Aufhebung der bürgerlichen
Ehre und Rechtsfähigkeit infolge der sogen.
Capitis deminutio (s. d.) kannte, so war nach demselben
auch eine Minderung der Rechtsfähigkeit auf
Grund gesetzlicher Bestimmung möglich. Diese I., sogen. Infamia juris, ließ
das
römische Recht infolge gewisser
Handlungen eintreten und zwar entweder als unmittelbare
Folge der
Handlung selbst (infamia
immediata) oder erst infolge des Richterspruchs, welcher den Betreffenden einer solchen
Handlung für schuldig erklärte (infamia
mediata).
Ersteres war z. B. der
Fall bei
Verletzung des für die
Witwe geordneten
Trauerjahrs, letzteres bei einer
Verurteilung im öffentlichen
Volksgericht oder infolge gewisser Privatdelikte und
Privatklagen. Die Unfähigkeit zu
Staats- und Gemeindeämtern, zur
prozessualischen Vertretung andrer vor
Gericht und zum vollgültigen gerichtlichen
Zeugnis waren die hauptsächlichsten
Folgen
dieser I. Aber auch das allgemeine sittliche
Urteil der Mitbürger über einen
Menschen muß im Rechtsleben eine gewisse Berücksichtigung
finden.
Wer sich durch ein gemeines und unsittliches Benehmen die
Achtung seiner Mitbürger verscherzt hat, kann einer
Zurücksetzung überall da nicht entgehen, wo das richterliche Ermessen die
Individualität besonders zu berücksichtigen
hat. Es ist dies die sogen. Verächtlichkeit, Ignominia, Turpitudo vitae,
Levis notae macula, auch Infamia facti genannt.
Die
Grundsätze über letztere sind heutzutage noch von praktischer Bedeutung, wenn auch infolge einer Veränderung der Volksanschauung
mit der Zeit manches in Wegfall gekommen ist, z. B. die frühere sogen.
Anrüchigkeit (s. d.) der unehelichen
Kinder und des
Abdeckers. Dagegen können die römisch-rechtlichen
Grundsätze über I.
(infamia juris) ebensowenig wie die ehemaligen
Satzungen des deutschen
Rechts über Verlust und Schmälerung der bürgerlichen
Ehre Geltung beanspruchen, wenn auch das moderne
Strafrecht einen gänzlichen oder zeitweiligen Verlust
aller oder einzelner politischer
Ehrenrechte (s. d.) kennt. -
Cum infamia, mit Schimpf und
Schande (nämlich relegiert), s.
Relegation.
König
Ferdinand VII. setzte nach seiner Rückkehr I. in seine alten
Ämter wieder ein. Nach der
Revolution von 1820 trat der
durchaus reaktionär und absolutistisch gesinnte
Herzog von seinen
Stellen zurück. Er wurde angeklagt, sich bei der
Verschwörung
der
Garden imPalast des
Königs beteiligt zu haben, auf kurze Zeit verhaftet und nach
Mallorca verwiesen.
Von hier wollte er nach
England gehen, allein ein
Sturm nötigte sein
Schiff,
[* 6] in einem galicischen
Hafen Zuflucht zu suchen;
I. ward hier erkannt und nach
Madrid
[* 7] gebracht.
(franz., vom span. und ital.
infante,
»Knabe,
Knecht, Fußsoldat«),
seit dem 17. Jahrh. übliche, heute allgemeine Bezeichnung des
Fußvolkes in den
Heeren.
