Märchen geschriebene
»Alhambra« (das. 1832, 2 Bde.).
Letzteres Werk verfaßte er als
Sekretär
[* 2] der amerikanischen Gesandtschaft zu
London,
[* 3] wohin er von
Spanien
[* 4] aus gegangen war.
Von 1832 an lebte I. wieder in
Washington,
[* 5] von wo er wiederholt
Reisen nach dem noch unkultivierten
Westen unternahm, bis er 1841 zum
Gesandten der
Vereinigten Staaten
[* 6] am spanischen
Hof
[* 7] ernannt wurde. Nachdem er durch
Testament eines ihm unbekannten
Mannes 1843 ein beträchtliches
Vermögen geerbt, legte er 1846 seinen Gesandtschaftsposten nieder und zog sich auf seinen
Landsitz Sunnyside in der
Nähe von
New York zurück, wo er starb.
Seine spätern
Schriften sind: »Miscellanies« (Lond. 1835-36),
enthaltend: »A tour on the prairies«,
»Abbotsford
and
Newstead-Abbey« und »Legends of the conquest of Spain«;
New York
1882, 27 Bde. (Jubiläumsausgabe, zur 100jährigen Geburtstagsfeier
des Dichters veranstaltet), und
New York 1886, 9 Bde.
Deutsch erschienen die »Sämtlichen Werke, übersetzt von Mehreren«
(Frankf. 1826-37, 74 Bde.);
in Auswahl von
Adrian (2. Aufl., das. 1847, 4
Tle.);
eine andre Auswahl (Leipz.
1856), illustriert von
Ritter und
Camphausen.
Irvings Leistungen zeichnen sich durch ansprechende
Darstellung,
Frische und Gewandtheit
der Schreibweise aus. Er ist kein schöpferisches
Talent; wohl aber
weiß er Dargebotenes geschickt zu verarbeiten und hat
aus allen
Ländern, welche er besuchte, sich etwas angeeignet. TiefeBlicke in die menschliche
Seele sind
nicht in Irvings
Schriften zu finden, wohl aber interessante psychologische Bemerkungen; ebenso werden wohl die verkehrten
Neigungen belächelt, nie aber die starken
Leidenschaften von ihm heraufbeschworen.
Vgl.
PierreIrving, Life and letters of
Washington I. (Lond. 1862-64, 4 Bde.;
neue Ausg. 1883, 3 Bde.);
2)
Henry, berühmter engl.
Schauspieler, geb. zu Keinton bei
Glastonbury, wurde in einer
LondonerSchule erzogen; betrat 1856 zuerst
die
Bretter und spielte zunächst in kürzern
Engagements in
Edinburg
[* 9] und auf größern
Bühnen in
Glasgow,
[* 10]
Manchester
[* 11] und
London. 1866 spielte
er auf Veranlassung des Dichters zuerst die
Rolle des Spielers Rawdon Scudamore in
Boucicaults »Hunted down« und betrat damit
sein eigentliches Gebiet, auf
dem er seitdem sich auszeichnet, das der
Darstellung von Bösewichtern und
diabolischen
Charakteren. Er nahm zunächst ein
Engagementam St.
James-Theater an, dann spielte er am Queenstheater, 1870 im
Vaudevilletheater, wo er in 300 Wiederholungen von Alberys »Two roses«
auftrat, und stellte 1871 seine
Kräfte dauernd in den
Dienst des Lyceumtheaters, das hierdurch zum wichtigsten
Theater
[* 12]
Londons erhoben
ward. An diesem
Theater, in welchem er zunächst einige hundert
Male durch die
Darstellung eines Mörders
in dem Volksstück »The
Bells«
Sensation erregte, kreierte er die
Rollen
[* 13] des
Hamlet (1874), des
Macbeth (1875), des
Othello (1876)
und
Richards III. (1877) und erwarb sich durch seine Leistungen als Darsteller
Shakespearescher
Charaktere den
Ruf des ersten englischen Tragöden der Gegenwart.
Vgl.
Archer,
Henry I., actor and manager (Lond.
1885).
