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lästig sind, haben sich stark vermehrt und ziehen in großen Herden, unangetastet und ungenutzt, durch die Ebenen des Innern. Eisbären kommen nur auf dem Treibeis als Gäste an. Seehunde sind an den Küsten zahlreich. Unter den Vögeln sind besonders wichtig die Eidergänse, welche an vielen Orten sich in großen Scharen aufhalten; man schützt und hegt sie, nimmt ihnen aber einigemal im Jahr Eier [* 2] und Daunen. Weniger wichtig ist der Schwan (Singschwan), der größte einheimische Vogel Islands, obwohl auch dessen Federn einen guten Exportartikel bilden.
Schneehühner, Brachvögel, Schnee-Eulen, Bachstelzen, Schnee-Ammern und Zaunschlüpfer, Schnepfen und schön gefiederte Enten [* 3] sind nicht selten; doch stellt man nur den Schneehühnern nach, die einen Handelsartikel abgeben. Reptilien finden sich nicht auf I. Von Wichtigkeit ist der Fischfang; von Seefischen werden Dorsche, Schellfische und Hellbutten überall gefangen, und seit einigen Jahren wird eine nicht unbedeutende Heringsfischerei an der Ostküste getrieben; selbst eine Art Haifische (Hákarl, Plur. Hákarlar) kommt nicht selten vor, ausnahmsweise auch Walfische. Im süßen Wasser findet man nur Lachse und Forellen.
Bei weitem der größte Teil der Bevölkerung [* 4] lebt von der Viehzucht. [* 5] Das wichtigste Haustier ist das Schaf, [* 6] eine Art, deren beide Geschlechter regelmäßig Hörner (bisweilen sogar vier) tragen, die ein vortreffliches Fleisch und gute Wolle liefert. Man zählt im ganzen Land ca. 800,000 Stück (auf einem gewöhnlichen Bauernhof etwa 80-100). Mit Ausnahme der milchenden treiben sich diese Tiere den ganzen Sommer frei auf den Hochebenen herum und kommen nur im Winter zu den Wohnungen, gehen jedoch auch da täglich ins Freie. Weniger zahlreich ist das Rindvieh (ca. 20,000 Stück).
Der Isländer liebt gewöhnlich das Rindfleisch nicht, wichtig ist ihm aber die Milch. Dagegen ist wieder die Pferdezucht [* 7] bedeutend. Die isländischen Pferde, [* 8] seit alters eingeführt, gehören zu einer kleinen, aber flüchtigen und sicher gehenden Bergrasse und sind, da es nur Reitwege gibt, für die Bewohner unentbehrlich. Eigentümlich ist ihr großer Kopf. Sie begnügen sich mit der magersten Kost, und viele kommen das ganze Jahr hindurch nicht in den Stall. Man zählt etwa 30,000 Stück Pferde, auf einem gewöhnlichen Bauernhof durchschnittlich 10 Stück, eine Zahl, die notwendig ist, um die Produkte (Wolle, gesalzenes Fleisch, Talg etc.) an den Handelsplatz zu bringen und anderseits die Lebensbedürfnisse (Korn, Kaffee, Zucker, [* 9] Eisen, [* 10] Holz [* 11] etc.) nach Hause zu schaffen.
Vor Schweinen hat der Isländer beinahe Abscheu, und man sieht sie auf den Handelsplätzen nur ausnahmsweise; dagegen ist der Hund sein eigentliches Lieblingstier, von dem man 4-8 Stück auf einem Hof [* 12] hält. Nationalspeise der Isländer ist Skyr, d. h. ausgepreßte dicke Milch. Außerdem besteht das Essen [* 13] auf I. gewöhnlich aus Schaffleisch, Fischen, aus Vögeln, Eiern, zu flachen Kuchen geformtem Brot [* 14] von Roggen, Butter und Milch. Endlich wird ziemlich viel Branntwein und Kaffee getrunken.
[Industrie und Handel.]
