Nur in der
Sixtinischen Kapelle zu
Rom
[* 3] werden die I. seit 1560 nach der Bearbeitung
Palestrinas (als Fauxbourdons, in achtstimmigem schlichten
Satz,
Note gegen
Note,
ausgezeichnet durch erhabene Einfachheit und süße Klangfülle) gesungen.
(franz.), im allgemeinen die
Kunst, etwas ohne alle Vorbereitung aus dem
Stegreif zu verrichten. Doch
bezieht man die I. bloß auf die ästhetische
Kunst und zwar erst in der neuern Zeit in ausgedehnterm
Umfang. So war
Reynolds
der erste, welcher diesen
Ausdruck auf die
Malerei übertrug und darunter schnell entworfene Gemälde verstand.
In der
Musik ist I. die
Kunst, eine
Komposition ohne Vorbereitung, ohne vorausgängige schriftliche Aufzeichnung, direkt vom
Instrument zu schaffen.
Die meisten großen
Meister der
Tonkunst werden auch als Improvisatoren auf dem
Klavier oder der
Orgel gerühmt.
Man unterscheidet I. und freie
Phantasie, indem man bei ersterer ein strenges
Binden an eine Form mit versteht. Bei der dramatischen
Rollendarstellung begreift man unter I. entweder die unvorbereitete Ausführung einer
Rolle überhaupt, oder die Ausführung
derselben nach dem Hauptschema oder nach der Andeutung allgemeiner
Umrisse. Am gewöhnlichsten jedoch meint
man damit die Fertigkeit, einen
Gedanken oder ein
Gefühl des
Augenblicks sofort in dichterische Form zu bringen.
Man hat zweierlei Improvisatoren zu unterscheiden: solche, die aus eignem innern Drang im gegebenen
Augenblick, also nur durch
die Gelegenheit äußerlich angeregt, ihre
Begeisterung in dichterischer Fassung zu äußern vermögen, und solche, welche
die I. zu einem öffentlichen Erwerbszweig machen. Für beide ist die I. ein
Geschenk der
Natur; sie erfordert
Reichtum der
Phantasie, ein gutes
Gedächtnis, Leichtigkeit der Auffassung und schnelle Ideenverknüpfung.
Das Einheitliche des
Schaffens und Preisgebens ist das Wesentliche der I. Es gibt wohl Dichter, welchen ein gutes
Gedächtnis gestattet, bei irgend welchen Gelegenheiten sich ein
Gedicht im
Kopfe fertig zu machen und vorzutragen;
das ist jedoch nicht improvisiert, sondern die gewöhnliche, nur raschere, der Niederschrift entbehrende poetische
Produktion;
der Improvisator läßt seine
Dichtung vor unsern
Augen und
Ohren entstehen, er denkt gleich in
Rhythmus und
Reim, und dasPublikum
lebt sein Dichten mit. Für den öffentlichen Improvisator aber gilt vor allem
GoethesWort, daß der Dichter nicht »auf
Stimmung
warten« dürfe, sondern »die
Poesie kommandieren« müsse. Es gehört ungewöhnliche
Kraft,
[* 4] Gegenwart und Unerschrockenheit
des
Geistes zur öffentlichen I., deshalb ist sie selten und wird mit
Recht bewundert.
Man findet Improvisatoren am häufigsten unter phantasiereichen Völkern, namentlich unter den Bewohnern
südlicher Himmelsstriche, aber auch bei noch ganz ungebildeten Völkerstämmen. Bei den
Römern zeichnete sich, nach
Ciceros
Mitteilung, der Dichter
Archias durch Leistungen dieser Art aus. In der neuern Zeit ist die I. zuerst in
Spanien
[* 5] und
Italien
[* 6] aufgeblüht; als die ersten Improvisatoren
Italiens
[* 7] werden
Petrarca und Lorenzo de'
Medici genannt. Bei
dem Wiederaufblühen der
Wissenschaften nahm die Zahl der Improvisatoren bedeutend zu. Sie dichteten in der Gelehrtensprache,
im
Latein, bis die
italienische Sprache, zur Schriftsprache erhoben, auch dem Improvisator sich durch ihre
Harmonie und
Biegsamkeit
empfahl.
