes anvertraut war, den I. in den letzten Jahrhunderten hervorgebracht, des Grafen Cavour. Um die Aufmerksamkeit Europas auf I. wach zu erhalten, nahm Sardinien, wenn auch nur mit einem kleinen Heer, an dem Krimkrieg gegen Rußland Anteil, und es erhielt dadurch Gelegenheit, seine Stimme auch bei dem Friedenskongreß zu Paris [* 11] laut zu erheben.
Die Klagen und Forderungen Italiens konnten von den europäischen Mächten nicht mehr ignoriert werden, und einige derselben zeigten sich bereitwillig genug, denselben Abhilfe zu schaffen; aber erst 1858 reiften die Absichten einer Befreiung Italiens von Österreichs Herrschaft. Im Bad [* 12] zu Plombières traf im Juli Cavour mit Kaiser Napoleon III. zusammen und entwarf den ersten Plan zur Umgestaltung Italiens, indem er Oberitalien [* 13] für Piemont begehrte und dagegen auf Napoleons Idee einer Konföderation Italiens mit ehrenvoller Berücksichtigung des Papstes einging. Doch bedang sich Napoleon ferner die Abtretung Savoyens und Nizzas als Äquivalent für das Lombardisch-Venezianische Königreich, Parma [* 14] und Modena, die an Sardinien fallen sollten, aus. Auch wurde die Allianz durch die Vermählung der Tochter Viktor Emanuels mit dem Prinzen Jérôme Napoléon besiegelt.
Am gab Napoleons III. an den österreichischen Gesandten gerichtete Ansprache das Signal zu militärischen Rüstungen [* 15] von seiten Österreichs, welche dann alsbald den passenden Vorwand abgeben konnten, um das bedrohte Sardinien gegen die Angriffspläne Österreichs zu schützen. Die Politik Cavours ging insbesondere dahin, Österreich zum faktischen Angriff zu provozieren, was ihm auch auf das beste gelang, nachdem die Friedensmission des englischen Gesandten Lord Cowley im März 1859 in Wien [* 16] gescheitert und der Antrag Rußlands auf einen Kongreß von Österreich nur unter der unmöglichen Bedingung angenommen worden war, daß die Verträge von 1815 die Grundlage aller Unterhandlungen bleiben sollten. In die irrtümliche Meinung verstrickt, daß Frankreich der Urheber aller dilatorischen Vorschläge sei zu dem Zweck, sich besser rüsten zu können, suchte die österreichische Regierung durch rasches Losschlagen einen Vorsprung zu gewinnen und wurde so wirklich zum Friedensbrecher, indem sie 19. April in Turin [* 17] ein Ultimatum überreichte, binnen drei Tagen zu entwaffnen oder des Angriffs gewärtig zu sein. Da die Antwort ablehnend lautete, so erfolgte 29. April unter dem Oberbefehl des Grafen Gyulay der Einmarsch der Österreicher in Sardinien auf drei Punkten (Italienischer Krieg von 1859). Sie setzten sich in der Lomellina fest und blieben hier, den Angriff der Feinde erwartend, stehen, während Viktor Emanuel sein Heer auf 80,000 Mann gebracht hatte und die zahlreichen aus ganz I. zuströmenden Freiwilligen dem General Garibaldi unterstellt wurden.
Die Franzosen überschritten vom 25. April an den Mont Cenis und Mont Genèvre, während das Gros der Armee die Landung in Genua [* 18] schon am 26. begann. So versäumte der österreichische Feldherr den günstigen Zeitpunkt für eine kräftige und erfolgreiche Offensive. Am 20. Mai unternahm Gyulay bei Montebello eine starke Rekognoszierung und stieß auf eine überlegene Zahl von Franzosen, wodurch er zu der Meinung verleitet wurde, daß er von hier den Hauptangriff zu gewärtigen habe. Allein Napoleon III. beschloß, den rechten Flügel der Österreicher zu ¶
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umgehen, während Garibaldi mit seinen Freischaren längs der Berge sich bereits Monza und Mailand [* 20] genähert hatte. Die unglückliche Schlacht von Magenta nötigte die Österreicher 4. Juni zum Rückzug auf die Minciolinie, wo sie den Kampf unter dem Schutz des für sie stets bewährten Festungsvierecks abermals aufzunehmen entschlossen waren. Die Verbündeten hielten 8. Juni unter dem Jubel der Bevölkerung [* 21] ihren Einzug in Mailand. Mittelitalien hatte diesen Vorgängen nicht ruhig zugesehen.
