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Kirchenbill, nach welcher in I. die Kirchenbausteuer aufgehoben, die Einkünfte der Pfründen herabgesetzt und ein Teil der außer allem Verhältnis zur Zahl der irischen Protestanten stehenden anglikanischen Pfarreien und Bistümer abgeschafft werden sollten. Nach Annahme dieser Akte trat Lord Littleton, der an Stanleys Stelle Staatssekretär für I. geworden, mit einer neuen Zehntenbill auf, welche statt der Zehnten eine Grundsteuer, die jedoch nur drei Fünftel des frühern Zehnten betrug, in Vorschlag brachte, aber von den Lords verworfen ward, nachdem sie im Unterhaus durchgegangen war.
Die Lords sahen nämlich in der der Bill beigefügten Klausel (Appropriationsklausel), wonach die durch die Kirchenbill gewonnenen Überschüsse des Kirchenvermögens zur Verbesserung des irischen Schul- und Gemeindewesens verwendet werden sollten, einen Raub an der protestantischen Kirche. Das Ministerium Melbourne [* 2] (seit Juli 1834) nahm die Zwangsbill zurück und schlug überhaupt gegen I. die versöhnlichste Politik ein. O'Connell löste daher auch seinerseits die Repealassociation auf.
Die plötzliche Entlassung des Ministeriums (November 1834) erregte aber neuen Sturm, welchen das neue Torykabinett unter Peel dadurch niederzuhalten suchte, daß es 1835 eine von der vorigenwenig verschiedene Zehntenbill einbrachte. Als aber das Unterhaus auf den Vorschlag Lord Russells die Appropriationsklausel abermals in das Gesetz einrückte, traten die Tories schon 8. April zurück, und Melbourne übernahm wieder die Leitung der Geschäfte. Seit im Mai 1835 der Graf Mulgrave zum Statthalter von I. ernannt worden, schlugen die irischen Angelegenheiten die Bahn friedlicherer Entwickelung ein.
Mulgrave besetzte manche Ämter mit Katholiken, führte eine unparteiische Gerechtigkeitspflege ein, verbesserte die Verwaltung und steuerte dem Übermut der Orangistenverbindungen, die 1836 gesetzlich verboten wurden. Im Parlament dauerte inzwischen der Kampf um das Zehntengesetz fort; zweimal scheiterte dasselbe im Oberhaus an der Appropriationsklausel, und erst nachdem man dieselbe 1838 hatte fallen lassen, ward die Bill angenommen. Zur Linderung des unsäglichen Elends im Volk setzten die Minister noch 1838 eine irische Armenbill durch, nach welcher in den Grafschaften Arbeits- und Armenhäuser für 70-80,000 Dürftige erbaut werden sollten.
Aber auch diese Maßregel konnte eine Nation nicht zufriedenstellen, die statt Almosen eine billige Ausgleichung unnatürlicher, auf gewaltsame Konfiskation gegründeter Besitzverhältnisse erwartete. Als im August 1841 die Tories unter Peel wieder ans Ruder kamen, reorganisierte O'Connell die Repealassociation, die um so mehr Anhänger fand, als sich jetzt auch der katholische Klerus für die irische Sache entschieden hatte. In den ersten Monaten 1843 geriet die ganze Insel in Bewegung; überall wurden Massenmeetings abgehalten, vielfach kam es zwischen Katholiken und Protestanten zum Handgemenge, und Hunderte von Landleuten verweigerten ihren Grundherren den Pachtzins.
Daher wurde im August die Bill erneuert, welche den Irländern das Tragen von Waffen [* 3] verbot, eine bedeutende Truppenmacht nach I. gesendet und im Oktober die zu Clontarf schon eröffnete große Repealversammlung verboten. Ein gleich darauf gegen O'Connell eingeleiteter Prozeß endete zwar, da das verurteilende Erkenntnis der Geschwornen im Oberhaus wegen Formfehler kassiert wurde, mit seiner Freisprechung, allein die eigentliche Gefahr der Repealbewegung war doch damit vorüber.
