Esra (eigentlich Abraham ben Meïr ibn Esra, in mittelalterlichen Schriften Abraham Judaeus, Abenare und Avenara genannt),
jüd. Schrifterklärer, stammte aus Toledo, wo er zwischen 1093 und 1097 geboren wurde, verließ früh sein Vaterland, durchreiste
Ägypten, Frankreich, England, überall seinen Studien, welche Exegese, Grammatik, Dichtkunst, Mathematik, Astronomie und Philosophie
umfaßten, ergeben, bis er 1167 starb. Seine Bibelkommentare sind in den sogen.
rabbinischen Bibeln (in Venedig, Basel,
Amsterdam u. a. O. gedruckt) und in Einzelausgaben vorhanden, von mehreren biblischen
Büchern existiert der Kommentar in doppelter Rezension.
Mit Scharfsinn und Genialität legte er die Schrift aus, schrieb gediegene grammatische Abhandlungen, Aufsätze philosophischen,
mathematischen und astronomischen Inhalts, dichtete Hymnen zum Synagogengebrauch und zeigte auch in Rätseln,
poetischen Einleitungen und Nachschriften u. a. dichterische Begabung. Eine Sammlung seiner »Reime und Gedichte« gab Rosin in
deutscher Übersetzung heraus (Bresl. 1885 ff.).
Vgl. Friedländer, Essays (Lond. 1877);
Bacher, Ibn Esras Einleitung zu seinem
Pentateuch-Kommentar (Wien 1876);
Derselbe, Abr. I. als Grammatiker (Straßb. 1882);
Steinschneider, A. ibn Esra
(in »Zur Geschichte der mathematischen Wissenschaften im 12. Jahrhundert«, Berl. 1880);
Karpeles, Geschichte der jüdischen
Litteratur, Bd. 1 (das. 1886).
Kuteiba, Abu Mohammed Abdallah ben Musallem, berühmter arab. Sprachgelehrter und Historiker, gestorben um 890 in
Bagdad, verfaßte 40 Schriften, worunter ein »Handbuch der Geschichte«
(hrsg. von Wüstenfeld, Götting. 1850, und von Sprenger, Kalkutta 1851) am bekanntesten geworden ist.
Thofail, Abubekr Mohammed ben Abd ul Mêlik, auch Abubacer genannt, arab. Dichter und Philosoph, geboren zu Berschan
bei Almeria im südlichen Spanien, gest. 1188 in Marokko, schrieb unter anderm eine Art von philosophischem
Roman: »Haï Ibn Yokdhan« (»Der Naturmensch«),
angeblich eine Übersetzung aus dem Persischen (lat. mit Text von Pococke, Oxf.
1671, 1700; deutsch von Eichhorn, Berl. 1782), der seiner Zeit in großem Ruf stand, und in dem er zu zeigen sucht, daß der
Mensch ohne alle Offenbarung durch bloße Naturerkenntnis im stande sei, zur Erkenntnis Gottes zu gelangen.
1) Stadt in Westafrika, auch Ebo genannt, an der Spitze des Nigerdelta, Hauptmarkt für Palmöl, das von hier auf
dem Nun oder Braß zur Küste geht, bewohnt von 6000 Negern, welche zum Stamm des I. oder Igbo gehören, die
sich im Osten des Niger bis zum Altcalabar ausbreiten. - 2) Insel und Stadt in Ostafrika, im portugiesischen Mosambik, mit 2500 Einw.
(Negern, Arabern, Banianen, 15 Europäern), Sitz eines Gouverneurs und einiger europäischer Handelshäuser. Die Stadt enthält
zahlreiche ehemals großartige und prächtige Bauten, die jetzt ausnahmslos in Trümmern liegen. Ausgeführt
werden Kaurimuscheln und Sklaven. Die Insel gehört mit 27 andern zum Quirimba-Archipel, der mit einigen Faktoreien an der
Küste des Festlandes den von (1873) 6590 Menschen (darunter 5150 Sklaven) bewohnten Distrikt I. bildet, dessen Produkte vornehmlich
in Sesam, Manna, Orseille und Schildkröten bestehen.
Pascha, Adoptivsohn des Vizekönigs Mehemed Ali von Ägypten, geb. 1789, eröffnete seine kriegerische Laufbahn
mit einem
Feldzug gegen die Wahabiten, deren Unterwerfung er 1819 vollendete, wandte darauf seine Waffen gegen die Araber und
machte die barbarischen Völker von Senaar und Dar Fur zinspflichtig. Nachdem er schon 1824 die ägyptische
Flotte im Ägeischen Meer befehligt, welche den Türken zur Bekämpfung des griechischen Aufstandes zu Hilfe gekommen war, landete
er 22. Febr. 1825 mit einem 20,000 Mann starken, gut geschulten Heer im Hafen von Modon und eroberte in wenigen Monaten den ganzen
Peloponnes sowie, mit den Türken vereint, im April 1826 Missolunghi.
