werden, und in der That brachte er es bereits in fünf
Monaten so weit, daß er die
Universität beziehen konnte. Hier widmete
er sich nun eine Zeitlang unter den drückendsten Entbehrungen dem
Studium der
Medizin; die
Not stieg endlich so hoch, daß
er sein
Schauspiel
»Catilina«, welches er inGrimstad im
Selbstverlag herausgegeben hatte, als
Makulatur verkaufen
mußte. Diese traurigen Verhältnisse sowie der Umstand, daß
er den medizinischen
Studien kein rechtes
Interesse abgewinnen
konnte, veranlaßten ihn im
Januar 1851 zur Übernahme der Redaktion eines politisch-satirischen Wochenblattes (titellos,
doch gewöhnlich
»Manden« genannt), welches indessen schon nach neun
Monaten eingehen mußte.
Inzwischen hatte der bekannte Geigenvirtuose
Ole Bull die Begabung des jungen
Mannes erkannt und ihn an
das neugegründete
Theater in
[* 2]
Bergen
[* 3] berufen. Hier wirkte I. nun sechs Jahre lang als
Regisseur und Theaterdichter, in welch
letzterer
Eigenschaft er alljährlich zum Gründungstag des
Theaters(2. Jan.) ein
Drama verfassen mußte. Er hat
später diese Gelegenheitsstücke bis auf ein einziges verworfen und auch das letztere, »Fru
Inger til østraat«
(»Frau Inger von Östraat«),
vollständig umgearbeitet. Der Aufenthalt in
Bergen wurde ihm indessen aus
mancherlei
Gründen immer unangenehmer, und so siedelte er denn 1857 als Theaterdirektor nach
Christiania
[* 4] über. Hier veröffentlichte
er zunächst das
Drama »Hærmændene paa Helgeland« (1858; deutsch:
»NordischeHeerfahrt«,
Münch. 1876)
und verfaßte das erst 1864 erschienene
Stück »Kongsoemnerne ^[Kongsœmnerne]« (deutsch: »Die
Kronprätendenten«, Berl. 1872) und das satirische
Lustspiel »Kjærlighedens Komedie« (»Die
Komödie der
Liebe«, 1862). Mit letzterer
Dichtung betrat er zum erstenmal die
Bahn des gesellschaftlichen
Reformators, die er
seitdem nie verlassen hat. Das
Stück rief einen wahren
Sturm der Entrüstung gegen ihn hervor; außerdem
brach über das
Theater der
Konkurs aus, und die Nichtbeteiligung
Norwegens an den kriegerischen Ereignissen in
Dänemark
[* 5] (1864)
verstimmte ihn tief. Er verließ daher im Frühjahr 1864 sein Vaterland und reiste nach
Rom,
[* 6] wo er die
Dramen: »Brand« (1866; deutsch von
Siebold,
Kassel
[* 7] 1872; von
Wolzogen, Leipz. 1877) und
»Peer Gynt« (1867; deutsch 1880),
in welchem die
Konflikte unterJulian Apostata
behandelt sind, veröffentlichte.
Waren die
oben erwähnten
Stücke in vortrefflichen, klangvollen
Versen abgefaßt, so bediente
sich der Dichter in dem
Lustspiel
»DeUnges Forbund« zum erstenmal einer knappen und charakteristischen
Prosa, die er auch in
seinen spätern
Dramen beibehalten hat. Von
Rom ging I. 1868 nach
München,
[* 8] vonMünchen nach
Dresden
[* 9] und
von
Dresden 1875 wieder nach
Rom. Im
Sommer 1885 verweilte er zum erstenmal seit 21
Jahren wieder in
Norwegen,
[* 10] von wo er nach
vorübergehendem Aufenthalt in
München nach
Rom zurückkehrte.
Obwohl I. also nicht
in direkter Berührung mit seinem Vaterland steht, so tragen doch seine
Dramen sämtlich
ein durchaus norwegisches Gepräge, wie sie sich denn auch äußerlich an heimatliche Verhältnisse anlehnen. Freilich nicht
in dem
Sinn, daß I. diese Verhältnisse glorifiziert, im Gegenteil, seine stark ausgeprägte
Individualität macht ihn zum
energischen Gegner des in seinem Vaterland noch auf so vielen Gebieten herrschenden Konventionalismus. Er greift denselben
in allen seinen neuern
Schriften an, bald von dieser,
bald von jener Seite.
So in »Samfundet
Støtter« (1877;
deutsch: »Die
Stützen der
Gesellschaft«, Leipz. 1878) die Hohlheit u.