Als aber im Spätherbst
1846 infolge des gänzlichen Mißratens der Kartoffelernte in I. ein entsetzlicher
Notstand ausbrach,
wurde die öffentliche
Ordnung wieder vielfach gefährdet: Hungeremeuten und
Plünderungen waren an der
Tagesordnung. Im
Januar 1847 brachte daher
Lord
John
Russell eine
Reihe tief eingreifender
Vorschläge vor das
Parlament. Außer
der
Bildung von Hillsausschüssen und der Bewilligung von Staatsgeldern
zum Ankauf von Lebensmitteln ward darin beantragt,
daß die von der
Regierung den Grundbesitzern vorgeschossenen
Gelder zur Hälfte erlassen und denselben
sogar neue beträchtliche
Summen zum Ankauf von Saatkorn und zur
Urbarmachung der noch wüst liegenden 4,600,000
Acres dargeliehen
werden sollten. Diese
Vorschläge erhielten im allgemeinen die Zustimmung des
Parlaments, desgleichen der
Antrag der
Regierung,
620,000 Pfd. Sterl. zum
Bau dreier irischer Eisenbahnlinien zu verwenden.
Das »junge Irland«.
Mit O'Connells Tod erlosch die Repealagitation; aber als im Sommer 1847 infolge der reichen Ernte [* 4] und gründlicher Hilfsmaßregelnder Notstand wich, erwachte die politischkirchliche Bewegung mit neuer Stärke. [* 5] Schon bei den allgemeinen Wahlen im Juli 1847 trat eine ungemeine Parteileidenschaft hervor. Da die materielle Not die gesetzlichen Bande gelockert hatte und sich anarchische Ausbrüche, Gewaltthätigkeiten, Mordthaten in erschreckendem Maß häuften, legte die Regierung Ende November dem Parlament eine Bill zur Vermehrung der Polizeimacht, zur Suspension der ordentlichen Gesetze und zum Verbot des Waffenbesitzes vor, worauf der Lord-Statthalter 23. Dez. über eine Anzahl Grafschaften das Ausnahmegesetz verhängte.
Die französische Revolution von 1848 konnte die Aufregung nur steigern, und eine gewaltsame Katastrophe schien unvermeidlich. Die revolutionäre Partei des »jungen Irland« war nicht geneigt, die friedliche Repealbewegung O'Connells fortzusetzen, sondern bezweckte eine gewaltsame Losreißung der Insel von England. Ihre Führer Smith O'Brien, Mitchell, Duffy, Meagher etc. knüpften Einverständnisse mit den französischen Republikanern an, während die Massen unverhohlen Rüstungen und Waffenübungen vornahmen.
Die O'Connellsche Partei (moral force party, im Gegensatz zur jungirischen, physical force party) verlor täglich mehr Boden. Inzwischen hatte die britische Regierung diesen Bewegungen gegenüber eine »Bill zum Schutz der Krone« eingebracht. Die Folge davon war das Verbot eines Nationalkonvents von 300 Abgeordneten, den Smith O'Brien nach Dublin [* 6] einberufen hatte, sowie die Unterdrückung einer im Entstehen begriffenen Nationalgarde (Anfang Mai). Zugleich wurden Smith O'Brien und Meagher als Volksaufwiegler vor Gericht gestellt, aber die Jury konnte zu keinem Verdikt kommen; John Mitchell dagegen, dessen »United Irishmen« offene Empörung gegen die britische Herrschaft predigten, ward zu 14jähriger Deportation verurteilt.
