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Erhebung vom J. 1878 gab es im Königreich 17,870 solcher Institute. Das ganze Vermögen der Wohlthätigkeitsanstalten belief sich auf 1626 Mill. Lire, das Gesamterträgnis auf 91 Mill. Lire, wovon nach Abzug der Patrimoniallasten, der Steuern und Abgaben und der Verwaltungskosten 47 Mill. Lire zu Unterstützungszwecken verfügbar bleiben. Von diesem Unterstützungsbetrag kommen, wenn man nach dem Zweck der Anstalten unterscheidet, auf Almoseninstitute 11,5, auf Spitalanstalten 16,2, auf Kreditanstalten 1,6, auf Erziehungsanstalten 12,3, auf Anstalten mit verschiedenen Zwecken 5,5 Mill. Lire. Die Zahl der unterstützten Personen beträgt im Jahresdurchschnitt 6,305,278, so daß fast schon auf je vier Bewohner des Königreichs eine Person kommt, welche die Wohlthätigkeitsinstitute in irgend einer Richtung in Anspruch nimmt.
Staatsverfassung.
Die italienische Verfassung beruht auf dem Fundamentalstatut vom d. h. auf der vom König Karl Albert dem Königreich Sardinien [* 2] verliehenen Konstitution. Die Regierungsform ist hiernach die repräsentativ-monarchische. Der König ist Inhaber der Staatsgewalt, doch kann er das Recht der Gesetzgebung nur im Verein mit dem Nationalparlament ausüben. Der Thron [* 3] vererbt sich nach dem Salischen Gesetz im Mannesstamm des königlichen Hauses von Savoyen. Der König bekennt sich mit seinem Haus zur römisch-katholischen Kirche. Er wird mit dem vollendeten 18. Lebensjahr großjährig und legt bei seinem Regierungsantritt in Gegenwart beider Kammern einen Eid auf die Verfassung ab. Sein Titel ist nach dem Gesetz vom »von Gottes Gnaden und durch den Willen der Nation König von I.« Er verleiht die fünf Ritterorden (s. unten) und übt verfassungsmäßig die Hoheitsrechte aus. Er führt den Befehl über die Land- und Seemacht; er erklärt Krieg, schließt Friedens-, Allianz-, Handels- und sonstige Verträge, von denen nur jene, welche eine Belastung der Finanzen oder eine Veränderung des Gebiets in sich schließen, zu ihrer Wirksamkeit der Zustimmung der Kammern bedürfen.
Der König ernennt zu allen Staatsämtern, sanktioniert und verkündigt die Gesetze, welche sowie die Regierungsakte von den verantwortlichen Ministern gegengezeichnet sein müssen, und erläßt die zur Ausführung der Gesetze notwendigen Dekrete und Reglements. Die Justiz wird in seinem Namen gehandhabt, ihm allein kommt die Begnadigung und Strafmilderung zu. Sämtliche Staatsbürger ohne Unterschied des Standes sind nach den Bestimmungen des Fundamentalstatuts gleich vor dem Gesetz.
Die individuelle Freiheit ist garantiert;
die Wohnung ist unverletzlich;
das Recht der Versammlung ist anerkannt.
Jeder Bürger hat das Recht der Petition an die Kammern. Die Volksvertretung des Königreichs I. besteht aus zwei Kammern, dem Senat und der Deputiertenkammer. Der Senat besteht aus den königlichen Prinzen und aus Mitgliedern, welche vom König auf Lebenszeit aus gewissen Kategorien von Staatsbürgern (Inhabern bestimmter Ämter und Würden, um das Vaterland verdienten Männern und Personen, welche jährlich 3000 Lire direkte Steuern zahlen) im Alter von mindestens 40 Jahren ernannt werden.
Die Zweite Kammer heißt die Deputiertenkammer und begreift 508 Mitglieder, welche in 135 Wahlkreisen (in jedem Kreis [* 5] 2-5 Abgeordnete) im Weg des Listenskrutiniums auf die Dauer von fünf Jahren direkt berufen werden. Wähler sind alle Italiener, welche die bürgerlichen und politischen Rechte genießen, das 21. Lebensjahr vollendet haben, lesen und schreiben können und 20 Lire direkte Steuern zahlen oder vermöge bestimmter persönlicher Stellung oder Qualifikation wahlberechtigt sind.
