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Manuskripte) u. a. Sehr zahlreich sind in I. die wissenschaftlichen Gesellschaften (Akademien), deren jede Stadt eine oder auch mehrere besitzt. Zeitungen erschienen 1856 in I. nur 331, eine Zahl, die 1880 auf 1454 angewachsen war. Von letztern waren 560 politische, 262 litterarische und artistische, 219 fachwissenschaftliche, 185 landwirtschaftliche und gewerbliche, 78 kirchliche, 89 humoristische und illustrierte und 61 pädagogische Blätter. Täglich erschienen 149 (1883: 159) Zeitungen.
Auf Rom kommen 200, Mailand 140, Neapel 120, Turin 94, Florenz 79 Blätter. Wie I. von jeher das klassische Land der Kunst gewesen ist, so ist es auch noch heute, obwohl sich seit Jahrhunderten alle Museen der Welt aus I. bereichert haben, reich an Kunstschätzen, und jede nur irgendwie ansehnliche Stadt besitzt ein Museum für Gemälde, Skulpturen und Antiquitäten. Die bedeutendsten finden sich in Rom (vatikanische und kapitolinische Sammlungen, lateranisches Museum, Galleria Borghese, Doria, Colonna, Corsini etc.), Florenz (Uffizien, Pitti, Akademie, Bargello), Neapel (Nationalmuseum), Venedig (Akademie, Dogenpalast), Mailand (Brera), Turin, Bologna, Genua, Verona, Parma, Perugia, Siena, Palermo etc.
Die Faktoren, welche die ursprüngliche Begabung eines Volkes umzuwandeln und seinen Nationalcharakter zu beeinflussen im stande sind, das Klima, die gesamte Naturumgebung, die historischen Geschicke, mußten in I. besonders wirksam sein. In so mildem Klima, an der Hand einer Natur, welche alle Bedürfnisse reichlich befriedigte, ohne allzu harte, abstumpfende, die Elastizität des Geistes wie des Körpers brechende Arbeit, mußte sich jene Empfänglichkeit, jene Beweglichkeit entwickeln, welche den Italiener charakterisiert.
Weich und geschmeidig, zarter organisiert, wie sein Körper, ist auch sein Geist; rasch auflodernd in Leidenschaft, zu guter wie böser That leicht hingerissen, fehlt es ihm aber nicht selten an Zähigkeit und Tiefe. Mäßig und nüchtern, wie es dem Klima entspricht, ist der einzelne bedürfnislos und vermag sich leicht dem Gefühl der Unabhängigkeit hinzugeben. Wenn auch diese Bedürfnislosigkeit in Nahrung, Kleidung und Obdach leicht zu einem Hemmschuh der Kulturentwickelung werden kann, wie dies in Süditalien schwer zu leugnen ist, so ermöglicht sie doch anderseits ungestörte Hingabe an ideale Bestrebungen, Pflege des Wohlthätigkeitssinnes, der Wissenschaften, der Künste. Namentlich Sinn für die Kunst, Sinn und Pflege des Schönen, in welcher Form immer, ist einer der hervorstechendsten Charakterzüge des Italieners. Nicht nur in den Städten, selbst in der Anlage und Umzäunung der Felder, in der Bauart des einfachen Bauernhauses prägt sich dies aus. Und die Natur unterstützt ihn dabei, sie gibt ihm die schöne Form, das trefflichste Material an die Hand.
Bodenkultur.
Durch die klimatischen wie die Bewässerungsverhältnisse und das Relief des Landes wird auch die Bodenkultur bestimmt. Dieselbe unterscheidet sich in ihrem Betrieb wie in Bezug auf ihre Erzeugnisse sehr wesentlich von derjenigen Mitteleuropas und steht in Oberitalien auf der denkbar höchsten Stufe der Entwickelung, in Süditalien dagegen ist sie häufig noch sehr primitiv. Das Charakteristische daran ist das Überwiegen der Baumkultur, die Anwendung künstlicher Bewässerung, der Anbau von 2 oder 3 Früchten zu gleicher Zeit, namentlich im S., sowie die Erzielung mehrerer Ernten hintereinander in demselben Jahr.
Dort kann man den Boden mit Gerste bestellt sehen, dazwischen Weinreben und über diesen Ölbäume, insofern bei der intensiven Sonnenglut leichte Beschattung wünschenswert ist und diese drei Früchte zu ganz verschiedener Zeit reifen. Die Baumkultur spielt eine so große Rolle, daß 1877 ein Fünftel der Gesamtausfuhr auf ihre Früchte kam. Diese Baumkulturen, die namentlich auch häufig in Terrassen an den Berghängen emporsteigen, erstrecken sich besonders auf Oliven, Feigen, Pfirsiche, Aprikosen, Mandeln, Maulbeeren, Johannisbrot und den Weinstock, zu denen dann an der Riviera und den bewässertern ^[richtig: bewässerten] Ebenen und Thälern Süditaliens die sehr wichtige Kultur der Limonen, Orangen, Mandarinen und japanischen Mispeln sowie auf trocknem, selbst felsigem Boden die als Nährpflanze außerordentlich wichtige Opuntie hinzukommen, während unsre mitteleuropäischen Obstarten nach S. hin immer mehr in höhere Gegenden zurückweichen.
Viele Gegenden erhalten durch diese Fruchtbäume einen waldartigen Anblick. Eine sehr große Rolle spielen auch Gemüse, Erbsen, Artischocken, Blumenkohl, Salat u. dgl., welche im S. im Winter fast besser gedeihen als im Sommer, während die massenhaft angebauten Tomaten und Kukurbitaceen jeder Art auf den Sommer beschränkt sind. Kartoffeln werden nur in Oberitalien im großen gebaut, weiter nach S. sind sie in vielen Gegenden fast unbekannt und werden durch Opuntien ersetzt.
Von Cerealien baut man besonders Weizen, Mais (mehr in Ober- und Mittelitalien), Gerste (sehr wichtig im S.) und Reis im Pogebiet. Die intensivste Bodenkultur herrscht im Pogebiet, in Toscana, Kampanien, der Conca d'Oro von Palermo und ähnlichen Gegenden, die durchaus gartenartig angebaut sind, wo kein Stückchen Land unbenutzt bleibt und unter beständiger Bewässerung auf dem fruchtbaren Schwemmland höchster Ertrag erzielt wird. Die Kostspieligkeit der Bewässerungsanlagen hat aber den Grund und Boden meist in der Form großer Güter in den Besitz reicher Adligen und Städter gebracht, welche dieselben in vielen kleinen Parzellen so hoch verpachten, daß der Pachter bei harter Arbeit kaum das Leben fristet und die Masse der Bevölkerung in diesem Garten Europas im Elend schmachtet. Im Gegensatz zu diesen Gegenden stehen aber die Hügellandschaften des innern Sizilien, auf denen nur Weizen mit Ausschluß aller Bäume in primitiver Weise gebaut wird, und die nach der Ernte im Sommer und Herbst der Steppe gleichen, noch mehr aber die nur als Winterweide brauchbaren, im Sommer von Malaria heimgesuchten Ebenen Apuliens, die Pontinischen Sümpfe, die Campagna von Rom und die Maremmen.
Die Landwirtschaft ist die Haupterwerbsquelle der Bevölkerung, und bei der allgemeinen Fruchtbarkeit des Bodens sind selbst in Sardinien und Sizilien die unangebauten Flächen geringer, als man gewöhnlich annimmt. Das produktive Land beträgt 87 Proz. des Gesamtareals, unproduktiv sind nur die genannten Sumpfgegenden und die höhern Gebirge. Aber auch in erstern sind schon allenthalben Austrocknungsarbeiten vorgenommen, wie neuerdings in der römischen Campagna, wie überhaupt in den letzten zwei Jahrzehnten derartige kulturtechnische Arbeiten, in denen die Italiener Meister sind, mit größerer Energie in Angriff genommen worden sind.
Vom Gesamtareal entfallen auf Acker- und Gartenland 36,9 Proz., auf Weinland 6,3, auf Wiesen und Weiden 25, auf Olivenhaine 3 und auf Waldungen 15,7 Proz. Der Ackerbau liefert alle Getreidearten, Reis in großer Menge zur Ausfuhr (bis 800,000 metr. Ztr.),
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Weizen und Mais dagegen trotz ansehnlicher Produktion nicht hinreichend, so daß jährlich bedeutende Quantitäten von diesen Früchten importiert werden müssen (durchschnittlich 2 Mill. metr. Ztr. Weizen und 1,4 Mill. metr. Ztr. Mais). Die Produktion an Cerealien beziffert sich im Jahresdurchschnitt an Weizen mit 50,9, Mais 31,3, Roggen und Gerste 6,4, Hafer 6,7, Reis 11,3, ferner an Hülsenfrüchten 5,6 Mill. hl und an Kartoffeln 7 Mill. metr. Ztr. Der Weizenbau findet in allen Provinzen Italiens statt, am stärksten in den neapolitanischen, in Sizilien und der Lombardei, wo er den Konsum übersteigt.
Für Mais und Reis ist das Pogebiet bei weitem am wichtigsten, ebenso für Kartoffeln. Von Industriepflanzen werden Hanf (960,000 metr. Ztr.) in den mittelitalienischen Provinzen östlich von den Apenninen, Flachs (235,000 metr. Ztr.) besonders in der Lombardei, Baumwolle (180,000 metr. Ztr.) in Süditalien und Tabak (45,000 metr. Ztr.) auf den Inseln und in einigen kontinentalen Provinzen gebaut. Die Kultur der südlichen Fruchtbäume spielt in I. eine größere Rolle als selbst in den übrigen Mittelmeerländern.
Südlich vom 40. Breitengrad sind Orangen u. Limonen, deren Anbau in Sizilien und Kalabrien sich beständig ausdehnt, die wichtigsten, von da bis zum 44. Breitengrad ist der Ölbaum, der weiter südlich aber durchaus nicht fehlt, der charakteristische Baum, doch fängt man erst jetzt an, das Öl rationell zu behandeln und dadurch höhere Preise zu erzielen. Die Jahresproduktion an Olivenöl beläuft sich auf 3 Mill. hl, wovon sehr viel zur Ausfuhr kommt; die Agrumenernte beträgt 2600 Mill. Stück Früchte.
Über ganz I. ausgedehnt ist der Weinbau, der aber auch erst in wenigen Gegenden, namentlich in Sizilien, so rationell betrieben wird, daß von den jährlich gewonnenen 22-28 Mill. hl Wein ein beträchtliches Quantum zur Ausfuhr gelangen kann. An Waldungen ist I. nicht so arm, wie man nach dem Pogebiet schließen möchte; die Apenninen sind noch reich an Wäldern von Edelkastanien, welche bei der Ernährung der Bevölkerung ins Gewicht fallen (496,000 Hektar Bepflanzung, Jahresertrag 5,8 Mill. metr. Ztr. Früchte), an Eichen, Buchen, Tannen und Kiefern; der niedrige, wild und kultiviert vorkommende Sumachbaum liefert große Mengen von Gerbstoff, auch geben die edlen Fruchtbäume wertvolles Tischlerholz.
Die Korkeiche liefert ihre Rinde, die herrliche Pinie, namentlich in dem Wald von Ravenna, ihre Nüsse, die Zwergpalme Siziliens Fasern zu Flechtwerk jeder Art, die Esche in den südlichen Provinzen den im Sommer ausquellenden verdickten Saft, die Manna. Sehr reich an Wald ist namentlich auch die Insel Sardinien. Man rechnet 4,6 Mill. Hektar Wälder, die aber in ihrem Bestand wenig geschätzt werden, da von Forstwirtschaft in I. kaum die Rede sein kann. Auch an Wild sind die Wälder sehr arm, da die Jagd frei ist, was namentlich auch den Sing- und Zugvögeln Mitteleuropas verhängnisvoll wird, die zu Millionen beim Durchzug geschossen und gefangen werden.
Viehzucht und Fischerei.
Die Viehzucht steht in I. sehr tief, nur Ziegen gedeihen allenthalben; rationelle Rindviehzucht ist auf einzelne Gegenden der mittlern Po-Ebene beschränkt, wo auch die Käsegewinnung (Parmesankäse) von großer Bedeutung ist. Schafzucht wird allenthalben getrieben, bringt aber nur jährlich 10 Mill. kg mittelmäßige Wolle. Die Geflügelzucht liefert namentlich große Mengen von Eiern für den Export (für 37 Mill. Lire). Der Viehstand betrug nach der Erhebung vom Jahr 1881: 4,783,232 Rinder, 8,596,408 Schafe, 2,016,307 Ziegen, 674,246 Maultiere und Esel und 1,163,916 Schweine.
Hierzu kommen (nach der Zählung vom Jahr 1876) 657,544 Pferde. Von nicht geringer Wichtigkeit ist die Seefischerei, welche ca. 14,000 Schiffe und Boote von 50,000 Ton. beschäftigt, sowie die Korallenfischerei, welcher 1884: 549 Schiffe mit 4276 T. Gehalt dienten. Die dabei beschäftigte Mannschaft belief sich auf ca. 40,000. Die Fischerei erstreckt sich bis an die französische und afrikanische Küste. Am bedeutendsten ist die Thunfischerei (näheres s. Fischerei, S. 311). Von großer Bedeutung ist auch die Lagunenfischerei, namentlich in den Lagunen von Comacchio. Die Korallenfischerei wird hauptsächlich von den Häfen von Torre del Greco und Mazzara aus an der sizilischen Küste betrieben. Aus der Verarbeitung der zur Ausfuhr gelangenden Korallen erwächst dem Land ein Gewinn von jährlich 25-60 Mill. Lire. Zur Schwammfischerei liefen 1884: 66 Schiffe mit 1167 T., hauptsächlich von Trapani nach der tunesischen Küste, aus.
