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daß die Engländer zunächst nur die südöstlichen Küstenstriche als ihr Besitztum ansehen konnten. Seit dieser Zeit zerfällt die Geschichte von I. in zwei voneinander verschiedene Teile: die des unabhängig gebliebenen und die des den Engländern unterworfenen I. Jene bewegt sich in zahllosen Fehden der kleinen Fürsten und Stammeshäuptlinge teils untereinander, teils mit den Engländern an der Grenze; diese hat keine selbständige Entwickelung, sondern ist durchaus von der der englischen Geschicke abhängig, ist lediglich die Geschichte einer Kolonie.
An der Spitze dieser Kolonie stand ein königlicher Justitiarius oder Statthalter (King's Lieutenant), der zu Dublin [* 2] residierte. Gegen das Ende des 13. Jahrh. finden sich in diesem Teil Irlands Grafschaften nach englischem Muster, und seit dem Jahr 1253 läßt sich auch ein eignes irisches Parlament nachweisen, zu welchem anfangs die weltlichen und geistlichen Lehnsleute des Königs, später auch Abgeordnete der Städte berufen wurden. Zu. Anfang des 14. Jahrh. machten die noch unabhängigen Iren den Versuch, die englischen Eroberer zu vertreiben, indem sie dem Heldenkönig Schottlands, Robert Bruce, die Krone von I. anboten.
Dieser sandte seinen Bruder Eduard 1315 mit bewaffneter Macht nach I.; allein derselbe fiel in einem entscheidenden Kampf bei Dundalk gegen die Engländer, und Robert Bruce selbst, der wenige Tage später in I. landete, kehrte gleichfalls unverrichteter Sache nach Schottland heim. Während der Bürgerkriege in England, insbesondere während des Kriegs der beiden Rosen, sank die Macht der Engländer in I. sehr; um die Insel wieder zu unterwerfen, sandte Heinrich VII. den Statthalter Sir Edward Poynings dorthin. Dieser gab 1494 in der nach ihm benannten Poynings-Akte der Verfassung eine veränderte Gestalt, welche drei Jahrhunderte bestanden hat. Demnach war es dem irischen Statthalter nur erlaubt, mit Genehmigung des Königs ein Parlament zu versammeln, während der englischen Regierung die Gesetzvorschläge vorher zur Bestätigung vorgelegt werden mußten.
Irland unter den Tudors und Stuarts bis zur Revolution von 1649.
Heinrich VIII. suchte seine in England eingeführte Kirchenreform auch nach I. zu verpflanzen. Allein hier traf er nicht bloß bei den Eingebornen, sondern auch bei den in I. eingewanderten Engländern auf entschiedenen Widerstand. Selbst innerhalb der unmittelbar englischen Teile der Insel kamen daher die Maßregeln des Königs nicht zur vollständigen Durchführung; zu dem schon bisher so starken nationalen Gegensatz zwischen den keltischen Iren und den anglonormännischen Engländern, zu dem Haß zwischen Eroberern und Eroberten gesellte sich fortan noch die religiöse Feindschaft zwischen Katholiken und Anglikanern.
Daß sich Heinrich VIII. 1542 von dem englischen und irischen Parlament statt des bisherigen Titels eines »Herrn« den eines »Königs« von I. verleihen ließ, vermochte das Mißtrauen nicht zu überwinden, und seiner Tochter Maria ward es leicht, die geringen Anfänge der Reformation in I. wieder auszutilgen. Der Königin Elisabeth Plan, das Vermögen der katholischen Kirche zu gunsten der protestantischen Geistlichkeit einzuziehen, rief seit 1560 eine Menge Aufstände hervor, welche durch den Papst, durch flüchtige Engländer und durch den spanischen Hof [* 3] geschürt wurden.