Gleichwohl verbreiteten sich revolutionäre Klubs und Vereine zu Waffenübungen über die ganze Insel. Ein Teil der Repealer schloß sich an die Jungirländer an und bildete nach Beseitigung des jüngern O'Connell die Irish League. Die Regierung versetzte Meagher abermals in Anklagestand, stellte Dublin, die Grafschaft Waterford, Cork und Drogheda unter das Kriegsgesetz und suspendierte die Habeaskorpusakte. Nachdem eine Truppenverstärkung unter Viscount Hardinge in Bereitschaft gestellt war, erließ der Lord- Statthalter den Verhaftsbefehl gegen O'Brien und ¶
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unterdrückte die revolutionären Blätter. Die Führer flüchteten, und die Klubs lösten sich zum Teil auf; Smith O'Brien aber, von den Massen als König von Munster begrüßt, sammelte bewaffnete Haufen, die jedoch bei Ballingarry von der Polizei auseinander gesprengt wurden. O'Brien, Meagher u. a. wurden ergriffen, vor Gericht gestellt und zum Tod verurteilt, doch zur Deportation begnadigt. Bei Eintritt des Winters kehrte auch der Notstand wieder; daher erfolgte abermalige Suspendierung der Habeaskorpusakte und Einbringung einer Bill, wonach zur Unterstützung der Armen das Grundeigentum mit einer Einkommensteuer von 2½ Proz. belegt ward.
Trotzdem wiederholten sich die Notstände von 1846 bis 1847, und überdies dezimierte die Cholera die Bevölkerung. [* 8] Über 200,000 Menschen wanderten aus. Zur Unterstützung der Armenhäuser wurden im April 1850 wieder 300,000 Pfd. Sterl. bewilligt; auch dehnte man das aktive Wahlrecht auf die Pachter aus, die eine Pacht von 12 Pfd. Sterl. zahlten. Obwohl sich allmählich die materielle Frage wieder günstiger gestaltete, so machte sich doch die Nachwirkung der durch die Not veranlaßten sittlichen Verwilderung noch geraume Zeit in Gewaltthaten bemerklich. Dazu rief der Versuch des römischen Stuhls, in Großbritannien [* 9] wieder die römisch-katholische Hierarchie herzustellen, neue Bewegungen hervor. Der Erzbischof-Primas Cullen und der Bischof M'Hale fachten den konfessionellen Hader an, und während die Repealassociation allmählich verstummte, zeigte sich die Opposition auf dem kirchlichen Gebiet um so regsamer.
Die Bewegung der Fenier und die ersten Reformgesetze Gladstones.
Der religiöse Gegensatz aber weckte auch wieder den nationalen, und namentlich war es die Bewegung der Fenier, welche aufs neue zeigte, daß I. noch keineswegs in den Organismus des britischen Reichs völlig eingefügt war, und daß der auf Stammes- und Religionsverschiedenheit beruhende Gegensatz zwischen England und der Nachbarinsel sich lebendig erhalten hatte. Der Name der Fenier ist den oben charakterisierten durchaus sagenhaften. Anfängen der irischen Geschichte entlehnt worden.
Einer der berühmtesten Helden der altirischen Bardengeschichte war Fionu oder Finn, welcher am Ende des 3. Jahrh. unsrer Zeitrechnung große Heldenthaten verrichtet haben soll und in den irischen Volksliedern hoch gepriesen wird. Sein Ruhm ward so groß, daß die Krieger Irlands in späterer Zeit sich gern Finna (oder Fianna), d. h. Finns Männer, nennen hörten. Die Finna wurden im Englischen »Fenians«. Die Fenier sind also ein Bund bewaffneter Männer. Der Zweck dieser Verbindung war die vollständige Losreißung Irlands von England mittels einer revolutionären Erhebung.
Dieselbe ward jedoch nicht in I. selbst, sondern in Amerika, [* 10] wo Hunderttausende von Iren vor der verhaßten englischen Herrschaft und ihren Bedrückungen Zuflucht gefunden hatten, begründet. Der Bund ward zunächst dadurch veranlaßt, daß während des amerikanischen Sezessionskriegs die Irländer in Masse für die Union unter die Waffen traten. Die Haltung Englands aber neigte den Südstaaten zu, so daß auch hier wieder I. und England in feindlichem Gegensatz zu einander erschienen.