Wählbar als Deputierte sind alle Wähler, welche das 30. Lebensjahr zurückgelegt haben. Nicht wählbar sind Seelsorgegeistliche, Staatsbeamte (mit Ausnahme der Minister, Generalsekretäre, höhern Offiziere, Hochschulprofessoren, aber auch diese nur in der Zahl von höchstens 40), Sindaci, Provinzialdeputierte und Personen, die von subventionierten Gesellschaften Gehalt oder Vergütung beziehen. Der König ruft die Kammern jedes Jahr zusammen; die Sitzungen sind öffentlich.
Das Präsidium des Senats wird vom König, das der Deputiertenkammer von dieser gewählt. Die letztere besitzt das Recht der Ministeranklage, in welchem Fall der Senat als Gerichtshof fungiert. Die Provinzen besitzen Selbstverwaltung, deren Ausübung dem von den Gemeindewählern auf fünf Jahre gewählten Provinzialrat und der von diesem berufenen Provinzialdeputation übertragen ist. Die Gemeindeorgane sind der auf fünf Jahre gewählte Gemeinderat, die aus der Mitte des Gemeinderats gewählte Munizipalgiunta und der Sindaco, der Chef der Gemeindeverwaltung.
Verwaltung.
Was die Staatsverwaltung betrifft, so wird die vollziehende Gewalt vom König durch die verantwortlichen Minister ausgeübt, welche im Ministerrat zusammentreten. Neben diesem besteht ein Staatsrat, welcher konsultative Befugnisse besitzt und über Kompetenzkonflikte zwischen Administrativbehörden und Gerichten sowie über Streitigkeiten zwischen dem Staat und seinen Gläubigern entscheidet. Derselbe besteht aus einem Präsidenten, drei Sektionspräsidenten, 24 Staatsräten und dem Dienstpersonal und wird auf Vorschlag des Ministerrats vom König ernannt.
Die oberste Staatsverwaltung ist unter folgende neun Ministerien, mit dem Sitz in Rom, [* 6] verteilt:
1) das Ministerium für die auswärtigen Angelegenheiten (mit dem Rat für diplomatische Streitsachen);
2) das Ministerium des Innern (mit dem Obersanitätsrat);
3) das Ministerium für Gnade, Justiz und Kultus;
4) das Ministerium der Finanzen und des Schatzes;
5) das Kriegsministerium (ihm sind die Komitees für den Generalstab, die Linienwaffen, die königlichen Karabiniere, für Artillerie und Genie, für das Militärsanitätswesen und das oberste Kriegs- und Marinetribunal unterstellt);
6) das Marineministerium (mit dem Obermarinerat);
7) das Ministerium des öffentlichen Unterrichts (mit dem Oberunterrichtsrat);
8) das Ministerium der öffentlichen Arbeiten (mit dem obern Rat für die öffentlichen Arbeiten und dem Eisenbahnrat);
9) das Ministerium für Ackerbau, Industrie und Handel (mit dem Bergrat und der statistischen Zentralgiunta). Eine selbständige Stellung besitzt der Rechnungshof des Königreichs.
