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Hälften gebildete Blattfläche, welche um die Mittelrippe wie um ein Scharnier zusammenklappen können, und deren steife Randborsten dabei wie die Finger zweier zusammengefalteter Hände ineinander greifen. Diese Bewegung erfolgt fast momentan, sobald eine der drei auf jeder Blatthälfte oberseits stehenden langen Haarborsten berührt wird. Erfolgt die Berührung durch ein Insekt oder durch ein aufgelegtes Stückchen Eiweiß, Fleisch u. dgl., so beginnen nach völligem Schluß der Klappenvorrichtung Hunderte von Drüsenhaaren (Digestionsdrüsen) der Blattoberfläche aus ihren scheibenförmigen Köpfchen ein Sekret in großer Menge auszuscheiden, das etwa in 4-6 Tagen den gefangenen Körper bis auf die Hartteile auflöst, um die stickstoffhaltigen Substanzen desselben aufzunehmen und gleichsam zu verdauen; schließlich öffnet sich das so gefütterte Blatt [* 2] wieder und wächst kräftig weiter.
Einfacher ist die Fangvorrichtung bei der wasserbewohnenden, durch Mittel- und Südeuropa sporadisch verbreiteten, auch in Ostindien [* 3] und Australien [* 4] vorkommenden Aldrovanda vesiculosa L., die, wie auch Dionaea, zu der Familie der Droseraceen gehört. Ihre frei im Wasser schwimmenden Stengel [* 5] tragen quirlig gestellte, von 4-5 Borsten umgebene Blätter, deren halbkreisförmige Blattflächen in der Mitte scharf zusammengeklappt sind und mit ihren eingebogenen Rändern übereinander greifen. Die Reizbarkeit dieser Teile zeigt sich darin, daß in warmem Wasser die Klappen sich öffnen und bei Berührung der auf der Blattfläche stehenden zarten Borsten sich für längere Zeit schließen; besondere Verdauungsdrüsen sind in diesem Fall nicht vorhanden. In den Fangklappen der Aldrovanda werden kleine Krustaceen (Daphnia, Cyclops, Cypris) sowie auch Insektenlarven gefangen und tagelang eingeschlossen gehalten.
Ein schönes Beispiel einer als Drüsenfänger konstruierten Pflanze bieten unsre einheimischen, zwischen Torfmoosen wachsenden Drosera-Arten dar. Die kleinen, mit sehr schwachen Wurzeln versehenen Pflänzchen von Drosera rotundifolia L. haben eine grundständige, braunrot gefärbte Blattrosette, aus deren Mitte der Blütenstengel sich erhebt; jedes Blatt trägt auf einem 2-5 cm langen Stiel eine fast kreisrunde Blattfläche von ca. 1 qcm Oberfläche, deren Oberseite und Rand mit roten, stielartigen, am Ende ein glänzendes Köpfchen tragenden Drüsen, den sogen. Tentakeln, dicht besetzt sind.
Dieselben sind im ungereizten Zustand gerade ausgestreckt und sondern aus dem Drüsenköpfchen schleimige Tropfen aus, die der Pflanze den Namen Sonnentau verschafften. Sobald ein kleines Insekt (Fliege, Mücke od. dgl.) mit dem Schleim in Berührung kommt, bleibt es daran hängen und sucht sich zwar zu befreien, wird aber, da es von zahlreichen Drüsen allerseits umgeben ist, in der Regel festgehalten und stirbt nach Verlauf kurzer Zeit. Zugleich beginnen die Tentakeln sich an ihrem Stiel so zu krümmen, daß sie mit ihrem Drüsenkopf gerade den Insektenkörper berühren und denselben mit ihrem Schleim einzuhüllen vermögen.
Das bis dahin neutral reagierende Sekret wird nunmehr sauer und ist im stande, peptonisierend zu wirken, d. h. Eiweißstoffe (Fibrin) aufzulösen. Mit der Reizung der Tentakeln geht eine Veränderung in den oberflächlichen Zellen des Drüsenköpfchens parallel; das von einer purpurnen Flüssigkeit umgebene, sonst farblose, randständige Plasma dieser Zellen ballt sich nämlich zu purpurgefärbten Massen von verschiedener Gestalt zusammen, während der Zellsaft seine Farbe fast verliert.