Vergebens versuchte der treffliche Statthalter, Sir John Perrot (seit 1584), die katholischen Iren durch Leutseligkeit und Milde zu gewinnen; an dem Widerstand der anglikanischen Geistlichkeit und der eingewanderten Engländer scheiterten seine Pläne zu einer durchgreifenden Reform der irischen Zustände. Da die Irländer vom öffentlichen Leben in ihrer Heimat gänzlich ausgeschlossen waren, nahmen viele Jünglinge in Spanien [* 4] und Frankreich Kriegsdienste.
Diesen Umstand machte sich der von der englischen Königin zum Grafen von Tyrone erhobene Häuptling. Hugh O'Niell zu nutze, indem er es 1598 mit Hilfe der aus dem Ausland zurückgekehrten Krieger unternahm, I. von dem fremden Joch zu befreien. Umsonst rückte im Frühjahr 1599 der Graf von Essex, Günstling der Königin, mit einem starken Heer gegen ihn heran; er sah sich genötigt, mit O'Niell einen Waffenstillstand zu schließen, und kehrte nach England zurück. Glücklicher war sein Nachfolger Lord Mountjoy, der die von den Spaniern unter Aquila unterstützte Heeresmacht O'Niells vor Kinsale vollständig aufs Haupt schlug. Darauf verließen die Spanier 1602 I. wieder, und Tyrone mußte sich ergeben. Bei dem Tod Elisabeths 1603 stand ganz I. unter englischer Botmäßigkeit. Doch hatte die Unterdrückung der Aufstände einer Menge Ureinwohner das Leben gekostet und zur Konfiskation von mehr als 600,000 Morgen Landes zu gunsten englischer Kolonisten erwünschten Vorwand gegeben.
König Jakob I. beabsichtigte, in I. durchgreifende Reformen einzuführen, und begann damit, daß er die Macht der irischen Häuptlinge zu brechen suchte, indem er ihnen alle Besitzungen, für die sie den Lehnsbrief nicht vorweisen konnten, abnahm. Auf diese Weise gelangte Jakob I. in den Besitz von 800,000 Morgen Landes, die größtenteils an englische Spekulanten und an Schotten verkauft wurden welche die Stadt Londonderry und eine Menge anderer Kolonien gründeten.
Der religiöse Zwiespalt zwischen den katholischen Iren und den protestantischen Engländern wurde durch diese Gewaltthätigkeiten nur noch mehr verschärft, und unter Jakobs Nachfolger Karl I. versuchten die bis 1641 von Lord Strafford (s. d.) mit strengster Härte regierten Irländer noch einmal, während der zwischen England und Schottland entstandenen Wirren, das englische Joch abzuwerfen. An der Spitze des Aufstandes standen Roger Moore, Sir Phelim O'Neal und Lord Cornelius Macguire, Enkel alter Stammeshäuptlinge; er begann im Oktober 1641 in der Provinz Ulster, wo es eine große Masse Heimatloser gab.
Der Klerus wußte der Revolution auch ein religiöses Interesse beizumischen; binnen wenigen Tagen wurden nach einigen 5000, nach andern sogar gegen 20,000 protestantische Engländer ermordet, und eine noch größere Zahl fand ihren Untergang auf der Flucht. In England argwöhnte man, daß diese Hinschlachtung so vieler Männer, die der republikanischen Partei angehörten, nicht ohne Wissen des Königs geschehen sei, und dieser Umstand trug in der Folge viel zum Sieg der englischen Revolution bei.