Für die Verwaltung zerfällt I. in Provinzen (s. S. 57), Kreise [* 7] (circondari, in Venetien und Mantua [* 8] Distrikte genannt), Bezirke (mandamenti, diese bloß für die Rechtspflege) und Gemeinden. Jeder Provinz steht ein Präfekt vor. Derselbe vertritt die vollziehende Gewalt und hat zu seiner Unterstützung den Präfekturrat an der Seite, welcher aus einer Anzahl von Räten, Sekretären und subalternen Beamten besteht. In jedem Kreis ist eine Unterpräfektur errichtet, deren Vorstand, der Unterpräfekt, unter Leitung des Präfekten die Verwaltungsgeschäfte des Kreises besorgt. Es gibt in ganz I. 69 Präfekturen, ¶
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137 Unterpräfekturen und 78 Distriktskommissariate. Unter den Präfekten und Unterpräfekten (Distriktskommissaren) fungieren die Gemeindevorsteher (Sindaci, s. oben) als Regierungsbeamte. Die Sicherheitspolizei wird von den Präfekten, Unterpräfekten (oder Distriktskommissaren) mit beigegebenen Inspektoren und Delegaten, in zwölf großen Städten von Quästoren (mit Inspektoren) geleitet. In jeder Provinz bestehen ein Sanitätsrat, ein Schulrat, eine Postdirektion, eine Finanzintendanz und ein Bauamt; für größere Gebiete sind 9 Telegraphendirektionen, 34 Forstdepartements und 8 Bergämter eingesetzt.
Was die Überwachung der Provinzen und Gemeinden durch den Staat betrifft, so haben die Präfekten die Protokolle und Beschlüsse der Gemeinde- und Provinzialräte zu prüfen, auch liegt der Provinzialvertretung die Oberaufsicht über das Budget der Gemeinden u. dgl. ob. Gegen Entscheidungen beider ist Rekurs möglich. Der König kann die Gemeinde- und Provinzialräte auflösen, in dringenden Fällen sogar der höchste Provinzialbeamte. Binnen drei Monaten nach der Auflösung muß jedoch eine Neuwahl angeordnet werden. Bei Auflösung des Provinzialrats tritt der Präfekt und der Präfekturrat ein, bei Auflösung des Gemeinderats ein königlicher Kommissar.
Die Rechtspflege wird in I. gehandhabt von 5 Kassationshöfen (in Rom, Turin, [* 10] Florenz, [* 11] Neapel [* 12] und Palermo), [* 13] dann 24 Appellhöfen, 92 Assisenhöfen, 161 Zivil- und Korrektionstribunalen, 1804 Präturen, 28 Handelstribunalen, ferner von Vermittlern (conciliatori) in jeder Gemeinde und von Militärgerichten.
Finanzen.
Der Staatshaushalt des Königreichs I. leidet seit dem Bestand des neuen Staats an einem bedeutenden Defizit sowie an einer Überlastung mit Schulden, und es ist erst heute gelungen, die mißlichste Frage der italienischen Verwaltung, die Herstellung des Gleichgewichts zwischen den Einnahmen und Ausgaben, in dauernd befriedigender Weise zu lösen. Es sind nicht bloß die Kosten der Kriege und die Schuldenlast der ehemaligen italienischen Staaten, mit denen das junge Königreich vom Tag seiner Entstehung an zu rechnen hatte; es ist auch nicht allein die Erhaltung der unentbehrlichen Militärmacht, was die italienische Staatsbilanz zu einer so passiven gestaltete: vielleicht die wichtigste Ursache hiervon liegt in dem verhältnismäßigen Mangel an volkswirtschaftlichen Produktivkräften und an augenblicklicher Fähigkeit, die reichen, aber namentlich im Süden noch völlig unentwickelten Hilfsquellen des Landes in hinreichendem Maß nutzbar zu machen und so die nach der Lage der Dinge unausweichliche Ausgabenlast entsprechend zu decken.
