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Orderpapiere, welche zwar auf
den
Namen eines bestimmten Zahlungsempfängers lauten
, aber mit dem Zusatz »an
die
Order«, oder »an dessen
Order« u. dgl. versehen sind, infolgedessen
sie (durch
Giro oder
Indossament) von dem benannten
Gläubiger (Nehmer) auf
einen andern
übertragen (begeben) werden können.
So lautet
z. B. ein
eigner Wechsel:
»Leipzig,
[* 2]
Sechs
Monate nach heute zahle ich an die
Order der
Herren
Müller u. Komp. die
Summe von fünfhundert
Mark. R. W.
Karl
Schulze«.
Die ursprüngliche Form des Inhaberpapiers war diejenige mit der alternativen Inhaberklausel.
So finden sich z. B.
schon im
Mittelalter
Urkunden, welche auf
N. N. »oder wer diesen
Brief innehat« lauten.
Dem römischen
Recht
fremd, fanden die
Grundsätze über das I. zuerst in der
Lombardei Anwendung und
Ausbildung. Heutzutage ist die Anwendbarkeit
des Inhaberpapiers eine au
ßerordentlich vielseitige und für
Handel und
Verkehr hochwichtige. Man denke nur an die
Staatspapiere,
Schuldobligationen der
Gemeinden,
Pfandbriefe,
Banknoten,
Aktien, Dividendenscheine,
Koupons etc., welche
auf
den
Inhaber au
sgestellt werden, an die
Billets,
Marken, Eintrittskarten und an die sonstigen Legitimationszeichen, für
welche diese Form üblich ist.
Trotz dieser großen wirtschaftlichen Bedeutung und Verbreitung des Inhaberpapiers besteht aber über dessen rechtliche Natur und namentlich über die Frage, in welchem Rechtsverhältnis der Inhaber, welcher nicht der erste Nehmer ist, zu dem Aussteller des Papiers stehe, ein großer theoretischer Streit. Nach Goldschmidt hat jeder spätere Nehmer ein selbständiges Recht, welches unmittelbar von dem Aussteller abzuleiten ist. Das Recht des Inhabers wird durch den Besitz der Urkunde begründet, in welcher der Schuldner in rechtsverbindlicher Weise erklärt hat, jedem Inhaber verpflichtet sein zu wollen.
Wenn auch nach gemeinem deutschen Privatrecht die Befugnis zur Ausstellung (Emission) von Inhaberpapieren ursprünglich eine unbegrenzte war, so sind doch nunmehr folgende Beschränkungen dieser Befugnis in der Gesetzgebung enthalten:
1) Wechsel können nicht direkt auf den Inhaber gestellt werden (deutsche Wechselordnung, Art. 4, Ziff. 3). Der Wechsel ist nach deutschem Recht ein Orderpapier. Er kann aber durch Indossament, welches nicht auf den Namen lautet (Blankoindossament), begeben und dadurch zum I. werden.
2) Aktiengesellschaften können nach dem Reichsgesetz vom ihre Aktien sowohl auf den Namen als auf den Inhaber stellen, dasselbe gilt von Kommanditgesellschaften auf Aktien. Der Mindestbetrag einer Inhaberaktie ist 1000 Mk., Interimsscheine (s. d.) dürfen nicht auf den Inhaber lauten (s. Aktie, S. 262). 3) Inhaberpapiere mit Prämien (Lotterie-Inhaberpapiere) dürfen nach dem Reichsgesetz vom nur auf Grund eines Reichsgesetzes und nur zum Zweck einer Anleihe des Reichs oder eines Bundesstaats ausgegeben werden.
4) Für die Emission von Banknoten sind die beschränkenden Vorschriften des Bankgesetzes vom maßgebend (s. Banken, S. 325). 5) Vielfach ist in der deutschen Partikulargesetzgebung die Befugnis zur Ausstellung von Inhaberpapieren beschränkt und die Emission von Geldpapieren oder von Anteilscheinen auf den Inhaber ausdrücklich von der Genehmigung der Staatsregierung abhängig gemacht; so nach dem preußischen Gesetz vom der österreichischen Verordnung vom dem badischen Gesetz vom dem sächsischen bürgerlichen Gesetzbuch, § 1040, etc.