Bergbau.
Schon daraus, daß I. ein Land jüngerer Entstehung ist, läßt sich auf eine gewisse Armut an Mineralschätzen, wie dieselbe in der That vorhanden ist, schließen. Nur wo der Boden aus älterm geschichteten, kristallinischen oder eruptiven Gestein besteht, in den Alpen, dem Ligurischen Apennin, dem Toscanischen Subapennin wie auf Elba und Sardinien, finden sich wertvolle Mineralien, zu denen noch im Tertiär Siziliens Schwefel u. Steinsalz kommen. Bedeutungsvoll für die Verwertung der Bergbauprodukte sowie für die Entwickelung der Industrie ist das fast gänzliche Fehlen von Stein- und Braunkohlen (1884 wurden nur 230,000 Ton. Braunkohle, größtenteils in Toscana, gefördert).
Die Bergwerke sind vielfach in den Händen fremder, besonders englischer, Gesellschaften. Die Goldbergwerke von Piemont und die Silberbergwerke auf der Insel Sardinien (Iglesias) sind von mäßiger Bedeutung, ebenso die Quecksilberminen im südlichen Toscana und in der Provinz Belluno. Bedeutender ist die Gewinnung von Blei- und Zinkerzen auf Sardinien (Iglesias), erstere auch in der Lombardei und Toscana. Die Erze werden größtenteils exportiert; an Metall werden nur 10,000 T. Blei und Glätte produziert.
Alt und höchst bedeutungsvoll ist der die trefflichsten Erze liefernde Eisenbergbau auf Elba und in den Provinzen Bergamo, Brescia, welcher ebenfalls hauptsächlich für den Export arbeitet. An Roheisen wurden 1884 nur 120,129 T. gewonnen, da es der einheimischen Verhüttung und Eisenindustrie, die wenig Fortschritte macht, an Brennmaterial fehlt. Ebenfalls von den Etruskern her datiert der Kupferbergbau in Toscana, welcher jährlich ca. 250,000 metr. Ztr. Erz und 4000 metr. Ztr. metallisches Kupfer liefert.
Das wichtigste Objekt des italienischen Bergbaues ist der Schwefel, welcher auf der Insel Sizilien in sehr mächtigen Lagern auftritt, und dessen noch sehr primitive Gewinnung in 300 Gruben vielen Arbeitskräften einen allerdings dürftigen Erwerb bietet. Außer Sizilien, wo er insbesondere in den Provinzen Girgenti und Caltanissetta vorkommt, gibt es noch Schwefelminen in den Provinzen Forli, Pesaro-Urbino, Avellino und Rom. Die Schwefelproduktion betrug 1880 im ganzen 359,540 T., wovon 312,862 auf Sizilien entfallen und der größte Teil (1880: 287,149 T.) exportiert wird. Die Gewinnung von Steinsalz, an dem das innere Sizilien und Kalabrien sehr reich sind, ist unbedeutend (1880: 16,000 T.), da der Transport zu teuer ist und die Salinen an der Küste Siziliens,
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Sardiniens und Elbas wie der Provinzen Rom und Bari weit billigeres Salz (320,000 T. jährlich) liefern. Erwähnenswert ist noch die Asphaltgewinnung in Süditalien (jährlich gegen 340,000 metr. Ztr.).
Industrie.
Die Industrie Italiens gehört zwar nicht zu denen ersten Ranges in Europa, doch ist sie in einzelnen Zweigen immerhin bedeutend genug und hat in neuerer Zeit, besonders in den nördlichen Provinzen, einen lebhaften Aufschwung genommen. Die Thatsache, daß innerhalb der letzten Dezennien der Konsum von Mineralkohlen von 500,000 auf 3 Mill. Ton. angewachsen ist, zeugt von der fortschreitenden industriellen Thätigkeit des Königreichs. Von den einzelnen Industriezweigen beschäftigt der Maschinenbau, obwohl er mit seiner Produktion den inländischen Bedarf nicht deckt, 65 größere Etablissements, besonders bei Turin und Mailand.
Die Wagenfabrikation ist in Mailand von großer Bedeutung. Hinsichtlich des Schiffbaues nimmt I. unter den Seestaaten einen hervorragenden Platz ein, am ansehnlichsten ist er in Ligurien. Musikalische Instrumente werden in allen Hauptstädten produziert; das Land ist durch die Verfertigung der Streichinstrumente von Cremona rühmlichst bekannt, und Darmsaiten werden nirgends so gut bereitet wie in den Abruzzen. In der Eisenindustrie steht die Lombardei obenan; die Hauptsitze hierfür sind namentlich die Provinz Brescia (für Messer und andre Stahlwaren, Waffen etc.), die Provinzen Como und Mailand.
Raffiniertes Eisen verschiedener Art, Stahl und Eisenwaren müssen jedoch im Wert von 70 Mill. Lire jährlich importiert werden. Die Fabrikation von Gold- und Silberwaren, ein alter Zweig italienischen Gewerbfleißes, steht in Rom, Mailand, Neapel, Genua, Venedig und Catania in großer Blüte. I. besitzt ferner großen Reichtum an Marmor, der hier in den schönsten und mannigfaltigsten Farben und Zeichnungen gebrochen und bearbeitet wird. Das Hauptland ist in dieser Beziehung Toscana, insbesondere das Gebiet von Massa und Carrara und der Distrikt von Serravezza in der Provinz Lucca.
Durch die Alabasterbrüche und die Herstellung von Alabasterwaren zeichnet sich der Bezirk Volterra in der Provinz Pisa aus, und einer Weltberühmtheit erfreut sich die Erzeugung von Kameen und Mosaiken in Rom, Neapel und Florenz sowie die von Korallenwaren in denselben Städten, dann in Livorno und Genua. Die Industrie in Thonwaren wird in I. von jeher mit dem besten Erfolg betrieben und arbeitet in verschiedenen Artikeln auch für die Ausfuhr. Die Arbeiten werden in der geschmackvollsten Weise, Terrakotten, Majolika und Fayence insbesondere in bewundernswerten Formen an vielen Orten hergestellt.
Die Glasindustrie vermag den einheimischen Bedarf bei weitem nicht zu decken; eigentümlich für Venedig und die Insel Murano ist die Fabrikation von Glasperlen, Glaspasten, Glasmosaiken, die allein 2500 Arbeiter beschäftigt und nach allen Weltteilen exportiert. Auf dem Gebiet der chemischen Industrie sind hervorzuheben: die Gewinnung von Borsäure aus den Lagoni Toscanas (20,000 metr. Ztr.), von Weinstein- und Zitronensäure, wovon jährlich große Mengen ausgeführt werden, die Seifenfabrikation und die Erzeugung von Wachskerzchen, welch letztere einen ansehnlichen Exportartikel bilden. Die Papierindustrie blüht in Piemont, der Lombardei und Kampanien (210 Fabriken), die Strohhutfabrikation in Florenz und Umgebung, die Woll- und Filzhutfabrikation, welche sich in den letzten Jahren sehr entwickelt hat, in Oberitalien, die Lederindustrie liefert jährlich Produkte im Wert von 100 Mill. Lire.
Der wichtigste Industriezweig ist die Seidenindustrie, insbesondere die Erzeugung von Rohseide, welche am stärksten in der Lombardei, in Venetien und Piemont vertreten ist und bei einer Zahl von ca. 5500 Filanden jährlich ca. 2,3 (1883: 3,2) Mill. kg Rohseide liefert. Gegen 2 Mill. Spindeln sind bei der Seidenspinnerei, namentlich in der Provinz Como, thätig, wo auch die Seidenweberei (in ganz. I. 12,000 gewerbsmäßig betriebene Webstühle) ihren Hauptsitz hat.
Auch Schafwollspinnerei und Weberei ordinärer Ware (300,000 Spindeln, 8500 Webstühle) wird in Oberitalien (Piemont und Venetien) betrieben, ebenso Baumwollindustrie (1,130,000 Spindeln und 30,000 größtenteils mechanische Webstühle, hauptsächlich in Piemont und der Lombardei), welche aber beide trotz ansehnlicher Entwickelung noch sehr starke Einfuhr nötig machen. Die Industrie in Flachs und Hanf beschäftigt nur 59,000 Spindeln und 73,400 Handstühle, letztere größtenteils bei der Hausindustrie; sie ist indes nicht so konkurrenzfähig wie die übrigen Textilindustrien. Von den Industrien in Nahrungsmitteln fallen nur die Erzeugung von Makkaroni in der Umgebung von Neapel und Genua, die Wurstbereitung (Salami und Mortadella) und die Likörfabrikation auch für die Ausfuhr ins Gewicht. Die Zuckerraffinerie beginnt in den letzten Jahren an Boden zu gewinnen. In ganz I. sind 26,7 Proz. der erwerbsfähigen Bevölkerung bei der Industrie beschäftigt.
Handel und Verkehr.
Der Handel Italiens, durch die höchst günstige Lage des Landes, durch die langgestreckten Küsten und die vielen guten Häfen wie durch die sich stetig mehrenden Alpenstraßen wesentlich gefördert, ist ein sehr lebhafter und umfaßt in der Einfuhr, Ausfuhr und Durchfuhr zusammengenommen einen Wert von mehr als 2½ Milliarden Lire, wozu noch der sehr beträchtliche Wert des innern Verkehrs kommt. Der interne Handel ist in allen größern Orten (Mailand, Turin, Florenz, Bologna etc.) von Bedeutung. Der auswärtige Handel wird, wie in Frankreich, in den General- und Spezialhandel (letzterer die Einfuhr für den Verbrauch und die Ausfuhr einheimischer Waren umfassend) unterschieden, und der auswärtige Spezialhandel belief sich in den unten bezeichneten Jahren auf nachstehende Werte (in Millionen Lire):
Jahr | Einfuhr | Ausfuhr |
---|---|---|
1865 | 965.2 | 558.3 |
1870 | 895.7 | 756.3 |
1875 | 1215.3 | 1033.7 |
1880 | 1225.6 | 1132.3 |
1881 | 1332.0 | 1192.3 |
1882 | 1345.4 | 1155.9 |
1883 | 1380.3 | 1199.9 |
1884 | 1343.8 | 1096.4 |
1885 | 1575.2 | 1134.3 |
In dem Umfang und Werte der Handelsbewegung gibt sich eine außerordentliche Steigerung kund, wenn dieselbe auch im letzten Dezennium mehr in der Einfuhr als in der Ausfuhr zu Tage tritt. Wenn man die einzelnen Warenklassen ins Auge faßt, so ergibt sich, daß bei der Einfuhr des Jahrs 1885 die Metalle und Metallwaren (mit Einschluß der Münzen) im Wert von 282,2 Mill. Lire obenan stehen; nach ihnen folgt die Einfuhr von Cerealien und ähnlichen vegetabilischen Produkten im Wert von 202,7, Baumwolle und Baumwollfabrikaten mit 176,5, Kolonialwaren und Tabak mit 126,1, Tieren und tierischen Produkten mit 116, Kohle, Steinen, Erden und Glas mit 104,2, Wolle und Wollfabrikaten mit 103,5 Mill. Lire etc. Bei der Ausfuhr Italiens im J. 1885 steht
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Seide mit 277 Mill. Lire an der Spitze, hiernach folgen Metalle, Erze und Münzen mit 215,7, Tiere und tierische Produkte mit 126,3, Wein und Öl mit 113,5, Reis, andre Cerealien und Südfrüchte mit 111,3 Mill. Lire etc. Die wichtigsten Verkehrsländer für den auswärtigen Spezialhandel Italiens sind: Frankreich, Großbritannien und Irland, Österreich-Ungarn und das Deutsche Reich. Rücksichtlich der Transportwege ist in der Einfuhr der Seehandel (mit 67¾ Proz.), in der Ausfuhr dagegen der Landhandel (51½ Proz.) von größerer Wichtigkeit; das Übergewicht des letztern in der Ausfuhr ist hauptsächlich auf die Eröffnung der Alpenbahnen zurückzuführen.
Der Seeschiffahrt stand Anfang 1886 eine Handelsmarine von 7336 Schiffen mit 953,419 Ton. Tragfähigkeit zu Gebote, darunter 225 Dampfschiffe mit 124,600 T. Das Personal der Handelsmarine mit Einschluß des Schiffbaues und der Fischerei belief sich auf 192,046 Mann. Die Seeschiffahrtsbewegung in den italienischen Häfen zu Handelszwecken ergab 1884: 104,369 eingelaufene Schiffe mit 16,717,679 T. und 103,987 ausgelaufene Schiffe mit 16,666,031 T. Die durch die Seeschiffahrt vermittelte Warenbewegung betrug 10,319,902 T. Auf die internationale Schiffahrt kamen zusammen 30,986 ein- und ausgelaufene Schiffe mit 10,4 Mill. T. Hinsichtlich der Flaggen prävalierte hierunter die englische mit 4,4, hierauf folgte die italienische mit 2,8 und die französische Flagge mit 1,7 Mill. T. Auf die Küstenschiffahrt kamen zusammen 177,370 ein- und ausgelaufene Schiffe mit 22,9 Mill. T., wobei die italienische Flagge (mit 16,6 Mill. T.) überwog.
