Oberitalien wurde aber, mit Ausnahme von
Ligurien und einigen Gebieten an den Mündungen des
Po, seit etwa 600
v. Chr. von keltischen
Völkerschaften, unter denen die
Insubrer,
Cenomanen und
Bojer die bedeutendsten sind, inBesitz genommen;
die
Sikuler
wurden durch die von ihren Gebirgswohnsitzen sich weit ausbreitendenOsker verdrängt und genötigt, sich
auf die nach ihnen benannte
Insel zurückzuziehen;
Die wichtigsten dieser hellenischen
Kolonien sind:
Cumä,
Rhegium, Locri,
Croton,
Sybaris (bereits im 6. Jahrh.
v. Chr. von den
Crotoniaten zerstört),
Thurii und Tarentum. Durch die Lukaner und die Bruttier wurden alle diese Koloniestädte, mit Ausnahme
von
Tarent, meist auf ihre
Mauern beschränkt.
Vgl. Cluveirus
(Klüver), I. antiqua
(Leiden
[* 7] 1624), nebst
Holstein, Adnotationes ad Cluverii Italiam
(Rom
[* 8] 1666);
[* 3] die mittlere von den drei
Halbinseln Südeuropas, welche von der
Natur zum
Mittelpunkt des ganzen Mittelmeerbeckens
bestimmt erscheint. Sie bildet eine
Brücke
[* 11] zwischen den nördlichen und den südlichen
Ufern des
Mittelmeers;
[* 12] in ihrem kontinentalen
Teil, dem Pogebiet, wie durch den
Hafen von
Brindisi und die Häfen am
Golf von
Tarent ist sie dem
Verkehr
mit dem
Osten erschlossen, während die eigentliche
Halbinsel ihr
Antlitz dem
Westen zukehrt. So konnte von hier aus das ganze
Mittelmeergebiet wie in römischer Zeit beherrscht, so konnten hier vomOsten empfangene Kulturkeime in
eigentümlicher
Weise verarbeitet und dem
Westen und Nordwesten mitgeteilt werden. So hat I. fast zwei Jahrtausende hindurch
den
Mittelpunkt der Kulturwelt gebildet und dreimal, im
Altertum durch das römische Weltreich, im
Mittelalter durch die römische
Hierarchie und zu Ende des
Mittelalters bis ins 16. Jahrh., im Renaissancezeitalter, durch seine
hohe materielle und geistige
Kultur, den größten Einfluß auf die ganze Kulturwelt ausgeübt. Als neugeeinigtes Staatswesen,
von der
Natur in jeder Hinsicht herrlich begabt, reich an
Schätzen der
Kunst und an
Denkmälern einer großen Vergangenheit,
hat dasselbe eine glänzende, wenn auch weniger rasch, als die Italiener selbst wünschen, sich verwirklichende
Zukunft zu erwarten.
Hierzu 3
Karten: Übersichtskarte, nördliche Hälfte und südliche Hälfte von Italien.
In der südlichen Hälfte der gemäßigten
Zone gelegen, dehnt sich I. zwischen 36° 38'-46° 42' nördl.