Schon 27. April war der Großherzog von Toscana durch eine Militärverschwörung zur Abreise genötigt worden, und eine hierauf ernannte provisorische Regierung hatte Viktor Emanuel die Diktatur übertragen; doch hatte dieser aus Rücksicht auf seinen Verbündeten, welcher andre Pläne mit Toscana hatte, nur das Protektorat angenommen. Nach der Schlacht von Magenta flohen auch die von den Österreichern bis dahin noch geschützte Herzogin von Parma und der Herzog von Modena. In Bologna ward nach dem Abzug der Österreicher die Diktatur Viktor Emanuels ausgerufen, und in andern Städten des Kirchenstaats kam es zu Erhebungen gegen die päpstliche Regierung, welche nur mit Waffengewalt unterdrückt werden konnten.
Inzwischen hatte der Kaiser von Österreich das Kommando über seine Truppen selbst übernommen und befahl 24. Juni den Angriff auf die heranrückende französisch-piemontesische Armee. Napoleon III. war jedoch von dem Angriffsplan rechtzeitig unterrichtet und warf seine ganze Macht mit solcher Raschheit und Stärke [* 22] auf das feindliche Zentrum bei Solferino, [* 23] daß er dasselbe trotz heldenmütigster Gegenwehr durchbrach. Auch bei Cavriano wurden die Österreicher zurückgedrängt, und obwohl die Angriffe der Piemontesen auf General Benedeks rechten Flügel bei San Martino scheiterten, so mußte doch der allgemeine Rückzug der österreichischen Armee angetreten werden, worauf 8. Juli ein Waffenstillstand und 11. Juli Villafranca bei einer persönlichen Zusammenkunft zwischen Kaiser Franz Joseph und Napoleon III. Friedenspräliminarien abgeschlossen wurden.
Österreich opferte in denselben die Lombardei, um nur die Herzogtümer Mittelitaliens und Venedig zu retten, Napoleon verzichtete auf sein italienisches Programm »frei bis zur Adria«, weil er bei weiterm Fortgang des Kriegs ein Eingreifen Preußens [* 24] befürchten mußte. Am 10. Nov. ward hierauf in Zürich [* 25] der Friede von den Bevollmächtigten Frankreichs, Österreichs und Sardiniens unterzeichnet, welcher die Vereinigung der Lombardei mit Sardinien, die Restauration der geflüchteten Fürsten und des Kirchenstaats sowie die Gründung einer italienischen Konföderation unter dem Präsidium des Papstes festsetzte.
Aber außer der Festhaltung des venezianischen Gebiets von seiten Österreichs hatten alle übrigen Friedensbestimmungen das Schicksal, daß sie schon vor ihrer Unterzeichnung hinfällig waren. Denn die vertriebenen Fürsten kehrten nicht wieder zurück, der Papst ließ sich auch nicht zu Reformen bereit finden, und die italienische Konföderation blieb für immer ein Traum. In Florenz, [* 26] Parma und Modena wurde von einer Nationalversammlung die Absetzung der frühern Dynastien ausgesprochen.
