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wiederzugewinnen, hatten keinen dauernden Erfolg. Weder Karl der Kahle noch Karl der Dicke erreichten dies Ziel, und die Absetzung des letztern (887) ermöglichte die völlige Losreißung Italiens [* 2] und des Kaisertums von der Herrschaft der Karolinger. Die Herzöge von Friaul und Spoleto sowie die Markgrafen von Ivrea traten als Bewerber um die Krone Italiens auf und erlangten dieselbe bei dem völligen Verfall der ostfränkischen wie der westfränkischen Monarchie. Der bedeutendste unter den Nachkommen Karls d. Gr., Karlmanns natürlicher Sohn Arnulf, vermochte wohl den Kaisertitel zu behaupten, übte aber keinen Einfluß auf das zwischen Friaul und Spoleto streitige I. aus.
Die Begründung der deutschen Herrschaft in Italien.
Während die Fürsten um den Besitz der Krone stritten, wurde I. von verheerenden Plünderungszügen der Sarazenen und Magyaren heimgesucht; namentlich die Po-Ebene wurde furchtbar verwüstet, niemand war im stande, die furchtbaren Feinde abzuwehren. Nach dem Tode des Markgrafen Berengar I. von Friaul, welcher 894 zum König von I. und 915 zum Kaiser gekrönt, 924 aber ermordet wurde, trat Rudolf II., König von Oberburgund, seine angeblichen Ansprüche auf I. dem Grafen Hugo von Provence gegen Überlassung des arelatischen Reichs ab. Dieser wandte seine Waffen [* 3] anfangs siegreich gegen die italienischen Herzöge, mußte jedoch 945 dem Markgrafen Berengar II. von Ivrea weichen; Hugos Sohn Lothar aber, welcher nach dem Tod seines Vaters den Namen eines Königs von I. fortführte, starb bereits 950 und hinterließ eine Witwe, Namens Adelheid, welche bestimmt war, einen tiefen Einfluß auf die Geschichte Italiens sowie Deutschlands [* 4] auszuüben.
Denn während Berengar II. sich bemühte, Adelheid mit seinem Sohn Adelbert zu vermählen, und vor keiner Gewaltthat zurückschreckte, um dieses Ziel zu erreichen, fand jene Gelegenheit, nach Canossa zu entkommen und mit dem deutschen König Otto I. Verbindungen anzuknüpfen. Dieser, eben damals Witwer geworden, zog 951 nach I. und erwarb sich mit Adelheids Hand [* 5] auch die langobardische Krone. Zwar sah er sich 952 genötigt, Berengar, der weniger besiegt als verdrängt war, I. als Lehnskönigreich zu übertragen.
Doch zeigte sich bald, wie wenig Dauer dieses Verhältnis versprach. Ottos Macht in I. beruhte wesentlich auf den Immunitäts- und Exemtionsbestrebungen der geistlichen Besitzer, welche dem lombardischen Adel gegenüber eine unabhängige Stellung beanspruchten. Hand in Hand mit der Entwickelung dieser geistlichen Fürstentümer ging das Streben nach städtischer Freiheit. Otto I. kam diesen beiden Richtungen in I. auf das förderndste entgegen. Wie er sich den weltlichen Großen gegenüber auf die Macht der hochbegünstigten Bischöfe stützte, so wurde er auch der eigentliche Begründer der italienischen Städtefreiheit, insbesondere im Norden [* 6] des Königreichs.
Denn wenn auch nach der Lage und Geschichte der aus dem Altertum stammenden zahlreichen Orte I. ganz besonders geeignet war, städtisches Wesen hervorzubringen, so war doch das alte Munizipalrecht völlig zu Grunde gegangen und der Gerichtshoheit der langobardischen Grafen und Herzöge zum Opfer gefallen. Erst durch den Schutz, welchen die deutschen Kaiser dem bürgerlichen Gemeinwesen gewährten, vermochte die neue Städtefreiheit auf den vorzugsweise von der Kirche erworbenen Besitzungen wieder zu erstehen.