Die italienische Seemacht hat vortreffliche Traditionen für sich, und italienische Matrosen sind sehr gesucht. Auch hat die Natur das Land mit Materialien zum Schiffahrtsgewerbe reich ausgestattet. Schiffbauholz ist in den Wäldern der Alpen und Apenninen sowie auf Sardinien vorhanden, ebenso Eisen, Kupfer, Hanf, Pech und Teer. Dies alles zusammengenommen sichert dem Land einen hervorragenden Platz unter den seefahrenden Nationen. I. besitzt aber auch eine große Zahl trefflicher, nur teilweise durch Kunst verbesserter Häfen, von welchen die zwölf wichtigsten (mit Angabe des Tonnengehalts der 1884 in denselben ein- und ausgelaufenen Schiffe) folgende sind: Genua (4,823,585), Neapel (3,312,808), Livorno (2,495,436), Messina (2,246,850), Palermo (2,236,994), Venedig (1,515,568), Catania (1,353,393), Brindisi (1,035,752), Bari (859,207), Ancona (699,879), Savona (695,799), Cagliari (585,960). Die hervorragendste Schiffahrtsunternehmung Italiens ist die vereinigte Dampfschiffahrtsgesellschaft Navigazione Generale Italiana (früher Florio-Rubattino, s. d.).
Von Eisenbahnen fand das Königreich I. mehrere getrennte Stücke vor, die seitdem vereinigt und ausgebaut worden sind. Von 26 km im J. 1840, in welchem in I. die erste Eisenbahn (Neapel-Castellammare) dem Betrieb übergeben wurde, hat sich die Länge dieses Verkehrswegs schon Ende 1850 auf 590, Ende 1860 auf 2204, Ende 1869 auf 5587 km gesteigert und betrug zu Ende 1884: 9916 km außer den noch im Bau befindlichen und konzessionierten Bahnen. Nach dem Gesetz vom Jahr 1879, welches den Ausbau der Eisenbahnen bezweckt, sollen noch im ganzen 6020 km Eisenbahnen gebaut werden.
Von dem Gesamtbahnnetz kamen 1884 auf Staatsbahnen 6257, auf Privatbahnen 3659 km. Doch hat der Staat seine Bahnen in den letzten Jahren in drei großen Netzen, dem adriatischen, dem mittelländischen und dem sizilischen, an Betriebsgesellschaften verpachtet. Die Brutto-Einnahmen der Eisenbahnen betrugen 1884 insgesamt 210,745,931 Lire, wovon auf die anderwärts mehr untergeordnete Personenbeförderung 79,750,429 Lire entfielen. Das Landstraßennetz, das namentlich im S. bis 1860 sehr mangelhaft war, hat sich von 85,959 km im J. 1863 auf 115,000 km im J. 1880 vermehrt.
Auch das Post- und Telegraphenwesen hat einen erfreulichen Aufschwung genommen, indem dem erstern im J. 1885 eine Zahl von 4588 Postanstalten, dem letztern eine solche von 3073 Telegraphenämtern und 28,438 km Linien zur Verfügung stand und der Verkehr der Briefpost 254,1 Mill. Stück, derjenige des Telegraphen 7,344,422 Depeschen (1868 erst 2,320,280) erreichte. Doch steht die Lebhaftigkeit des Post- und Telegraphenverkehrs in I. gegen andre Staaten noch weit zurück, da 1885 auf einen Einwohner nur 8,6 Briefe (in Großbritannien 43,6, in der Schweiz 31,6) und auf 1000 Bewohner 250 Depeschen (in Großbritannien 1086) kamen.
Die Zahl der Banken, Kreditinstitute etc. betrug Anfang 1883 in ganz I. 348 mit einem Nominalkapital von 806,5 Mill. und einem eingezahlten Kapital von 740,5 Mill. Lire. Hierunter befinden sich sechs Emissionsbanken mit 315,35 Mill. Lire eingezahltem Kapital (obenan die Nationalbank von I. zu Rom mit 200 Mill. Lire Kapital), 115 eigentliche Kreditbanken mit 346,5 Mill., 206 Volksbanken mit 47 Mill. und 21 Bodenkreditbanken mit 31,6 Mill. Lire eingezahltem Kapital. Die Idee des Sparkassenwesens fand in I. einen guten Boden.
Von 19 im J. 1830 bestehenden haben sich dieselben namentlich seit 1860 und im S., wo sie noch nicht existierten, bis 1882 auf 357 vermehrt, welche zusammen 1,037,139 Einleger und 743,9 Mill. Lire Einlagen zählten. Die Regierung hat sich nur das allgemeine Oberaufsichtsrecht gesichert, im übrigen haben sich diese Institute lediglich unter kommunalen Einflüssen entwickelt. Auch Fabrik-, Schul- und neuerdings Postsparkassen sind eingerichtet worden; von letztern gab es 1882 schon 3488 mit 591,238 Einlegern und 82,4 Mill. Lire Einlagen.
Hinsichtlich des Münzwesens hat I. mit Frankreich, Belgien und der Schweiz einen Münzvertrag (die sogen. lateinische Konvention) abgeschlossen, welchem späterhin auch Spanien, Rumänien und Griechenland beigetreten sind, und wonach diese Staaten eine Vereinigung in Betreff des Gewichts, des Gehalts, der Form und des Kurses ihrer Gold- und Silbermünzsorten bilden. Auch hinsichtlich der Maße und Gewichte gilt in I. das französische System (Gesetz vom
Wohlthätigkeitsanstalten.
Eine wichtige Rolle im sozialen Leben Italiens spielen die öffentlichen Wohlthätigkeitsanstalten. I. war von jeher das eigentliche Land der frommen Werke (opere pie), welche sich daselbst in zahllosen Formen mit allen erdenklichen Zwecken ausgebildet und fast unglaubliche Summen für diese aufgebracht haben. Die öffentliche Wohlthätigkeit ist Gemeinde-, bez. Provinzialsache. Der Staat unterhält auf seine Kosten Institute für Findlinge und Geisteskranke bloß in denjenigen Provinzen, welche für diesen bestimmten Zweck keine Institute besitzen. Die Einrichtungen und Institute für öffentliche Wohlthätigkeit werden durch eine Wohlthätigkeitskommission in jeder Gemeinde verwaltet, welche von dem Gemeinderat ernannt wird. Nach der letzten
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Erhebung vom J. 1878 gab es im Königreich 17,870 solcher Institute. Das ganze Vermögen der Wohlthätigkeitsanstalten belief sich auf 1626 Mill. Lire, das Gesamterträgnis auf 91 Mill. Lire, wovon nach Abzug der Patrimoniallasten, der Steuern und Abgaben und der Verwaltungskosten 47 Mill. Lire zu Unterstützungszwecken verfügbar bleiben. Von diesem Unterstützungsbetrag kommen, wenn man nach dem Zweck der Anstalten unterscheidet, auf Almoseninstitute 11,5, auf Spitalanstalten 16,2, auf Kreditanstalten 1,6, auf Erziehungsanstalten 12,3, auf Anstalten mit verschiedenen Zwecken 5,5 Mill. Lire. Die Zahl der unterstützten Personen beträgt im Jahresdurchschnitt 6,305,278, so daß fast schon auf je vier Bewohner des Königreichs eine Person kommt, welche die Wohlthätigkeitsinstitute in irgend einer Richtung in Anspruch nimmt.
Staatsverfassung.
Die italienische Verfassung beruht auf dem Fundamentalstatut vom d. h. auf der vom König Karl Albert dem Königreich Sardinien verliehenen Konstitution. Die Regierungsform ist hiernach die repräsentativ-monarchische. Der König ist Inhaber der Staatsgewalt, doch kann er das Recht der Gesetzgebung nur im Verein mit dem Nationalparlament ausüben. Der Thron vererbt sich nach dem Salischen Gesetz im Mannesstamm des königlichen Hauses von Savoyen. Der König bekennt sich mit seinem Haus zur römisch-katholischen Kirche. Er wird mit dem vollendeten 18. Lebensjahr großjährig und legt bei seinem Regierungsantritt in Gegenwart beider Kammern einen Eid auf die Verfassung ab. Sein Titel ist nach dem Gesetz vom »von Gottes Gnaden und durch den Willen der Nation König von I.« Er verleiht die fünf Ritterorden (s. unten) und übt verfassungsmäßig die Hoheitsrechte aus. Er führt den Befehl über die Land- und Seemacht; er erklärt Krieg, schließt Friedens-, Allianz-, Handels- und sonstige Verträge, von denen nur jene, welche eine Belastung der Finanzen oder eine Veränderung des Gebiets in sich schließen, zu ihrer Wirksamkeit der Zustimmung der Kammern bedürfen.
Der König ernennt zu allen Staatsämtern, sanktioniert und verkündigt die Gesetze, welche sowie die Regierungsakte von den verantwortlichen Ministern gegengezeichnet sein müssen, und erläßt die zur Ausführung der Gesetze notwendigen Dekrete und Reglements. Die Justiz wird in seinem Namen gehandhabt, ihm allein kommt die Begnadigung und Strafmilderung zu. Sämtliche Staatsbürger ohne Unterschied des Standes sind nach den Bestimmungen des Fundamentalstatuts gleich vor dem Gesetz.
Die individuelle Freiheit ist garantiert;
die Wohnung ist unverletzlich;
die Presse ist frei;
das Recht der Versammlung ist anerkannt.
Jeder Bürger hat das Recht der Petition an die Kammern. Die Volksvertretung des Königreichs I. besteht aus zwei Kammern, dem Senat und der Deputiertenkammer. Der Senat besteht aus den königlichen Prinzen und aus Mitgliedern, welche vom König auf Lebenszeit aus gewissen Kategorien von Staatsbürgern (Inhabern bestimmter Ämter und Würden, um das Vaterland verdienten Männern und Personen, welche jährlich 3000 Lire direkte Steuern zahlen) im Alter von mindestens 40 Jahren ernannt werden.
Die Zweite Kammer heißt die Deputiertenkammer und begreift 508 Mitglieder, welche in 135 Wahlkreisen (in jedem Kreis 2-5 Abgeordnete) im Weg des Listenskrutiniums auf die Dauer von fünf Jahren direkt berufen werden. Wähler sind alle Italiener, welche die bürgerlichen und politischen Rechte genießen, das 21. Lebensjahr vollendet haben, lesen und schreiben können und 20 Lire direkte Steuern zahlen oder vermöge bestimmter persönlicher Stellung oder Qualifikation wahlberechtigt sind.
Wählbar als Deputierte sind alle Wähler, welche das 30. Lebensjahr zurückgelegt haben. Nicht wählbar sind Seelsorgegeistliche, Staatsbeamte (mit Ausnahme der Minister, Generalsekretäre, höhern Offiziere, Hochschulprofessoren, aber auch diese nur in der Zahl von höchstens 40), Sindaci, Provinzialdeputierte und Personen, die von subventionierten Gesellschaften Gehalt oder Vergütung beziehen. Der König ruft die Kammern jedes Jahr zusammen; die Sitzungen sind öffentlich.
Das Präsidium des Senats wird vom König, das der Deputiertenkammer von dieser gewählt. Die letztere besitzt das Recht der Ministeranklage, in welchem Fall der Senat als Gerichtshof fungiert. Die Provinzen besitzen Selbstverwaltung, deren Ausübung dem von den Gemeindewählern auf fünf Jahre gewählten Provinzialrat und der von diesem berufenen Provinzialdeputation übertragen ist. Die Gemeindeorgane sind der auf fünf Jahre gewählte Gemeinderat, die aus der Mitte des Gemeinderats gewählte Munizipalgiunta und der Sindaco, der Chef der Gemeindeverwaltung.
Verwaltung.
Was die Staatsverwaltung betrifft, so wird die vollziehende Gewalt vom König durch die verantwortlichen Minister ausgeübt, welche im Ministerrat zusammentreten. Neben diesem besteht ein Staatsrat, welcher konsultative Befugnisse besitzt und über Kompetenzkonflikte zwischen Administrativbehörden und Gerichten sowie über Streitigkeiten zwischen dem Staat und seinen Gläubigern entscheidet. Derselbe besteht aus einem Präsidenten, drei Sektionspräsidenten, 24 Staatsräten und dem Dienstpersonal und wird auf Vorschlag des Ministerrats vom König ernannt.
