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italienischen Verhältnisse galt den Alliierten die einfache Restauration; nur in den durch Napoleon gestürzten städtischen Republiken erblickte man eine willkommene Beute für Entschädigungen der kriegführenden Mächte, und in Neapel [* 2] mußte zunächst Murat dafür belohnt werden, daß er von Napoleon abgefallen und als der größte Teil Italiens [* 3] von dem österreichischen General Bellegarde besetzt wurde, der Koalition beigetreten war. Während der Vizekönig Eugen im April 1814 I. verließ, wurde Murat als König von Neapel anerkannt.
Doch behauptete er seine Herrschaft inmitten des durch den Pariser Frieden und auf dem Wiener Kongreß restaurierten Europa [* 4] nicht lange. Als Napoleon 1815 wieder den französischen Thron [* 5] bestieg, schloß sich Murat ihm an und wurde nun in seinen zweiten Sturz verwickelt. Mit Freuden ergriffen die Kongreßmächte die Gelegenheit, Ferdinand IV. auch in Neapel auf den Thron zurückzuführen, während eine verwegene und hoffnungslose Schilderhebung des unglücklichen Königs seine Erschießung zur Folge hatte.
Die alten Dynastien waren nun sämtlich in I. wieder zur Herrschaft gelangt, einige trugen sogar bedeutende Vergrößerungen ihres Besitzes davon. Österreich [* 6] erhielt zur Lombardei das ganze Gebiet der Stadt und des Festlandes von Venedig [* 7] nebst Dalmatien;
Genua [* 8] fiel an den König von Sardinien, [* 9] welcher im übrigen in den Besitz von Savoyen und Nizza [* 10] und aller seiner früher zum Königreich I. gehörigen Länder nach den Grenzen [* 11] von 1792 gesetzt wurde;
das Haus Österreich-Este gelangte wieder zur Souveränität in Modena, Mirandola, Reggio, Massa und Carrara;
der Kaiserin Maria Luise von Frankreich überließ man auf Lebenszeit Parma, [* 12] Piacenza und Guastalla, während die Infantin Maria von Parma zunächst mit Lucca [* 13] entschädigt wurde.
Auch der Kirchenstaat wurde in allen seinen Teilen wiederhergestellt, mit Ausnahme der am linken Ufer des Po gelegenen Besitzungen, welche Österreich verblieben. Dem Erzherzog Ferdinand von Österreich fiel die Sekundogenitur in Toscana nach den frühern Verträgen zu. In Neapel und Sizilien [* 14] herrschte, wie zuvor, die bourbonische Dynastie. Die Engländer erlangten durch den Besitz Maltas ein unbestreitbares Übergewicht in den italienischen Gewässern. Eine gewisse Selbständigkeit behielten der Fürst von Monaco [* 15] und die kleine Republik San Marino. Da unter all diesen Staaten keinerlei Bündnis bestand und kaum eine Verständigung auch nur dynastischer Art zu erwarten war, so drückte die Macht Österreichs jede selbständige Regung um so mehr zu Boden, als die restaurierten Fürsten mit dem größten Widerwillen gegen die sogen. Ideen der französischen Revolution Haß gegen politische Verfassungen und Furcht vor dem nationalen Geist verbanden.
Italiens Ruhe konnte aber unmöglich durch die Rückkehr zu den Zuständen vor der französischen Revolution gesichert sein. Trotz aller polizeilichen Überwachung und eines über ganz I. verbreiteten Spioniersystems, dessen Fäden von Österreich geleitet wurden, entwickelte sich der Gedanke der Einheit oder doch das Bedürfnis einer föderativen Vertretung der italienischen Interessen unter den Gebildeten immer mächtiger. In wenigen Jahren war ganz I. von einer Menge geheimer Gesellschaften durchzogen, welche ihre eigenartige, wohlgegliederte Organisation besaßen.
