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Gegenstand der Hauspolitik. Wie wenig die kaiserliche Macht in I. noch zu bedeuten hatte, zeigten Verlauf und Ergebnis des Römerzugs Ludwigs von Bayern [* 2] (1327-29). Bis zum Jahr 1377, in welchem Gregor XI. den päpstlichen Stuhl wieder nach Rom [* 3] verlegt hatte, blieb der Einfluß der in Avignon residierenden Päpste nur ein sehr mittelbarer. In Rom selbst waren ähnliche Kämpfe zwischen der demokratischen und aristokratischen Partei an der Tagesordnung wie im 12. Jahrh. Zur Zeit Kaiser Karls IV. erweckte Cola Rienzi noch einmal den Traum einer großen römischen Republik. Aber alle diese Bestrebungen führten zuletzt zu einem gänzlichen Verfall Italiens [* 4] in politischer Hinsicht, und die unter sich uneinigen Stadtrepubliken vermochten keinen Schutz gegen die Herrschaftsgelüste fremder Dynastien zu bieten.
Während die Kirche durch das große Schisma der römischen und französischen Päpste geschwächt war, hatte König Wenzel von Deutschland [* 5] die Rechte des Reichs in I. so gut wie gänzlich fallen gelassen. Nachdem die Lombardei unter die Herrschaft der Visconti gekommen war, Giovanni Visconti 1350 auch Bologna durch Kauf von den Pepoli erwarb und Genua [* 6] 1353 sich vor ihm beugen mußte, auch der toscanische Bund nur geringe Erfolge gegen die Beherrscher Mailands hatte, belehnte König Wenzel Giangaleazzo Visconti 1395 mit dem Herzogtum Mailand, [* 7] welches sofort begann, sich im Sinn der alten lombardischen Krongewalt auszubreiten.
Giangaleazzo unterwarf 1399 Siena, 1400 Perugia, 1402 Bologna; nur Florenz [* 8] leistete Widerstand, und wenn auch nach Giangaleazzos Tod seine Herrschaft wieder zerfiel, so wurde dieselbe von seinem Nachfolger Filippo Maria besonders 1416-20 um so umfassender wiederhergestellt. Selbst Genua wurde 1422 der Botmäßigkeit Viscontis unterworfen, welcher vier seiner Räte an die Spitze der Regierung stellte. Dessenungeachtet scheiterte der Plan einer über Ober- und Mittelitalien ausgebreiteten Viscontischen Herrschaft schließlich.
Schon im Frieden von Ferrara [* 9] 1428 sah sich Filippo Maria genötigt, den mit den Florentinern nunmehr verbündeten Venezianern das Gebiet jenseit der Adda abzutreten. Als er 1447 starb, entstand zunächst eine republikanische Bewegung in Mailand, während welcher das gewonnene Übergewicht des mailändischen Herzogtums wieder verloren ging. Aber schon längst hatte der Feldhauptmann Francesco Sforza eine der des Herzogs fast gleiche Macht behauptet, und so wurde es diesem nicht schwer, sich an die Spitze der Republik zu schwingen und von Kaiser Friedrich III. seinem Haus die erbliche Herzogswürde zu erwirken. Zu derselben Zeit wußten auch andre Familien, welche in Städten seit längerer Zeit den Prinzipat behauptet hatten, von den Kaisern die herzogliche Würde zu erlangen; so die Gonzaga in Mantua [* 10] und Montferrat, die Este in Modena, Amadeus VIII. in Savoyen. In Florenz begann das Kaufherrenhaus der Medici einen politischen Einfluß zu gewinnen und mit Giovanni und Cosimo de' Medici an die Spitze der Republik zu gelangen, indem es den Grund zur Entstehung des spätern toscanischen Staats legte. In Neapel [* 11] endlich trat um die Mitte des 15. Jahrh. eine der entscheidendsten Thronveränderungen ein.