Die oberste Staatsverwaltung ist unter folgende neun Ministerien, mit dem Sitz in Rom, verteilt:
1) das Ministerium für die auswärtigen Angelegenheiten (mit dem Rat für diplomatische Streitsachen);
2) das Ministerium des Innern (mit dem Obersanitätsrat);
3) das Ministerium für Gnade, Justiz und Kultus;
4) das Ministerium der Finanzen und des Schatzes;
5) das Kriegsministerium (ihm sind die Komitees für den Generalstab, die Linienwaffen, die königlichen Karabiniere, für Artillerie und Genie, für das Militärsanitätswesen und das oberste Kriegs- und Marinetribunal unterstellt);
6) das Marineministerium (mit dem Obermarinerat);
7) das Ministerium des öffentlichen Unterrichts (mit dem Oberunterrichtsrat);
8) das Ministerium der öffentlichen Arbeiten (mit dem obern Rat für die öffentlichen Arbeiten und dem Eisenbahnrat);
9) das Ministerium für Ackerbau, Industrie und Handel (mit dem Bergrat und der statistischen Zentralgiunta). Eine selbständige Stellung besitzt der Rechnungshof des Königreichs.
Für die Verwaltung zerfällt I. in Provinzen (s. S. 57), Kreise (circondari, in Venetien und Mantua Distrikte genannt), Bezirke (mandamenti, diese bloß für die Rechtspflege) und Gemeinden. Jeder Provinz steht ein Präfekt vor. Derselbe vertritt die vollziehende Gewalt und hat zu seiner Unterstützung den Präfekturrat an der Seite, welcher aus einer Anzahl von Räten, Sekretären und subalternen Beamten besteht. In jedem Kreis ist eine Unterpräfektur errichtet, deren Vorstand, der Unterpräfekt, unter Leitung des Präfekten die Verwaltungsgeschäfte des Kreises besorgt. Es gibt in ganz I. 69 Präfekturen,
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137 Unterpräfekturen und 78 Distriktskommissariate. Unter den Präfekten und Unterpräfekten (Distriktskommissaren) fungieren die Gemeindevorsteher (Sindaci, s. oben) als Regierungsbeamte. Die Sicherheitspolizei wird von den Präfekten, Unterpräfekten (oder Distriktskommissaren) mit beigegebenen Inspektoren und Delegaten, in zwölf großen Städten von Quästoren (mit Inspektoren) geleitet. In jeder Provinz bestehen ein Sanitätsrat, ein Schulrat, eine Postdirektion, eine Finanzintendanz und ein Bauamt; für größere Gebiete sind 9 Telegraphendirektionen, 34 Forstdepartements und 8 Bergämter eingesetzt.
Was die Überwachung der Provinzen und Gemeinden durch den Staat betrifft, so haben die Präfekten die Protokolle und Beschlüsse der Gemeinde- und Provinzialräte zu prüfen, auch liegt der Provinzialvertretung die Oberaufsicht über das Budget der Gemeinden u. dgl. ob. Gegen Entscheidungen beider ist Rekurs möglich. Der König kann die Gemeinde- und Provinzialräte auflösen, in dringenden Fällen sogar der höchste Provinzialbeamte. Binnen drei Monaten nach der Auflösung muß jedoch eine Neuwahl angeordnet werden. Bei Auflösung des Provinzialrats tritt der Präfekt und der Präfekturrat ein, bei Auflösung des Gemeinderats ein königlicher Kommissar.
Die Rechtspflege wird in I. gehandhabt von 5 Kassationshöfen (in Rom, Turin, Florenz, Neapel und Palermo), dann 24 Appellhöfen, 92 Assisenhöfen, 161 Zivil- und Korrektionstribunalen, 1804 Präturen, 28 Handelstribunalen, ferner von Vermittlern (conciliatori) in jeder Gemeinde und von Militärgerichten.
Finanzen.
Der Staatshaushalt des Königreichs I. leidet seit dem Bestand des neuen Staats an einem bedeutenden Defizit sowie an einer Überlastung mit Schulden, und es ist erst heute gelungen, die mißlichste Frage der italienischen Verwaltung, die Herstellung des Gleichgewichts zwischen den Einnahmen und Ausgaben, in dauernd befriedigender Weise zu lösen. Es sind nicht bloß die Kosten der Kriege und die Schuldenlast der ehemaligen italienischen Staaten, mit denen das junge Königreich vom Tag seiner Entstehung an zu rechnen hatte; es ist auch nicht allein die Erhaltung der unentbehrlichen Militärmacht, was die italienische Staatsbilanz zu einer so passiven gestaltete: vielleicht die wichtigste Ursache hiervon liegt in dem verhältnismäßigen Mangel an volkswirtschaftlichen Produktivkräften und an augenblicklicher Fähigkeit, die reichen, aber namentlich im Süden noch völlig unentwickelten Hilfsquellen des Landes in hinreichendem Maß nutzbar zu machen und so die nach der Lage der Dinge unausweichliche Ausgabenlast entsprechend zu decken.
Die Regierung ist wohl bestrebt, durch Hebung der Bodenkultur, der Verkehrswege etc. die Produktions- und Steuerkraft des Landes zu heben; doch erfordert dies erhöhten Aufwand und zeitigt seine Früchte erst spät. In den 20 Jahren einheitlicher Administration ist das Defizit allerdings geschwunden (1866 betrug es 721,4 Mill. Lire), doch war dies nur durch hochgespannte Inanspruchnahme der Steuerkraft zu erreichen. Eine sehr anerkennenswerte staatsfinanzielle Maßregel war die im J. 1883 durchgeführte Aufhebung des Zwangskurses des Papiergeldes und die Rückkehr zur Metallwährung. Das Staatsbudget für das mit Ende Juni endende Finanzjahr 1886/87 präliminiert die Einnahmen und Ausgaben folgendermaßen:
a) Ordentliche Einnahmen | Lire |
1) Renten von den Staatsaktiven | 18681378 |
2) Grund- und Gebäudesteuer | 183217840 |
3) Einkommensteuer | 208347876 |
4) Abgaben für Vermögensübertragung und Rechtsgeschäfte | 187388000 |
5) Zölle | 232600000 |
6) Konsumsteuern (Oktroi) | 81577245 |
7) Tabak | 188300000 |
8) Salz | 58500000 |
9) Lotto | 76500000 |
10) Andre Konsumsteuern | 33950000 |
11) Post und Telegraph | 56168925 |
12) Staatseisenbahnen | 58000000 |
13) Andre öffentliche Anstalten | 19357900 |
14) Rückzahlungen | 22661556 |
15) Verschiedene Einnahmen | 7402200 |
16) Durchlaufende Einnahmen | 92759678 |
: | 1525412598 |
b) Außerordentliche Einnahmen | 193614541 |
Gesamteinnahmen: | 1719027139 |
Dem gegenüber sind die Ausgaben mit 1,700,229,160 Lire beziffert, so daß der Überschuß 18,797,979 Lire beträgt. Die Staatsausgaben verteilen sich auf das Ordinarium mit 1,423,916,040 Lire und auf das Extraordinarium mit 276,313,120 Lire. Auf die einzelnen Posten verteilen sich die ordentlichen Ausgaben wie folgt:
Lire | |
1) Ministerium des Schatzes (Staatsschuld, Pensionen, Zivilliste, Parlament, Domänen) | 721013900 |
2) Finanzministerium (Verwaltungs- und Erhebungskosten) | 182699112 |
3) Justiz und Kultus | 33665052 |
4) Ministerium des Äußern | 7807242 |
5) Öffentlicher Unterricht | 34736882 |
6) Ministerium des Innern | 60737184 |
7) Ministerium der öffentlichen Arbeiten | 78529878 |
8) Kriegsministerium | 220106618 |
9) Marine | 71315660 |
10) Ackerbau und Handel | 13304512 |
Zusammen: | 1423916040 |
Der wirkliche Erfolg des Staatshaushalts war übrigens gegenüber den Präliminarien in den letzten Jahren noch günstiger. Neue Anleihen erscheinen sonach unter normalen Verhältnissen für die Zukunft ausgeschlossen. Außerdem beliefen sich die Ausgaben der Gemeinden, die teilweise durch eine Verbrauchssteuer und durch Zuschläge zu Staatssteuern gedeckt werden, 1884 auf 526 Mill. Lire.
Die italienische Staatsschuld hat allerdings im Verhältnis zu den Produktivkräften des Landes eine außerordentliche Höhe erreicht. Sie erforderte 1885/86 einen Zinsenaufwand von 534,304,418 Lire, wovon auf die konsolidierte Schuld und zwar zu 5 Proz. 441,9, zu 3 Proz. 6,4 Mill. Lire kamen. Auf Amortisation wurden in diesem Jahr 1,120,112 Lire verwendet. Wenn man obigen Zinsenbetrag kapitalisiert, so ergibt sich ein Nominalkapital der italienischen Staatsschuld von ungefähr 10,250 Mill. Lire. Nimmt man noch auf die andern öffentlichen Schulden Rücksicht, so kommen an Gemeindeschulden im J. 1881: 724,1, an Schulden der Provinzen 102,2 Mill. Lire hinzu.
Heerwesen und Marine.
Das Wehrgesetz vom bildet die Grundlage für das heutige Heerwesen in I. Nach der Einigung Italiens regelte das Wehrgesetz vom die Kriegsformation des Heers und das Gesetz vom die Territorialeinteilung. Durch Gesetz vom wurde sodann die allgemeine Wehrpflicht eingeführt und durch Gesetz vom Bestimmung über die Ergänzung des Heers getroffen. Dieses Gesetz machte eine
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Abänderung der Bestimmungen über den Einjährig-Freiwilligendienst vom notwendig, welche durch Dekret vom erfolgte. Das Gesetz vom regelte die Befestigungen im Land, namentlich in den Alpenthälern, und an den Küsten. - Die Dienstpflicht dauert 19 Jahre, vom 20. bis 39. Lebensjahr. Die Streitmacht zerfällt in das stehende Heer, die Mobilmiliz (Landwehr) und die Territorialmiliz (Besatzungstruppen). Die Dienstpflichtigen werden in drei Kategorien geteilt: die erste dient 3 Jahre im stehenden Heer, 5 Jahre in der Reserve, 4 Jahre in der Mobilmiliz und 7 Jahre in der Territorialmiliz.
Die zweite und dritte Kategorie entspricht etwa unsrer Ersatzreserve erster und zweiter Klasse. Die erstere wird in 2-6 Monaten bei der Fahne ausgebildet, tritt nach 8 Jahren zur Mobil- und nach 4 Jahren zur Territorialmiliz und wird zu kurzen Übungsperioden eingezogen. Die dritte Kategorie bleibt während der 19 Jahre auf unbestimmtem Urlaub und kann während dieser Zeit auf 30 Tage zur Ausbildung mit der Waffe eingezogen werden. Der Jahresersatz beträgt 76,000 Mann, von denen 13,000, durch Losnummer bestimmt, nur 2 Jahre bei den Waffen bleiben. Von der Ersatzreserve erster Klasse gelangen jährlich 34,000 Mann zur Einstellung. Hiernach berechnet sich theoretisch die Streitmacht auf 892,687 Mann Feldtruppen, 365,717 Mann Mobilmiliz und 1,128,928 Territorialmiliz. In Wirklichkeit wird die Feldarmee die Stärke von 692,000 Mann kaum überschreiten.
Die aktive Armee besteht aus der Generalität, dem Generalstab, den Truppen, den Carabinieri, dem Invaliden-, Sanitäts-, Zahlmeister- und Veterinärkorps und dem Kommissariat. Der Generalstab zählt 3 Generale, 15 Obersten, 55 Oberstleutnants und Majore, 85 Hauptleute und 110 andre Offiziere. In der Friedensformation besteht das Heer aus 12 Armeekorps zu je 2 Divisionen. Für den Heeresersatz ist das Land in 87 Militärdistrikte geteilt. - Die Infanterie: 96 Regimenter à 3 Bataillone zu 4 Kompanien und 1 Depot;
12 Regimenter Bersaglieri (Jäger, Schützen) gleicher Einteilung;
6 Regimenter Alpenjäger in 20 Bataillonen, 72 Kompanien und 6 Depots;
87 Militärdistrikte (Aushebungsbezirke) in 96 Kompanien.
Die Kompanie Infanterie ist 105, Alpenjäger 135 Köpfe (Friedens- und Kriegsetat) stark. Je 2 Regimenter Infanterie bilden 1 Infanteriebrigade, 2 Brigaden 1 Division. Kriegsstärke der Infanterie: 344 Bataillone, etwa 307,800 Mann. - Kavallerie: 10 Regimenter Ulanen (Lancieri), 12 Regimenter Cavallegieri (Chevau-legers) à 6 Eskadrons und 1 Depot;
das Regiment ist 1100 Köpfe und 900 Pferde stark, Kriegsstärke 18,700 Mann. - Artillerie: 12 Regimenter Feldartillerie à 10 Batterien in 3 Brigaden (Abteilungen), jede zu 2 schweren (9 cm), zwei zu 1 und eine zu 2 leichten (7 cm) Batterien;
5 Regimenter Festungsartillerie à 12 Festungs- oder Küstenbatterien und 1 Depot;
2 Regimenter haben außerdem noch je 1 Brigade zu je 4 Batterien Gebirgsartillerie;
2 Brigaden à 2 Batterien reitende Artillerie;
5 Kompanien Artilleriehandwerker, 1 Kompanie Veteranenartillerie.
Kriegsstärke: 124 Feldbatterien, davon 4 reitende (7 cm) à 6 Geschütze;
48 leichte (7 cm) à 8 Geschütze;
72 schwere (9 cm) à 8, zusammen 684 Geschütze und 21,000 Mann.