Hierauf machte er den Peloponnes in kurzem einer Wüste ähnlich und schleppte im Dezember 10,000 Flüchtlinge aus Tripolizza,
Kalamata etc. in die Sklaverei. Als er 1827 durch die Intervention der Schutzmächte Griechenlands gezwungen worden war, den Peloponnes
zu räumen, unternahm er 1831 die Unterwerfung Syriens, welches sein Vater zur Vormauer eines ägyptisch-kretischen
Reichs zu machen sich vorgenommen hatte. Er nahm die Festung St.-Jean d'Acre 25. Mai 1832 mit Sturm, eroberte dann ganz Syrien und
Palästina und nötigte die Pforte durch die Schlacht bei Konia (20. Dez. 1832) und die Gefangennahme des Großwesirs, 6. Mai 1833 Syrien
und Adana an Ägypten abzutreten.
Indes die ägyptische Herrschaft in Syrien, wo I. Statthalter war, war so gewaltthätig und drückend, daß die Bevölkerung,
welche auch 1834 einen Aufstand versuchte, die Abschüttelung dieses verhaßten Joches ersehnte. 1838 begann zwischen Ägypten
und der Pforte der Krieg von neuem. I. schlug die Türken 24. Juni 1839 bei Nisibis, wurde jedoch von einer
Flotte der Engländer, Russen und Österreicher, die zu Ende 1840 erschien und sich der festen Plätze an der Küste bemächtigte,
sowie durch die Erhebung der Bevölkerung zum Rückzug gezwungen, worauf Mehemed Ali auf Syrien wieder verzichtete.
Seitdem in Zurückgezogenheit lebend, beschäftigte sich I. vornehmlich mit Hebung des Ackerbaues auf seinen
Gütern. Von Mehemed Ali in geheimen Stipulationen mit der Pforte zu seinem Nachfolger designiert, trat er, als jener allmählich
in Altersschwäche verfiel, als künftiger Herrscher mehr und mehr in den Vordergrund und ward im Juli 1848, als er in Konstantinopel
anwesend war, als Nachfolger Mehemeds bestätigt. Er starb jedoch schon 10. Nov. 1848 in Kairo, nachdem er
lange krank gewesen und im Winter 1847-48 vergeblich in italienischen Bädern Hilfe gesucht hatte. Ihm folgte, mit Umgehung seiner
eignen Nachkommenschaft, Mehemed Alis leiblicher Enkel Abbas Pascha.
(pers.), im Orient eine Art Wasserkanne antiker Form, mit dünnem Hals und ovalem Bauch;
I.-dar
(»Kannenbehälter«),
eine nicht unbedeutende Hofcharge in den islamitischen Staaten.
Henrik, norweg. Dramatiker, geb. 20. März 1828 zu Skien in Norwegen als Sohn eines Kaufmanns, verlebte seine erste
Jugend in äußerst glänzenden Verhältnissen, bis sein Vater 1836 Konkurs machte und die Zustände im
elterlichen Haus nun ebenso drückend wurden, wie sie vorher glänzend gewesen waren. Daß dieser jähe Umschlag seine Einwirkung
auf das empfängliche Gemüt des Knaben nicht verfehlt hat, beweisen uns die Schöpfungen des spätern Dramatikers an mehr als
einer Stelle. Mit 16 Jahren kam er nach dem benachbarten Grimstad als Apothekerlehrling, entsagte aber bald
diesem Beruf und reiste nach Christiania, wo er in eine sogen. Studentenfabrik eintrat. Sein Plan war, Arzt zu
mehr
werden, und in der That brachte er es bereits in fünf Monaten so weit, daß er die Universität beziehen konnte. Hier widmete
er sich nun eine Zeitlang unter den drückendsten Entbehrungen dem Studium der Medizin; die Not stieg endlich so hoch, daß
er sein Schauspiel »Catilina«, welches er in Grimstad im Selbstverlag herausgegeben hatte, als Makulatur verkaufen
mußte. Diese traurigen Verhältnisse sowie der Umstand, daß er den medizinischen Studien kein rechtes Interesse abgewinnen
konnte, veranlaßten ihn im Januar 1851 zur Übernahme der Redaktion eines politisch-satirischen Wochenblattes (titellos,
doch gewöhnlich »Manden« genannt), welches indessen schon nach neun Monaten eingehen mußte.
