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Seide [* 2] mit 277 Mill. Lire an der Spitze, hiernach folgen Metalle, Erze und Münzen [* 3] mit 215,7, Tiere und tierische Produkte mit 126,3, Wein und Öl mit 113,5, Reis, andre Cerealien und Südfrüchte mit 111,3 Mill. Lire etc. Die wichtigsten Verkehrsländer für den auswärtigen Spezialhandel Italiens [* 4] sind: Frankreich, Großbritannien [* 5] und Irland, Österreich-Ungarn [* 6] und das Deutsche Reich. [* 7] Rücksichtlich der Transportwege ist in der Einfuhr der Seehandel (mit 67¾ Proz.), in der Ausfuhr dagegen der Landhandel (51½ Proz.) von größerer Wichtigkeit; das Übergewicht des letztern in der Ausfuhr ist hauptsächlich auf die Eröffnung der Alpenbahnen zurückzuführen.
Der Seeschiffahrt stand Anfang 1886 eine Handelsmarine von 7336 Schiffen mit 953,419 Ton. Tragfähigkeit zu Gebote, darunter 225 Dampfschiffe mit 124,600 T. Das Personal der Handelsmarine mit Einschluß des Schiffbaues und der Fischerei [* 8] belief sich auf 192,046 Mann. Die Seeschiffahrtsbewegung in den italienischen Häfen zu Handelszwecken ergab 1884: 104,369 eingelaufene Schiffe [* 9] mit 16,717,679 T. und 103,987 ausgelaufene Schiffe mit 16,666,031 T. Die durch die Seeschiffahrt vermittelte Warenbewegung betrug 10,319,902 T. Auf die internationale Schiffahrt kamen zusammen 30,986 ein- und ausgelaufene Schiffe mit 10,4 Mill. T. Hinsichtlich der Flaggen [* 10] prävalierte hierunter die englische mit 4,4, hierauf folgte die italienische mit 2,8 und die französische Flagge mit 1,7 Mill. T. Auf die Küstenschiffahrt kamen zusammen 177,370 ein- und ausgelaufene Schiffe mit 22,9 Mill. T., wobei die italienische Flagge (mit 16,6 Mill. T.) überwog.
Die italienische Seemacht hat vortreffliche Traditionen für sich, und italienische Matrosen sind sehr gesucht. Auch hat die Natur das Land mit Materialien zum Schiffahrtsgewerbe reich ausgestattet. Schiffbauholz ist in den Wäldern der Alpen [* 11] und Apenninen sowie auf Sardinien [* 12] vorhanden, ebenso Eisen, [* 13] Kupfer, [* 14] Hanf, Pech und Teer. Dies alles zusammengenommen sichert dem Land einen hervorragenden Platz unter den seefahrenden Nationen. I. besitzt aber auch eine große Zahl trefflicher, nur teilweise durch Kunst verbesserter Häfen, von welchen die zwölf wichtigsten (mit Angabe des Tonnengehalts der 1884 in denselben ein- und ausgelaufenen Schiffe) folgende sind: Genua [* 15] (4,823,585), Neapel [* 16] (3,312,808), Livorno [* 17] (2,495,436), Messina [* 18] (2,246,850), Palermo [* 19] (2,236,994), Venedig [* 20] (1,515,568), Catania (1,353,393), Brindisi (1,035,752), Bari (859,207), Ancona [* 21] (699,879), Savona (695,799), Cagliari (585,960). Die hervorragendste Schiffahrtsunternehmung Italiens ist die vereinigte Dampfschiffahrtsgesellschaft Navigazione Generale Italiana (früher Florio-Rubattino, s. d.).
Von Eisenbahnen fand das Königreich I. mehrere getrennte Stücke vor, die seitdem vereinigt und ausgebaut worden sind. Von 26 km im J. 1840, in welchem in I. die erste Eisenbahn (Neapel-Castellammare) dem Betrieb übergeben wurde, hat sich die Länge dieses Verkehrswegs schon Ende 1850 auf 590, Ende 1860 auf 2204, Ende 1869 auf 5587 km gesteigert und betrug zu Ende 1884: 9916 km außer den noch im Bau befindlichen und konzessionierten Bahnen. Nach dem Gesetz vom Jahr 1879, welches den Ausbau der Eisenbahnen bezweckt, sollen noch im ganzen 6020 km Eisenbahnen gebaut werden.