Das englische Parlament konfiszierte zwar ½2 Mill. Morgen irisches Land, um mit dem Erlös desselben die Bewegung zu dämpfen, und erklärte daß es kein Papsttum in I. oder andern Teilen des Reichs dulden wolle; aber die innern Zerwürfnisse zwischen ihm und dem König hinderten zunächst eine energische Bekämpfung des Aufstandes. Um die Sache Karls in I. soviel wie möglich aufrecht zu erhalten, knüpfte der königliche Statthalter, Marquis von Ormond, mit den Rebellen Verhandlungen an, an denen auch der päpstliche Nunzius Anteil nahm, die aber erst nach langen Wechselfällen zum Abschluß eines ¶
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Friedens führten, der also erst am Tag vor der Hinrichtung Karls I., publiziert wurde. Nach diesem Ereignis, das in I. allgemeinen Unwillen hervorrief, betrieb Ormond unter den katholischen Irländern die Anerkennung des Prinzen von Wales, Karls II., als König. Deshalb landete der vom englischen Parlament zum Lord-Lieutenant ernannte Cromwell mit einem Heer von über 12,000 Mann an der irischen Küste und nahm schnell nacheinander Drogheda und Wexford mit Sturm. Da hier die ganze zahlreiche Besatzung von den Siegern niedergemacht wurde und das von wildem Fanatismus beseelte Heer Cromwells überhaupt mit äußerster Wut und Grausamkeit gegen die Aufständigen verfuhr, so verbreitete sich bald allgemeiner Schrecken in I.; viele der Insurgenten gaben die von ihnen besetzten festen Plätze ohne Schwertstreich auf und flüchteten sich in die Moräste. So ward binnen drei Vierteljahren der größte Teil der Insel von den Republikanern eingenommen.
Cromwell verließ hierauf I., seinem Schwiegersohn Ireton die fernere Befestigung der republikanischen Herrschaft überlassend. Dieser ging ebenso radikal zu Werke wie Cromwell, und konnte das englische Parlament die irische Rebellion für beendet erklären. Aber in den elf Jahren ihrer Dauer war mehr als eine halbe Million Menschen durch das Schwert, Krankheiten oder Hunger umgekommen. Nun wurde noch blutige Nachlese gehalten, zahlreiche Hinrichtungen, darunter auch die O'Neals, fanden statt, an hunderttausend Iren wurden verbannt oder wanderten freiwillig nach Amerika [* 6] oder in europäische katholische Staaten aus; alle, welche am Aufstand mit bewaffneter Hand [* 7] teilgenommen, wurden mit Konfiskation von zwei Dritteln ihrer Güter bestraft, aber sogar diejenigen, welche denselben nur nicht bekämpft hatten, verloren ein Drittel ihrere Besitzungen; 2000 Kinder sollen als Sklaven nach Jamaica verkauft worden sein. Was von Katholiken in I. verblieb, wurde größtenteils in die Provinzen Connaught und Clare verwiesen. Das ihnen entrissene Land wurde unter die Krieger des Parlaments und Abenteurer aller Art verteilt. So sollte die härteste und drückendste Herrschaft die Insel im Zaum halten, aber in der unterdrückten Bevölkerung [* 8] glimmte das unauslöschliche Feuer des glühendsten Hasses gegen ihre Besieger fort.
Irland von der Revolution bis zur Union mit England (1649-1801).
Nach der Wiederherstellung der Königsherrschaft in England gestaltete sich die Lage der Irländer nicht viel günstiger. Denn wenn auch unter Karl II. für I. größere Toleranz in religiöser Hinsicht obwaltete, so konnten doch nur wenige irische Katholiken wieder zu ihren Gütern gelangen, die sich in den Händen der Protestanten befanden. Daher war den Irländern die katholische Reaktion, die mit der Regierung Jakobs. II. eintrat und 1687 zur Ernennung eines Katholiken, Richard Talbot, Grafen von Tyrconnell, zum Statthalter von I. führte, äußerst willkommen.
Als nach der Vertreibung Jakobs ein französisches Heer von 5000 Mann in I. landete, ward es von den Katholiken mit offenen Armen aufgenommen. In kurzer Zeit konnte Jakob mit 38,000 Mann den englischen Truppen entgegentreten und ihnen einen festen Platz nach. dem andern wegnehmen. Nur Londonderry und Enniskillen blieben in der Gewalt der Engländer, ein irisches Parlament ward von Jakob eröffnet, ungefähr 2400 protestantische Grundbesitzer verloren ihre Güter an Katholiken, und eine neue Ära der Freiheit und Selbständigkeit schien für das lange unterdrückte Land zu beginnen.
