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Erbschaft festgehalten und unter Umständen weiter ausgebildet. Der im einzelnen Individuum zur Erscheinung kommende I. ist deshalb keine individuelle Fähigkeit, sondern ein eingebornes Besitztum der Gattung und Art. Gleichwohl kann kein Zweifel daran sein, daß sich den Instinktshandlungen sowohl Bewußtseinselemente überhaupt als auch besondere Fähigkeiten des Einzelindividuums beimischen. Unter veränderten Bedingungen sehen wir Tiere ihre Lebensweise ändern, abweichende Nester bauen, und eine Entwickelung der Instinkte ist überhaupt nur durch solche Leistungen einzelner, die in ihren Nachkommen wieder erscheinen, denkbar.
Aber genau wie beim Menschen auch, können neuerworbene, aber oft geübte Thätigkeiten, nachher ohne Bewußtsein wiederholt, dem Automatismus des Körpers einverleibt, d. h. instinktmäßig, werden, somit des bewußten Willensantriebs überhoben sein. Hinfort werden sie erblich und können durch äußere oder innere Reize wie andre Reflexthätigkeiten im Körper erweckt und ausgelöst werden. Wir sehen derartig eingelernte oder künstlich anerzogene Instinkte z. B. bei Jagdhunden deutlich, wenigstens in der Anlage, vererbt werden, so daß sie bei deren Nachkommen leichter als bei wilden Individuen entwickelt und zur Vervollkommnung gebracht werden können, wie anderseits solche Zuchtinstinkte durch Kreuzung mit wilden Rassen wieder verschwinden.
Die Instinkte niederer Tiere sind meist einfacher als die der höhern derselben Reihe. Bei den niedern Wirbeltieren spielt z. B. ein chemischer Sinn, der sich in der vorwiegenden Entwickelung der sogen. Riechlappen des Gehirns ausprägt, als Erregungsmittel der Instinkte eine viel größere Rolle als der Gesichts- und Gehörssinn. Unter den Förderungsmitteln der Instinkte scheint geselliges Leben und die damit in Verbindung stehende Brutpflege zur Entwickelung der Instinkte am meisten beizutragen, weil hierbei der Nachahmungstrieb (s. d.) geweckt wird und die Anleitung beginnt.
Termitidae - Ternitz

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Termiten.Dadurch erheben sich Gesellschaftstiere, wie staatenbildende Termiten, [* 2] Ameisen, Bienen, in den Instinktleistungen über ihre Klasse und zeitigen selbst Instinkte für Ackerbau, Viehzucht, [* 3] Miliz, Gesundheitspolizei etc. Bei allen solchen regelmäßigen Einrichtungen und dazu gehörigen Handlungen niederer Tiere, bis zu dem Aufsuchen gleichmäßig gefärbter schützender Ruheplätze, den Schutz- und Trutzbündnissen mit andern Tieren etc., darf man annehmen, daß sie, wenn überhaupt mit Bewußtsein, so doch jedenfalls ohne Bewußtsein ihres Nutzens erfolgen.
Mit dem Hinzutreten immer weiterer Bewußtseinselemente in die Handlungen wird das Wirkungsreich des Instinkts bei höhern Tieren immer weiter eingeschränkt, bis wir es im erwachsenen Menschen auf einen geringen Rest zurückgeführt sehen, der durch die Vernunft und Willenskraft völlig in Schranken gehalten wird. Um das Verständnis besonders schwieriger Fälle, wie z. B. der Instinkte geschlechtsloser Insekten, [* 4] die nicht direkt vererbt werden können, und abnormer Instinkte, wie derjenigen der Kuckucksvögel, hat sich namentlich Darwin Verdienste erworben.
Vgl. Reimarus, Allgemeine Betrachtungen über die Triebe der Tiere (Hamb. 1798);
Flourens, De l'instinct et de l'intelligence des animaux (4. Aufl., Par. 1861);
Wundt, Vorlesungen über die Menschen- und Tierseele (Leipz. 1863);
Derselbe, Grundzüge der physiologischen Psychologie (2. Aufl., das. 1880);
Darwin, Entstehung der Arten (deutsch, 7. Aufl., Stuttg. 1883);
Derselbe, Kleinere Schriften (Leipz. 1886);
Noll, Die Erscheinungen des sogen. Instinkts (Frankf. 1877);
Körner, I. und freier Wille (Leipz. 1878);
Schneider, Der tierische Wille (das. 1880);
Romanes, Die geistige Entwickelung im Tierreich (das. 1885).
Über die speziellen Instinkte der Ameisen, Bienen etc. handeln die einschlägigen Schriften von Lubbock, Huber, Fabre u. a.