Bologna wie die frühern Herzogtümer wünschten von Sardinien annektiert zu werden. Sämtliche Unterzeichner des Friedens von Zürich wetteiferten förmlich in der raschen Zerreißung des geschlossenen Traktats. Frankreich kam daher noch einmal auf das Projekt eines Kongresses zurück; aber da der Papst die Teilnahme ablehnte und Österreich seine Teilnahme von derjenigen des Papstes abhängig machte, so scheiterte derselbe, und Napoleon fand bald Gelegenheit, die Ordnung Italiens im Verein mit Sardinien auf eigne Hand zu unternehmen. Er verlangte nunmehr von Sardinien die wirkliche Abtretung von Savoyen und Nizza [* 27] und die allgemeine Abstimmung in den mittelitalienischen Staaten.
Das Turiner Kabinett gab hierzu seine Zustimmung, und 24. März wurde der betreffende Vertrag unterzeichnet, nachdem am 11. und 12. die Abstimmung in Toscana, Modena, Parma und den römischen Legationen darüber stattgefunden hatte, ob sie definitiv dem Reich des Königs Viktor Emanuel II. einverleibt zu werden, oder ob sie getrennte Staaten zu bilden wünschten. Das Resultat war eine überwältigende Bejahung der erstern Frage. Am 18. März nahm Viktor Emanuel die Annexion von Parma, Modena und den römischen Legationen, am 22. diejenige von Toscana an, und am 28. rückten die sardinischen Truppen in den genannten Staaten ein. Der vom Papst 26. März wider alle, die an dem Eingriff in die päpstlichen Staaten Anteil hatten, geschleuderte Bannfluch blieb unbeachtet.
Hiermit war jedoch die italienische Bewegung noch keineswegs zum Stillstand gekommen. Die Partei der Aktion, wie sie sich selbst nannte, richtete ihr Augenmerk nunmehr auf das Königreich beider Sizilien, [* 28] wo die unerträglichen absolutistischen Zustände, denen der neue König, Franz II., nicht abhelfen konnte und wollte, jeder Erhebung Erfolg versprachen. In den ersten Tagen des Aprils 1860 brach der Aufstand in Sizilien aus; zwar stellten die neapolitanischen Truppen die Ruhe in Palermo [* 29] und Messina [* 30] wieder her, aber in den Gebirgen der Insel gärte die Bewegung fort und erhielt von außen Nahrung. Am 6. Mai ging Garibaldi in Genua mit 1067 Freiwilligen und 4 Stück Geschütz auf zwei Dampfern in See, um ein Königreich anzugreifen, das über ein organisiertes Heer gebot, und 11. Mai landete er trotz der ihm auflauernden Kreuzer in Marsala auf Sizilien. Er sammelte bei Salemi die zerstreuten Haufen der Insurgenten und befehligte 14. Mai 4000 Mann, mit denen er 27. Mai die Besatzung von Palermo zur Kapitulation zwang. Im Namen Viktor Emanuels, des Königs von I., übernahm er die Diktatur über die Insel. Da König Franz II. sich auf sein Militär verlassen zu können meinte und auf dasselbe allein sich zu stützen gewillt war, so lehnte er jedes liberale Zugeständnis und eine Allianz mit Sardinien ab. Als er dann im Juni sein System ändern wollte, aber zugleich auch den Schutz der Großmächte anrief, war es zu spät.
Nachdem im Juli ganz Sizilien in die Hände Garibaldis gefallen war, landete der letztere mit 5000 Mann 19. Aug. in Reggio und besetzte es am 22. Die königlichen Truppen lösten sich fast überall auf, in den meisten Städten bildeten sich provisorische Regierungen; verlassen und hilflos entfloh Franz II. aus Neapel nach Gaeta, wo er den Rest seiner wenigen Getreuen sammelte. Am 7. Sept. zog Garibaldi unter dem lauten Jubel der Bevölkerung in Neapel ein. Daß der kühne und glückliche Befreier nunmehr das Gebiet des Kirchenstaats angreifen werde, war kein Geheimnis. Die päpstliche Regierung hatte in aller Herren Ländern ein Heer anwerben lassen und stellte dasselbe unter den Befehl des Generals Lamoricière, da Pius IX. des Schutzes der Franzosen in Rom überdrüssig war und sich dem Wahn hingab, ¶