Darunter war die Karbonaria die verbreitetste und einflußreichste, da ihre Mitglieder selbst in den höchsten militärischen und Beamtenkreisen zu finden waren. Unter den Karbonari gab es aber zwei vorherrschende Richtungen: die eine hatte mehr den innern Ausbau freiheitlicher Zustände, die andre mehr das nationale Ziel der italienischen Einheit im Auge. [* 16] Als 1820 die spanische Revolution von Erfolg gekrönt war, fand dieselbe mächtigen Nachhall in ganz I. und alsbald eine wohlgelungene Nachahmung in Neapel.
Wie in Spanien, [* 17] so war auch in Neapel das Militär der Herd der Unzufriedenheit mit den Maßregeln des despotischen Königs beider Sizilien, der sich als solcher Ferdinand I. nannte. Bei der unglaublichsten Mißverwaltung, dem Räuberunwesen und der einseitigsten Begünstigung des Klerus war die Aufpflanzung der Fahne der Empörung bei einem einzigen Regiment hinreichend, um die absolute Regierung zu stürzen. Der König willigte in die Erteilung einer Verfassung, welche derjenigen der spanischen Cortes von 1812 nachgebildet war.
Obwohl sich sofort die alte Rivalität zwischen Sizilien und Neapel wieder geltend machte, so hatte die Verfassungspartei doch das Übergewicht, und nur durch Intervention der Großmächte hoffte der heuchlerische König seine Gewalt wiedererlangen zu können. Während derselbe in Neapel die Regentschaft seinem Sohn Franz übertrug, unterhandelte er selbst mit den in Troppau [* 18] und bald darauf in Laibach [* 19] versammelten Monarchen. An letzterm Ort wurde 1821 die Intervention Österreichs in Neapel beschlossen.
Ein österreichisches Truppenkorps stellte die sogen. Ordnung in Neapel wieder her, indem das neapolitanische Heer und die Nationalgarden wenig Tapferkeit an den Tag legten. Gleichzeitig war auch in Sardinien eine Empörung ausgebrochen, bei welcher der spätere König Karl Albert, Prinz von Carignan, zuerst eine politische Rolle spielte, welche ihn bald nötigte, I. zu verlassen. Im Mailändischen hatte die österreichische Polizei allen Erhebungsversuchen vorgebeugt; die Grausamkeit aber, mit welcher alle Kompromittierten verfolgt und bestraft wurden, und das Schicksal des unglücklichen Dichters Silvio Pellico, der später seine auf dem Spielberg bei Brünn [* 20] ausgestandene Haft beschrieb, trugen wesentlich dazu bei, den Haß des italienischen Volkes gegen Österreich zu verallgemeinern und zu vertiefen. Als in Neapel, Sardinien und Modena, wo sich der Herzog Franz selbst an die Spitze einer geheimen Polizei stellte, die sinnloseste Reaktion unter dem Schutz der österreichischen Bajonette Platz griff, wurde die Erbitterung gegen die österreichische Fremdherrschaft immer größer.
