erscheint ihm das Zustandekommen des
Bewußtseins auch in seiner einfachsten und niedersten Gestalt als bloße
Empfindung sinnlicher
Qualitäten oder von
Schmerz oder Lust. Dies ist unter du
Bois-Reymonds
Aufstellungen die, welche das größte Aufsehen
machte,
indem
sie den Anschein erweckte, als ginge ihr
Urheber, der bis dahin für einen Vorkämpfer der monistischen
Weltanschauung galt, in das dualistische
Lager
[* 2] über. Mit
Recht aber beklagt sich in den »sieben Welträtseln« der Verfasser
über das geringe dialektische
Vermögen seiner Gegner, welche nicht im stande waren, zu unterscheiden zwischen der Behauptung,
die er widerlegte:
Bewußtsein kann mechanisch erklärt werden, und der Behauptung, die er verteidigte:
Bewußtsein ist an materielle Vorgänge gebunden.
Besonders auf die Unmöglichkeit, das Bewußtsein mechanisch zu erklären, bezieht sich das berufene ignorabimus. Keineswegs ist übrigens, wie du Bois-Reymond selber betont, diese Einsicht neu; sie findet sich schon bei Locke, Leibniz, Lamettrie, Rousseau u. a. Ihm eigen aber ist sein Beweis für diesen Satz. Er nennt astronomische Kenntnis eines materiellen Systems solche Kenntnisse, wie wir sie annähernd vom Planetensystem [* 3] haben, eine Kenntnis, welche es uns ermöglicht, Bewegungen und Lagen aller betrachteten Massen zu einer gegebenen Zeit vor- und rückwärts zu berechnen.
Solche Kenntnis ist, wie er ausführt, die vollkommenste Einsicht, welche wir von einem materiellen System haben können, und sie läßt unserm Kausalbedürfnis nichts zu wünschen übrig, als das Verständnis von Materie und Kraft [* 4] und vom Ursprung der Bewegung. Stellen wir uns nun vor: wir hätten die astronomische Kenntnis von einem noch ganz rätselhaften organischen Vorgang, bespielsweise ^[richtig: beispielsweise] der Befruchtung, [* 5] so würde an diesem Vorgang nichts mehr zu erklären übrigbleiben als das Wesen von Materie und Kraft, es wäre so völlig durchschaut, wie die Natur unsers Intellekts es erlaubt.
Stellen wir uns dagegen vor, wir hätten die astronomische Kenntnis vom Gehirn, [* 6] so würde uns auch die einfachste geistige Thätigkeit noch ebenso rätselhaft und unvermittelt erscheinen wie vorher. Verständen wir aber das Bewußtsein auch niederster Stufe aus mechanischen Gründen, so ließe sich wohl von hier aus eine Stufenleiter geistiger Aktionen herstellen bis zu den höchsten Leistungen der mit dem Werkzeug der Sprache [* 7] operierenden Vernunft. Daher dies sechste Welträtsel für kein transcendentes gelten kann. Als siebentes Welträtsel betrachtet du Bois-Reymond die Willensfreiheit in ihrem Widerspruch mit dem Naturmechanismus. Doch würde dies Problem aus einem transcendenten zu einem gegenstandslosen, sobald man sich entschlösse, die Willensfreiheit zu leugnen und das subjektive Freiheitsgefühl für Täuschung zu erklären. - Bei der Beurteilung dieser Sätze darf man nicht aus den Augen verlieren, daß du Bois-Reymond sich streng auf den Standpunkt des theoretischen Naturforschers stellt und als wissenschaftliches Verständnis allein die mathematisch ausdrückbare Abhängigkeit zwischen zwei Zuständen eines materiellen Systems gelten läßt. »Wo Supernaturalismus sich einmischt«, sagt er in dem Vortrag 'über die Übung' (in der zweiten Folge der Reden),
»hört Wissenschaft auf. Wie der Jurist das Recht findet, unbekümmert um Billigkeit und mildernde Umstände, so denkt der Naturforscher mechanisch, unbekümmert um altersheilige Überzeugungen, über welche seine Schlüsse hinwegschreiten; diese Schlüsse mit jenen Überzeugungen zu versöhnen, ist nicht seines Amtes.«
Ernst Kirchner in St. Man kann die Monatstage des französischen Revolutionskalenders wegen der beiderseitigen Schalttage nicht ein für allemal auf diejenigen des gregorianischen Kalenders übertragen. So läuft der Brumaire des Jahrs VIII allerdings vom 23. Okt. bis 21. Nov. inkl., dagegen im Jahr I z. B. vom 22. Okt. bis 20. Nov. inkl. etc. Aus dieser Schwierigkeit mag es sich wohl erklären, daß in allen Geschichtswerken die französischen Daten so häufig ganz unrichtig auf den gregorianischen Kalender reduziert sind. Selbst das treffliche »Handbuch der historischen Chronologie« von Brinckmeier (Berl. 1882) ist bezüglich des französischen Revolutionskalenders teils unrichtig, teils nicht ganz vollständig. Eine eigenartige Vergleichungstabelle des französischen Revolutionskalenders mit dem gregorianischen finden Sie im Artikel »Kalender« abgedruckt.