Br. und
zwischen 6° 34'-18° 30' östl. L. v. Gr. in Gestalt
eines langgestreckten, im
SW. durch das
Dreieck
[* 13]
Sizilien
[* 14] vermehrten
Trapezes nach SO. aus und grenzt, soweit es nördlich mit
dem
Festland zusammenhängt, von W. nach O. an
Frankreich, die
Schweiz
[* 15] und
Österreich,
[* 16] während es sonst von den einzelnen Teilen
des
MittelländischenMeers, und zwar östlich vom Adriatischen, südöstlich vom
Ionischen, südlich vom
Afrikanischen, westlich vom Tyrrhenischen und
LigurischenMeer, umgeben wird. Die
Länge des
Festlandes beträgt von N. nach S. 1225 km,
¶
die Breite
[* 23] der eigentlichen Halbinsel von W. nach O. 350-230 km, die der beiden südlichen Landzungen 51-105 km, während im
N. die Breite des zum Königreich I. gehörigen Gebiets 780 km ausmacht. Man zählt zu I. auch mehrere in den genannten Meeren
liegende Inseln. Es sind, außer Sizilien, das durchaus im Zusammenhang mit dem Festland zu betrachten ist,
Sardinien
[* 24] und Corsica;
[* 25] zu den kleinern gehören: Elba und die übrigen Inseln des Toscanischen Archipels, die Gruppe der pontinischen
und der neapolitanischen Inseln, die Liparen, Ägaten, Malta und die Tremiten. Mit den Inseln (aber ohne Malta und Corsica) beträgt
der Flächenraum 296,323 qkm (5381 QM.), ohne dieselben 242,490 qkm (4403
QM.).
Die Küstenlänge Italiens wird auf 3300 km veranschlagt. Die Küstenumrisse Italiens zeigen sehr verschiedenen Charakter und
sind weit weniger günstig gestaltet als die der östlichen, günstiger jedoch als die der westlichen Mittelmeerhalbinsel
Europas. Die Küsten des LigurischenMeers von der Var- bis zur Magramündung sind durchaus steil, große
Meerestiefen drängen sich ans Ufer heran, über beide Schenkel dieses Golfs aber, die Riviera di Ponente wie die Riviera di Levante,
die in der Spitze bei Genua
[* 26] zusammentreffen, ist aller Zauber der Natur ausgegossen, beide sind reich an herrlichen Häfen,
wie die der Golfe von La Spezia
[* 27] und Rapallo, von Genua, Savona und Porto Maurizio.
Von der Magramündung bis zum KapCircello folgt ein ursprünglich in ähnlicher Weise geradlinig, buchten- und hafenlos verlaufendes
Küstenstück wie das entsprechende der Ostküste von Rimini bis KapSanta Maria di Leuca, wo sich nur der eine, aber
treffliche Hafen von Brindisi findet, und nur der Vorsprung von Ancona,
[* 28] an welchem ein durch Kunst leicht zu verbessernder Naturhafen
lag, wie die landfest gewordene Insel des MonteGargano unterbrechen etwas die geradlinige Küste, an die zwar der Apennin nahe
herantritt, ohne daß aber eine eigentliche Steilküste entstände.
Die Küste Mittelitaliens ist von der Natur für Seeverkehr sehr schlecht ausgestattet, und wir begreifen
somit, daß Rom sich sehr spät und erst, als es sich zum Herrn günstigerer Küsten gemacht hatte, zur Seemacht entwickelte.
Nur hat die westliche Flachküste dadurch größere Mannigfaltigkeit erhalten, daß hier größere Flüsse,
[* 29] namentlich Tiber
und Arno, münden und ihr Delta
[* 30] vorgeschoben haben, während gleichzeitig der Küste naheliegende Felseninseln,
KapPiombino, Monte Argentario, KapCircello und Gaeta, durch die von der Küstenströmung mitgeführten Sinkstoffe landfest geworden
sind.
Dadurch ist eine Reihe flacher Golfe entstanden, während gleichzeitig die Anlage künstlicher Häfen (Ostia, die Häfen des
Claudius und Trajan, Civitavecchia, Livorno)
[* 31] in dem angeschwemmten Land nicht schwer war. Reicher ausgestattet
ist die Küste vom KapCircello an. Dort dringen drei Golfe tiefer in das Land ein, von Gaeta, Neapel
[* 32] und Salerno, der mittlere der
von der Natur in jeder Hinsicht am reichsten begabte, der sich zwischen Kap Miseno und Punta della Campanella 30 km
breit, 13 km tief öffnet, noch geschützt durch die vorliegenden InselnIschia
[* 33] und Capri,
[* 34] reich an Häfen, denen die Erzeugnisse
der reichen Ebene von Kampanien zuströmen. So mußte sich hier dichte Bevölkerung und ein großes Handelszentrum entwickeln,
erst Cumä, dann in römischer Zeit und wieder seit dem Ende des MittelaltersNeapel.