Nach der Pariser Julirevolution 1830 hoffte man in I. die Unterstützung der liberalen Ideen durch Frankreich. Die Gärung wuchs namentlich im Kirchenstaat, wo der Papst Gregor XVI. die schärfsten Ansprüche des Pontifikats in geistlicher und weltlicher Beziehung erneuerte. Binnen wenigen Monaten waren in den Legationen, in Umbrien, Parma, Modena, Reggio die Regierungsbehörden vertrieben, und kamen die Abgeordneten der freien Provinzen Italiens zu Bologna zusammen und proklamierten die völlige Unabhängigkeit der auf der Versammlung vertretenen Länder und Provinzen von der weltlichen Herrschaft des römischen Stuhls und die Einheit derselben unter einer gemeinsamen selbstgewählten Regierung. Da die Zeiten der Kongresse vorbei waren, so nahm Österreich auf eigne Faust es auf sich, die legitimen Regierungen zu schützen. Der Herzog von Modena erschien mit seinen eignen und österreichischen Truppen, schlug bei Carpi die Bürgergarden ¶
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in die Flucht und zog 9. März wieder in seiner Residenz ein. Mittlerweile hatten die Österreicher den Po überschritten, besetzten Ferrara, [* 22] Parma und Bologna und schlugen 25. März die Italiener bei Rimini, so daß die provisorische Regierung abdankte und die Gewalt in die Hände des Kardinals Benvenuti niederlegte. Die Österreicher besetzten Ancona [* 23] und die päpstlichen Truppen Spoleto. Die Ruhe schien hergestellt zu sein, aber die thörichte Strenge des Herzogs von Modena und des Papstes machte 1832 eine neue Intervention Österreichs nötig, nachdem die Truppen bereits zurückgezogen waren. Es lag jetzt vor den Augen Europas zu Tage, daß diese Staaten ohne fremde Hilfe und österreichische Schergendienste nicht bestehen könnten; allein der neue König, Ludwig Philipp, in Frankreich wollte seinen Thron nicht durch waghalsige Unternehmungen zu gunsten Italiens aufs Spiel setzen und begnügte sich seinerseits mit der Besetzung Anconas, als die Österreicher keine Miene machten, 1833 die besetzten Orte des Kirchenstaats zu verlassen.
Aber die Gärung dauerte fort, nur in Parma hatte die Herzogin nach ihrer Rückkehr durch Milde und einige zeitgemäße Reformen vieles zur Versöhnung gethan. Auch der König von Sardinien, Karl Albert, welcher das Vertrauen der Höfe wiedergewonnen hatte und zur Regierung gelangt war, befolgte anfangs ein mildes und freisinniges Regierungssystem. Doch widerstand er nicht lange dem Druck Metternichs und schloß sich den gemeinsamen Reaktionsmaßregeln der Regierungen an, welche dann zu einer Reihe von Verschwörungen Anlaß gaben, die aber alle mißlangen. Gleich erfolglos war eine Unternehmung italienischer, polnischer und deutscher Flüchtlinge in der Nacht vom 2. auf den der sogen. Savoyerzug, welcher in der Schweiz [* 24] geplant wurde, und bei welchem Giuseppe Mazzini thätig war, der 1831 zu Marseille [* 25] die geheime Verbindung des jungen Italien [* 26] gegründet hatte.
Die revolutionären Bewegungen von 1848 und die Reaktion.
Vorerst kam es darauf an, die Gärung nicht zum Stillstand kommen zu lassen. Die Erhebungen in Neapel und in der Romagna 1843 und 1844 sorgten aber dafür, daß der erwachte Nationalgeist nicht wieder erlosch. Als nun nach dem Tod Gregors XVI. 1846 im Kirchenstaat Pius IX. den päpstlichen Stuhl bestieg, schien eine Wendung eintreten zu sollen. Der neue Papst, aus Opposition gegen den österreichischen Einfluß gewählt, galt als der nationalen Sache nicht abgeneigt und sprach es offen aus, daß die Zustände Italiens reformbedürftig seien.
Eine Partei der Kardinäle war für den Gedanken einer auf die Selbstthätigkeit der Gemeinden gestützten Verwaltung gewonnen worden. Anfang 1847 wurde ein milderes Zensurgesetz gegeben, und eine freilich nach patriarchalischen Vorstellungen zusammengesetzte Consulta di Stato sollte der Regierung zur Seite stehen. Diese schwachen Anfänge einer Reform machten den Papst in ganz I. nicht nur populär, sondern sie regten auch überall zu Forderungen gleicher Art gegenüber den Regierungen an. Namentlich in dem österreichischen I. erlangte die oppositionelle Stimmung eine bis dahin nicht gekannte Höhe und verschaffte sich zunächst durch kleinliche, aber doch verständliche Mittel, wie das geheime Verbot des Rauchens österreichischen Tabaks, Geltung.