Die Regierung ist wohl bestrebt, durch Hebung [* 14] der Bodenkultur, der Verkehrswege etc. die Produktions- und Steuerkraft des Landes zu heben; doch erfordert dies erhöhten Aufwand und zeitigt seine Früchte erst spät. In den 20 Jahren einheitlicher Administration ist das Defizit allerdings geschwunden (1866 betrug es 721,4 Mill. Lire), doch war dies nur durch hochgespannte Inanspruchnahme der Steuerkraft zu erreichen. Eine sehr anerkennenswerte staatsfinanzielle Maßregel war die im J. 1883 durchgeführte Aufhebung des Zwangskurses des Papiergeldes und die Rückkehr zur Metallwährung. Das Staatsbudget für das mit Ende Juni endende Finanzjahr 1886/87 präliminiert die Einnahmen und Ausgaben folgendermaßen:
a) Ordentliche Einnahmen | Lire |
1) Renten von den Staatsaktiven | 18681378 |
2) Grund- und Gebäudesteuer | 183217840 |
3) Einkommensteuer | 208347876 |
4) Abgaben für Vermögensübertragung und Rechtsgeschäfte | 187388000 |
5) Zölle | 232600000 |
6) Konsumsteuern (Oktroi) | 81577245 |
7) Tabak | 188300000 |
8) Salz | 58500000 |
9) Lotto | 76500000 |
10) Andre Konsumsteuern | 33950000 |
11) Post und Telegraph | 56168925 |
12) Staatseisenbahnen | 58000000 |
13) Andre öffentliche Anstalten | 19357900 |
14) Rückzahlungen | 22661556 |
15) Verschiedene Einnahmen | 7402200 |
16) Durchlaufende Einnahmen | 92759678 |
: | 1525412598 |
b) Außerordentliche Einnahmen | 193614541 |
Gesamteinnahmen: | 1719027139 |
Dem gegenüber sind die Ausgaben mit 1,700,229,160 Lire beziffert, so daß der Überschuß 18,797,979 Lire beträgt. Die Staatsausgaben verteilen sich auf das Ordinarium mit 1,423,916,040 Lire und auf das Extraordinarium mit 276,313,120 Lire. Auf die einzelnen Posten verteilen sich die ordentlichen Ausgaben wie folgt:
Lire | |
1) Ministerium des Schatzes (Staatsschuld, Pensionen, Zivilliste, Parlament, Domänen) | 721013900 |
2) Finanzministerium (Verwaltungs- und Erhebungskosten) | 182699112 |
3) Justiz und Kultus | 33665052 |
4) Ministerium des Äußern | 7807242 |
5) Öffentlicher Unterricht | 34736882 |
6) Ministerium des Innern | 60737184 |
7) Ministerium der öffentlichen Arbeiten | 78529878 |
8) Kriegsministerium | 220106618 |
9) Marine | 71315660 |
10) Ackerbau und Handel | 13304512 |
Zusammen: | 1423916040 |
Der wirkliche Erfolg des Staatshaushalts war übrigens gegenüber den Präliminarien in den letzten Jahren noch günstiger. Neue Anleihen erscheinen sonach unter normalen Verhältnissen für die Zukunft ausgeschlossen. Außerdem beliefen sich die Ausgaben der Gemeinden, die teilweise durch eine Verbrauchssteuer und durch Zuschläge zu Staatssteuern gedeckt werden, 1884 auf 526 Mill. Lire.
Die italienische Staatsschuld hat allerdings im Verhältnis zu den Produktivkräften des Landes eine außerordentliche Höhe erreicht. Sie erforderte 1885/86 einen Zinsenaufwand von 534,304,418 Lire, wovon auf die konsolidierte Schuld und zwar zu 5 Proz. 441,9, zu 3 Proz. 6,4 Mill. Lire kamen. Auf Amortisation wurden in diesem Jahr 1,120,112 Lire verwendet. Wenn man obigen Zinsenbetrag kapitalisiert, so ergibt sich ein Nominalkapital der italienischen Staatsschuld von ungefähr 10,250 Mill. Lire. Nimmt man noch auf die andern öffentlichen Schulden Rücksicht, so kommen an Gemeindeschulden im J. 1881: 724,1, an Schulden der Provinzen 102,2 Mill. Lire hinzu.
Heerwesen und Marine.
Das Wehrgesetz vom bildet die Grundlage für das heutige Heerwesen in I. Nach der Einigung Italiens [* 15] regelte das Wehrgesetz vom die Kriegsformation des Heers und das Gesetz vom die Territorialeinteilung. Durch Gesetz vom wurde sodann die allgemeine Wehrpflicht eingeführt und durch Gesetz vom Bestimmung über die Ergänzung des Heers getroffen. Dieses Gesetz machte eine ¶