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unterdrückte die revolutionären Blätter. Die Führer flüchteten, und die Klubs lösten sich zum Teil auf; Smith O'Brien aber, von den Massen als König von Munster begrüßt, sammelte bewaffnete Haufen, die jedoch bei Ballingarry von der Polizei auseinander gesprengt wurden. O'Brien, Meagher u. a. wurden ergriffen, vor Gericht gestellt und zum Tod verurteilt, doch zur Deportation begnadigt. Bei Eintritt des Winters kehrte auch der Notstand wieder; daher erfolgte abermalige Suspendierung der Habeaskorpusakte und Einbringung einer Bill, wonach zur Unterstützung der Armen das Grundeigentum mit einer Einkommensteuer von 2½ Proz. belegt ward.
Trotzdem wiederholten sich die Notstände von 1846 bis 1847, und überdies dezimierte die Cholera die Bevölkerung. [* 2] Über 200,000 Menschen wanderten aus. Zur Unterstützung der Armenhäuser wurden im April 1850 wieder 300,000 Pfd. Sterl. bewilligt; auch dehnte man das aktive Wahlrecht auf die Pachter aus, die eine Pacht von 12 Pfd. Sterl. zahlten. Obwohl sich allmählich die materielle Frage wieder günstiger gestaltete, so machte sich doch die Nachwirkung der durch die Not veranlaßten sittlichen Verwilderung noch geraume Zeit in Gewaltthaten bemerklich. Dazu rief der Versuch des römischen Stuhls, in Großbritannien [* 3] wieder die römisch-katholische Hierarchie herzustellen, neue Bewegungen hervor. Der Erzbischof-Primas Cullen und der Bischof M'Hale fachten den konfessionellen Hader an, und während die Repealassociation allmählich verstummte, zeigte sich die Opposition auf dem kirchlichen Gebiet um so regsamer.
Die Bewegung der Fenier und die ersten Reformgesetze Gladstones.
Der religiöse Gegensatz aber weckte auch wieder den nationalen, und namentlich war es die Bewegung der Fenier, welche aufs neue zeigte, daß I. noch keineswegs in den Organismus des britischen Reichs völlig eingefügt war, und daß der auf Stammes- und Religionsverschiedenheit beruhende Gegensatz zwischen England und der Nachbarinsel sich lebendig erhalten hatte. Der Name der Fenier ist den oben charakterisierten durchaus sagenhaften. Anfängen der irischen Geschichte entlehnt worden.
Einer der berühmtesten Helden der altirischen Bardengeschichte war Fionu oder Finn, welcher am Ende des 3. Jahrh. unsrer Zeitrechnung große Heldenthaten verrichtet haben soll und in den irischen Volksliedern hoch gepriesen wird. Sein Ruhm ward so groß, daß die Krieger Irlands in späterer Zeit sich gern Finna (oder Fianna), d. h. Finns Männer, nennen hörten. Die Finna wurden im Englischen »Fenians«. Die Fenier sind also ein Bund bewaffneter Männer. Der Zweck dieser Verbindung war die vollständige Losreißung Irlands von England mittels einer revolutionären Erhebung.
Dieselbe ward jedoch nicht in I. selbst, sondern in Amerika, [* 4] wo Hunderttausende von Iren vor der verhaßten englischen Herrschaft und ihren Bedrückungen Zuflucht gefunden hatten, begründet. Der Bund ward zunächst dadurch veranlaßt, daß während des amerikanischen Sezessionskriegs die Irländer in Masse für die Union unter die Waffen [* 5] traten. Die Haltung Englands aber neigte den Südstaaten zu, so daß auch hier wieder I. und England in feindlichem Gegensatz zu einander erschienen.
Außerdem aber war dadurch die Möglichkeit eines Konflikts zwischen England und den Vereinigten Staaten [* 6] nahegerückt, die Aussichten für die irische Agitationspartei erschienen demnach so günstig wie möglich. So schritt man zu einer förmlichen Organisation der unzufriedenen Elemente und rief gegen Ende 1861 den Bund der Fenians ins Leben. In Amerika stand John O'Mahony an der Spitze der neu angefachten Bewegung, in I. James Stephens. Schon seit Anfang 1862 fanden im Westen Irlands fenische Meetings hauptsächlich zu dem Zweck der Aufnahme neuer Bundesbrüder statt.