Inzwischen war die Revolution im Süden der Halbinsel zum Durchbruch gekommen. Ein blutiger Aufstand in Palermo [* 27] nötigte den König von Neapel, zur Behauptung der schönen Insel etwas zu thun. Er erteilte daher im Januar 1848 eine Verfassung für das ganze Königreich. Im März befand sich die Lombardei in vollem Aufstand, und in Turin [* 28] drängte man den König Karl Albert, zur Befreiung Italiens das Schwert zu ergreifen. Die Herzogtümer Mittelitaliens folgten der allgemeinen Bewegung.
Einer der folgenreichsten Entschlüsse für die Entwickelung Italiens war aber die beschlossene Kriegserklärung Sardiniens an Österreich. Indem Karl Albert hierdurch seinen Thron gegen die republikanischen Bewegungen sicherte, schwang er sich mit einemmal an die Spitze der italienischen Unabhängigkeits- und Einheitspartei und gab seinem Staat und seiner Regierung die entscheidende Richtung. Da die Österreicher Mailand [* 29] geräumt und sich hinter den Mincio zurückgezogen hatten, so besetzte die piemontesische Armee (26. März) die Hauptstadt der Lombardei, während auch Venedig durch Kapitulation der Österreicher (22. März) in die Gewalt einer republikanischen Regierung fiel. Indessen vermochte König Karl Albert weder durch das Aufgebot der regulären Truppen noch durch den Zuzug der Freischaren eine dem österreichischen, von Radetzky kommandierten Heer gewachsene Macht herzustellen. Anfangs war der Verlauf der Kriegsereignisse für die piemontesische Armee zwar nicht ungünstig, aber sie vermochte die Zentralstellung der Österreicher in dem Festungsviereck am Mincio nicht zu durchbrechen. Nachdem Radetzky Verstärkungen an sich gezogen hatte, brach er hervor und gewann durch eine Reihe von Siegen [* 30] bei Curtatone (29. Mai), bei Vicenza (11. Juni) und bei Custozza [* 31] (25. Juli) die Lombardei und Mailand wieder.
Die künftige Gestaltung Italiens wurde nun mehr und mehr ein Gegenstand der allgemeinen diplomatischen Erörterung, indem Frankreich und England Mittlerrollen in Anspruch nahmen und Englands Minister Palmerston das Interesse Italiens mit Nachdruck und nicht ohne die Wärme [* 32] innerer Überzeugung vertrat. Aber eine Neugestaltung der politischen Verhältnisse der Halbinsel scheiterte an der Unvereinbarkeit der monarchischen Pläne Sardiniens mit den republikanischen Gestaltungen, welche mittlerweile in den mittelitalienischen Staaten und in Rom [* 33] Platz gegriffen hatten.
Auch war in Neapel der alte Gegensatz zu Sizilien erwacht und der blutigste Bürgerkrieg zwischen den beiden Teilen des Königreichs geführt worden. Österreich konnte alle diese Verhältnisse leicht benutzen, um die vermittelnden Westmächte zu täuschen und die einfache Wiederherstellung der alten Zustände anzubahnen. Unter diesen Umständen erneuerte Piemont im Frühjahr 1849 den Krieg gegen den übermächtigen Nachbar, welcher in den eroberten Provinzen ein strenges Militärregiment eingeführt hatte und die öffentliche Meinung von ganz I. gegen sich wachrief.
Allein der Zustand des piemontesischen Heers ließ sehr viel zu wünschen übrig. Weder die Ausrüstung war eine hinreichende, noch standen die Truppen unter tüchtigen Führern. Indem Radetzky den Schein erregte, als wollte er, wie im Jahr vorher, Mailand räumen und die Minciolinie halten, täuschte er die Piemontesen gründlich und schlug dieselben bei Novara entscheidend auf das Haupt. Karl Albert, der sich allen Gefahren der Schlacht ausgesetzt hatte, aber unverwundet blieb, dankte darauf ab und übertrug, da er sich persönlich für das größte Hindernis eines erträglichen Friedens betrachtete, die Regierung seinem Sohn Viktor Emanuel II. Vor der geplanten Vernichtung durch ¶