Doch dieselbe war nicht von langer Dauer. Wilhelm III. von Oranien, der neue König von England, sandte schon 1689 ein Heer unter Marschall Schomberg nach I., landete dann selbst auf der Insel, und die Siege am Boynefluß und bei Aghrim deren ersten der König selbst, deren zweiten General Ginkel über die Iren davontrug, vollendeten die Unterwerfung des Landes. Der letzte feste Platz der Katholiken, Limerick, kapitulierte wobei den Irländern freie Religionsübung, wie sie unter Karl II. bestanden, zugesagt wurde.
Mehr als 18,000 Iren von der Partei Jakobs gingen ins Ausland. Ein Beschluß des englischen Parlaments verfügte wieder eine Konfiskation von 1 Mill. Morgen irischen Landes, das an Protestanten verteilt wurde, und die von den letztern in den Städten gegründeten sogen. Orangistengesellschaften (Orangemen), welche dem neuen Königshaus als Stütze dienen sollten, bedrückten die Katholiken auf jede erdenkliche Weise. Es wurden besondere Strafgesetze (penal laws) gegen den Katholizismus erlassen; dieselben verfügten unter anderm die Verbannung der höhern katholischen Würdenträger, die Beschränkung der niedern Priester auf ihre Bezirke, das Verbot des katholischen Unterrichts und der öffentlichen Zeichen des Kultus, die Ausschließung der Katholiken von öffentlichen Ämtern, das Verbot gemischter Ehen zwischen Protestanten und Katholiken, die Entwaffnung aller katholischen Einwohner; ja, man erließ sogar Vorschriften, welche die Katholiken des Rechts beraubten, ihre Kinder im Land oder auswärts zu erziehen: alles dies unter schnödester Mißachtung der Kapitulation von Limerick.
Zwar wurden diese Gesetze nicht von allen englischen Beamten mit Strenge gehandhabt; allein schon ihr Bestehen reichte hin, die bereits vorhandene Erbitterung zu steigern. Die Irländer hatten seit 1695 in ihrem Parlament die Zurücknahme der Poynings-Akte und damit ihre legislative Selbständigkeit gefordert. Allein durch einen Beschluß des britischen Parlaments von 1719 unter Georg I. wurde nicht nur jene Akte bestätigt, sondern auch 1727 den Katholiken bei Parlamentswahlen das Stimmrecht ganz entzogen.
Das unterdrückte irische Volk, dem es an jedem Organ fehlte, seinen berechtigten Klagen Gehör [* 9] zu verschaffen, suchte sich nun auf andre Weise Lust zu machen. Es entstanden die Verbindungen der Defenders (s. d.), welche sich über die ganze Insel verbreiteten und Lynchjustiz übten. Auch die White Boys (»weißen Burschen«) tauchten schon um 1760 aus, so genannt von den Hemden, welche sie über ihre sonstigen Kleider zogen, wenn sie sich des Nachts zur Bestrafung übermütiger Beamten, Grundherren oder Pfarrer zusammenfanden. Eine andre ähnliche Verbindung waren die Hearts of oak (»Eichenherzen«),
welche 1763 entstanden, als das Volk durch Straßenbaufronen bedrückt wurde.
Die Kunde von den Freiheitskämpfen in Amerika rief auch im irischen Volk. Bewegungen hervor und nötigte den Engländern einige
Zugeständnisse ab, namentlich wurden die unmenschlichen Strafgesetze in einigen Punkten gemildert.
Da Frankreich einen
Einfall in I. zu machen drohte und das Land nur von wenigen Truppen besetzt war, so gebrauchten die Irländer diesen Umstand
als Vorwand, ein Heer von irischen Freiwilligen zu bilden. Schon nach zwei Jahren war dasselbe auf 50,000 Mann angewachsen, und
es wurden nun mit den Waffen
[* 10] in
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