Nur durch innere Unruhen in Deutschland [* 7] und neue Einfälle der Magyaren wurde Otto I. längere Zeit verhindert, gegen die Anmaßung Berengars, der sich vom deutschen Lehnsverband losriß, einzuschreiten. Als dieser sogar den weltlichen Besitz der römischen Kirche angriff, wandte sich der Papst an den deutschen König um Hilfe. Otto überschritt 961 zum zweitenmal die Alpen, [* 8] eroberte ganz Norditalien und eilte nach Rom, [* 9] wo er die Zerwürfnisse zwischen dem Stadtadel und dem Papsttum benutzte, um die Schutzhoheit des Deutschen Reichs gegenüber der Kirche geltend zu machen und die römische Kaiserwürde zu erneuern (2. Febr. 962). Hiermit stiftete er das Heilige römische Reich deutscher Nation, von dem das Königreich I., das nach Berengars völliger Unterwerfung (964) in ungestörtem Besitz Ottos war, fortan einen Teil bildete.
Italien ein Teil des römisch-deutschen Reichs.
Je mehr sich die deutsche Herrschaft in I. auf die kirchlichen Gewalten und die geistlichen Lehnsbesitzer stützte, desto notwendiger war es, bei der Besetzung der Bistümer und vor allen des päpstlichen Stuhls einen ausreichenden Einfluß zu üben. Otto I. dehnte daher das Anerkennungs- und Bestätigungsrecht, welches seit den römischen Kaisern alle Machthaber Italiens geltend machten, dem päpstlichen Stuhl gegenüber bedeutend aus und erwarb sich und seinen Nachfolgern auch bei der römischen Kirche das Recht thatsächlicher Ernennung des obersten Bischofs.
Mittels des Papstes sollte sodann die katholische Kirche überall dem Kaisertum und seinen Zwecken dienen. Aber wie schon jener Papst, welcher Otto I. zum Kaiser gekrönt hatte, Johann XII., sich den Deutschen untreu erwies, sobald dieselben der Stadt Rom den Rücken gekehrt hatten, so blieb auch später das Verhältnis des Kaisertums zum Papsttum und zur Kirche ein höchst unsicheres, und nur in den wenigsten Fällen gewährten persönlich gute Beziehungen zwischen den beiden Oberhäuptern der abendländischen Welt zugleich eine sachlich begründete Basis der deutschen Kaisermacht in I. Als Otto I. 966 abermals in I. erschien, um den zahlreichen Widersachern entgegenzutreten, waren Maßregeln äußerster Strenge nicht zu vermeiden.
Als Otto I. 973 starb, blieb die deutsche Kaiserherrschaft in Ober- und Mittelitalien in der That unangefochten. Unteritalien dagegen war unbezwungen geblieben; die Versuche des Kaisers, es durch Verhandlungen mit dem griechischen Kaiserreich oder durch Waffengewalt zu gewinnen, waren mißglückt, Griechen und Araber teilten sich in die Herrschaft der schönen Länder, welche nach Art und Charakter in ihren staatlichen Institutionen sowie in ihrem Volkstum sich mehr und mehr von dem übrigen I. zu unterscheiden begannen.
Otto II., der durch seine Vermählung mit der griechischen Prinzessin Theophano ein Anrecht auf Unteritalien erworben zu haben glaubte, erneuerte den Versuch, sich desselben zu bemächtigen. Aber der griechische Kaiser Basilius verband sich mit den Sarazenen, um Ottos II. Versuche auf Unteritalien zu vereiteln und die deutsche Herrschaft in I. überhaupt zu erschüttern. 982 erlitt Otto II. eine Niederlage in Unteritalien, worauf er in Rom erkrankte, in seinem 28. Jahr starb und nur einen unmündigen Sohn, Otto III., hinterließ, dessen Regierung in I. eingreifender geworden wäre, wenn nicht auch er schon in früher Jugend 1002 gestorben wäre. Aber in der Zeit Ottos III. war zuerst der Gedanke aufgetaucht, eine strengere Einheit Italiens herzustellen, den Sitz des Kaisertums nach Rom zu verlegen und von dem alten Mittelpunkt der Welt aus die neue römisch-deutsche Herrschaft zu verwirklichen. In Rom selbst hatten die Adelsparteien ¶
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schon unter Otto II. begonnen, einen gefährlichen Einfluß auf die Besetzung des päpstlichen Stuhls auszuüben und der deutschen Kaisergewalt sich entgegenzustellen. Die unmittelbare Gegenwart des Herrschers in Rom schien immer wichtiger zu werden. 996 kam Otto III. über die Alpen nach I., erhob seinen Vetter Bruno zum Papst und ließ sich von diesem, Gregor V., zum Kaiser krönen. Mit starker Hand wurde jeder Widerstand besiegt, der gegen Gregor V. aufgestellte Gegenpapst schimpflich behandelt und Crescentius, als Patricius und Haupt des aufständischen Adels, hingerichtet.