(Irvingiten), nach ihrem Begründer, dem englischen
GeistlichenIrving, benannte religiöse
Sekte, welche
die baldige
Wiederkunft Christi erwartet und durch Erneuerung der apostolischen Einrichtungen darauf vorbereiten
will.
Ueberdies tauchte 1827 dieAnklage auf, daß
Irving abweichend von der Kirchenlehre lehre,
Christus habe
die menschliche
Natur in ihrem »gefallenen« Zustand angenommen, und seit 1828 bestätigten
mehrere Veröffentlichungen diese Beschuldigung. Im folgenden Jahr besuchte
IrvingSchottland, ward aber dort von der eben
in
Edinburg versammelten Generalsynode, in die er als Mitglied desPresbyteriums von
Annan einzutreten befugt
war, als Irrlehrer zurückgewiesen.
Gleichwohl predigte er in
Edinburg mehrere
Wochen hindurch täglich und schritt zur Behauptung einer der
Kirche als solcher
immer noch innewohnenden
Kraft,
[* 14] Zeichen und
Wunder zu thun, fort, welche derselben nie entzogen, sondern nur infolge ihres
Unglaubens sistiert gewesen sei; der Zustand der apostolischen
Kirche könne zurückgebracht werden, wenn
die
Kirchengemeinde zu dem wahren
Glauben zurückkehre und mit dem
HeiligenGeist getauft werde. Diese bevorstehende Neuausgießung
des
HeiligenGeistes predigte er fortan und suchte dieselbe in einem eignen
Verein von
Jüngern herbeizubeten.
Sie »schrieen mächtig zu Gott
Tag undNacht«, führten eigne
Morgen- und Abendandachten ein, und in diesem
Zustand der
Exaltation kam es schon 1830 zu
Auftritten, an welchen
Irving das
Zungenreden, Weissagen und Wunderheilen der ersten
Christen wieder zu erkennen glaubte. Während
Irving das seinen Hausgottesdienst schließende
Gebet sprach, unterbrach zuweilen
eine
Dame oder auch ein
Herr plötzlich den Betenden durch fremdartige und unverständliche
Laute, die aber
mit außerordentlicher
Schärfe der
Betonung
[* 15] ausgestoßen wurden, und woran sich sodann erregte Ermahnungen zur Vorbereitung
auf den
Tag des
Gerichts knüpften. Als sich bald dieselben
Stimmen auch während des öffentlichen
Gottesdienstes vernehmen
ließen, gestand
Irving unumwunden, daß es der
HeiligeGeist sei, der sich auf solche
Weise vernehmen lasse.
Gegen diese Prätensionen erhob sich natürlich die kirchliche
Welt, und die eignen Kirchenvorsteher verschlossen ihm 1832 die
Kirche. Dafür
¶
mehr
richtete sich die Sekte in NewmanStreet ein Lokal für ihre Gottesdienste ein. Vor das Presbyterium von Annan auf geladen,
replizierte Irving, daß man nicht ihn, sondern den HeiligenGeist anklage. Von der schottischen Kirche ausgestoßen, lebte er
nun ganz der unabhängigen Genossenschaft, die sich in London um ihn sammelte. Hier schuf er eine MengeÄmter mit Namen, die der apostolischen Zeit entnommen waren, und traf die Anordnung, daß die gesamte Jugend seiner Gemeinde,
Knaben und Mädchen, in dem Schiff
[* 17] der Kirche in einem amphitheatralisch sich erhebenden Chor vereinigt um ihn herum zu sitzen
kam, so daß er auf seinem erhabenen Stuhl, nach allen Seiten von jugendlichen Gesichtern umgeben, wie
ein Heiliger erschien. Aber die fortwährenden Angriffe auf ihn hatten seine Gesundheit untergraben; er starb in Glasgow,
wohin er sich aus Gesundheitsrücksichten begeben hatte. Irvings »Collected writings« gab Gavin Carlyle heraus (Lond. 1865, 5 Bde.).
Seine Biographie schrieben Wilks (Lond. 1860) und Mrs. Oliphant (3. Aufl., das. 1865).