Die neueste italienische Übersetzung von Dichtungen Heinr. Heines ist die vom Grafen Secco-Suardo. Sie erschien unter dem Titel: »Poesie complete« in 2 Bänden bei Casanova in Turin. [* 8]
Dr. E. L. Browski in Mosul (asiatische Türkei). Durch den § 1 des Reichsgesetzes vom wird die Friedenspräsenzstärke des Deutschen Heers für die Zeit vom bis auf 468,409 Mann ohne die Einjährig-Freiwilligen festgesetzt. Die Infanterie ist in 534 Bataillone, die Kavallerie in 465 Eskadrons, die Feldartillerie in 364 Batterien, die Fußartillerie in 31, die Pioniere in 19 und der Train in 18 Bataillone formiert. Der Mannschaftszuwachs soll zu Neuformationen und zur Etatsverstärkung vorhandener Truppenteile verwendet werden. Es werden neuformiert:
1) 2 Divisionsstäbe, die 32. und 33. Division, erstere wird dem 12. (sächsischen), letztere dem 15. Armeekorps zugeteilt;
2) die den vorgenannten Divisionen unterstellten Stäbe der 63., 64. (32. Div.), 65. und 66. (33. Div.) Infanterie-Brigade.
3) Bei der Infanterie: 5 Regimenter Nr. 139 beim 12. Armeekorps (sächsisch), Nr. 135-138 als preußische beim 15. Armeekorps; ferner 15 Bataillone als 4. Bataillone bei den preußischen Regimentern Nr. 13, 14, 16, 17, 18, 39, 40, 53, 65, 80, 83, 112, 113, 114 und 129. Die Kompanien dieser Regimenter erhalten die Nrn. 1-16.
4) Bei den Jägern: 1 Bataillon Nr. 15 als 3. königlich sächsisches beim 12. Armeekorps.
5) Bei der Feldartillerie. Bei jeder Feldartilleriebrigade hatte bisher das 1. (Korpsartillerie-) Regiment 3 Abteilungen à 4 und 3 Batterien, jedes 2. (Divisionsartillerie-) Regiment 2 Abteilungen à 4 Batterien, letztere Regimenter sollen jetzt in 3 Abteilungen zu 3 Batterien formiert werden, und demnach sind neu zu formieren 21 Abteilungsstäbe, davon 16 in Preußen, [* 9] 2 in Bayern, [* 10] 1 in Sachsen, [* 11] 2 in Württemberg, [* 12] ferner 24 Batterien, davon 17 in Preußen, 2 in Bayern, 3 in Sachsen, 2 in Württemberg.
6) Bei den Eisenbahntruppen: 3 Bataillonsstäbe und zwar: 2 preußische und 1 bayrischer;
ferner 9 Kompanien, davon 6 preußische und je 1 sächsische, bayrische und württembergische.