Nachdem in Sizilien [* 12] oder, wie die Insel seit dem Vertrag von 1372 genannt wurde, in dem Königreich Trinakrien der Sohn Johanns von Kastilien, Ferdinand, welcher die Krone von Aragonien trug, nach langen Wirren als Herrscher anerkannt worden war, folgte dessen Sohn Alfons V. in beiden Königreichen 1416. Während der unruhigen Regierung Johannas II., der Schwester des Königs Wladislaw, der letzten Herrscherin aus der ältern Linie der Anjous, hatten zwar die jüngern Anjous die Regierung an sich zu reißen gesucht; aber Johanna hatte 1420 den König Alfons von Aragonien und Sizilien adoptiert und zum Erben ihrer Krone eingesetzt. Trotz der Bemühungen der Franzosen, nach Johannas Tod 1435 die Nachfolge Alfons' V. zu verhindern, regierte er dennoch mit Klugheit und Kraft [* 13] bis 1458 und hinterließ Neapel seinem natürlichen Sohn Ferdinand I., während in Sizilien, Sardinien [* 14] und den andern aragonischen Reichen sein Bruder Johann folgte.
Wie die Verhältnisse Italiens gegen Ende des 15. Jahrh. sich gestaltet hatten, konnte man noch einmal den guelfischen Traum einer italienischen Föderation unabhängiger Staaten hegen, mußte aber dann die rasche und bittere Enttäuschung dauernder Fremdherrschaft erleben. Das politische Gleichgewicht war durch fünf Mächte erhalten worden: durch Neapel, welches unter der Regierung Ferdinands I. noch für seine Unabhängigkeit von dem verwandten aragonischen Haus aufzutreten Ursache fand;
durch den Kirchenstaat, welcher wie eine Hausmacht der Päpste nach Wiederherstellung des kurialen Ansehens gegenüber den Konzilen unter der Regierung einer Reihe geistig hervorragender Männer zu einer raschen Entwickelung gelangte;
durch Florenz, dessen Leitung vornehmlich Lorenzo de' Medici hatte;
durch Venedig, [* 15] welches sich in den Besitz des Festlandes gesetzt hatte und die Hälfte des lombardischen Reichs beherrschte, und durch Mailand, wo die Herrschaft der Sforza eben erstarkte.
Der spätere Papst Paul IV. verglich den Zustand Italiens in dieser Zeit mit einem wohlgestimmten Saiteninstrument und bedauerte, daß die schöne Harmonie der Mächte durch die Leidenschaften der Machthaber und durch die Herrschaftsgelüste der fremden Nationen zerstört worden sei.
In der That gelang es nicht, I. in irgend einer Form politisch zu einigen. Derselbe Unabhängigkeitssinn und Partikularismus, welcher der deutschen Herrschaft so erfolgreichen Widerstand geleistet hatte, widerstrebte auch der Unterordnung unter ein gemeinsames nationales Oberhaupt. Zugleich waren die Bürgerschaften der großen Stadtrepubliken in Parteien gespalten und bekämpften sich die fürstlichen Geschlechter in unaufhörlichen Fehden.
Bot so I. in den beiden letzten Jahrhunderten des Mittelalters in politischer Beziehung ein trostloses Bild, so ragte es doch über alle andern Länder Europas durch die glänzende Entwickelung seiner Kultur hervor. Noch beherrschten Venedig und Genua den Handel mit dem Orient und speicherten ungeheure Reichtümer auf. Gewerbe und Kunstfleiß blühten. Durch Dante, Petrarca und Boccaccio erhielt I. eine nationale Poesie in einer nationalen Schriftsprache. Die bildenden Künste erstanden zuerst in I. wieder, und auch die Wiederbelebung des klassischen Altertums, der Humanismus, ging von I. aus. Mitten unter den politischen Wirren entwickelte sich in I. die Kultur der Renaissance, jene herrliche Blüte [* 16] geistigen Lebens und Schaffens.
Der Kampf Frankreichs und des Hauses Habsburg um die Herrschaft in Italien.