Auch die Fläche des Drosera-Blattes selbst krümmt sich um den Insektenkörper herum ein, nachdem die auflösende Wirkung des Sekrets längere Zeit gedauert hat. Nach Auflösung der Weichteile des Tiers und erfolgter Verdauung derselben breiten sich Blattfläche und Tentakeln schließlich wieder normal aus. Übrigens findet man an den im Freien wachsenden Pflänzchen von Drosera in der Regel zahlreiche Reste von ausgesogenen kleinen Insekten; [* 6] auch kann man an kultivierten Pflanzen die Fütterung mit sehr kleinen Stückchen Fleisch, Eiweiß, Käse u. dgl. erfolgreich ausführen. - Eine viel einfachere Fangeinrichtung als die eben geschilderte besitzen die einheimischen Pinguicula-Arten aus der Familie der Utrikulariaceen.
Bei ihnen ist eine dem Boden aufliegende Rosette zungenförmig gestalteter breiter Blätter vorhanden, welche sehr zahlreiche, einem Hutpilz ähnliche Drüsen tragen und eine klebrige Flüssigkeit aussondern. Insekten oder auch kleine Eiweiß- und Fleischstückchen veranlassen auf der Blattfläche lebhafte Sekretion sowie auch eine langsame Einrollung der Blattränder nach oben. Einige ausländische Verwandte von Drosera, wie das in Portugal [* 7] u. Marokko [* 8] einheimische Drosophyllum lusitanicum St., die südafrikanische Roridula dentata L. und die australische Byblis gigantea Lindl., besitzen unbewegliche, stark sezernierende Verdauungsdrüsen und gehören daher ebenfalls zu den Drüsenfängern.
Den Typus der Schlauchfänger stellen in unsrer einheimischen Flora die Utricularia-Arten dar, wurzellose, schwimmende Wasserpflanzen [* 9] mit fiederförmig verästelten Zweigen, an denen kleine, linsen- oder erbsenähnliche, aus umgestalteten Blattzipfeln hervorgegangene lufterfüllte Blasen sitzen. Letztere tragen an ihrem mit einer Öffnung versehenen obern Ende eine Art von Verschlußklappe, die mit ihrem freien Rand unter einem Wulste des gegenüberliegenden Mündungsteils liegt, so daß die Klappe einem beweglichen kleinen Körper wohl den Zutritt von außen, aber nicht den Austritt von innen her gestattet und in ersterm Fall sich durch ihre Elastizität von selbst wieder schließt.
Rechts und links vom Eingang der Blase stehen vier lange, an die Fühler von Krustaceen erinnernde Borsten, in ihrem Innern befinden sich zweispaltige Haare, [* 10] während Verdauungsdrüsen fehlen. In diese Falle werden vorzugsweise kleine Krustaceen gelockt, die sich tagelang darin umherbewegen und schließlich zersetzt werden. Ausländische Utrikulariaceen, wie die australische Gattung Polypompholyx Lehm. und die im tropischen Amerika [* 11] einheimischen Arten von Genlisea St.-Hil., besitzen ähnliche Schläuche, in deren Innerm bei letztgenannter Gattung auch zwei Reihen von Sekretionsdrüsen vorhanden sind.