Die Industrie Islands ist natürlich gering. Der Hausfleiß liefert grobes Wollzeug (Vadmál), Strümpfe und Handschuhe, die aber schlecht gearbeitet sind. Auch Handwerk existiert kaum, jeder ist in allen Stücken sein eigner Handwerker. Der Handel, bis 1854 ein königliches Monopol, ist jetzt freigegeben. Die Zahl der in I. eingelaufenen Schiffe [* 15] betrug in den letzten Jahren durchschnittlich 160 (meist dänische) mit einer Tragfähigkeit von 15,000 Ton. Hauptgegenstände der Ausfuhr sind: getrocknete Fische [* 16] (jährlich etwa 20,000 Doppelzentner), Wolle (gegen 5000 Doppelzentner), Thran (10,000 Ton.), Salzfleisch (ca. 2000 T.), Talg (bis zu 750 Doppelzentner), Federn (ca. 12,500 kg), Eiderdaunen (ca. 3000 kg), Schneehühner, Fuchspelze, Pferde etc. Die Einfuhr besteht in Korn und Mehl, [* 17] Kolonialwaren, Holz, Steinkohlen, Eisen, Tabak, [* 18] Spirituosen und allerlei Fabrikaten.
Mit Ausnahme von Reykjavík (2500 Einw.), Akureyri (400 Einw.) und Isafjördr (300-400 Einw.) gibt es keine Städte auf I.; auch Dörfer sind nicht vorhanden. An mehreren Förden haben Kaufleute ihre Faktoreien und Häuser errichtet, welche Orte dann Handelsplätze genannt werden. Im ganzen bestehen einige dreißig solcher Handelsplätze auf I. Im übrigen wohnt der Isländer nur auf Höfen (s. oben). Eine regelmäßige Dampfschiffsverbindung Islands mit Kopenhagen [* 19] findet an bestimmten Tagen statt; die Fahrt (über Leith, [* 20] die Shetlandsinseln, Färöer) dauert 10-14 Tage und ebenso lange zurück. In den letzten Jahren haben zwei Schiffe diese Route befahren, die elf Reisen zwischen Kopenhagen und I. jährlich machten und außerdem in der Sommerzeit die Verbindung zwischen den verschiedenen Häfen Islands besorgten. Seit 1873 ist auch ein reguläres Postwesen auf der Insel eingeführt.
[Verwaltung.]
I., dessen höchster Beamter der Landhövding (Landshöfdingi) ist, wird in vier Ämter (unter zwei Amtmännern) geteilt: Süd-, West-, Ost- und Nordamt. Diese zerfallen in 22 Sýslur (Sing. Shsla, Distrikte) und diese in Hreppar (Sing. Hreppur, Gemeinden) und Sóknir (Sing. Sókn, Kirchspiele). In kirchlicher Hinsicht zerfiel I. bis Anfang dieses Jahrhunderts in die beiden Bistümer Holar und Skálholt, die aber nun zu einem vereinigt sind. Unter dem Bischof (in Reykjavík) stehen 20 Propsteien und 141 Pfarreien (bei 250-300 Kirchen).
Das Isländische ist Kirchen-, Schul- und Rechtssprache, und der größte Teil der Beamten besteht aus eingebornen Isländern. Überhaupt gestattet Dänemark [* 21] den Bewohnern den größten Einfluß auf ihre eignen Angelegenheiten, und die Insel hat seit 1874 sogar wieder ihre eigne gesetzgebende Versammlung (Althing), die sich alle zwei Jahre in Reykjavík, dem Sitz der Regierung, mit dem Landshövding an der Spitze versammelt. Die Staatsrechnung für die zweijährige Finanzperiode 1880-81 ergab eine Einnahme von 777,825 Kronen, [* 22] der Zuschuß aus der Staatskasse des Königreichs betrug 159,388 Kronen. Der Überschuß ward auf 73,100 Kronen berechnet. Militär wird auf I. nicht gehalten.
[Geschichte.]
Gegen Ende des 8. Jahrh. bereits von Irland aus entdeckt und besucht, hat I. doch nicht von dort aus seine Bevölkerung erhalten. Erst 867 wurde es von Nadodd, einem norwegischen Wiking, zufällig aufgefunden und Schneeland genannt, dann von dem Schweden [* 23] Gardar und dem Normannen Floki besucht; der letztere nannte die Insel wegen des vielen an den Küsten sich anhäufenden Treibeises I. (Eisland). 874 fuhr der norwegische Edle Ingolfr Arnarson, wegen Totschlags aus seiner Heimat vertrieben, nach I., um dort seinen bleibenden Wohnsitz zu nehmen.