ItalienischeFürsten, insbesondere die
Höfe zu
Neapel,
[* 8]
Mailand,
[* 9]
Ferrara,
[* 10]
Mantua,
[* 11] zogen oft zahlreiche
Improvisatoren
an sich; so
PapstLeo X., der Mediceer, unter welchem vor andern
AndreaMarone (gest. 1527) und der vom
Papst zum
archipoeta (»Erzpoet«) ernannte
Hofnarr Querno glänzten, welch letzterer für gelungene Improvisationen aus des
Papstes eignem
Becher
[* 12]
Wein zu trinken bekam.
Die übrigen bedeutendsten italienischen Improvisatoren sind folgende: Niccolò Leoniceno von
Vicenza (1428-1524), Serafino
von
Aquila (1466-1500);
beide wurden bei weitem überflügelt von
BernardoAccolti von
Arezzo, welcher
Aretinos Zeitgenosse war
und vor 1534 lebte.
Sein ebenso talentvoller
Rival war Christofero von
Florenz.
[* 13] Gegen das Ende des 16. Jahrh. that
sich vor allen Silvio Antoniani (vorzugsweise poetino genannt) hervor. Ein berühmter Improvisator der spätern Zeit war
Bernardino Perfetti (geb. 1680 zu
Siena, gest. 1747 in
Rom), der sich zuerst in allen in
Italien üblichen
Formen versuchte und 1725 vom
PapstBenedikt XIII. auf dem
Kapitol feierlich gekrönt wurde. Auch der
Dramatiker Pietro
Metastasio versuchte
sich nicht ohne
Glück in der I. Sogar
Frauen traten als Improvisatricen auf, so namentlich Corilla Olimpica (eigentlich
MaddalenaMorelliFernandez), welche gleichfalls 1776 auf dem
Kapitol gekrönt ward; die
Dame Mazzei, die sich sogar in der
Tragödie versuchte;
Fortunata Sulgher-Fantastasi aus
Livorno,
[* 14] Teresa Bandettini,Rosa Taddei,
CäciliaMicheli von
Venedig,
[* 15]
Barbara
von
Correggio und Giovanna de' Samti.
gehören hierher. In Frankreich gab seit 1825 Eugène de Pradel improvisatorische Abendunterhaltungen und erntete vielen Beifall;
ebenso in Holland de Clerq, der meist didaktische Gedichte vortrug, jedoch nie öffentlich auftrat. In Deutschland
[* 19] ist die
Kunst der I. älter, als man gewöhnlich annimmt; schon die Minnesänger und Troubadoure, zum Teil selbst
die Meistersänger, waren in der Kunst der I. wohl geübt. Aus neuerer Zeit sind die Dichter Burmann, ein Zeitgenosse der Karschin,
und DanielSchubart, ebenso Hoffmann von Fallersleben als Meister der poetischen Stegreifsdichtung hervorzuheben, wenn sie auch
nicht als öffentliche Improvisatoren auftraten. Nicht unerwähnt dürfen wir auch unsre Alpenbevölkerung lassen,
soweit sie mit dem Gesang ihrer Vierzeiler (Schnaderhüpfel etc.) die freie Dichtung aus dem Stegreif verbindet, sei es zu Liebes-,
sei es zu Lust- und Streitgesängen. In dieser I. war Franz v. Kobell ein Meister. Nach dem Muster der Spanier und Italiener war
der erste deutsche ImprovisatorO. L. B. Wolff (s. d.), der dann in M. Langenschwarz (geb.
1806) einen glücklichen Nachahmer fand. Letzterer versuchte sogar eine wissenschaftliche Theorie der I. in dem Buch »Die Arithmetik
der Sprache,
[* 20] oder der Redner durch sich selbst« (Leipz. 1834) zu geben.