Der Eid bei der Aufnahme lautete dahin, daß der Betreffende Mitglied der irischen Republik sein und sich bereit halten wolle, ohne Verzug auf den Befehl der Führer zu den Waffen zu greifen, Ein eignes Parteiorgan wurde im November 1863 in einem zu Dublin [* 7] erscheinenden Journal: »The Irish People«, geschaffen. Da die englische Regierung anfangs dem Treiben der Fenier ziemlich gleichgültig zugesehen hatte, griff dasselbe weiter und weiter um sich und machte namentlich in den nördlichen und westlichen Staaten der Union so bedeutende Fortschritte, daß die Vorsteher der verschiedenen Distrikte, welche je nach ihrem Rang Centres oder Head Centres hießen, den obersten Head Centre, eben jenen John O'Mahony (Big John genannt), zur Berufung eines Kongresses veranlaßten. Derselbe trat im November 1863 in Chicago zusammen und faßte drei bedeutsame Resolutionen: der Kongreß hieß die Proklamierung der irischen Republik gut und verpflichtete sich, ihre Anerkennung seitens der fremden Regierungen zu veranlassen;
sodann wurde die in I. vorhandene Zentralexekutive der fenischen Brüderschaft als zu Recht bestehend bezeichnet und endlich drittens beschlossen, Stephens nach Kräften zu unterstützen.
Das Jahr 1865 sollte das Jahr des Handelns werden und nicht vergehen, ohne daß das Banner der irischen Republik erhoben worden sei. Die englische Regierung war jedoch von allem genau unterrichtet und ergriff entscheidende Gegenmaßregeln. Zunächst schritt man in der Nacht vom 15. auf 16. Sept. gegen den »Irish People« ein, besetzte das Gebäude desselben, bemächtigte sich der Leiter der Agitation, nahm in den nächsten Tagen in den westlichen Distrikten Irlands zahlreiche Verhaftungen vor, proklamierte an einzelnen Orten den Belagerungszustand, verstärkte die Militärgewalt und ließ die Kanalflotte herbeikommen, um Zuzüge aus Amerika abzuschneiden.
Emissäre aus Amerika wurden, da sie von der neuesten Wendung noch nichts wußten, bereits am Bord der Schiffe [* 8] festgenommen. Stephens wurde zwar unter fremdem Namen in einem Landhaus bei Dublin aufgefunden und verhaftet, doch gelang es ihm, wieder zu entkommen. Durch die Beschlagnahme der Papiere in dem Redaktionsbüreau des »Irish People« waren der Regierung authentische Dokumente über Gang [* 9] und Zwecke der Bewegung in die Hände gefallen. Die besonders Kompromittierten, deren man hatte habhaft werden können, wurden von Spezialkommissionen in Dublin und Cork abgeurteilt.
Die ersten Versuche des fenischen Bundes waren damit gescheitert, die Bewegung selbst aber darum keineswegs erstickt. Vielmehr ging dieselbe, namentlich in Amerika, in großem Stil fort. Dort versammelte sich im Oktober 1865 zu New York ein aus Senat und Abgeordnetenhaus bestehender fenischer Kongreß, und es warb eine förmliche Regierung für die Republik I. eingesetzt, welche jedoch durch innere Zwistigkeiten bald lahmgelegt wurde. In I. selbst und in England äußerte sich die Fortdauer der Bewegung, nachdem das Parlament 1866 die Suspension der Habeaskorpusakte erneuert hatte, nur noch in einer Reihe blutiger Greuelthaten, wovon die entsetzliche Explosion in der Nähe des Clerkenwellgefängnisses im Dezember 1867 das meiste Aufsehen gemacht hat. Ihr Zweck, die Befreiung des fenischen Häuptlings ¶
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Burke, wurde nicht erreicht; dagegen kostete die That zahlreichen Personen aus dem nächstliegenden Stadtteil, welcher größtenteils von der niedern Klasse der Bevölkerung bewohnt war, das Leben. Durch diese Attentate und infolge von Zerwürfnissen der Leiter der fenischen Sache in Amerika verlor dieselbe alle Sympathien, die sie etwa noch gehabt hatte. Infolgedessen nahm die Bewegung in I. für einige Zeit einen ruhigern Charakter an, wozu einerseits die Versuche der herrschenden Dynastie, sich der irischen Bevölkerung mehr zu nähern (dahin gehören der Besuch des Prinzen von Wales im April 1868 und später die Ernennung eines jüngern Sohns der Königin zum Herzog des irischen Connaught), anderseits die gesetzgeberischen Maßregeln, welche die englische Regierung unter Gladstones Ministerium für I. traf, wesentlich beitrugen.