Die I. ist die älteste und ursprünglichste Art der
Kämpfer und von jeher der
Kern und Hauptbestandteil aller
geordneten
Heere. Sie wird zwar von der
Reiterei übertroffen an
Schnelligkeit und
Wucht des
Angriffs, von der
Artillerie an Tragweite
und Wirksamkeit des
Feuers, aber sie allein kann selbständig ein
Gefecht führen, ist unabhängig vom Gelände (die
Waffe für
alle
Fälle) und entscheidet allein über den dauernden
Besitz des Kampffeldes; sie bildet somit in allen
Heeren die erste Hauptwaffe und die Hauptmasse. Dagegen wird sie in der geplanten
Schlacht wie im
Kampf um befestigte
Stellungen
der
Artillerie nicht nur eine wesentliche Mitwirkung, sondern auch einen Teil der Vorbedingungen des Erfolgs überlassen
müssen. In der Bedeutung
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mehr
für Aufklärung und Sicherung steht sie hinter der Kavallerie zurück und kann nur in schwierigem Gelände und unmittelbarer
Nähe des Feindes mit dieser wetteifern.
Bei den Römern waren die den schweren Spieß führenden Triarier die eigentlich schwere I., die mit dem Pilum
[* 14] bewaffneten Hastaten
und Principes eine mittlere, die Veliten erst die leichte I. (s. Fechtart).
[* 15] Ähnliche Einrichtungen bestanden bei allen Kulturvölkern
des Altertums. Ein Versuch des Marius, eine einheitliche I. in Bewaffnung und Verwendung zu schaffen, mißglückte;
in der spätern Kaiserzeit verfiel die I. gänzlich und tritt hier wie bei den andern Kulturvölkern in den ersten Jahrhunderten
des Mittelalters nirgends besonders hervor.
Nach Karl d. Gr. aber bleibt sie hinter der Reiterei des aufblühenden Rittertums mehr und mehr und schließlich
ganz zurück, um erst in den Freiheitskämpfen der Schweizer gegen Österreich
[* 16] und Burgund und in den Hussitenkriegen von neuem
zur Hauptwaffe sich aufzuschwingen. Ihre Hauptwaffe, die Hellebarde, zum Handgemenge zwar vortrefflich, reichte indes nicht
aus, die zum Fußkampf abgesessenen, schwer gepanzerten Ritter, wie bei Sempach, zu durchbrechen. Dies zwang sie,
einen Teil der I. auch mit Schild und Panzer und langem Spieß zu waffnen; die Hauptmasse jedoch blieb, um leicht beweglich
zu sein, ohne Rüstung und führte in wachsender Zahl die Armbrust
[* 17] und später Feuergewehre, doch blieb der Spieß, welcher
bald die Hellebarde verdrängte, noch lange Hauptwaffe.
Während sich hier unter besondern Verhältnissen auf der Basis des Volkscharakters ein dem kommenden
Zeitalter und allen Nationen mustergültiges Fußvolk entwickelt, scheitern in Frankreich die Versuche, ein solches heranzubilden,
bei den Francsarchers (s. d.). Das 200jährige Ringen um die Freiheit hatte in der Schweiz
[* 18] ein Volk von außerordentlicher Kriegstüchtigkeit
großgezogen, welches den Krieg um seiner selbst willen, als Handwerk, suchte und nun hinauszog in aller
HerrenLänder, seine Dienste
[* 19] anbietend (s. Schweizerregimenter).
Die Schweizer wie die als Söldner vielbegehrten Böhmen
[* 20] brachten das Fußvolk wieder zu Ehren, welches als eine der Reiterei ebenbürtige
Waffe sich Anerkennung verschaffte. So entstanden um die Wende des 15. und 16. Jahrh. die Landsknechte
[* 21] (s. d.),
eine internationale I., welche dem Kriegswesen bis in das 17. Jahrh. hinein sein Gepräge
aufdrückte. Neben dem mit Rüstung und langer Pike ausgestatteten schweren Fußvolk mehrt sich nach und nach das leichte, mit
Arkebuse und Muskete bewaffnete, welches, wie im Altertum, vor den schwerfälligen Haufen der Pikeniere in
zerstreuter Fechtart, als »verlorner Haufe« das Gefecht eröffnet. Um diese Schützen aber fester in die Hand
[* 22] zu bekommen, stellte
man sie auf die Flügel der Pikeniere, Schützenflügel, und wie dann nach und nach alle Piken durch die inzwischen verbesserten
Handfeuerwaffen
[* 23] ersetzt wurden, verschwindet gegen Ende des 17. Jahrh.
das Schützengefecht ganz,
damit auch der Unterschied zwischen schwerer und leichter I. Gleichzeitig beginnt das regelrechte
Exerzieren, die Einteilung der Regimenter in Bataillone und damit die Verbindung der taktischen mit der administrativen Einheit.