Der Ort der ersten Ansiedelung war Reykjavík. Rasch folgten andre Einwanderer nach; namentlich als Harald Harfagar seine Alleinherrschaft in Norwegen durch blutige Unterdrückung der Unterkönige und freien Grundbesitzer herzustellen suchte, flüchteten viele aus Norwegen nach I., das binnen 60 Jahren seine volle Einwohnerschaft erhalten haben soll. Nur wenige dänische und schwedische sowie keltische Männer waren darunter, die Gesamtheit war ziemlich ¶
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gleichmäßig norwegischen Stammes. Um 930 wurde auch die Begründung eines geordneten Staatswesens begonnen. Nach norwegischem Muster entwarf Ulsljot ein gemeinsames Landrecht; ein Althing (Landsgemeinde), das jährlich im Hochsommer in Thingvellir (Dingstätte) zusammentreten sollte, wurde eingesetzt, den Goden (Priestern), welche bisher auch die politischen Häupter ihrer Tempelgemeinden gewesen waren, ein oberster Beamter übergeordnet, der den Vorsitz in der Landsgemeinde führte. 965 wurde das Land in vier Distrikte, die Bevölkerung jedes Distrikts in Thinge (13), diese in Godorde (39) eingeteilt.
Nach längerm Wirken verschiedener Missionäre in I., namentlich Thorwald Kodranssons (seit 981), ward daselbst 1000 durch einen Beschluß der Landsgemeinde das Christentum eingeführt, und 1057 baute der erste Bischof von I., Isleifr, die Kathedrale zu Skálholt. Ein zweites Bistum entstand später zu Holum (Holar), wo 1106 ein Dom erbaut wurde, mit welchem man, wie auch mit der Kathedrale zu Skálholt, eine Schule verband. Auch nach Grönland, welches die Isländer bald entdeckten, und woselbst sie Kolonien gründeten, verpflanzten sie das Christentum, während auf ihrer Insel selbst Handel und Zivilisation bald aufblühten; viele junge Isländer erwarben sich ihre Bildung im Ausland.
Fast drei Jahrhunderte hatte die Ulsljotsche Verfassung bestanden, als das Emporkommen einer mächtigen Aristokratie und die Zerwürfnisse des Freistaats mit der mächtigen Kirche Islands, welche unter dem norwegischen Erzbistum Drontheim stand, die Kraft [* 25] des Staats schwächten. Mit Hilfe der hierarchischen Partei und der zahlreichen Isländer, welche in Norwegen erzogen waren (darunter der Geschichtschreiber Snorri Sturluson), unterwarf König Hakon der Alte von Norwegen 1264 ganz I. und ließ es durch einen Jarl (Statthalter) regieren; seit 1268 aber verwaltete er es direkt. 1280 erhielt I. ein neues norwegisches Gesetzbuch.
Aber Friede und Ruhe kehrten auch unter der Fremdherrschaft nicht zurück, und die fiskalische Ausnutzung des Handels durch schwere Belastung und Beschränkung des Verkehrs schädigte den Wohlstand des Landes außerordentlich. Mit Norwegen fiel I. 1381 an Dänemark und wurde fortan durch dänische Statthalter regiert. Bereits um diese Zeit war jedoch I. dem Verfall nahe, wovon teils die erwähnten innern Streitigkeiten, teils eine verheerende Pest, der schwarze Tod, welcher 1402-1404 zwei Drittel der Bevölkerung hinraffte, die Ursache waren.
Neue vorübergehende Unruhen veranlaßte die gewaltsame Einführung der Reformation (1540-50) durch den dänischen König Christian III. 1627 und 1687 ward die Insel von algierischen Seeräubern heimgesucht, wobei viele Einwohner ermordet oder als Sklaven weggeführt wurden. 1707 erlagen 18,000 Menschen in I. den Blattern, und 1784 und 1785 starben 9000 infolge einer Hungersnot. Zu einer großen Zahl von Miß- und Hungerjahren im 18. Jahrh. kamen die verwüstenden Ausbrüche der vielen Vulkane [* 26] (besonders 1698 und 1724) sowie häufige verheerende Erdbrände (namentlich 1783). Die Regierung von Kopenhagen aus war eine ganz absolute, 1800 wurde das Althing förmlich aufgehoben.