Hinzu treten noch 36 Kompanien Train. Die Festungsartillerie hat eine Kriegsstärke von 13,900 Mann. - Die Genietruppe besteht aus 4 Regimentern und zwar 2 Regimentern à 2 Bataillone zu je 7 Kompanien Sappeure, 2 Kompanien Train, 1 Depot;
1 Regiment Pontoniere zu 8 Kompanien;
1 Lagunenbrigade zu 2 Kompanien, 4 Kompanien Train und 1 Depot;
1 Genieregiment, bestehend aus 4 Eisenbahn-, 6 Telegraphen-, 4 Sappeur- und 2 Trainkompanien, 1 Depot. - Das Sanitätskorps besteht aus den Sanitätsoffizieren bei den Truppen und in den Lazaretten und 12 Sanitätskompanien, die den Dienst in den letztern verrichten. - Die Mobilmiliz besteht aus 41 Regimentern zu 3 Bataillonen à 4 Kompanien Infanterie, 20 Bataillonen à 4 Kompanien Bersaglieri, 36 (72) Alpenkompanien, 13 Brigaden Feldartillerie à 4 Batterien und 1 Trainkompanie, 32 Kompanien Festungs- und Küstenartillerie, 4 Batterien Gebirgsartillerie, 16 Kompanien Sappeure, 4 Pontonier-, 2 Eisenbahntruppen-, 3 Telegraphisten-, 5 Train- und 12 Sanitätskompanien, 11 Kompanien Verpflegungstruppen.
Die Insel Sardinien hat außerdem noch eine Spezialmiliz von 3 Regimentern Infanterie, 1 Bataillon Bersaglieri, 1 Eskadron Kavallerie, 2 Batterien Feldartillerie, je 1 Kompanie Festungs- und Gebirgsartillerie, Genie-, Sanitäts- und Verpflegungstruppen. Die Miliz ist noch in der Reorganisation begriffen und wird vorläufig nur etwa die Stärke von 170,000 Mann mit 276 Geschützen erreichen. - Die Territorialmiliz umfaßt 320 Infanteriebataillone, 72 Alpenkompanien, 100 Kompanien Festungsartillerie, 30 Kompanien Genie, je 12 Sanitäts- und Verpflegungskompanien. - Die Carabinieri haben den Zweck der Gendarmerie andrer Länder und sind in 11 Territoriallegionen geteilt.
Militärschulen: die Kriegsschule zu Turin, zur Ausbildung von Generalstabsoffizieren;
die Applikationsschule für Artillerie und Genie zur technischen Ausbildung von Offizieren dieser Waffen sowie die Militärakademie für Offiziere dieser Waffen zu Turin;
die Militärschule für Infanterie und Kavallerie in Modena;
4 Vorbereitungsschulen (Militärkollegien) zu Mailand, Florenz, Rom, Neapel;
eine Normalschule für Infanterie zu Parma, für Kavallerie zu Pinerolo;
zur Ausbildung von Unteroffizieren aller Waffen dienen 3 Lehrbataillone, eine Lehreskadron, 2 Lehrbatterien und 4 Lehrabteilungen für Genie. Es bestehen ferner 20 Artillerieschießplätze und Instruktionslager in allen Teilen des Reichs. - Für die Landes- und Küstenbefestigung ist außerordentlich viel in den letzten Jahren geschehen, zahlreiche Sperrforts sind an der Alpengrenze, sowohl gegen Frankreich als Österreich, Forts und Batterien an den Küsten von Vado, Porto Ferrajo, Longone, am Monte Argentario, bei Genua, Livorno, Lucca, Gaeta, Messina, Tarent, vor allem bei Spezia erbaut.
Rom ist mit einem Gürtel von 15 Forts umgeben worden. Eine Verstärkung der Armee, namentlich an Feldartillerie, steht in Aussicht.
Marine. Nach der unglücklichen Seeschlacht bei Lissa 1866 ist die italienische Marine von Grund auf neu gestaltet worden; sie besitzt in den Turmschiffen Italia und Lepanto mit 13,898, bez. 13,550 Ton. Deplacement und je 18,000 indizierten Pferdekräften, mit ihrem 55 cm dicken Panzer die größten und stärksten Panzerschiffe der Welt, welche auch die stärksten Geschütze der Welt (43 cm, Duilio und Dandolo 45 cm Kaliber) an Bord führen. Bei der eigentümlichen Formation der Küste hat man von einer eigentlichen Küstenverteidigungsflotte Abstand genommen. I. besitzt daher nur eine Hochsee-Schlachtflotte und 18 Panzerschiffe ersten Ranges, darunter 10 Turmschiffe, 8 Panzerfregatten (3 Schiffe ersten Ranges liegen auf Stapel);
15 Schiffe zweiten Ranges, darunter 3 Panzerkorvetten und 5 Torpedo-Rammkreuzer;
26 Schiffe
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(davon 9 im Bau) dritten Ranges, Avisos und Kanonenboote, also Kreuzer; ferner 19 Transport-, 3 Schulschiffe; 11 Fahrzeuge für Hafendienst, 6 Lagunenkanonenboote, 15 verschiedene Fahrzeuge, 9 Hilfsdampfer. Die Torpedoflottille besteht aus 2 Torpedoboot-Jagdschiffen von je 317 Ton. und 2800 Pferdekräften, 74 Booten erster Klasse (18 mit Kohlenvorrat für 2000 Meilen Fahrt), 21 Booten zweiter Klasse. Die Marineverwaltung zerfällt nach den drei Kriegshäfen in drei Bezirke: Spezia, Neapel und Venedig; Tarent soll zu einem großen Kriegshafen ausgebaut werden. Auch die Bucht von Maddalena an der Nordspitze von Sardinien soll durch Anlage von Befestigungen etc. Kriegshafen werden.
Vgl. »Italiens Wehrkraft« (Berl. 1884);
Randaccio, Storia delle marine militari italiane (Tur. 1886, 2 Bde.).
[Wappen, Orden.]
I. hat fünf Ritterorden: Annunciatenorden (ordine supremo dell' Annunziata, s. Tafel »Orden«),
seit 1362;
Orden des heil. Mauritius und Lazarus, seit 1434;
Militärorden von Savoyen, seit 1815;
Zivilverdienstorden von Savoyen, seit 1831, und Orden der Krone von I., seit 1868. Das jetzige, den Gesamtstaat repräsentierende Wappen besteht aus einem breiten silbernen Kreuz im roten Feld, umgeben von der Kette des Annunciatenordens mit daran hängenden Ordenszeichen, außerdem von einem goldenen Eichen- und Lorbeerzweig;
hinter dem Wappen stehen kreuzweise zwei silberne Speere, deren Spitzen über den das Ganze umgebenden purpurfarbenen Wappenmantel, der oben die Königskrone trägt, hinausragen (s. Tafel »Wappen«).
Flagge: Rot, Silber, Grün, vertikal gestreift; in dem mittlern silbernen Streifen ein roter Schild mit silbernem Kreuz (s. Tafel »Flaggen«). Landeshauptstadt ist seit Juli 1871 Rom.
Litteratur.
An Quellen für die Kenntnis Italiens sind vor allen zu nennen die sehr zahlreichen und umfassenden amtlichen Publikationen: das seit 1878 erscheinende »Annuario statistico Italiano«, welches über Topographie, Bevölkerung, Heer, Eisenbahnen, Finanzen etc. Aufschluß gibt;
die offizielle Zeitschrift »Annali di Statistica«;
die amtlichen Werke der einzelnen Ministerien;
Zuccagni-Orlandini, Corografia fisica, storica e statistica dell' Italia (Flor. 1844, 15 Bde.);
Pozzi, Geografia politica e statistica dell' Italia (Mail. 1864);
das große, in Mailand erschienene Sammelwerk »L'Italia sotto l'aspetto fisico, storico, artistico e statistico« (in drei Abteilungen: »Dizionario corografico« von Amati, »Trattati scientifici sull' Italia« von Bertolini, Correnti u. a. und einem Atlas von 150 Karten);
Brachelli, Geographie und Statistik des Königreichs I. (in »Steins Handbuch der Geographie und Statistik«, Leipz. 1871);
Lampani, L'Italia sotto l'aspetto idrografico (Rom 1878-82);
»Studi sulla geografia naturale e civile dell' Italia« (hrsg. von der Geographischen Gesellschaft, das. 1875);
Altavilla, Il regno d'Italia.
Dizionario geografico, storico-statistico (Tur. 1875); das von der italienischen Postverwaltung herausgegebene »Dizionario geografico postale«; Nissen, Italische Landeskunde (Berl. 1883 ff.). Die wichtigsten Arbeiten über die geognostischen Verhältnisse Italiens sind die im »Bolletino del R. Comitato geologico d'Italia« niedergelegten, dann mancherlei Untersuchungen G. v. Raths in der »Zeitschrift der Deutschen Geologischen Gesellschaft«, Arbeiten von E. Sueß, Sartorius v. Waltershausen, Th. Fuchs, B. Gastaldi, Ponzi, Seguenza u. a.;
Cantoni, L'agricoltura in Italia (Mail. 1885);
Eheberg, Agrarische Zustände in I. (in den »Schriften des Vereins für Sozialpolitik«, Leipz. 1886);
v. Ernst, Die Montanindustrie Italiens (Wien 1883);
Morpurgo, La finanza italiana (Rom 1874);
Laveleye, L'Italie actuelle (Par. 1881);
Sachs, L'Italie, ses finances et son développement économique depuis l'unification du royaume (das. 1885);
Cuseval-Clarigny, Les finances de l'Italie 1866-85 (das. 1886);
Hehn, I., Ansichten und Streiflichter (2. Aufl., Berl. 1878);
Gregorovius, Wanderjahre in I. (5 Bde.);
Reisehandbücher von Gsell Fels (in »Meyers Reisebüchern«),
Bädeker u. a. Kartenwerke: Auf einer in den Jahren 1862-78 erfolgten Landesaufnahme beruht die »Gran carta topografica d'Italia« (1:100,000, auf 277 Blatt berechnet, wovon etwa ein Drittel, Unteritalien umfassend, erschienen ist);
daneben sind Meßtischblätter (1:50,000) über das ehemalige Königreich Neapel (mit Sizilien) veröffentlicht.
Die Karten für einzelne Landesteile (Königreich Sardinien in 1:50,000, Ober- und Mittelitalien in 1:86,400, Insel Sardinien in 1:250,000) sind Ergebnisse älterer Aufnahmen. Unvollendet ist die »Carta corografica dell' Italia« (1:500,000, 24 Blatt). Gute Übersichtskarten bieten H. Kiepert, Nuova carta generale dell' Italia meridionale (1:800,000, 1882) und »Carta corografica ed archeologica dell' Italia centrale« (1:250,000, 1881). Vom Ufficio geologico ist eine »Carta geologica generale d'Italia« (Rom 1881, 2. Blatt) herausgegeben.
Geschichte Italiens.
Die Zeit der Völkerwanderung.
(Hierzu Beilage »Vier Karten zur Geschichte Italiens«.)
Die Römer waren es, welche die italische Halbinsel (s. Italia nebst Karte »Italien zur Zeit des Kaisers Augustus«) geeinigt und zum politischen Mittelpunkt der Alten Welt gemacht haben (vgl. Römisches Reich). Als aber das römische Reich verfiel und unter die Herrschaft eines militärischen Despotismus geriet, welcher den Schwerpunkt des Reichs nach dem Osten verlegte, verlor I. sein politisches Übergewicht und auch die Einheit seiner Nationalität, indem erobernde germanische Volksstämme sich auf der Halbinsel festsetzten.
Die weltbeherrschenden Tendenzen des römischen Staats gingen auf den christlichen Bischof von Rom über; die Christianisierung der germanischen Eroberer tilgte die Gegensätze der Rassen und führte zu dem Verschmelzungsprozeß der eingebornen und eingewanderten Völker, welcher ein so allmählicher war, daß die Geburtsstunde italienischer Nationalität noch weniger chronologisch bezeichnet werden könnte als diejenige der übrigen modernen Völker. Von den verheerenden Zügen älterer wandernder Stämme, von der vorübergehenden Herrschaft des westgotischen Eroberers Alarich und von dem Einfall Attilas abgesehen, pflegt man die dauernde Festsetzung germanischer Elemente auf italischem Boden mit dem Aufhören des weströmischen Kaisertums und mit dem Auftreten der germanischen Heerkönige in Verbindung zu bringen, welche in römischem Söldnerdienst zu Macht gelangt waren und 476 den Sturz des weströmischen Kaisertums veranlaßten. I. schied unter der Herrschaft des Herulerkönigs Odoaker äußerlich aus der Reihe der römischen Kaiserprovinzen aus, indem es seine Selbständigkeit unter der Führung germanischer Könige zu behaupten suchte. Das Römergeschlecht, im Besitz seiner rechtlichen Institutionen gesichert, ließ sich die Kriegsherrlichkeit der Barbaren gefallen, um nicht zu einer Provinz des oströmischen Kaiserreichs herabgedrückt zu werden. So folgte auf
I. Italien um das Jahr 1000
II. Italien im Jahre 1721
Kaiserliche Lehen
III. Italien im Jahre 1799
IV. Italien von 1815-1866
Zum Artikel »Italien«.