Von dem Gesamtbahnnetz kamen 1884 auf Staatsbahnen [* 22] 6257, auf Privatbahnen 3659 km. Doch hat der Staat seine Bahnen in den letzten Jahren in drei großen Netzen, dem adriatischen, dem mittelländischen und dem sizilischen, an Betriebsgesellschaften verpachtet. Die Brutto-Einnahmen der Eisenbahnen betrugen 1884 insgesamt 210,745,931 Lire, wovon auf die anderwärts mehr untergeordnete Personenbeförderung 79,750,429 Lire entfielen. Das Landstraßennetz, das namentlich im S. bis 1860 sehr mangelhaft war, hat sich von 85,959 km im J. 1863 auf 115,000 km im J. 1880 vermehrt.
Auch das Post- und Telegraphenwesen hat einen erfreulichen Aufschwung genommen, indem dem erstern im J. 1885 eine Zahl von 4588 Postanstalten, dem letztern eine solche von 3073 Telegraphenämtern und 28,438 km Linien zur Verfügung stand und der Verkehr der Briefpost 254,1 Mill. Stück, derjenige des Telegraphen [* 23] 7,344,422 Depeschen (1868 erst 2,320,280) erreichte. Doch steht die Lebhaftigkeit des Post- und Telegraphenverkehrs in I. gegen andre Staaten noch weit zurück, da 1885 auf einen Einwohner nur 8,6 Briefe (in Großbritannien 43,6, in der Schweiz [* 24] 31,6) und auf 1000 Bewohner 250 Depeschen (in Großbritannien 1086) kamen.
Die Zahl der Banken, Kreditinstitute etc. betrug Anfang 1883 in ganz I. 348 mit einem Nominalkapital von 806,5 Mill. und einem eingezahlten Kapital von 740,5 Mill. Lire. Hierunter befinden sich sechs Emissionsbanken mit 315,35 Mill. Lire eingezahltem Kapital (obenan die Nationalbank von I. zu Rom [* 25] mit 200 Mill. Lire Kapital), 115 eigentliche Kreditbanken mit 346,5 Mill., 206 Volksbanken mit 47 Mill. und 21 Bodenkreditbanken mit 31,6 Mill. Lire eingezahltem Kapital. Die Idee des Sparkassenwesens fand in I. einen guten Boden.
Von 19 im J. 1830 bestehenden haben sich dieselben namentlich seit 1860 und im S., wo sie noch nicht existierten, bis 1882 auf 357 vermehrt, welche zusammen 1,037,139 Einleger und 743,9 Mill. Lire Einlagen zählten. Die Regierung hat sich nur das allgemeine Oberaufsichtsrecht gesichert, im übrigen haben sich diese Institute lediglich unter kommunalen Einflüssen entwickelt. Auch Fabrik-, Schul- und neuerdings Postsparkassen sind eingerichtet worden; von letztern gab es 1882 schon 3488 mit 591,238 Einlegern und 82,4 Mill. Lire Einlagen.
Hinsichtlich des Münzwesens hat I. mit Frankreich, Belgien [* 26] und der Schweiz einen Münzvertrag (die sogen. lateinische Konvention) abgeschlossen, welchem späterhin auch Spanien, [* 27] Rumänien [* 28] und Griechenland [* 29] beigetreten sind, und wonach diese Staaten eine Vereinigung in Betreff des Gewichts, des Gehalts, der Form und des Kurses ihrer Gold- und Silbermünzsorten bilden. Auch hinsichtlich der Maße und Gewichte gilt in I. das französische System (Gesetz vom
Wohlthätigkeitsanstalten.