Heuchelei der
Gesellschaft, in »Et Dukkehjem« (1879; deutsch:
»Nora«, das. 1879) die mangelhafte
Erziehung und die unwürdige gesellschaftliche
Stellung der
Frau, in »En
Folkefiende« (1882; deutsch: »Ein Volksfeind«, das.
1883) die sogen. öffentliche Meinung, in »Gjengangere«
endlich die moderne
Ehe. In letzterm
Stück (deutsch unter dem wenig zutreffenden
Titel
»Gespenster«, Leipz. 1883) illustriert
er überdies in höchst wirkungsvoller
Weise den alten
Satz, daß die
Sünden der
Väter, hier geschlechtliche
Ausschweifungen,
an denKindern heimgesucht werden, und versetzt nebenher der religiösen
Heuchelei einige kräftige Keulenschläge.
In seinen neuesten
Dramen: »Vildanden« (»Wildente«,
1884) und »Romersholm« (1886) setzt I. die satirisch-reformatorische
Richtung fort, doch haben dieselben weniger Aufsehen erregt. Auch als
Lyriker ist I. thätig gewesen, und mehrere von seinen
Gedichten gehören zu den
Perlen der norwegischen Litteratur. Sie sind gesammelt unter dem
Titel: »Digte«
(2. vermehrte Aufl. 1875; deutsch von H.
Neumann, Wolfenb. 1886, und von
Passarge, Leipz. 1886).
Flecken und Kreishauptort im preuß. Regierungsbezirk
Osnabrück,
[* 11] am südlichen Abhang des
TeutoburgerWaldes, 126 m ü. M.,
hat ein
Amtsgericht, ein altes
Schloß mit stattlichem Rittersaal (darin zahlreiche
Porträte,
[* 12] namentlich der sämtlichen
Osnabrücker
Fürstbischöfe), ein ehemaliges Benediktinerkloster (1136 gegründet, im 16. Jahrh. aufgehoben,
jetzt
Domäne), die ältesteLinnenleggeHannovers und (1885) 1015 meist kath. Einwohner.
griech.
Lyriker, aus
Rhegium in Unteritalien, um 530
v. Chr. blühend, führte ein Wanderleben und hielt sich
längere Zeit auch in
Samos am
Hof
[* 13] des
Polykrates auf. Einer Grabschrift zufolge starb er in seiner Vaterstadt; nach einer andern,
durch
Schillers Gedicht »DieKraniche des Ibycus« bekannten
Sage des
Altertums soll er vielmehr auf der
Fahrt
zu den
IsthmischenSpielen von
Räubern ermordet, die
Entdeckung der Übelthäter aber durch
Kraniche herbeigeführt worden sein.
I.' Hauptruhm gründete sich auf seine erotischen
Lieder, die eine glühende
Sinnlichkeit atmen. Sammlung der spärlichen Überreste
seiner 7
Bücher Gedichte in
Schneidewins »Delectus poesis Graecorum elegiacae«
(Götting. 1839) u.
Bergks
»Poetae lyrici graeci« Bd. 3.
der
Ausdruck, womit dasSubjekt sich als solches bezeichnet und von dem, was nicht zu ihm gehört,
dem Nicht-Ich, unterscheidet. Dem Ich steht also nicht bloß das
Du entgegen, d. h. ein Nicht-Ich, in welchem das Ich sich
selbst wiederfindet oder ein ihm gleiches
Wesen anerkennt, sondern überhaupt
¶
mehr
jedes Ding und jede Wesenheit, die nicht zum Inhalt des subjektiven Bewußtseins gehört. Dagegen kann das Subjekt auch sich
selbst zum Gegenstand der Reflexion,
[* 20] d. h. zum Objekt, machen, und dieses Sich-selbst-objektivieren ist das Wesen des Selbstbewußtseins
und nächst der Unterscheidung seiner selbst vom Nicht-Ich die wichtigste Thätigkeit des Ich. Philosophisch
hat zuerst Descartes den denkenden, sich seiner bewußten Geist als Ich bestimmt. Es kam dabei besonders darauf an, zu sagen,
was eigentlich zu dem Wesen des Ich gehört, und was sich nur zufällig daran anknüpft. Dies führte auf die Unterscheidung
vom empirischen und reinen Ich, welches in der PhilosophieFichtes eine so wichtige Rolle spielt.
Das empirische Ich ist ein zeitlich entstandenes, veränderliches, neuen Zusätzen und Umbildungen entgegensehendes Subjekt.