Maßstab 1:4900000
Römische Heerstraßen
Zum Artikel »Italia«.
mehr
die Herrschaft Odoakers 489 die ostgotische Theoderichs d. Gr. und seiner Nachfolger, bis es 553 dem byzantinischen Kaiser Justinian gelang, die griechisch-römische Herrschaft wiederherzustellen und I. durch Narses erobern zu lassen. Die große Verfassungsurkunde Justinians, die Pragmatische Sanktion, durch welche I. in kirchlicher und politischer Beziehung der Monarchie eingefügt wurde (554), ließ dem »Königreich« zwar eine gewisse Selbständigkeit, aber der Schwerpunkt der Regierung lag in den Händen des von dem byzantinischen Kaiser ernannten Exarchen, welcher zu Ravenna seinen Sitz hatte und die Hoheitsrechte des oströmischen Reichs in unbeschränkterer Weise geltend machte als die germanischen Heerkönige die ihrige.
Das Langobardenreich.
Aber schon 568 brach der Langobardenkönig Alboin nach I. auf und entriß den Oströmern in einer Reihe von Feldzügen bis 572 das ganze Oberitalien nebst Toscana und Umbrien. Die vielbestrittene Herrschaft der Griechen erstreckte sich nur noch auf Ravenna, die Romagna, die Pentapolis (Rimini, Pesaro, Fano, Sinigaglia, Ancona), auf einen Teil der unteritalischen Küste, auf Sizilien und endlich auf Rom, wo in besonderm Verhältnis zum Kaiser ein von dem Exarchen ziemlich unabhängiger Patricius städtische, kirchliche und kaiserliche Hoheitsrechte selbständig vereinigte.
Seit dem 7. Jahrh. dehnten die Langobarden (s. d.) ihre Herrschaft fast über die ganze Halbinsel aus. Wiewohl die langobardische Königsgewalt frühzeitig erschüttert und durch innere Kämpfe und Gewaltthat gebrochen wurde, so bewahrte doch das langobardische Volkstum durch seine militärischen und rechtlichen Institutionen die dauerndste und eingreifendste Macht im Land. Unter den langobardischen Königen nahmen die Herzöge eine selbständige Macht in Anspruch, und schon im 7. Jahrh. bestand im Süden der Halbinsel das Gebiet von Benevent gleichwie im Norden der Dukat von Friaul unter eignen Herzögen.
Neben den Langobarden behauptete in Mittelitalien nur die römische Kirche unter einer Reihe hervorragender Päpste auch eine politische Selbständigkeit. Gregor d. Gr. (590-604) hatte Rom nicht bloß zum geistlichen Mittelpunkt der Welt zu machen gesucht, sondern ihm auch eine politische Macht in I. gesichert, welche seine Nachfolger durch klug angeknüpfte Verbindungen mit den Franken zu vergrößern wußten. Indem die faktisch vollzogene vollständige Veränderung des Besitzes von der Kirche anerkannt, die neuen langobardischen Grundeigentümer aber der katholischen Lehre fester und fester unterworfen wurden, konnte die schwache Königsmacht nur bestehen, wenn sie sich zur willigen Dienerin der römischen, schon über Italiens Grenzen weit hinausreichenden Kirchengewalt hergab.
Ein heftiger Konflikt zwischen den römischen Päpsten und den langobardischen Königen entbrannte indessen, als König Liutprand (713-744), ein thatkräftiger Herrscher, die ganze Halbinsel, namentlich aber Mittelitalien, seiner Botmäßigkeit zu unterwerfen strebte. Gregor II. und Gregor III., welche vergeblich Karl Martells Hilfe anriefen, erwehrten sich nur mit Mühe der Eroberungssucht Liutprands. Als König Aistulf 752 Ravenna eroberte und den Papst Stephan II. in Rom selbst bedrängte, rief dieser König Pippin von Franken herbei, der zwei Feldzüge (754 und 755) nach I. unternahm, die Langobarden zurückdrängte und Stephans Nachfolger Stephan III. außer Rom auch die Pentapolis als weltlichen Besitz übertrug, wogegen Pippin die Würde eines römischen Patricius empfing.
Der Gegensatz zwischen dem römischen Stuhl und dem langobardischen Königtum wurde durch die Wahl Hadrians I., eines Römers, zum Papst 772 geschärft, denn dieser warf sich ganz der fränkischen Partei in die Arme. Zwischen Aistulfs Nachfolger Desiderius und Pippins Sohn Karl d. Gr. war zwar noch einmal eine Verständigung eingetreten, indem Karl des Desiderius Tochter heiratete; aber die Verstoßung der letztern und das Familienzerwürfnis im fränkischen Haus führten bald eine kriegerische Wendung herbei, welche den Untergang des langobardischen Reichs 774, die Herrschaft der Franken in I. und endlich die Herstellung des römischen Kaisertums durch Karl d. Gr. (799) zur Folge hatte.
Italien als Bestandteil des fränkischen Reichs.
Das nördliche I. wurde mit dem Reich Karls d. Gr. vollkommen vereinigt und in den Rahmen der fränkischen Verfassung eingefügt, nur Friaul behielt unter seinem langobardischen Herzog eine gewisse Unabhängigkeit, wie auch die Herzogtümer von Spoleto und Benevent in eine Art Lehnsverhältnis zum fränkischen Reich traten; die frühern Besitzungen der Griechen in Mittelitalien behielt der päpstliche Stuhl zu eigen mit dem Vorbehalt aller Hoheitsrechte des römischen Kaisertums über die Stadt und das Gebiet von Rom. In Unteritalien bewahrte eine Anzahl von Republiken, wie Amalfi, Gaeta, Neapel, ihre Selbständigkeit unter der Schutzhoheit des byzantinischen Reichs, während Sizilien den Angriffen der Araber ausgesetzt war, die sich 826 auch zu Tarent in Unteritalien festsetzten und Sizilien endlich den Griechen vollständig entrissen. Im ganzen und großen wurde aber das Schicksal Italiens durch die beiden vorwaltenden Mächte, durch Kaiser und Papst, bestimmt; auf ihrer Vereinigung und Freundschaft beruhte der durch Karl d. Gr. und Leo III. geschaffene Zustand Italiens.
Allein aus den unklaren Beziehungen dieser beiden Gewalten entstand eine Reihe von Streitigkeiten, in welchen die Nachfolger Karls d. Gr. nicht mit dem ganzen und ungeteilten Ansehen der fränkischen Monarchie aufzutreten vermochten, da die letztere unter den Söhnen und Enkeln Ludwigs des Frommen zerfiel und sich in eine Menge von selbständigen Königreichen und Herzogtümern auflöste, in denen zwar nationale und Stammesverhältnisse nicht ausschließlich maßgebend waren, aber doch Berücksichtigung finden konnten.
Die nationalpolitischen Individualitäten des modernen Europa nahmen damals ihren Ursprung. Aus der Monarchie Karls d. Gr. und aus dem fest gefügten Verband der römischen Kirche retteten die abendländischen Völker in der Fülle ihrer staatlichen und kirchlichen Institutionen gemeinsame Ziele und Gesichtspunkte in hinreichendem Maß, um auch ferner eine gemeinsame Kultur und Geschichte entwickeln zu können; aber der erwachte Individualisierungstrieb der Nationen und Stämme machte die Bildung kleinerer politischer Mächte möglich, welche in I. so gut wie in Deutschland nicht selten mehr Sympathien fanden als die entfernte und unsichere Macht des Kaisertums.
Im Vertrag von Verdun (843) war I. nebst der Kaiserwürde Lothar I. zugefallen, nach dessen Tod 855 beides auf seinen ältesten Sohn, Ludwig II., überging. Schon gegen diesen erhoben sich einheimische und fremde Elemente, und das Reich löste sich in zahllose Teile auf, als mit Ludwig II. 875 der italienische Zweig der Karolinger erlosch. Die wiederholten Versuche der west- und ostfränkischen Karolinger, mit der Kaiserkrone auch die Herrschaft über I.
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wiederzugewinnen, hatten keinen dauernden Erfolg. Weder Karl der Kahle noch Karl der Dicke erreichten dies Ziel, und die Absetzung des letztern (887) ermöglichte die völlige Losreißung Italiens und des Kaisertums von der Herrschaft der Karolinger. Die Herzöge von Friaul und Spoleto sowie die Markgrafen von Ivrea traten als Bewerber um die Krone Italiens auf und erlangten dieselbe bei dem völligen Verfall der ostfränkischen wie der westfränkischen Monarchie. Der bedeutendste unter den Nachkommen Karls d. Gr., Karlmanns natürlicher Sohn Arnulf, vermochte wohl den Kaisertitel zu behaupten, übte aber keinen Einfluß auf das zwischen Friaul und Spoleto streitige I. aus.
Die Begründung der deutschen Herrschaft in Italien.
Während die Fürsten um den Besitz der Krone stritten, wurde I. von verheerenden Plünderungszügen der Sarazenen und Magyaren heimgesucht; namentlich die Po-Ebene wurde furchtbar verwüstet, niemand war im stande, die furchtbaren Feinde abzuwehren. Nach dem Tode des Markgrafen Berengar I. von Friaul, welcher 894 zum König von I. und 915 zum Kaiser gekrönt, 924 aber ermordet wurde, trat Rudolf II., König von Oberburgund, seine angeblichen Ansprüche auf I. dem Grafen Hugo von Provence gegen Überlassung des arelatischen Reichs ab. Dieser wandte seine Waffen anfangs siegreich gegen die italienischen Herzöge, mußte jedoch 945 dem Markgrafen Berengar II. von Ivrea weichen; Hugos Sohn Lothar aber, welcher nach dem Tod seines Vaters den Namen eines Königs von I. fortführte, starb bereits 950 und hinterließ eine Witwe, Namens Adelheid, welche bestimmt war, einen tiefen Einfluß auf die Geschichte Italiens sowie Deutschlands auszuüben.
Denn während Berengar II. sich bemühte, Adelheid mit seinem Sohn Adelbert zu vermählen, und vor keiner Gewaltthat zurückschreckte, um dieses Ziel zu erreichen, fand jene Gelegenheit, nach Canossa zu entkommen und mit dem deutschen König Otto I. Verbindungen anzuknüpfen. Dieser, eben damals Witwer geworden, zog 951 nach I. und erwarb sich mit Adelheids Hand auch die langobardische Krone. Zwar sah er sich 952 genötigt, Berengar, der weniger besiegt als verdrängt war, I. als Lehnskönigreich zu übertragen.
Doch zeigte sich bald, wie wenig Dauer dieses Verhältnis versprach. Ottos Macht in I. beruhte wesentlich auf den Immunitäts- und Exemtionsbestrebungen der geistlichen Besitzer, welche dem lombardischen Adel gegenüber eine unabhängige Stellung beanspruchten. Hand in Hand mit der Entwickelung dieser geistlichen Fürstentümer ging das Streben nach städtischer Freiheit. Otto I. kam diesen beiden Richtungen in I. auf das förderndste entgegen. Wie er sich den weltlichen Großen gegenüber auf die Macht der hochbegünstigten Bischöfe stützte, so wurde er auch der eigentliche Begründer der italienischen Städtefreiheit, insbesondere im Norden des Königreichs.
Denn wenn auch nach der Lage und Geschichte der aus dem Altertum stammenden zahlreichen Orte I. ganz besonders geeignet war, städtisches Wesen hervorzubringen, so war doch das alte Munizipalrecht völlig zu Grunde gegangen und der Gerichtshoheit der langobardischen Grafen und Herzöge zum Opfer gefallen. Erst durch den Schutz, welchen die deutschen Kaiser dem bürgerlichen Gemeinwesen gewährten, vermochte die neue Städtefreiheit auf den vorzugsweise von der Kirche erworbenen Besitzungen wieder zu erstehen.
Nur durch innere Unruhen in Deutschland und neue Einfälle der Magyaren wurde Otto I. längere Zeit verhindert, gegen die Anmaßung Berengars, der sich vom deutschen Lehnsverband losriß, einzuschreiten. Als dieser sogar den weltlichen Besitz der römischen Kirche angriff, wandte sich der Papst an den deutschen König um Hilfe. Otto überschritt 961 zum zweitenmal die Alpen, eroberte ganz Norditalien und eilte nach Rom, wo er die Zerwürfnisse zwischen dem Stadtadel und dem Papsttum benutzte, um die Schutzhoheit des Deutschen Reichs gegenüber der Kirche geltend zu machen und die römische Kaiserwürde zu erneuern (2. Febr. 962). Hiermit stiftete er das Heilige römische Reich deutscher Nation, von dem das Königreich I., das nach Berengars völliger Unterwerfung (964) in ungestörtem Besitz Ottos war, fortan einen Teil bildete.
Italien ein Teil des römisch-deutschen Reichs.
Je mehr sich die deutsche Herrschaft in I. auf die kirchlichen Gewalten und die geistlichen Lehnsbesitzer stützte, desto notwendiger war es, bei der Besetzung der Bistümer und vor allen des päpstlichen Stuhls einen ausreichenden Einfluß zu üben. Otto I. dehnte daher das Anerkennungs- und Bestätigungsrecht, welches seit den römischen Kaisern alle Machthaber Italiens geltend machten, dem päpstlichen Stuhl gegenüber bedeutend aus und erwarb sich und seinen Nachfolgern auch bei der römischen Kirche das Recht thatsächlicher Ernennung des obersten Bischofs.