Inzwischen hatte der bekannte Geigenvirtuose Ole Bull die Begabung des jungen Mannes erkannt und ihn an
das neugegründete Theater in Bergen berufen. Hier wirkte I. nun sechs Jahre lang als Regisseur und Theaterdichter, in welch
letzterer Eigenschaft er alljährlich zum Gründungstag des Theaters (2. Jan.) ein Drama verfassen mußte. Er hat
später diese Gelegenheitsstücke bis auf ein einziges verworfen und auch das letztere, »Fru
Inger til østraat« (»Frau Inger von Östraat«),
vollständig umgearbeitet. Der Aufenthalt in Bergen wurde ihm indessen aus
mancherlei Gründen immer unangenehmer, und so siedelte er denn 1857 als Theaterdirektor nach Christiania über. Hier veröffentlichte
er zunächst das Drama »Hærmændene paa Helgeland« (1858; deutsch: »Nordische Heerfahrt«, Münch. 1876)
und verfaßte das erst 1864 erschienene Stück »Kongsoemnerne ^[Kongsœmnerne]« (deutsch: »Die
Kronprätendenten«, Berl. 1872) und das satirische Lustspiel »Kjærlighedens Komedie« (»Die
Komödie der Liebe«, 1862). Mit letzterer Dichtung betrat er zum erstenmal die Bahn des gesellschaftlichen Reformators, die er
seitdem nie verlassen hat. Das Stück rief einen wahren Sturm der Entrüstung gegen ihn hervor; außerdem
brach über das Theater der Konkurs aus, und die Nichtbeteiligung Norwegens an den kriegerischen Ereignissen in Dänemark (1864)
verstimmte ihn tief. Er verließ daher im Frühjahr 1864 sein Vaterland und reiste nach Rom, wo er die
Dramen: »Brand« (1866; deutsch von Siebold, Kassel 1872; von Wolzogen, Leipz. 1877) und »Peer Gynt« (1867; deutsch 1880),
das Lustspiel
»De Unges Forbund« (1869; deutsch von Strodtmann: »Bund der Jugend«, Berl. 1872) u. das »weltgeschichtliche«
Schauspiel »Kejser og Galilæer« (»Kaiser und Galiläer«, 1873),
in welchem die Konflikte unter Julian Apostata
behandelt sind, veröffentlichte. Waren die oben erwähnten Stücke in vortrefflichen, klangvollen Versen abgefaßt, so bediente
sich der Dichter in dem Lustspiel »De Unges Forbund« zum erstenmal einer knappen und charakteristischen Prosa, die er auch in
seinen spätern Dramen beibehalten hat. Von Rom ging I. 1868 nach München, von München nach Dresden und
von Dresden 1875 wieder nach Rom. Im Sommer 1885 verweilte er zum erstenmal seit 21 Jahren wieder in Norwegen, von wo er nach
vorübergehendem Aufenthalt in München nach Rom zurückkehrte.
Obwohl I. also nicht in direkter Berührung mit seinem Vaterland steht, so tragen doch seine Dramen sämtlich
ein durchaus norwegisches Gepräge, wie sie sich denn auch äußerlich an heimatliche Verhältnisse anlehnen. Freilich nicht
in dem Sinn, daß I. diese Verhältnisse glorifiziert, im Gegenteil, seine stark ausgeprägte Individualität macht ihn zum
energischen Gegner des in seinem Vaterland noch auf so vielen Gebieten herrschenden Konventionalismus. Er greift denselben
in allen seinen neuern Schriften an, bald von dieser,
bald von jener Seite. So in »Samfundet Støtter« (1877;
deutsch: »Die Stützen der Gesellschaft«, Leipz. 1878) die Hohlheit u. Heuchelei der Gesellschaft, in »Et Dukkehjem« (1879; deutsch:
»Nora«, das. 1879) die mangelhafte Erziehung und die unwürdige gesellschaftliche Stellung der Frau, in »En
Folkefiende« (1882; deutsch: »Ein Volksfeind«, das.
1883) die sogen. öffentliche Meinung, in »Gjengangere«
endlich die moderne Ehe. In letzterm Stück (deutsch unter dem wenig zutreffenden Titel »Gespenster«, Leipz. 1883) illustriert
er überdies in höchst wirkungsvoller Weise den alten Satz, daß die Sünden der Väter, hier geschlechtliche Ausschweifungen,
an den Kindern heimgesucht werden, und versetzt nebenher der religiösen Heuchelei einige kräftige Keulenschläge.
In seinen neuesten Dramen: »Vildanden« (»Wildente«,
1884) und »Romersholm« (1886) setzt I. die satirisch-reformatorische
Richtung fort, doch haben dieselben weniger Aufsehen erregt. Auch als Lyriker ist I. thätig gewesen, und mehrere von seinen
Gedichten gehören zu den Perlen der norwegischen Litteratur. Sie sind gesammelt unter dem Titel: »Digte«
(2. vermehrte Aufl. 1875; deutsch von H. Neumann, Wolfenb. 1886, und von Passarge, Leipz. 1886).
Vgl. G. Brandes, Björnson och
I. (Kopenh. 1882);L. Passarge, Henrik I. (Leipz. 1883);
Jäger, Fra Henrik Ibsens Rusaar (in »Norske Forfattere«, Kopenh.
1883);
Vasenius, H. I. (Stockh. 1883).