Bei IrvingsTod ward seine Lehre
[* 18] allein in London schon in sieben Kapellen verkündigt. Der Muttersitz der
Irvingianer oder Irvingiten ward Albury, eine Besitzung SirHenryDrummonds, eines LondonerBankiers, von dem schon Irving unterstützt
worden war. Die zwölf Apostel konstituierten sich 1835, teilten die Erde in zwölf Missionsbezirke für sich ein und überreichten 1836 dem
König eine Denkschrift über ihre Tendenzen; ihnen untergeordnet sind die Propheten, Evangelisten und Hirten
als allgemeine Kirchenämter, die Engel, Ältesten, Priester und Diakonen als Gemeindeämter. Zu dieser streng gegliederten und
unter Entfaltung von großem Pomp fungierenden Hierarchie gesellt sich die buchstäbliche Anwendung der alttestamentlichen
Typen, z. B. der Stiftshütte, auf die christlichen Zustände, weshalb man den Irvingianismus auch als Anglo-Judaismus bezeichnet
hat.
Auch das Abendmahl wird als Opfer aufgefaßt, aber nicht im römisch-katholischen Sinn. Im übrigen ruht das ganze Lehrgebäude
auf apokalyptischer Basis. Die protestantischen Kirchen nicht weniger als die römisch-katholischen sind in dem Zustand Babylons;
wer sich von dieser babylonischen Verbindung trennt und unter die Leitung des HeiligenGeistes stellt, hat
die Aussicht, vor dem bevorstehenden Gericht in die Luft entrückt und gerettet zu werden. Sobald sich die Kirche so weit gereinigt
hat, um ihren Bräutigam würdig empfangen zu können, erfolgt Christi sichtbare Wiederkunft.
Von England gingen 1836 die Glaubensboten nach allen LändernEuropas aus, kamen 1838, nach 1260 Tagen (vgl.
Offenb.
Joh. 11, 2. ff.), wieder in London zusammen, glichen einige Differenzen aus und begannen sodann ihre Wirksamkeit nach
außen von neuem. In der Schweiz
[* 19] konkurrierten mit ihnen die Jünger Darbys, die sogen. Plymouthbrüder (s. d.), welche von
ähnlichen Grundsätzen ausgehen wie die Irvingianer. Nur in Basel,
[* 20] wo namentlich Caird und Woringer thätig waren,
haben sich die Irvingianer auf die Dauer behauptet. In Deutschland
[* 21] gewann der Irvingianismus besonders seit 1848 Anhänger.
In Berlin
[* 22] war es ein gewisser CharlesBöhm, der Proselyten machte. Im Mai 1848 war die neue Gemeinde zu Berlin schon so gewachsen,
daß der Apostel Gavin Carlyle (derselbe, welcher auch den
protestantischen Theologen Thiersch für den
Irvingianismus eroberte) dieselbe in pomphafter Weise weihen konnte.
HoheMilitärpersonen und Zivilbeamte ließen sich für den Irvingianismus gewinnen, außerdem Geistliche, wie Köppen, Schriftsteller,
wie Wagener, der Redakteur der »Neuen Preußischen Zeitung«. Als Prophet wurde Smith aus England berufen, ein Hilfsprediger des
Dompredigers v. Gerlach zum Vizeengel, ein Geheimer Obertribunalrat zum Presbyter bestellt. Es war der antidemokratische
Zug
des Irvingianismus, die Polemik gegen alle Ordnung, die »von untenher« sich aufbaut, verbunden mit romantisch-apokalyptischem
Pomp und Prunk, was der Sache damals mächtigen Vorschub leistete.
Schon 1850 zählte die Sekte in Berlin über 500 Mitglieder und rekrutierte sich fortwährend stark aus
den höhern Ständen. Zu den Versammlungen, die in einem Hintergebäude der Johannesstraße abgehalten wurden, war der Zutritt
aber nur dem gestattet, der durch ein Gemeindeglied eingeführt wurde. Von Berlin gingen Sendboten namentlich nach Schlesien,
[* 23] wo Liegnitz
[* 24] ein Hauptherd der Sekte wurde. Auch in Königsberg,
[* 25] Posen,
[* 26] Magdeburg,
[* 27] Rostock
[* 28] und andern Städten
entstanden Irvingianergemeinden; 1871 wurden in Preußen
[* 29] 1710 Irvingianer gezählt.