Hieraus wird gebildet: das Eisenbahnregiment in Berlin [* 13] zu 4 Bataillonen mit zusammen 16 Kompanien, von denen die 15. die Bezeichnung königlich sächsische, die 16. königlich württembergische erhält. Bayern hat bereits 1 Eisenbahnkompanie, welche mit der neuformierten das bayrische Eisenbahnbataillon bilden wird. ¶
7) Die Luftschifferabteilung, deren Offiziere und Mannschaften von andern Truppenteilen abkommandiert waren, wird etatmäßig. Sie steht zum Eisenbahnregiment in gewissem Dienstverhältnis, mit dessen Offizieren die ihrigen ein einheitliches Offizierkorps bilden.
8) Beim Train 14 Kompanien, von diesen werden 12 in Preußen und je 1 in Sachsen und Württemberg aufgestellt. Es bestehen nunmehr sämtliche preußische Trainbataillone aus 3 Kompanien. Die künftigen Etatstärken sind folgende:
Preußen | Sachsen | Württemb. | Bayern | Summa | Zuwachs | |
---|---|---|---|---|---|---|
Infanterie | 242540 | 21188 | 13597 | 35110 | 312435 | 33298 Mann |
Jäger | 7840 | 1637 | 2328 | 11805 | 749 Mann | |
Landwehr-Bezirkskommandos | 3761 | 253 | 291 | 572 | 4877 | 98 Mann |
Kavallerie | 50673 | 4183 | 2712 | 7022 | 64590 | |
Feldartillerie | 29677 | 2338 | 1942 | 4102 | 38059 | 3242 Mann |
Fußartillerie | 13282 | 1234 | 462 | 2298 | 17276 | 927 Mann |
Pioniere und Eisenbahntruppen | 9524 | 629 | 600 | 1582 | 12335 | 1488 Mann |
Train | 4516 | 316 | 296 | 984 | 6112 | 1293 Mann |
Besondere Formationen | 639 | 11 | 48 | 157 | 855 | 40 Mann |
Nicht regimentierte Offiziere etc. | 52 | 3 | 3 | 7 | 65 | |
Überhaupt: | 362504 | 31792 | 19951 | 54162 | 468409 | 41135 Mann |
Die bisherige Etatstärke betrug | 330629 | 27606 | 18815 | 50224 | 427274 | |
Mithin Zuwachs: | 31875 | 4186 | 1136 | 3938 | 41135 |
1) Die Photographie gibt mit guten Apparaten allerdings ein treues Bild, dasselbe entspricht aber sehr häufig nicht dem Eindruck, den uns das Original macht, weil bei unserm Sehen [* 16] das Gehirn eine große Rolle spielt, während wir in der Photographie das Bild erhalten, wie es die Linsenwirkung allein liefert. Wenn eine uns gegenüberstehende Person den Kopf nach vorn senkt, so erscheint auch dem Auge [* 17] die Stirn sehr hoch; bei Änderung der Kopfhaltung gewinnen wir aber alsbald wieder einen andern Eindruck, und somit lassen wir uns nicht täuschen.
Die Photographie dagegen fixiert eine momentane Haltung für immer, und so können Sie dasselbe Gesicht [* 18] bald mit übergroßer Stirn, bald mit zu großem Untergesicht erhalten. Der Photograph kann wählen, was ihm am besten gefällt, er kann auch den Blick hoch oder niedrig richten, und er kann vor allem das Gesicht in sehr verschiedener Weise beleuchten. Auf solche Weise kann man einem Gesicht einen sehr viel vorteilhaftern Ausdruck geben, als es gewöhnlich besitzt, und dann kommt noch die feine Arbeit des Retoucheurs hinzu, der durch die subtilsten Mittel das Auge feuriger oder sanfter, milder, die Form der Nase [* 19] edler machen kann etc. Der Photograph ist also sehr wohl im stande zu schmeicheln, wenn auch nicht in dem Maß wie der Maler.