[Arten der Inhaberpapiere.]
Im allgemeinen ist zu unterscheiden zwischen den Inhaberpapieren, welche die Zahlung einer Geldsumme (Geldpapiere), und denjenigen, welche irgend eine andre Leistung zum Gegenstand haben, Billets, Marken u. dgl. Unter den Geldpapieren sind folgende hervorzuheben, doch ist diese Aufzählung bei der Vielgestaltigkeit des Verkehrs keineswegs erschöpfend:
1) Anteilscheine, Partialschuldscheine, Schuldbriefe, Obligationen, Prioritätsobligationen, wie sie vom Staat, von den Gemeinden und sonstigen Korporationen sowie von Aktiengesellschaften emittiert werden;
2) Zinsscheine, Talons, Koupons;
3) Dividendenscheine;
4) Banknoten;
5) Bankanweisungen oder Checks;
6) Prämienscheine, Obligationen von Lotterieanlehen;
7) Lotterielose;
8) Pfandbriefe;
9) Bodmereibriefe;
10) Lebensversicherungspolicen;
11) Kassenscheine. Eigentliches Papiergeld in dem Sinn, daß dem Papier wie einem geprägten Metallstück vom Staate die Eigenschaft eines allgemeinen Wertmessers mit Zwangskurs (allgemeinem Zwang zur Annahme) beigelegt ist, gibt es in Deutschland [* 3] nicht mehr. Die Reichskassenscheine sind Geldpapier, kein Papiergeld; denn ein Zwang zu ihrer Annahme findet nach dem Reichsgesetz vom (§ 5) im Privatverkehr nicht statt. Dagegen werden die Reichskassenscheine bei allen Kassen des Reichs und sämtlicher Bundesstaaten zu ihrem Nennwert in Zahlung angenommen und von der Reichshauptkasse jederzeit bar eingelöst. Dadurch ist ihre Zirkulationsfähigkeit eine dem Papiergeld nahezu gleiche geworden.
[Erwerb und Verlust von Inhaberpapieren.]
Das I. kann Gegenstand dinglicher Rechte sein (Rechte am Papier, welche die Rechte aus dem Papier begründen). Eigentum, Besitz, Pfandrecht, Pfändung, Nießbrauch sind daran möglich. Der Eigentümer kann ein I. wie eine andre Sache von dem besitzenden Nichteigentümer vindizieren. Nach dem deutschen Handelsgesetzbuch (Art. 306 f.) erlangt jedoch der redliche Erwerber an dem ihm veräußerten und übergebenen I. stets das Eigentum, gleichviel, ob er es von einem Kaufmann oder von einer andern Person erwirbt, selbst dann, wenn das Papier gestohlen oder verloren war.
Der redliche Erwerber ist also gegen die Vindikation seitens des frühern Eigentümers geschützt. Es kann sich jedoch der Eigentümer durch Außerkurssetzung (s. d.) des Papiers schützen, wodurch die eigentümliche Zirkulationsfähigkeit des Papiers bis auf weiteres aufgehoben und das J. durch die Vinkulierung (Festmachung, Inskription) in ein Rektapapier (auf den Namen lautend) umgewandelt wird. Verloren gegangene Inhaberpapiere können mittels Amortisation (Modifikation, Kraftloserklärung) im Weg des gesetzlichen Aufgebotsverfahrens für ungültig erklärt werden (s. Aufgebot).
Vgl. außer den Lehrbüchern des Privat- und des Handelsrechts: Kuntze, Die Lehre [* 4] von den Inhaberpapieren (Leipz. 1857);
Unger, Rechtliche Natur der Inhaberpapiere (das. 1857);
v. Poschinger, Geschichte der Inhaberpapiere (Erlang. 1875);
Pappenheim, Begriff und Arten der Inhaberpapiere (Berl. 1881);
Folleville, Traité de la possession des meubles et des titres au porteur (2. Aufl., Par. 1875).