Eine wichtige Rolle im sozialen Leben Italiens spielen die öffentlichen Wohlthätigkeitsanstalten. I. war von jeher das eigentliche Land der frommen Werke (opere pie), welche sich daselbst in zahllosen Formen mit allen erdenklichen Zwecken ausgebildet und fast unglaubliche Summen für diese aufgebracht haben. Die öffentliche Wohlthätigkeit ist Gemeinde-, bez. Provinzialsache. Der Staat unterhält auf seine Kosten Institute für Findlinge und Geisteskranke bloß in denjenigen Provinzen, welche für diesen bestimmten Zweck keine Institute besitzen. Die Einrichtungen und Institute für öffentliche Wohlthätigkeit werden durch eine Wohlthätigkeitskommission in jeder Gemeinde verwaltet, welche von dem Gemeinderat ernannt wird. Nach der letzten ¶
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Erhebung vom J. 1878 gab es im Königreich 17,870 solcher Institute. Das ganze Vermögen der Wohlthätigkeitsanstalten belief sich auf 1626 Mill. Lire, das Gesamterträgnis auf 91 Mill. Lire, wovon nach Abzug der Patrimoniallasten, der Steuern und Abgaben und der Verwaltungskosten 47 Mill. Lire zu Unterstützungszwecken verfügbar bleiben. Von diesem Unterstützungsbetrag kommen, wenn man nach dem Zweck der Anstalten unterscheidet, auf Almoseninstitute 11,5, auf Spitalanstalten 16,2, auf Kreditanstalten 1,6, auf Erziehungsanstalten 12,3, auf Anstalten mit verschiedenen Zwecken 5,5 Mill. Lire. Die Zahl der unterstützten Personen beträgt im Jahresdurchschnitt 6,305,278, so daß fast schon auf je vier Bewohner des Königreichs eine Person kommt, welche die Wohlthätigkeitsinstitute in irgend einer Richtung in Anspruch nimmt.
Staatsverfassung.
Die italienische Verfassung beruht auf dem Fundamentalstatut vom d. h. auf der vom König Karl Albert dem Königreich Sardinien verliehenen Konstitution. Die Regierungsform ist hiernach die repräsentativ-monarchische. Der König ist Inhaber der Staatsgewalt, doch kann er das Recht der Gesetzgebung nur im Verein mit dem Nationalparlament ausüben. Der Thron [* 31] vererbt sich nach dem Salischen Gesetz im Mannesstamm des königlichen Hauses von Savoyen. Der König bekennt sich mit seinem Haus zur römisch-katholischen Kirche. Er wird mit dem vollendeten 18. Lebensjahr großjährig und legt bei seinem Regierungsantritt in Gegenwart beider Kammern einen Eid auf die Verfassung ab. Sein Titel ist nach dem Gesetz vom »von Gottes Gnaden und durch den Willen der Nation König von I.« Er verleiht die fünf Ritterorden (s. unten) und übt verfassungsmäßig die Hoheitsrechte aus. Er führt den Befehl über die Land- und Seemacht; er erklärt Krieg, schließt Friedens-, Allianz-, Handels- und sonstige Verträge, von denen nur jene, welche eine Belastung der Finanzen oder eine Veränderung des Gebiets in sich schließen, zu ihrer Wirksamkeit der Zustimmung der Kammern bedürfen.
Der König ernennt zu allen Staatsämtern, sanktioniert und verkündigt die Gesetze, welche sowie die Regierungsakte von den verantwortlichen Ministern gegengezeichnet sein müssen, und erläßt die zur Ausführung der Gesetze notwendigen Dekrete und Reglements. Die Justiz wird in seinem Namen gehandhabt, ihm allein kommt die Begnadigung und Strafmilderung zu. Sämtliche Staatsbürger ohne Unterschied des Standes sind nach den Bestimmungen des Fundamentalstatuts gleich vor dem Gesetz.
Die individuelle Freiheit ist garantiert;
die Wohnung ist unverletzlich;
das Recht der Versammlung ist anerkannt.
Jeder Bürger hat das Recht der Petition an die Kammern. Die Volksvertretung des Königreichs I. besteht aus zwei Kammern, dem Senat und der Deputiertenkammer. Der Senat besteht aus den königlichen Prinzen und aus Mitgliedern, welche vom König auf Lebenszeit aus gewissen Kategorien von Staatsbürgern (Inhabern bestimmter Ämter und Würden, um das Vaterland verdienten Männern und Personen, welche jährlich 3000 Lire direkte Steuern zahlen) im Alter von mindestens 40 Jahren ernannt werden.