Die Besorgnis Lodovico Moros, der für seinen schwachsinnigen Neffen Galeazzo Sforza Mailand regierte, vor den Eroberungsplänen des Königs von Neapel bewog ihn, Frankreich zum Einschreiten in I. aufzufordern. Karl VIII., der überdies als Erbe ¶
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der Anjous Anrechte auf Neapel zu besitzen meinte, ging darauf ein und unternahm seinen berühmten Zug nach Neapel, der den Anfang einer Reihe von welthistorischen Kämpfen auf der italienischen Halbinsel bildete. Als aber Karl VIII. 1494 Neapel unterworfen hatte und weder Lodovico Moro noch auch der Papst Alexander VI., welcher seinem Sohn Cesare Borgia ein italienisches Fürstentum erwerben wollte, sich hinreichend von den Franzosen belohnt fanden, schlossen die meisten Staaten Italiens ein Bündnis gegen Karl VIII., riefen den deutschen Kaiser Maximilian I. nach I. und veranlaßten den Rückzug der Franzosen.
König Ferdinand II. zog wieder in Neapel ein, und da er schon 1496 starb, folgte ihm sein Oheim Friedrich. Allein Ludwig XII. von Frankreich erneuerte gleich nach seinem Regierungsantritt 1498 den Krieg in I. Hauptsächlich sollte seine Unternehmung darauf gerichtet sein, Neapel zu gewinnen; er wollte aber auch die Treulosigkeit der oberitalienischen Mächte strafen und vor allem in Oberitalien [* 18] festen Fuß fassen. In der That wurden in Mailand die Sforza des Herzogtums beraubt, nachdem Lodovico Moro 1500 in französische Gefangenschaft geraten war.
Kaiser Maximilian I., von den italienischen Mächten vielfach getäuscht, von den Deutschen ohne Unterstützung gelassen, belehnte jetzt selbst den französischen König mit dem Herzogtum Mailand und trat 1508 mit demselben zu Cambrai sogar in einen Bund gegen Venedig, welchem sich auch Ferdinand der Katholische von Aragonien anschloß, der seit 1504 unbestritten in Neapel regierte. Indessen wußte die kluge Politik Venedigs den unnatürlichen Bund der Großmächte bald zu trennen, und Papst Julius II. stiftete die Heilige Liga zur Vertreibung der Fremden aus I. Wirklich verlor Ludwig XII. seinen mailändischen Besitz wieder, besonders da er auch von den Engländern in Frankreich angegriffen wurde und gegen die Schweizer kämpfen mußte, welche damals in den Dienst der italienischen Mächte übergetreten waren.
Die Venezianer besetzten den größten Teil ihrer Gebiete wieder; in Mailand zog Massimiliano Sforza, Lodovico Moros Sohn, ein. Aber im Riesenkampf von Marignano überwältigte König Franz I. 1515 seine Feinde in I. und nahm von der Herrschaft über Mailand wieder Besitz. Auf dem päpstlichen Stuhl war dem franzosenfeindlichen Julius 1513 der prachtliebende Mediceer Leo X. gefolgt, welcher Franz I. anfänglich auch in Bezug auf Neapel Zugeständnisse machte, dieselben aber erst nach dem Tod Ferdinands des Katholischen verwirklichen wollte.
Als nun aber Karl V. erst in Spanien [* 19] und 1519 in Deutschland die Regierung übernahm, wurde der entscheidende Krieg zwischen den beiden um die Weltherrschaft streitenden Mächten vorzugsweise in I. ausgefochten. Nachdem Franz I. 1525 bei Pavia in die Gefangenschaft seines Gegners gefallen war, verzichtete derselbe im Madrider Frieden 1526 auf die Herrschaft in I. Neapel und Sizilien blieben mit Spanien vereint, Mailand erhielten die Sforza zurück. Als Massimiliano Sforza seine Politik änderte und den unter Papst Clemens VII. vereinigten Feinden des Kaisers beitrat, wurde er des Herzogtums wieder entsetzt.
Die Liga, welche sich gegen den Kaiser bildete, wurde durch die Erstürmung von Rom gesprengt (1527), und Papst Clemens VII. schloß 1529 mit dem Kaiser den Frieden von Barcelona, [* 20] in welchem er die Herrschaft desselben in I. anerkannte; sein Hauptbeweggrund dabei war die Rücksicht auf die Reformation in Deutschland, welche Karl zu unterdrücken versprach. Sforza erhielt zwar durch Vermittelung des Papstes sein Herzogtum zurück, mußte aber Como und das Kastell von Mailand den kaiserlichen Truppen überlassen.