Durch die Einführung des Bajonetts war die Pike ersetzt. Die mit der Bajonettflinte (fusil) bewaffnete I.
wurde nach ihr Füsiliere (s. d.) genannt. Da dieselbe bald die alleinige Waffe bildete, war auch in dieser Beziehung eine
Einheitsinfanterie erreicht. Allerdings waren auch die Namen der Musketiere und Grenadiere (s. d.) geblieben, doch bestanden
Unterschiede in der taktischen Verwendung, mit Ausnahme der Grenadiere, nicht. Je mehr die Waffe an Feuerwirkung
gewann, um so geringer wurde die Tiefe der Aufstellung behufs Ausnutzung des Feuergewehrs.
Und dennoch machte sich auch ihm das Bedürfnis nach leichter I. für den Sicherheitsdienst und den kleinen Krieg
fühlbar, obgleich es ihm gelang, die Kavallerie für diesen Dienst zu einer noch heute mustergültigen Entwickelung zu bringen.
So entstanden die Jäger, die Schützen, die Freibataillone und Freiregimenter als Ergänzung der Linieninfanterie, die für
das zerstreute Gefecht unverwendbar war, auch nicht verwendet werden durfte, da Friedrich d. Gr. ihr das Betreten
von Ortschaften auf dem Schlachtfeld untersagt hatte.
Nach Friedrichs d. Gr. Tod erstarrte die I. in diesen Formen, denn der Geist, der sie belebt hatte, war verschwunden. Aber die
französische Revolution durchbrach auch diese Schranken. Für die zusammengerafften Heere der Republik war die Lineartaktik unbrauchbar,
da in der Hast ihres Handelns für den Drill keine Zeit blieb. Man griff demnach zurück zur Stoßtaktik
geschlossener Kolonnen, vor denen leichte I. im Schützengefecht den Kampf eröffnete. Indessen Napoleon verlangte nur Eine
I., wollte von einer Scheidung in schwere und leichte nichts wissen, sondern seine I. beliebig, nach Bedarf sowohl geschlossen
wie in zerstreuter Ordnung, als Tirailleure, verwenden.
Eine numerisch geringe Ausnahme machten die mit gezogenen Gewehren (Büchsen) bewaffneten Scharfschützen (Jäger), die gegenüber
der das glatte Gewehr führenden I. für das Schützengefecht ebenso geeignet wie unentbehrlich waren. Aber auch Napoleon ist
seinem Ausspruch: »Ich will nur Eine I., aber eine gute!« nicht treu geblieben. Er bildete durch Auswahl
der Offiziere und Mannschaften aus allen Regimentern eine Eliteinfanterie, seine Garden (s. d.), eine Schlachtenreserve und
in jedem Bataillon eine Elite, die Voltigeurkompanie, aus kleinern, gewandtern und intelligenten Leuten für den Schützenkampf.
Diese Einrichtung fand nach dem Vorgang Österreichs in Preußen
[* 24] 1812 darin Nachahmung, daß der dritte
Zug
jeder Kompanie einen Schützenzug bildete und dem entsprechend die besten Schützen und gewandtesten Leute erhielt. Dem gleichen
Gedanken entsprach die Formierung der Füsilierregimenter aus den ehemaligen Reservebataillonen bei Reorganisation der
preußischen Armee 1860. Die
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