Der Handel wurde zu gunsten der dänischen Kaufleute monopolisiert und dies Monopol mit so rücksichtslosem Eigennutz ausgebeutet, daß die Bauern die nun nicht mehr einträgliche Viehzucht verfallen ließen und sich dem unsichern Fischfang zuwendeten, was immer größere Verarmung der Insel zur Folge hatte. Erst 1786 trat eine teilweise Besserung ein. Im März 1809 landete Jörgen Jörgenson, ein ehemaliger dänischer Matrose, mit zwei englischen Kaperschiffen vor Reykjavík, bemächtigte sich des dänischen Gouverneurs Grafen Trampe und schickte ihn gefangen nach London, [* 27] proklamierte sodann 21. Juni eine isländische Republik, nahm Besitz von dem Gouvernementshaus und umgab sich mit einer Leibgarde, jeden Widersetzlichen mit dem Tod bedrohend. Allein schon im August erschien ein britisches Kriegsschiff im Hafen, und Jörgenson ward abgesetzt und als Gefangener nach London gebracht. 1810 wurde I. für ein England befreundetes Land erklärt, 1814 wieder mit Dänemark vereinigt. Hungersnot in den Jahren 1824 und 1825 und eine verheerende Epidemie 1827 reduzierten die Einwohnerzahl auf 40,000.
In den letzten Jahrzehnten sind indes die Volkszahl sowie der Wohlstand auf I. wieder gestiegen. 1834 erhielt I. eine Vertretung im dänischen Landtag, 1843 auch einen eignen Landtag, allerdings nur mit beratender Stimme, durch Wiederherstellung des Althings. Alle Versuche, I. in den dänischen Gesamtstaat einzuverleiben, scheiterten an der festen Haltung des Volkes unter Führung Jon Sigurdssons. Dieses forderte, I. solle als ein eignes Reich betrachtet werden, dessen Name seinen Platz im Titel des Königs erhalten; es solle sein eignes Ministerium haben, und ein geborner Isländer solle als selbständiger Repräsentant der Insel im dänischen Staatsrat einen Platz einnehmen, die Erbfolge aber die dänische bleiben. Endlich nach langem Streit bewilligte auch der Reichstag ein Gesetz über Islands verfassungsmäßige Stellung im Reich und ein Verfassungsgesetz für Islands besondere Angelegenheiten, nachdem bereits 1854 der Handel von seinen bisherigen Fesseln befreit worden war und einen lebhaften Aufschwung genommen hatte.
Am feierte I. die 1000jährige Jubelfeier der ersten Kolonisation, welche der König von Dänemark durch seine Anwesenheit verherrlichte, und die Einführung der neuen Verfassung, welche dem Land in innern Angelegenheiten wieder Selbständigkeit verlieh: das Althing, aus 36 Mitgliedern bestehend, übt die gesetzgebende Gewalt und kontrolliert die im Namen des Königs durch einen verantwortlichen Minister für I. geführte Verwaltung. Doch genügte den Isländern dieses Maß von Selbständigkeit noch nicht. Sie beanspruchten auf einer 1885 in Thingvalla abgehaltenen Volksversammlung mehrere erhebliche Änderungen der neuen Verfassung, welche I. Dänemark gegenüber eine ähnliche Stellung wie die Norwegens zu Schweden eingeräumt hätten, was aber Dänemark entschieden ablehnte.
[Litteratur.]
I., »der Liebling der Geologen«, ist seit der letzten Hälfte des vorigen Jahrhunderts der Zielpunkt vieler Reisen gewesen und oft beschrieben worden.
Wir nennen von neuern Werken: Waltershausen, Physikalisch-geographische Skizze von I. (Götting. 1847);
Schleißner, Island [* 28] (Kopenh. 1849);
Ebel, Geographische Naturkunde von I. (Königsb. 1850);
Winkler, I., seine Bewohner, Landesbildung und vulkanische Natur (Braunschw. 1861);
Derselbe, I. Der Bau seiner Gebirge und dessen geologische Bedeutung (Münch. 1863);
Preyer u. Zirkel, Reise nach I. im Sommer 1860 (Leipz. 1862);
Burton, Ultima Thule, or a summer in Iceland (Lond. 1875, 2 Bde.);
Kaalund, Bidrag til en historisk-topografisk Beskrivelse af I. (Kopenh. 1877-82, 2 Bde.);
Lock, Guide to Iceland (Charlton 1882);
Thoroddsen, Lýsing Islands (Kopenh. 1881);
Keilhack, Reisebilder aus I. (Gera [* 29] 1885);
Schweitzer, ¶