Als Gregor V. schon 999 starb, erhob Otto III. seinen Lehrer Gerbert von Reims, [* 11] den größten Gelehrten seiner Zeit, als Silvester II. auf den päpstlichen Stuhl; aber gleich bei dem Tod Ottos III. (1002) zeigte sich die Unhaltbarkeit aller Verhältnisse. Die lombardische Krone nahm der Markgraf Arduin von Ivrea in Anspruch, der päpstliche Stuhl wurde von dem Grafen von Tusculum besetzt und beherrscht, die süditalischen Herzogtümer lösten sich von der Oberlehnsherrlichkeit der Deutschen los, die Sarazenen befestigten ihre Herrschaft in Sizilien [* 12] und breiteten dieselbe über die griechischen Gebiete Unteritaliens mehr und mehr aus.
König Heinrich II. von Deutschland gab zwar die Traditionen des sächsischen Hauses keineswegs auf, allein seine Macht reichte nicht weiter als sein Arm; doch ließ er sich auf seinem zweiten italienischen Zug zum Kaiser krönen, und auf seinem dritten Zuge griff er gewaltig in die unteritalischen Verhältnisse ein, wo er Pandulf IV., Fürsten von Capua, gefangen nahm und Pandulf VI. einsetzte, welcher Normannen in seinen Diensten hatte, denen Heinrich II. zuerst Grund und Boden als Reichslehen zuwies.
Neben Capua hatten auch die Fürsten von Benevent und Salerno die kaiserliche Herrschaft anerkannt, während Neapel [* 13] mit seiner städtischen Verfassung meist der Herrschaft der Griechen treu blieb und sich nur scheinbar und vorübergehend deutschen Kaisern unterworfen hatte. Wenn der politische Charakter Unteritaliens durch die Macht der vorwiegenden Fürstengeschlechter bestimmt wurde, so entschied in Oberitalien [* 14] das Übergewicht der Städte. Seit dem 10. Jahrh. war Venedig [* 15] zu Macht und Ansehen gekommen und beherrschte die Meerstraßen.
In der Lombardei waren außer Mailand [* 16] nunmehr auch Pavia, Lodi, Cremona und viele andre Städte zur Blüte [* 17] und Bedeutung gelangt. Zwischen Pavia und Mailand hatte sich seit dem Kampf zwischen Heinrich II. und Arduin von Ivrea ein Gegensatz gebildet, der später fast alle italischen Republiken in zwei Lager [* 18] spaltete, indem Pavia dem deutschen König, Mailand dem italienischen Fürsten anhing. In Mittelitalien hielt vorerst das mächtige Geschlecht der tuskischen Markgrafen das Aufkommen großer städtischer Republiken zurück, doch hatte bereits Pisa [* 19] eine ähnliche Stellung an der westlichen Küste Italiens erlangt wie Venedig an der östlichen. Die Insel Sardinien [* 20] war 1022 durch die Pisaner den Arabern entrissen worden, welche dieselbe seit fast anderthalb Jahrhunderten beherrscht hatten.