Mittels des Papstes sollte sodann die katholische Kirche überall dem Kaisertum und seinen Zwecken dienen. Aber wie schon jener Papst, welcher Otto I. zum Kaiser gekrönt hatte, Johann XII., sich den Deutschen untreu erwies, sobald dieselben der Stadt Rom den Rücken gekehrt hatten, so blieb auch später das Verhältnis des Kaisertums zum Papsttum und zur Kirche ein höchst unsicheres, und nur in den wenigsten Fällen gewährten persönlich gute Beziehungen zwischen den beiden Oberhäuptern der abendländischen Welt zugleich eine sachlich begründete Basis der deutschen Kaisermacht in I. Als Otto I. 966 abermals in I. erschien, um den zahlreichen Widersachern entgegenzutreten, waren Maßregeln äußerster Strenge nicht zu vermeiden.
Als Otto I. 973 starb, blieb die deutsche Kaiserherrschaft in Ober- und Mittelitalien in der That unangefochten. Unteritalien dagegen war unbezwungen geblieben; die Versuche des Kaisers, es durch Verhandlungen mit dem griechischen Kaiserreich oder durch Waffengewalt zu gewinnen, waren mißglückt, Griechen und Araber teilten sich in die Herrschaft der schönen Länder, welche nach Art und Charakter in ihren staatlichen Institutionen sowie in ihrem Volkstum sich mehr und mehr von dem übrigen I. zu unterscheiden begannen.
Otto II., der durch seine Vermählung mit der griechischen Prinzessin Theophano ein Anrecht auf Unteritalien erworben zu haben glaubte, erneuerte den Versuch, sich desselben zu bemächtigen. Aber der griechische Kaiser Basilius verband sich mit den Sarazenen, um Ottos II. Versuche auf Unteritalien zu vereiteln und die deutsche Herrschaft in I. überhaupt zu erschüttern. 982 erlitt Otto II. eine Niederlage in Unteritalien, worauf er in Rom erkrankte, in seinem 28. Jahr starb und nur einen unmündigen Sohn, Otto III., hinterließ, dessen Regierung in I. eingreifender geworden wäre, wenn nicht auch er schon in früher Jugend 1002 gestorben wäre. Aber in der Zeit Ottos III. war zuerst der Gedanke aufgetaucht, eine strengere Einheit Italiens herzustellen, den Sitz des Kaisertums nach Rom zu verlegen und von dem alten Mittelpunkt der Welt aus die neue römisch-deutsche Herrschaft zu verwirklichen. In Rom selbst hatten die Adelsparteien
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schon unter Otto II. begonnen, einen gefährlichen Einfluß auf die Besetzung des päpstlichen Stuhls auszuüben und der deutschen Kaisergewalt sich entgegenzustellen. Die unmittelbare Gegenwart des Herrschers in Rom schien immer wichtiger zu werden. 996 kam Otto III. über die Alpen nach I., erhob seinen Vetter Bruno zum Papst und ließ sich von diesem, Gregor V., zum Kaiser krönen. Mit starker Hand wurde jeder Widerstand besiegt, der gegen Gregor V. aufgestellte Gegenpapst schimpflich behandelt und Crescentius, als Patricius und Haupt des aufständischen Adels, hingerichtet.
Als Gregor V. schon 999 starb, erhob Otto III. seinen Lehrer Gerbert von Reims, den größten Gelehrten seiner Zeit, als Silvester II. auf den päpstlichen Stuhl; aber gleich bei dem Tod Ottos III. (1002) zeigte sich die Unhaltbarkeit aller Verhältnisse. Die lombardische Krone nahm der Markgraf Arduin von Ivrea in Anspruch, der päpstliche Stuhl wurde von dem Grafen von Tusculum besetzt und beherrscht, die süditalischen Herzogtümer lösten sich von der Oberlehnsherrlichkeit der Deutschen los, die Sarazenen befestigten ihre Herrschaft in Sizilien und breiteten dieselbe über die griechischen Gebiete Unteritaliens mehr und mehr aus.
König Heinrich II. von Deutschland gab zwar die Traditionen des sächsischen Hauses keineswegs auf, allein seine Macht reichte nicht weiter als sein Arm; doch ließ er sich auf seinem zweiten italienischen Zug zum Kaiser krönen, und auf seinem dritten Zuge griff er gewaltig in die unteritalischen Verhältnisse ein, wo er Pandulf IV., Fürsten von Capua, gefangen nahm und Pandulf VI. einsetzte, welcher Normannen in seinen Diensten hatte, denen Heinrich II. zuerst Grund und Boden als Reichslehen zuwies.
Neben Capua hatten auch die Fürsten von Benevent und Salerno die kaiserliche Herrschaft anerkannt, während Neapel mit seiner städtischen Verfassung meist der Herrschaft der Griechen treu blieb und sich nur scheinbar und vorübergehend deutschen Kaisern unterworfen hatte. Wenn der politische Charakter Unteritaliens durch die Macht der vorwiegenden Fürstengeschlechter bestimmt wurde, so entschied in Oberitalien das Übergewicht der Städte. Seit dem 10. Jahrh. war Venedig zu Macht und Ansehen gekommen und beherrschte die Meerstraßen.
In der Lombardei waren außer Mailand nunmehr auch Pavia, Lodi, Cremona und viele andre Städte zur Blüte und Bedeutung gelangt. Zwischen Pavia und Mailand hatte sich seit dem Kampf zwischen Heinrich II. und Arduin von Ivrea ein Gegensatz gebildet, der später fast alle italischen Republiken in zwei Lager spaltete, indem Pavia dem deutschen König, Mailand dem italienischen Fürsten anhing. In Mittelitalien hielt vorerst das mächtige Geschlecht der tuskischen Markgrafen das Aufkommen großer städtischer Republiken zurück, doch hatte bereits Pisa eine ähnliche Stellung an der westlichen Küste Italiens erlangt wie Venedig an der östlichen. Die Insel Sardinien war 1022 durch die Pisaner den Arabern entrissen worden, welche dieselbe seit fast anderthalb Jahrhunderten beherrscht hatten.
Im ganzen war das Kaisertum in I. hinreichend befestigt, so daß der Wechsel der Dynastie auf dem deutschen Thron sich auch in I. ohne erhebliche Schwierigkeit vollzog. König Konrad II., der Salier, zog schon zwei Jahre nach seiner Wahl (1026) nach I. und wurde im folgenden Jahr zum Kaiser gekrönt. Vermochte er in Rom auch nicht, gegenüber dem herrschenden Adel, welcher über den päpstlichen Stuhl eigenmächtig verfügte, nachhaltig zu gebieten, so übte er in der Lombardei eine desto kräftigere Herrschaft aus und trat dem Erzbischof Aribert von Mailand kraftvoll entgegen, indem er den kleinern freien Herren der Lombardei Schutz gegen die geistliche Fürstengewalt gewährte und bei dem Streit über die Erblichkeit der Lehen dem Rechte der weltlichen Vasallen gegenüber der willkürlichen Verleihung der Kirchenfürsten die Anerkennung sicherte.
Heinrich III. vollendete das von seinem Vater begonnene Werk der Pazifikation Italiens, indem er sich den von Clugny ausgegangenen Bestrebungen einer Kirchenreform entschieden anschloß und nicht nur dem verweltlichten geistlichen Fürstentum, sondern auch dem Papsttum eine veränderte Richtung gab. Durch die von ihm in Rom eingesetzten deutschen Päpste erhielt die Partei der Kirchenreform überall das Übergewicht. In der Regierung der zahlreichen Bistümer Italiens begann an der Stelle der weltlichen Interessen eine regere kirchliche Tendenz sich geltend zu machen.
Aber die reformierte Kirche wendete sich freilich alsbald gegen jeden Einfluß der staatlichen Gewalt und wollte auch die Rechte des obersten Schutzherrn, des Kaisers, beseitigt wissen, nachdem sie sich mit Hilfe desselben von der Macht der kleinen weltlichen Herren freigemacht hatte. In I. erhielt nun der große, welthistorische Streit, welcher sich insbesondere an die Namen Gregors VII. und Heinrichs IV. knüpfte (s. Investitur), einen zugleich nationalen Charakter; der Kampf des Papsttums wurde zugleich als ein Kampf der Unabhängigkeit der städtischen Republiken und der Selbständigkeit des italienischen Fürstentums aufgefaßt und dargestellt.
Hatten die vorwaltenden Mächte und besonders die Päpste in I. auch keinen Augenblick gezaudert, fremder Hilfe und ausländischer Kräfte sich zu bedienen, so wurde doch der Gedanke nationaler Unabhängigkeit in den Städten und Herrschaften geweckt und allmählich großgezogen. So wurde insbesondere der Rechtsstreit um die Mathildischen Güter zwischen Papst und Kaiser, der 1115 nach dem Tode der Markgräfin Mathilde von Tuscien entbrannte, welche ihre Güter der Kirche vermacht hatte, während der Kaiser dieselben als heimgefallene Lehen beanspruchte, in eine rein politische und nationale Frage umgewandelt. Von hervorragender Bedeutung war aber, daß sich im Süden der Halbinsel ein päpstliches Lehnskönigreich bildete, welches der Kirche in ihrem Kampf um die Unabhängigkeit von der deutschen Kaisermacht eine kräftige Stütze war.
Um die Mitte des 11. Jahrh. waren die Normannen im südlichen I. so zahlreich und mächtig geworden, daß Papst Leo IX. ihre Vertreibung anstrebte und zu diesem Ende Hilfe in Deutschland suchte. An der Spitze der Grafschaft Apulien, deren erster Herrscher Wilhelm von Hauteville war, stand damals Humfred, welcher von Robert Guiscard unterstützt wurde. Da nun Leo IX. im Kampf gegen die Normannen nichts ausrichtete, persönlich aber von ihnen auf das ehrenvollste behandelt wurde, so bestätigte er ihnen alle Eroberungen, die sie schon gemacht hatten und die sie im Kampf gegen Griechen und Sarazenen noch machen würden. Während die normännische Herrschaft unter Robert Guiscard mit wunderbarer Schnelligkeit sich immer mehr ausbreitete und unter der Regierung Rogers außer Apulien auch bereits Kalabrien umfaßte, hatten die Päpste noch mit ungleichem Interesse und nicht ohne Mißtrauen ihre Erfolge beobachtet; aber die vollkommene Vertreibung der Griechen, welche sich noch bis 1071 in Bari behaupteten, dann aber auch diesen festen
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Punkt zu räumen gezwungen wurden, und die beginnende Eroberung von Sizilien entschieden das Schicksal der südlichen italienischen Länder. Noch Gregor VII. glaubte die normännischen Fürstentümer geteilt erhalten und die Macht Robert Guiscards einschränken zu können, aber 1080 kam eine Aussöhnung zwischen Gregor und Robert durch den Abt Desiderius von Monte Cassino zu stande; Gregor VII. belehnte Robert mit allen von ihm eroberten Gebieten, wofür sich dieser zu einer Lehnsabgabe an den päpstlichen Stuhl verstand.
Als Gregor VII. 1083 von Kaiser Heinrich IV. überwunden wurde und sich ohnmächtig in der Engelsburg einschließen mußte, ward er von Robert 1084 befreit. Unter dem zweiten Herzog Roger von Sizilien gelang es, die sämtlichen normännischen Herrschaften zu vereinigen. Nachdem dieser Apulien und Kalabrien seinem Stammesvettern entrissen, nahm er 1130 den königlichen Titel als Roger I. an und eroberte auch Salerno und Amalfi. Papst Anaklet II. bestätigte Roger diese Eroberungen und den königlichen Titel, und auch Innocenz II., der Roger früher als Anhänger seines Gegenpapstes bekämpfte, versöhnte sich schließlich 1139 mit ihm und erkannte sein neues Reich als päpstlichen Lehnsstaat an.
In Oberitalien waren inzwischen die Städte zu noch größerer Macht gelangt; an der Spitze dieser Republiken standen meistens Konsuln, welche bald einen rein aristokratischen, bald einen mehr demokratischen Charakter hatten. Häufig begannen sich Verhältnisse zu entwickeln, welche mit der Tyrannis der alten griechischen Stadtrepubliken Ähnlichkeit hatten. Die Städte schlossen zuweilen größere Bündnisse untereinander und stählten ihre Kraft in nicht unbeträchtlichen Fehden.
Hierher gehört der Streit, welcher 1111 mit der Zerstörung von Lodi endigte, und der zehnjährige Krieg der verbündeten lombardischen Städte gegen Como 1118-28. Durch die Bezwingung dieser Stadt wurde Mailand das anerkannte Haupt der Lombardei, und fast alle Nachbarstädte traten mit ihm in Bündnis. Nur Pavia, um dessen Banner sich andre Städte scharten, rivalisierte noch mit Mailand. Zwistigkeiten zwischen letzterer Stadt und Cremona riefen zwischen den beiden Städtebünden 1129 einen Krieg hervor, welcher unter dem Einfluß des großen Kampfes zwischen Kaiser Lothar und dem staufischen Haus einen tiefern politischen Hintergrund erhielt.