Die geringere Veranlagung des Golfs von Salerno prägt sich deutlich darin aus, daß die Städte, die hier nacheinander geblüht
haben, Pästum, Salerno und Amalfi,
an die Bedeutung jener nicht heranreichen. Die KüsteKalabriens vom Golf von Policastro bis
zur Cratimündung im Golf von Tarent ist sowohl am Tyrrhenischen als am IonischenMeer, außer am Golf von
Sant' Eufemia, durchaus Steilküste und ohne Häfen, aber reich an schönen Szenerien. Den griechischen Städten dieser Küste,
deren Bedeutung wesentlich auf dem Ackerbau beruhte, genügten kleine Einbuchtungen und der schmale sandige Strand der Küste
für den Seeverkehr.
Seit ihrer Zerstörung haben jedoch die ungeregelten Wasserläufe einen Fieberkordon rings um Kalabrien
erzeugt, und sarazenische Seeräuber haben die Bewohner auf die Höhen zurückgescheucht, so daß die Küsten dieser Halbinsel
verödeten und dieselbe vom Verkehr mit der übrigen Welt abgesperrt wurde und in der Kultur zurückblieb. Nur an der Meerenge
von Messina
[* 35] finden wir daher eine namhafte Küstenstadt, Reggio, welche von der Lage an dieser wichtigen,
nur 2-3 km breiten Wasserstraße Vorteil zog. Erst jetzt erwacht hier durch die Eisenbahn wieder neues Leben und zieht dieser
Magnet die Bevölkerung aus ihren Felsennestern wieder herab an die Küste.
Die Küsten der InselSizilien sind fast durchaus steil, an der Ostseite reich an kleinen Buchten und Häfen,
daher hier die blühenden Griechenstädte, die bedeutendsten von allen Messina und Syrakus.
[* 36] Auch die Nordseite ist noch reich
gegliedert und besitzt den ehemals trefflichen Hafen von Palermo,
[* 37] welcher der Stadt den Namen gegeben hat; nachdem er
im Mittelalter unbrauchbar geworden, ist durch einen künstlichen Molo ein neuer geschaffen worden. Die Afrika
[* 38] zugekehrte Küste
ist ohne alle Häfen, unter großen Kosten wird ein solcher in Porto Empedocle, dem Hafen von Girgenti, geschaffen.
Tarent hat noch immer einen der besten Häfen Italiens. Durch die 75 km breite Meerenge von Otranto treten
wir in das Adriatische Meer ein, dessen Küste bis Rimini bereits geschildert ist. Von Rimini bis zur Mündung des Isonzo
[* 39] haben
wir wieder eine durch die Anschwemmungen der zahlreichen dort mündenden Flüsse beständig vorrückende, flache, sumpfige
Küste vor uns, die auf weite Strecken von Lagunen begleitet ist, welche durch Dünen (lidi) vom Meer geschieden,
durch Öffnungen in denselben (porti) damit verbunden sind und dann treffliche Häfen, wie bei Venedig
[* 40] und Chioggia, bilden.
Bodengestaltung.
Faßt man die orographischen Verhältnisse der Halbinsel ins Auge,
[* 41] so treten zunächst die Alpen
[* 42] bedeutsam hervor, die, I.
im NW. und N. von Frankreich und dem übrigen FestlandEuropas scheidend, als ein ungeheurer Gebirgswall sich von Nizza
[* 43] im W.
bis Triest
[* 44] im O. bogenförmig herumziehen und auch einen Teil Piemonts, der Lombardei und des Venezianischen bedecken. Gerade
an der italienischen Seite tritt der einseitige Steilabfall der Alpen deutlich, am
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