Außerdem aber war dadurch die Möglichkeit eines Konflikts zwischen England und den Vereinigten Staaten [* 11] nahegerückt, die Aussichten für die irische Agitationspartei erschienen demnach so günstig wie möglich. So schritt man zu einer förmlichen Organisation der unzufriedenen Elemente und rief gegen Ende 1861 den Bund der Fenians ins Leben. In Amerika stand John O'Mahony an der Spitze der neu angefachten Bewegung, in I. James Stephens. Schon seit Anfang 1862 fanden im Westen Irlands fenische Meetings hauptsächlich zu dem Zweck der Aufnahme neuer Bundesbrüder statt.
Der Eid bei der Aufnahme lautete dahin, daß der Betreffende Mitglied der irischen Republik sein und sich bereit halten wolle, ohne Verzug auf den Befehl der Führer zu den Waffen zu greifen, Ein eignes Parteiorgan wurde im November 1863 in einem zu Dublin erscheinenden Journal: »The Irish People«, geschaffen. Da die englische Regierung anfangs dem Treiben der Fenier ziemlich gleichgültig zugesehen hatte, griff dasselbe weiter und weiter um sich und machte namentlich in den nördlichen und westlichen Staaten der Union so bedeutende Fortschritte, daß die Vorsteher der verschiedenen Distrikte, welche je nach ihrem Rang Centres oder Head Centres hießen, den obersten Head Centre, eben jenen John O'Mahony (Big John genannt), zur Berufung eines Kongresses veranlaßten. Derselbe trat im November 1863 in Chicago zusammen und faßte drei bedeutsame Resolutionen: der Kongreß hieß die Proklamierung der irischen Republik gut und verpflichtete sich, ihre Anerkennung seitens der fremden Regierungen zu veranlassen;
sodann wurde die in I. vorhandene Zentralexekutive der fenischen Brüderschaft als zu Recht bestehend bezeichnet und endlich drittens beschlossen, Stephens nach Kräften zu unterstützen.
Das Jahr 1865 sollte das Jahr des Handelns werden und nicht vergehen, ohne daß das Banner der irischen Republik erhoben worden sei. Die englische Regierung war jedoch von allem genau unterrichtet und ergriff entscheidende Gegenmaßregeln. Zunächst schritt man in der Nacht vom 15. auf 16. Sept. gegen den »Irish People« ein, besetzte das Gebäude desselben, bemächtigte sich der Leiter der Agitation, nahm in den nächsten Tagen in den westlichen Distrikten Irlands zahlreiche Verhaftungen vor, proklamierte an einzelnen Orten den Belagerungszustand, verstärkte die Militärgewalt und ließ die Kanalflotte herbeikommen, um Zuzüge aus Amerika abzuschneiden.
Emissäre aus Amerika wurden, da sie von der neuesten Wendung noch nichts wußten, bereits am Bord der Schiffe [* 12] festgenommen. Stephens wurde zwar unter fremdem Namen in einem Landhaus bei Dublin aufgefunden und verhaftet, doch gelang es ihm, wieder zu entkommen. Durch die Beschlagnahme der Papiere in dem Redaktionsbüreau des »Irish People« waren der Regierung authentische Dokumente über Gang [* 13] und Zwecke der Bewegung in die Hände gefallen. Die besonders Kompromittierten, deren man hatte habhaft werden können, wurden von Spezialkommissionen in Dublin und Cork abgeurteilt.
Die ersten Versuche des fenischen Bundes waren damit gescheitert, die Bewegung selbst aber darum keineswegs erstickt. Vielmehr ging dieselbe, namentlich in Amerika, in großem Stil fort. Dort versammelte sich im Oktober 1865 zu New York ein aus Senat und Abgeordnetenhaus bestehender fenischer Kongreß, und es warb eine förmliche Regierung für die Republik I. eingesetzt, welche jedoch durch innere Zwistigkeiten bald lahmgelegt wurde. In I. selbst und in England äußerte sich die Fortdauer der Bewegung, nachdem das Parlament 1866 die Suspension der Habeaskorpusakte erneuert hatte, nur noch in einer Reihe blutiger Greuelthaten, wovon die entsetzliche Explosion in der Nähe des Clerkenwellgefängnisses im Dezember 1867 das meiste Aufsehen gemacht hat. Ihr Zweck, die Befreiung des fenischen Häuptlings ¶