Ganz besonders ausgezeichnete Schlauchfänger sind die schon seit den Zeiten Linnés bekannten Kannenträger (Nepenthes), deren Arten die Sumpfgegenden des tropischen Asien, [* 12] vor allen die des Indischen Archipels, Ceylon, [* 13] die Philippinen, Neukaledonien [* 14] und Neuguinea, die Seschellen und Madagaskar [* 15] bewohnen. An ihren kletternden Blattstielranken stehen hohe, bisweilen ⅓ m lange, krugförmige Erweiterungen, deren ringförmigem Rande die Blattfläche als seitlicher Deckel aufsitzt; der dicke Ring der Krugmündung sowie die Unterseite des Deckels sind mit zahlreichen Honigdrüsen besetzt, welche im Verein mit auffallender Färbung der sie tragenden Teile der Anlockung von Insekten dienen. Im Innern des Krugs gleiten die angelockten Kerbtiere an einer glatten Fläche hinab, um im untern Teil der Behälter in eine Flüssigkeit zu geraten, welche von zahlreichen an der ¶
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Schlauchwandung befindlichen Verdauungsdrüsen abgesondert wird; die Zahl dieser Drüsen wurde von Hooker in einem Fall zu 3000 auf den Quadratzoll geschätzt. Das sehr reichlich vorhandene Sekret nimmt bei Reizung mit tierischen Substanzen eine stark saure Reaktion an und löst Eiweißstoffe mit Leichtigkeit auf. Ähnliche Verhältnisse kehren auch bei den amerikanischen Sarraceniaceen wieder; die sumpfbewohnenden, vorzugsweise in Virginia einheimischen Arten von Sarracenia besitzen offene oder geschlossene Schläuche mit kleiner, zungenförmiger Blattfläche, während Darlingtonia Torr. trompetenförmige, an jungen Pflanzen nach oben gekehrte, an ältern nach unten gewendete Krüge [* 17] mit gespaltenem Deckel aufweist; auch die in Venezuela [* 18] einheimische Heliamphora Benth. und die australische Gattung Cephalotus Lab. gehören zu den Schlauchträgern. Zwar sind nicht bei allen Arten der genannten Gattungen Verdauungsdrüsen vorhanden, dieselben fehlen z. B. bei Sarracenia purpurea; jedoch scheint der Zweck der Schläuche bei allen der gleiche zu sein.
Die physiologische Bedeutung der Ernährungsweise der insektenfressenden Pflanzen liegt besonders darin, daß dieselben stickstoffhaltige Nahrung in einer Form aufzunehmen vermögen, welche bei andern chlorophyllhaltigen Pflanzen ausgeschlossen ist, indem letztere den Stickstoff nur in Form von Nitraten und Ammoniaksalzen durch die Wurzeln dem Boden entnehmen. Die insektenfressenden Pflanzen ernähren sich dagegen, wenigstens teilweise, auf Kosten fertig gebildeter organischer Substanz, deren Eiweißstoffe von ihnen wie im Magen [* 19] der Tiere durch ein peptonisierendes Ferment der Verdauungsdrüsen gelöst und dann von sonst dazu ganz ungeeignet erscheinenden Organen, nämlich von Blattteilen, resorbiert werden.
Experimentell steht die peptonisierende, d. h. Eiweiß (Fibrin) lösende, Eigenschaft des sauer reagierenden Drüsensekrets der insektenfressenden Pflanzen unzweifelhaft fest, während sich die Versuche darüber widersprechen, ob die Fütterung der Blätter mit Eiweißstoffen für die Pflanze förderlich oder unnütz ist; wenigstens kann sich Drosera ohne Insektennahrung vollkommen normal bis zur Fruchtbildung entwickeln. Als eine analoge Ernährungsweise hat man die des jungen Pflanzenembryos zu betrachten, der sich ebenfalls auf Kosten organisierter Stoffe des Samens ernährt und dieselben mit Hilfe von Fermenten umsetzt.
Auch die Pilze [* 20] und eine Reihe von fäulnisliebenden Humusbewohnern (Monotropa, manche Orchideen) [* 21] entnehmen ihrem Substrat direkt organische Verbindungen. Diese Analogien machen die Ernährungsweise der insektenfressenden Pflanzen durchaus begreiflich, wenn auch manche Punkte noch weiterer Aufklärung bedürfen.
Vgl. Darwin, Insektenfressende Pflanzen (deutsch von Carus, Stuttg. 1876);
Drude, Die insektenfressenden Pflanzen (in Schenks »Handbuch der Botanik«, Brest: 1881);
Bouché, Die insektenfressenden Pflanzen, Beitrag zur Kultur derselben (Bonn [* 22] 1884).