Im ganzen war das Kaisertum in I. hinreichend befestigt, so daß der Wechsel der Dynastie auf dem deutschen Thron [* 21] sich auch in I. ohne erhebliche Schwierigkeit vollzog. König Konrad II., der Salier, zog schon zwei Jahre nach seiner Wahl (1026) nach I. und wurde im folgenden Jahr zum Kaiser gekrönt. Vermochte er in Rom auch nicht, gegenüber dem herrschenden Adel, welcher über den päpstlichen Stuhl eigenmächtig verfügte, nachhaltig zu gebieten, so übte er in der Lombardei eine desto kräftigere Herrschaft aus und trat dem Erzbischof Aribert von Mailand kraftvoll entgegen, indem er den kleinern freien Herren der Lombardei Schutz gegen die geistliche Fürstengewalt gewährte und bei dem Streit über die Erblichkeit der Lehen dem Rechte der weltlichen Vasallen gegenüber der willkürlichen Verleihung der Kirchenfürsten die Anerkennung sicherte.
Heinrich III. vollendete das von seinem Vater begonnene Werk der Pazifikation Italiens, indem er sich den von Clugny ausgegangenen Bestrebungen einer Kirchenreform entschieden anschloß und nicht nur dem verweltlichten geistlichen Fürstentum, sondern auch dem Papsttum eine veränderte Richtung gab. Durch die von ihm in Rom eingesetzten deutschen Päpste erhielt die Partei der Kirchenreform überall das Übergewicht. In der Regierung der zahlreichen Bistümer Italiens begann an der Stelle der weltlichen Interessen eine regere kirchliche Tendenz sich geltend zu machen.
Aber die reformierte Kirche wendete sich freilich alsbald gegen jeden Einfluß der staatlichen Gewalt und wollte auch die Rechte des obersten Schutzherrn, des Kaisers, beseitigt wissen, nachdem sie sich mit Hilfe desselben von der Macht der kleinen weltlichen Herren freigemacht hatte. In I. erhielt nun der große, welthistorische Streit, welcher sich insbesondere an die Namen Gregors VII. und Heinrichs IV. knüpfte (s. Investitur), einen zugleich nationalen Charakter; der Kampf des Papsttums wurde zugleich als ein Kampf der Unabhängigkeit der städtischen Republiken und der Selbständigkeit des italienischen Fürstentums aufgefaßt und dargestellt.
Hatten die vorwaltenden Mächte und besonders die Päpste in I. auch keinen Augenblick gezaudert, fremder Hilfe und ausländischer Kräfte sich zu bedienen, so wurde doch der Gedanke nationaler Unabhängigkeit in den Städten und Herrschaften geweckt und allmählich großgezogen. So wurde insbesondere der Rechtsstreit um die Mathildischen Güter zwischen Papst und Kaiser, der 1115 nach dem Tode der Markgräfin Mathilde von Tuscien entbrannte, welche ihre Güter der Kirche vermacht hatte, während der Kaiser dieselben als heimgefallene Lehen beanspruchte, in eine rein politische und nationale Frage umgewandelt. Von hervorragender Bedeutung war aber, daß sich im Süden der Halbinsel ein päpstliches Lehnskönigreich bildete, welches der Kirche in ihrem Kampf um die Unabhängigkeit von der deutschen Kaisermacht eine kräftige Stütze war.
Um die Mitte des 11. Jahrh. waren die Normannen im südlichen I. so zahlreich und mächtig geworden, daß Papst Leo IX. ihre Vertreibung anstrebte und zu diesem Ende Hilfe in Deutschland suchte. An der Spitze der Grafschaft Apulien, deren erster Herrscher Wilhelm von Hauteville war, stand damals Humfred, welcher von Robert Guiscard unterstützt wurde. Da nun Leo IX. im Kampf gegen die Normannen nichts ausrichtete, persönlich aber von ihnen auf das ehrenvollste behandelt wurde, so bestätigte er ihnen alle Eroberungen, die sie schon gemacht hatten und die sie im Kampf gegen Griechen und Sarazenen noch machen würden. Während die normännische Herrschaft unter Robert Guiscard mit wunderbarer Schnelligkeit sich immer mehr ausbreitete und unter der Regierung Rogers außer Apulien auch bereits Kalabrien umfaßte, hatten die Päpste noch mit ungleichem Interesse und nicht ohne Mißtrauen ihre Erfolge beobachtet; aber die vollkommene Vertreibung der Griechen, welche sich noch bis 1071 in Bari behaupteten, dann aber auch diesen festen ¶