Fabrikbesitzer Z. in Chemnitz. [* 20] Zahlennachweise über die in Deutschland [* 21] bestehenden Hilfskassen u. dgl. fehlten bisher gänzlich. Der Bundesrat hat nun durch Beschluß vom Nachweisungen zur Statistik der auf dem Reichsgesetz vom beruhenden Krankenversicherung der Arbeiter angeordnet, welche zuerst für das Kalenderjahr 1885 aufgestellt sind und jährlich fortgesetzt werden sollen. Zwei »vorläufige Mitteilungen« darüber sind (im November- und Dezemberheft der »Monatshefte zur Statistik des Deutschen Reichs« 1886) bereits veröffentlicht, von denen die erste über die Zahl der Vereine und der Mitglieder, die andre über die finanziellen Ergebnisse berichtet. Wir bringen das Wesentlichste daraus im Artikel Krankenkassen.
Korrespondenzblatt Wilm in Prag. [* 22] Der Allgemeine deutsche Sprachverein besteht gegenwärtig aus 65 Zweigvereinen und zählt erheblich über 5000 Mitglieder. Der Verein hat sich, wie bekannt, die Aufgabe gestellt, dahin zu wirken, daß die deutsche Sprache möglichst von unnötigen fremden Bestandteilen gesäubert werde, daß der wahre Geist und das echte Wesen derselben gepflegt, und daß auf diesem Weg das nationale Bewußtsein im deutschen Volk gekräftigt werde. Die von ihm herausgegebene Zeitschrift, durch welche der Verein diese Aufgabe zunächst zu erfüllen sucht, ist ausschließlich für die Mitglieder bestimmt. Man kann ohne weiteres einem der schon bestehenden Zweigvereine beitreten oder sich auch als unmittelbares Mitglied des Gesamtvereins unter Einzahlung von mindestens 3 Mk. an den ersten Vorsitzenden, Museumsdirektor Professor Dr. Riegel in Braunschweig, [* 23] einschreiben lassen.
Ernst Pauer in Dresden. [* 24] Gesprungene Glocken zu reparieren, gilt im allgemeinen für unthunlich. In Schweden [* 25] wurde indes 1805 ein Verfahren entdeckt, durch welches gesprungene Glocken den frühern Klang und die frühere Stärke [* 26] wiedererhalten. Dies Verfahren, ein Familiengeheimnis, wird jetzt nach Zeugnissen, die uns vorgelegt worden sind, mit gutem Erfolg von dem Enkel des Erfinders, O. Ohlsson in Lübeck, [* 27] ausgeübt. Für den dritten Teil der Kosten, die das Umgießen erfordern würde, stellt er die Glocke wieder her und leistet Garantie für Klang und Dauerhaftigkeit. Im allgemeinen verfährt Ohlsson in folgender Weise: Der Riß wird mit dem Meißel [* 28] auf ca. 1,5 cm erweitert, dann macht man in der Nähe desselben Vertiefungen, legt eine Anzahl Klammern [* 29] quer über den Riß und befestigt dieselben in geeigneter Weise.
Nachdem an dem entsprechenden Teil der Glocke ein Mantel von Thon und Blech angebracht worden, und nachdem auch die unmittelbar an dem Riß liegenden Teile der Glocke durch starkes Kohlenfeuer erhitzt worden sind, wird die Fuge mit einer Legierung, deren Zusammensetzung Geheimnis ist, ausgegossen. Bei Gelegenheit dieser Reparatur wird in der Regel auch der Klöppel versetzt, weil das Metall, gegen welches er jahrelang geschlagen hat, spröde geworden ist und leicht springt.
Abonnent in Magdeburg. [* 30] In Belgien, [* 31] wo vorwiegend die Kreditgenossenschaften größere Ausdehnung [* 32] genommen haben (Ende 1885 zählte man 15 Volksbanken mit etwa 10,000 Mitgliedern und 2,01 Mill. Frank eignem Kapital; die Vorschüsse betrugen 1885: 31,1 Mill., die Rücklagen 0,281 Mill.), fehlen bisher eigentliche Erwerbsgenossenschaften. Dagegen ist die Zahl der Konsumvereine stark im Zunehmen; zuverlässige Angaben fehlen. Die Beamten des Ministeriums für Verkehrswesen haben 1886 einen Konsumverein gegründet. Auch die sozialistische Bewegung ist der Gründung von Konsumvereinen förderlich. Die Genter Arbeiterschaft besitzt in der Samenwerkende Maatschappij Vooruit mit einer bedeutenden Bäckerei, Schanklokal, ¶