Massimiliano starb jedoch, als der Letzte aus dem Hause Sforza, bereits 1535, und belehnte Karl V. seinen Sohn Philipp II. mit dem Herzogtum Mailand. Dieses Übergewicht des spanisch-habsburgischen Hauses in I. suchten die Franzosen zwar noch durch eine Reihe von Kriegen zu brechen; aber immer wieder mußten sie die Bedingung des Madrider Friedens annehmen, bis endlich durch den Friedensschluß von Cateau-Cambrésis (1559) der durch Karl V. gegründete Besitzstand Italiens dauernde Anerkennung fand.
Auch in den kleinern Fürstentümern überwog der Einfluß Spaniens, und die Fremdherrschaft machte sich auch in den Städterepubliken geltend. Als die männliche Linie der Markgrafen von Montferrat erlosch, schenkte Karl V. ihr Land 1536 den ihm besonders treuen Gonzaga von Mantua. Parma [* 21] und Piacenza, schon von Julius II. dem päpstlichen Stuhl erworben, wurden vom Papst Paul III. in ein Herzogtum verschmolzen und seinem Sohn Pietro Luigi Farnese verliehen. In Genua hielt sich der berühmte Doge Andrea Doria, nachdem er 1523 seine Vaterstadt aus den Händen der Franzosen befreit hatte, ebenfalls zur Partei des Kaisers.
Die Verschwörung des Fiesco 1547 vermochte nicht, die Macht der Doria zu brechen. Da sich auch das savoyische Haus, welches im Frieden von Cateau-Cambrésis Piemont wiedererhielt, an das politische System Spaniens anschloß, so war die Halbinsel seit der zweiten Hälfte des 16. Jahrh. in vollständige Abhängigkeit von Spanien geraten, und da Philipp II. Neapel bereits 1555 von seinem Vater erhielt, so war im Norden [* 22] und Süden der Wille des großen Selbstherrschers gleich maßgebend geworden und drückte, trotzdem daß I. unter seiner Regierung verhältnismäßiger Ruhe genoß, auf den geistigen und materiellen Fortschritt der Nation.
Italien unter spanischem u. österreichischem Einfluß.
Nachdem im 16. Jahrh. die bildenden Künste hauptsächlich unter dem Schutz der Päpste zur höchsten Entwickelung gekommen waren, sank I. unter der politischen Herrschaft Spaniens und dem streng asketisch-hierarchischen System der reorganisierten Kirche in den folgenden anderthalb Jahrhunderten immer tiefer und zehrte gewissermaßen bloß von dem geistigen Kapital der Vergangenheit. Die spanische Regierung in den unmittelbar beherrschten Gebieten und ihr Einfluß auf die territorial, aber nicht politisch unabhängigen Gebiete, wie den Kirchenstaat, Venedig, Florenz etc., beruhten auf einem ausgedehnten militärischen System und auf einer sorgfältigen polizeilichen Überwachung. In die richterlichen und Kommunalangelegenheiten mischten sich die Spanier namentlich in Oberitalien wenig oder gar nicht; aber durch die im 16. Jahrh. eingetretenen Veränderungen des Welthandels wurde die Halbinsel in eine isolierte Lage gebracht, welche die spanische Regierung im Interesse des eignen Volkes ausbeutete, und wodurch der frühere Wohlstand der Nation untergraben wurde.
Selbst die römische Kirche mußte sich die Beeinflussung seitens der spanischen Könige in einem Maß gefallen lassen, wie sie die deutschen Kaiser vorher nie ausgeübt hatten. Der Gewissenszwang, welchen Spanien im Sinn und Interesse der katholischen Religion beförderte, bot schließlich selbst den Päpsten nur einen schwachen Ersatz für den Verlust der politischen Macht, welche sie so viele Jahrhunderte hindurch sich zu schaffen bemüht waren. Wenn man von den kleinern Differenzen der italienischen Mächte untereinander ¶