Mit den Namen der beiden in Deutschland streitenden Familien der Welfen (Guelfen), der Staufer (Ghibellinen) bezeichnete man in I. noch nach Jahrhunderten die sich befehdenden Hauptrichtungen der Städte und des Adels. Je weniger es sich aber hierbei um das Interesse jener beiden deutschen Geschlechter handelt, desto wandelbarer war in I. der Begriff und die Bedeutung, welche den beiden Parteinamen beigelegt wurden. Im allgemeinen neigten die guelfischen Städte zu einer mehr demokratischen Einrichtung ihrer innern Angelegenheiten und zu Bündnissen mit den kirchlichen Mächten, besonders mit den Päpsten, während die ghibellinischen Städte im Bund mit dem landsässigen Adel dem oligarchischen Stadtregiment in mehr stetiger Entwickelung treu blieben. Daneben unterließen es weder die Ghibellinen noch die Guelfen, auch den allgemeinen Angelegenheiten Italiens ihr Augenmerk zuzuwenden; aber auch auf diesen Gebieten zeigten sie einen entschiedenen Gegensatz, indem die einen die Unabhängigkeit und Bedeutung der Nation mehr auf dem Weg einer großartigen Föderation, die andern durch ein starkes, I. als Mittelpunkt des Abendlandes betrachtendes Kaisertum zu erreichen hofften.
Die Politik der Staufer und ihr Untergang.
In der Zeit Kaiser Friedrichs I. und seiner nächsten Nachfolger trat der letztere Gegensatz in der Stellung der beiden großen Parteien wohl am stärksten hervor. Friedrich I. brachte den alten Begriff des römischen Imperiums zur deutlichsten Anschauung. Aus dem in I. neuerweckten Studium des römischen Rechts an den Universitäten und Schulen zog die kaiserliche Macht ihre praktischen Konsequenzen und beanspruchte auf Grund des alten römischen Kaiserrechts, welches zuerst auf dem großen Reichstag auf den Ronkalischen Gefilden (1158) definiert und erläutert wurde, weitgehende politische Befugnisse und Herrscherrechte über die lombardischen Städte.
Die Weigerung derselben, diese Rechte anzuerkennen, führte zum Ausbruch eines erbitterten Kampfes zwischen dem Kaiser und den Städten. Fünfmal zog Friedrich I. mit den besten deutschen Heeren nach I., zweimal demütigte er das stolze Mailand und strafte es furchtbar; aber die Schlacht von Legnano 1176, der Friede von Venedig 1177 und der Konstanzer Vertrag mit den lombardischen Städten 1183 vereitelten die strenge Durchführung der ghibellinischen Prinzipien in I. für immer.
Die Kaiserherrschaft vermochte bei dem Widerstand des Papsttums und der Kirche und bei der Macht der Städte nicht zu einer einheitlichen, alle Stände des Reichs beherrschenden Gewalt zu gelangen. Die Konstanzer Bestimmungen blieben aber auf Jahrhunderte die Grundlage des Rechtsverhältnisses zwischen dem deutschen Kaisertum und der Lombardei. In diesem Frieden wurde zwar die kommunale Selbständigkeit der lombardischen Städte anerkannt; aber das Lehnsverhältnis derselben zum Deutschen Reich erhielt einen bestimmtern Ausdruck als bisher, und die Verpflichtungen der Städte in Bezug auf Steuern und andre Leistungen wurden deutlich ausgesprochen. Die kaiserliche Herrschaft war demnach in Oberitalien, wenn auch in engen Grenzen, so doch der Hauptsache nach gesichert.
Dagegen wurde der größte Teil von Mittelitalien durch die territorialen Bestrebungen des Papsttums dem Einfluß des Kaisertums mehr und mehr entzogen. Die Bildung des Kirchenstaats im landeshoheitlichen Sinn schritt seit der Mitte des 12. Jahrh. unaufhaltsam fort. Zwar war im Anfang der Regierung Friedrichs I. in Rom eine republikanische Bewegung vorhanden, welche, von Arnold von Brescia geleitet, sich in romantischer Anlehnung an das Altertum gegen den Adel so gut wie gegen die weltlichen Tendenzen der Päpste richtete; allein Friedrich I. hatte selbst die Hand zur Unterdrückung dieser römischen Revolution geboten, und Arnold von Brescia fand den Tod auf dem Scheiterhaufen (1155). Seitdem arbeiteten die hervorragendsten Päpste an der vollen Entwickelung ihrer landeshoheitlichen Stellung und an ihrer sogen. Unabhängigkeit, indem sie sich einen abgerundeten Besitz zu schaffen suchten, innerhalb dessen der Kaiser jedes Realrecht verlieren, und in welchen er nur zum Empfang der Kaiserkrönung zu kommen berechtigt sein sollte.
Alexander III. benutzte Friedrichs Kampf mit den lombardischen Städten, um endlich in dem schon erwähnten Venezianischen Frieden eine Reihe von hoheitlichen Rechten an sich zu reißen. Innocenz III. aber knüpfte an die Kaiserkrönung die Bedingung einer Eidesleistung, durch welche die Grenzen des Kirchenstaats bestimmt und der unbedingte Herrschaftsbesitz innerhalb derselben dem päpstlichen Stuhl zuerkannt wurde. Die Streitigkeiten um die deutsche Krone nach dem Tod
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Heinrichs VI., der Kampf zwischen Otto IV. und Philipp von Schwaben, gaben dem gewaltigen Innocenz III. Macht und Gelegenheit, im strengern Sinn des Wortes der Gründer des Kirchenstaats zu werden. Er hatte zwar selbst mit dem Welfen Otto IV., dessen Königtum er geschützt und dessen Kaisertum er geschaffen, ein friedliches Verhältnis nicht aufrecht erhalten können; aber er zwang Friedrich II., als er ihn nach Deutschland entließ, um der Wahl der deutschen Fürsten Folge zu leisten, dieselben Bedingungen in Bezug auf den Kirchenstaat einzugehen, welche Otto IV. angenommen hatte.
Angesichts der großen Schwierigkeiten, welche die politische Zersplitterung Oberitaliens, der nationale Unabhängigkeitssinn der großen Stadtrepubliken und die Machtstellung der Päpste der Begründung einer starken monarchischen Gewalt der Kaiser in Ober- und Mittelitalien entgegenstellten, hatte schon Friedrich I. den Gedanken gefaßt, das kräftige Normannenreich von Neapel und Sizilien durch Heirat für sein Haus zu erwerben, um an ihm eine starke Stütze für seine Herrschaft in I. zu gewinnen. 1186 vermählte er seinen Sohn Heinrich VI. mit Konstanze, der Erbin des sizilischen Reichs nach dem Tod Wilhelms II., ihres Neffen, welcher 1190 als letzter legitimer Nachkomme Rogers II. starb, und 1194 ergriff Heinrich VI. die Regierung des Königreichs mit starker Hand.
Sein Sohn Friedrich II. mußte freilich, als er 1212 mit Hilfe des Papstes Innocenz III. die deutsche Krone in Besitz nahm, versprechen, daß er sein Erbkönigreich Sizilien nicht in eigner Hand behalten, sondern seinem Sohn Heinrich überlassen wolle. Auf diese Weise sollte Unteritalien lediglich als ein von den Päpsten abhängiger Vasallenstaat, Mittelitalien als päpstlicher Territorialstaat bestehen. Der Plan der Staufer, gerade Sizilien zum Fundament ihrer Macht in I. zu machen, wäre so vereitelt worden.
Indes Friedrich hielt sich, als er seine Herrschaft in Deutschland befestigt und auch die Kaiserkrone erlangt hatte, an sein Versprechen nicht für gebunden. Er organisierte sein Erbkönigreich Neapel und Sizilien, machte die kaiserlichen Rechte in allen Städten Mittelitaliens geltend und beherrschte die Lombardei auf Grund der Bestimmungen von Konstanz, aber unter energischem Festhalten der darin dem Kaiser vorbehaltenen Rechte. Deutsche Kraft und Kriegskunst gaben ihm die Mittel, seine Stellung in I. eine Zeitlang zu behaupten.
Als die lombardischen Städte sich 1235 gegen ihn empörten, besiegte er sie bei Cortenuova (1237), und sein Sohn Enzio und sein Schwiegersohn Ezzelino da Romano verfochten mit Kühnheit und Kraft die kaiserliche Sache in Oberitalien. Indes wie schon Friedrich I. die Unzulänglichkeit der damaligen Kriegsmittel gegen befestigte Städte hatte erfahren müssen, so vermochte auch Friedrich II. nicht, aller seiner Gegner zugleich und auf die Dauer Herr zu werden. Eine Niederlage wie die von Parma (1248) vernichtete mit Einem Schlag alle errungenen Erfolge.
Zugleich wandten die Päpste alle kirchlichen Zuchtmittel gegen ihn an, und während es sich wesentlich um die Fragen des rechtlichen Besitzes und der rechtlichen Machtgrenzen handelte, ward der Kampf vorherrschend durch Gregor IX. und Innocenz IV. zu einer kirchlichen Angelegenheit zugespitzt und nahm schließlich einen so erbitterten, unversöhnlichen Charakter an, daß Papst Innocenz IV. schon auf dem Konzil von Lyon 1245 die Ausrottung des staufischen Hauses in I. als Zielpunkt der päpstlichen Politik hinstellte.
Der vereinigten Macht der Kirche und der nationalen Opposition erlagen die Staufer aber erst dann, als die Päpste den Beistand Frankreichs gewannen. 1265 übertrug Clemens IV. Karl von Anjou die Krone von Neapel, 1266 verlor König Manfred Schlacht und Leben bei Benevent, und 1268 endete der letzte Staufer auf dem Blutgerüst. Als Schwiegersohn Manfreds erhob König Peter III. von Aragonien Ansprüche auf das Erbe der Staufer, und die Franzosenherrschaft fand besonders in Sizilien große Gegnerschaft. In Palermo kam es am zweiten Ostertag 1282 zu einer furchtbaren Erhebung gegen die Franzosen, welche größtenteils ermordet wurden (Sizilianische Vesper).
Sizilien trennte sich von der Herrschaft der Anjous, und es begann ein Krieg zwischen Peter von Aragonien und Karl von Anjou, welchen auch die Nachkommen derselben fortsetzten. Im Frieden von 1302 blieb Friedrich von Aragonien König von Sizilien. Mehr und mehr gewöhnten sich die italienischen Ghibellinen, da Deutschland seine Kaiserrechte nicht wieder geltend gemacht hatte, ihr Haupt in dem Aragonesen von Sizilien zu erblicken, während die Guelfen sich unter den Schutz der Anjous von Neapel stellten.
Die Zeit politischer Zersplitterung, aber geistiger und materieller Blüte.
In Oberitalien gerieten inzwischen die mächtigen Seerepubliken in immer heftigere Fehden. Vorzugsweise war es Genua, welches im Lauf des 13. Jahrh. zu immer größerer Bedeutung emporstieg und die Seeherrschaft an sich riß. So leisteten die Genuesen 1261 dem griechischen Kaiser Michael Paläologos bei der Vertreibung der Venezianer aus Konstantinopel Beistand, richteten die Marine der Pisaner, ihrer ghibellinischen Nebenbuhler, zur Zeit des Kampfes Kaiser Friedrichs II. mit Papst Innocenz IV. 1248 zu Grunde und schlugen die venezianische Flotte bei Curzola 1298. Wie Genua die Herrschaft der Guelfen auf dem Meer, so begründete Florenz das steigende Ansehen derselben Partei in Mittelitalien. In Mailand erlangten die Visconti eine Alleinherrschaft, nachdem sie die Macht der della Torre gebrochen hatten.
Und indem es auch der neuen Dynastie von Neapel gelang, in mittel- und oberitalienischen Städten Stellungen und städtische Ämter an sich zu reißen, überwog der guelfische Parteistandpunkt im Anfang des 14. Jahrh. vollständig. Aber die ghibellinische Idee der Einheit Italiens unter der Herrschaft des Kaisers erhielt damals ihren großartigsten Ausdruck in den Werken des größten italienischen Dichters Dante, dessen »Göttliche Komödie« und dessen publizistische Schriften auch politisch nicht ohne eingreifende Wirkungen blieben.
Als Kaiser Heinrich VII. den Kampf für die deutschen Reichsrechte in I. zu erneuern kam, nahmen die Ghibellinen einen unerwarteten Aufschwung, und da sich das Papsttum seit Clemens V. (1305) ganz auf Frankreich stützte und endlich die Residenz desselben 1309 nach Avignon verlegt wurde, so schienen in der That die nationalen Ideen von den Guelfen gänzlich aufgegeben zu sein und einzig und allein von den kaiserlich gesinnten Ghibellinen vertreten zu werden. Der Zug Heinrichs VII. wirkte auf die ganze Halbinsel zurück. Auch Neapel und Sizilien nahmen für und gegen die Kaiseridee Partei. So erneuerte sich der Kampf zwischen Friedrich von Sizilien und Robert von Neapel, und erst 1347 wurde die aragonische Dynastie in Sizilien von den Anjous in Neapel vollständig anerkannt. Die kaiserlichen Rechte in Oberitalien verfielen indes mehr und mehr, und nach dem Tod Heinrichs VII. war die Frage der Erwerbung oberitalienischer Besitzungen seitens deutscher Kaiser nur noch ein