Ich ist dieses bestimmte Individuum mit diesen bestimmten Meinungen, Erinnerungen, Neigungen etc., die in beständiger Fluktuation
sich befinden und für jeden andre sind. Faßt man aber die Veränderungen ins Auge,
[* 21] welche in unserm
Bewußtsein vorgehen, sieht man, wie es bald körperliche Zustände sind, welche den Gegenstand desselben ausmachen,
bald bestimmte Bestrebungen, Gemütslagen oder Personenverhältnisse als Hauptinhalt unsers innern Lebens sich darstellen:
so kann man mit Grund zweifelhaft werden, ob das Ich etwas Beharrliches sei.
Fichte
[* 22] glaubte das Wesen des Ich in nichts anderm als in der Reflexion auf sich selbst suchen zu müssen;
er stellte die Definition auf: »das Ich ist das mit seinem Objekt identische Subjekt«, und leitete von diesem obersten Satz sein
ganzes System ab. Alles andre, was sich im Bewußtsein dieses oder jenes findet, die ganze Fülle von Vorstellungen
und Empfindungen sind nur verschiedenartig modifizierte Produktionen des Ich und nicht zu seinem Wesen selbst gehörig, welch
letzteres vielmehr in nichts als in der reinen Thätigkeit des Sich-selbst-erkennens besteht: »das
Sein des Ich ist sein Sich-setzen und umgekehrt«, und »das Ich ist
zugleich Produzent und Produkt, die Ichheit reine, absolute Produktivität«, so lauten die Formeln, in
denen Fichte das reine Ich darstellte.
Aus dem Satz: »das Ich setzt sich selbst«, worin die Urthat des Ich und der
Anfang alles Wissens ausgedrückt wird, leitet Fichte als zweite, mit der ersten unmittelbar verbundene und unabtrennliche
Handlung des Bewußtseins die ab, daß das Ich sein Selbst jedem andern entgegensetzt, sich als Objekt einer
bestimmten Vorstellung von allem andern, was nicht diese Vorstellung ist, unterscheidet. Dies wird in der Formel ausgesprochen:
»das Ich setzt ein Nicht-Ich«. Zu diesen zwei Aktionen des Ich kommt, um die Thätigkeit des Ich abzuschließen, noch eine
dritte.
Sollen nämlich jene beiden entgegengesetzten Vorstellungen in einem und demselben Bewußtsein vereinigt
werden, so kann dies nur dadurch geschehen, daß beide sich gegenseitig beschränken und abgrenzen. Daher die dritte Aktion
des Ich: »das Ich setzt sich als bestimmt (beschränkt) durch das Nicht-Ich«,
d. h. das vorhin als reines oder leeres Bewußtsein noch ganz bestimmungslos gedachte Vermögen des Wissens
hat in sich eine Bestimmung aufgenommen, nämlich die Vorstellung eines Nicht-Ich, eines andern (einer Welt), so jedoch, daß
es sich zugleich auch dieses seines Denkens dabei bewußt bleibt; es hat sich in einer Vorstellung qualifiziert mit dem Bewußtsein,
daß diese Vorstellung oder innere Selbstbestimmung nur seine eigne Vorstellung, nur eine Modifikation
seiner selbst sei (Idealismus).
Herbart dagegen erklärt die
von Fichte dem Ich beigelegte absolute Produktivität für eine Erschleichung, leugnet die reelle
Existenz des sogen. reinen Ich, dessen Begriff nicht nur ganz leer, sondern auch in sich widersprechend sei, und weist nach,
daß die Ichvorstellung ein Phänomen neben andern Phänomenen des geistigen Lebens sei und als solches,
wie jede andre psychische Erscheinung, ihre Geschichte habe. Daher kann es nicht nur geschehen, daß die Ichvorstellung zeitweise
aus dem Bewußtsein schwindet (wie es z. B. im Schlaf, in der Ohnmacht etc. geschieht), sondern auch, daß (allerdings nicht
zugleich) mehrere verschiedene Ichvorstellungen in demselben Subjekt vorhanden sind (wie es z. B. bei dem Wahnsinnigen der
Fall ist, der sich im Delirium für einen andern hält, als der er im lichten Zustand ist). Die große Wichtigkeit der Ichvorstellung
erhellt daraus, weil ohne Vorhandensein derselben von seiten des Subjekts keine Aneignung der im Bewußtsein
vorhandenen Zustände (Vorstellungen, Gefühle, Strebungen) als der seinigen statthaben, demselben daher irgend ein Einfluß
auf diese (hemmend oder fördernd) nicht zugemutet werden kann. Zurechnungsfähigkeit (s. Zurechnung) setzt daher jederzeit
das Vorhandensein des Ich voraus.