Eine irische Reformbill von 1868 setzte den Zensus in den Städten von 12 auf 4 Pfd. Sterl. herab und erhöhte dadurch die Zahl der Wähler. Eine weitere wichtige Maßregel in diesem Sinn war das nach langem Widerstreben des Oberhauses endlich durchgebrachte Gesetz über die »Entstaatlichung der irischen Kirche« (Disestablishment of the Irish Church), wodurch eine seit drei Jahrhunderten bestehende Ungerechtigkeit, welche einem überwiegend katholischen Land eine reichdotierte protestantische Staatskirche aufdrängte, endlich beseitigt wurde.
Indem die Güter der Kirche, wenigstens zum Teil, den auf ihnen lebenden Pachtern verkauft wurden, die den Kaufpreis in Jahresraten abtrugen, wurden gegen 6000 freie Bauerngüter auf irischem Boden geschaffen. Von noch größerer Bedeutung aber war die irische Landakte, die Gladstone in der Session von 1870 durchsetzte. Die Lage der irischen Pachter war seit lange eine sehr günstige. Die irischen Gutsbesitzer haben nur in wenigen Fällen ihren Pachtern Häuser gebaut oder die Unkosten der Urbarmachung des Landes getragen, trotzdem beanspruchten sie häufig einen Pachtzins, der dem vollen Werte des Pachtgutes entsprach (eine sogen. Rackrent). In Ulster war dies von jeher anders.
Dort war es der Brauch, daß der neue Ankömmling dem abgehenden Pachter eine angemessene Entschädigung für die von ihm vorgenommenen Ameliorationen zahlte, um in friedlichen Besitz des Pachtgutes zu gelangen. Diesen »Ulsterbrauch« versuchte man durch die Landakte auf ganz I. auszudehnen. Sie verbesserte die Lage der Pachter, indem sie denselben einen gewissen Schutz gegen willkürliche Aufhebung des Pachtvertrags durch die Grundherren und gegen einseitige Erhöhung des Pachtzinses gewährte und ihnen eine Entschädigung für die von ihnen auf den Pachtgütern vorgenommenen Ameliorationen sicherte; sie wollte außerdem durch Vorschüsse aus Staatsmitteln den Pachtern den Ankauf der von ihnen bewirtschafteten Grundstücke erleichtern.
Diese letztere Bestimmung kam indessen nur denjenigen Pachtern zu gute, welche wenigstens über gewisse Geldmittel verfügten, und der großen Masse des irischen Proletariats war damit nicht geholfen. Ein viertes Reformgesetz, das in der Session von 1873 vorgelegt wurde und durch die Regelung des irischen Universitätsunterrichts dringenden Beschwerden der Katholiken abhelfen sollte, wurde im Unterhaus verworfen, und nicht lange danach machte der Rücktritt des Ministeriums Gladstone im Februar 1874 dieser ersten Phase der irischen Reformgesetzgebung ein Ende.
Homerulebewegung und Landliga.