Die Zweite Kammer heißt die Deputiertenkammer und begreift 508 Mitglieder, welche in 135 Wahlkreisen (in jedem Kreis [* 33] 2-5 Abgeordnete) im Weg des Listenskrutiniums auf die Dauer von fünf Jahren direkt berufen werden. Wähler sind alle Italiener, welche die bürgerlichen und politischen Rechte genießen, das 21. Lebensjahr vollendet haben, lesen und schreiben können und 20 Lire direkte Steuern zahlen oder vermöge bestimmter persönlicher Stellung oder Qualifikation wahlberechtigt sind.
Wählbar als Deputierte sind alle Wähler, welche das 30. Lebensjahr zurückgelegt haben. Nicht wählbar sind Seelsorgegeistliche, Staatsbeamte (mit Ausnahme der Minister, Generalsekretäre, höhern Offiziere, Hochschulprofessoren, aber auch diese nur in der Zahl von höchstens 40), Sindaci, Provinzialdeputierte und Personen, die von subventionierten Gesellschaften Gehalt oder Vergütung beziehen. Der König ruft die Kammern jedes Jahr zusammen; die Sitzungen sind öffentlich.
Das Präsidium des Senats wird vom König, das der Deputiertenkammer von dieser gewählt. Die letztere besitzt das Recht der Ministeranklage, in welchem Fall der Senat als Gerichtshof fungiert. Die Provinzen besitzen Selbstverwaltung, deren Ausübung dem von den Gemeindewählern auf fünf Jahre gewählten Provinzialrat und der von diesem berufenen Provinzialdeputation übertragen ist. Die Gemeindeorgane sind der auf fünf Jahre gewählte Gemeinderat, die aus der Mitte des Gemeinderats gewählte Munizipalgiunta und der Sindaco, der Chef der Gemeindeverwaltung.
Verwaltung.
Was die Staatsverwaltung betrifft, so wird die vollziehende Gewalt vom König durch die verantwortlichen Minister ausgeübt, welche im Ministerrat zusammentreten. Neben diesem besteht ein Staatsrat, welcher konsultative Befugnisse besitzt und über Kompetenzkonflikte zwischen Administrativbehörden und Gerichten sowie über Streitigkeiten zwischen dem Staat und seinen Gläubigern entscheidet. Derselbe besteht aus einem Präsidenten, drei Sektionspräsidenten, 24 Staatsräten und dem Dienstpersonal und wird auf Vorschlag des Ministerrats vom König ernannt.
Die oberste Staatsverwaltung ist unter folgende neun Ministerien, mit dem Sitz in Rom, verteilt:
1) das Ministerium für die auswärtigen Angelegenheiten (mit dem Rat für diplomatische Streitsachen);
2) das Ministerium des Innern (mit dem Obersanitätsrat);
3) das Ministerium für Gnade, Justiz und Kultus;
4) das Ministerium der Finanzen und des Schatzes;
5) das Kriegsministerium (ihm sind die Komitees für den Generalstab, die Linienwaffen, die königlichen Karabiniere, für Artillerie und Genie, für das Militärsanitätswesen und das oberste Kriegs- und Marinetribunal unterstellt);
6) das Marineministerium (mit dem Obermarinerat);
7) das Ministerium des öffentlichen Unterrichts (mit dem Oberunterrichtsrat);
8) das Ministerium der öffentlichen Arbeiten (mit dem obern Rat für die öffentlichen Arbeiten und dem Eisenbahnrat);
9) das Ministerium für Ackerbau, Industrie und Handel (mit dem Bergrat und der statistischen Zentralgiunta). Eine selbständige Stellung besitzt der Rechnungshof des Königreichs.
Für die Verwaltung zerfällt I. in Provinzen (s. S. 57), Kreise [* 34] (circondari, in Venetien und Mantua [* 35] Distrikte genannt), Bezirke (mandamenti, diese bloß für die Rechtspflege) und Gemeinden. Jeder Provinz steht ein Präfekt vor. Derselbe vertritt die vollziehende Gewalt und hat zu seiner Unterstützung den Präfekturrat an der Seite, welcher aus einer Anzahl von Räten, Sekretären und subalternen Beamten besteht. In jedem Kreis ist eine Unterpräfektur errichtet, deren Vorstand, der Unterpräfekt, unter Leitung des Präfekten die Verwaltungsgeschäfte des Kreises besorgt. Es gibt in ganz I. 69 Präfekturen, ¶