Inzwischen war die Agitation in I. zwar in ein ruhigeres Fahrwasser eingelenkt, aber sie hatte darum keineswegs überhaupt aufgehört. Bei der Eröffnung der Parlamentssession von 1872 zuerst trat ein beträchtlicher Teil der irischen Abgeordneten unter Führung von Isaak Butt (s. d.) und Sullivan als eine eigne, von Konservativen und Liberalen getrennte parlamentarische Partei auf. Das Stichwort dieser Partei war Home-rule, d. h. Selbstregierung Irlands durch ein eignes, in Dublin tagendes, dem britischen nur in gewissen Dingen untergeordnetes Parlament und ein diesem verantwortliches Ministerium.
Die Partei der Homerulers vereinigte allmählich den größten. Teil aller irischen Abgeordneten in sich, wodurch ihr parlamentarischer Einfluß wuchs, wenn auch die von derselben vorgeschlagenen gesetzgeberischen Maßnahmen regelmäßig abgelehnt wurden. Als nach Butts Tod (1879) die Führung der Partei zunächst auf Shaw, dann seit 1880 auf Charles Parnell (s. d.) überging, gewannen die radikalen Elemente innerhalb der Partei völlig die Oberhand. Ihre Waffe im Parlament war die systematische Obstruktion: mit allen Mitteln, welche die laxe Geschäftsordnung des englischen Unterhauses nur zu reichlich darbot, suchten sie die ruhige und ordnungsmäßige Erledigung der parlamentarischen Geschäfte zu stören und die parlamentarische Regierung unmöglich zu machen, um so ihren Forderungen und Beschwerden Gehör [* 11] zu verschaffen und wirklich war es selbst durch wiederholte Änderungen der Geschäftsordnung des Unterhauses nicht zu verhindern, daß die ganze Gesetzgebung ins Stocken geriet. Im Land schuf Parnell 1880 die überaus geschickte Organisation. der Landliga, und indem er und seine Parteigenossen in zahlreichen Volksversammlungen eine Fülle gefährlichsten Brandstoffes in die leicht aufzureizende Menge hineinwarfen, gerieten alle Verhältnisse in I. von neuem in die schwerste Erschütterung. Wiederum kam es zu agrarischen Verbrechen schlimmster Art; die weithin gefürchteten »Mondscheinbanden« durchzogen das Land und mißachteten die Autorität der Gesetze und der Behörden auf das schnödeste; ihre offenen Gewaltthaten und das System des »Boycotting« (s. Boycott) erzwangen den Anordnungen der Führer der Landliga Gehorsam und spotteten aller Maßregeln der Regierung.
Einerseits durch harte Zwangsgesetze, welche ganz I. unter einen Ausnahmezustand stellten, anderseits durch neue Reformgesetze versuchte Gladstone, der 1880 wiederum an die Spitze der Regierung getreten war, dieser Agitation entgegenzuwirken. Ein zweites Landgesetz, das er im J. 1881 nach hartem Kampf durchbrachte, schuf in I. eigne Gerichtshöfe, welche befugt sein sollten, auf. Anrufen der Pachter oder der Grundherren einen gerechten Pachtzins auf einen Zeitraum von 15 Jahren ihrerseits festzusetzen. Es gab ferner den Pachtern die Erlaubnis, ihr Pachtrecht jederzeit zu verkaufen, wobei dem Grundherrn nur ein Vorkaufsrecht eingeräumt wurde. Es gewährte endlich neue und sehr bedeutende Erleichterungen für die Umwandlung des Pachtbesitzes in freies Eigentum.
Allein Parnell und seine Anhänger verwarfen diese Zugeständnisse auf einer Konvention der Landliga im September 1881 unbedingt und wollten nur eine völlige Abschaffung der Pachtzinsen, d. h. eine Expropriierung der Grundherren, als eine befriedigende Lösung der Landfrage ansehen; außerdem erhielten sie das Programm des Homerule im vollen Umfang aufrecht. Mochte nun auch die Regierung einschreiten, die Liga auflösen, Parnell und andre Führer verhaften (Oktober 1881), so dauerten darum die Unruhen in I. nichtsdestoweniger fort; ¶