(tschech. Husinec),
Marktflecken in der böhm. Bezirkshauptmannschaft
Prachatitz, mit Fabrikation von
Fes,
Wollwaren,
Zündhölzchen, Strumpfwirkerei und (1880) 1731 Einw.;
und Hussitenkriege. Infolge derVerurteilung und
HinrichtungHuß' (s. d.) in
Konstanz
[* 8] steigerte
sich die Aufregung und
Bewegung in
Böhmen
[* 9] auf das höchste. 452
Herren und
Ritter hingen ihre
Siegel dem Schreiben an das
Konzil
an, in welchem gegen die Beschuldigung der Ketzerei Verwahrung eingelegt wurde. Indessen entbehrten die neuen
Lehren
[* 10] noch
vollständig einer Form der Gemeinsamkeit, und der gänzliche Mangel positiver kirchlicher Einrichtungen
erklärt das bald unter den Anhängern des
Huß eingetretene Sektenwesen.
Das einzige
Symbol des neuen
Glaubens sprach sich in der von
Jakob vonMies zuerst und schon bei Lebzeiten
Huß' gestellten
Forderung
des Laienkelchs aus, welcher zwar vom
Konstanzer Konzil ausdrücklich verboten, aber von den Hussiten
in
Böhmen nur
um so eifriger verteidigt wurde. Im übrigen stellten die
Prager Theologen vier
Artikel auf, welche als Grundlage
der reformierten böhmischen
Kirche gelten sollten, die aber von andern
Parteien, welche gemeiniglich unter dem
Namen der
Taboriten
zusammengefaßt werden, als zu gemäßigt verworfen und durch andre zwölf
Artikel ersetzt wurden.
Während der Letztgenannte mit den Vertretern der
Länder und mit den
Pragern um seineKrone unterhandelte,
entbrannte der
Bürgerkrieg allerorten, wurden über 500
Kirchen und Klöster zerstört und die ausgesuchtesten Greuel verübt.
In
Mähren und
Schlesien
[* 14] erlangte
KaiserSiegmund die
Huldigung, und von
Breslau führte er ein Kreuzheer gegen die
Böhmen, unterstützt
von deutschen
Fürsten und von den
Legaten des
Papstes. Er vermochte jedochPrag nicht einzunehmen, erlitt
am Ziskaberg eine schwere
Niederlage und mußte endlich auch den
Wyschehrad preisgeben (1420). Die Anführer der
Taboriten waren
Niklas von
Hussinetz und
Ziska (Žižka) von Trocznow.
Das Bemühen des
Kaisers ging nunmehr dahin, den böhmischen
Krieg zu einer Reichssache zu machen, um auf diese
Weise dieKräfte
der
Fürsten und
Städte zur Erlangung der böhmischen
Krone in Anspruch nehmen zu können. Auf den
Reichstagen war aber der
Eifer für die Angelegenheiten
Böhmens nicht groß, und was die
Fürsten etwa im einzelnen dem
Kaiser zu gewähren bereit waren,
wollten sie auch nicht ohne bestimmte politische Vorteile thun, welche ihnen
Siegmund aber nicht einräumen
mochte. So nahmen denn die Reichskriege gegen die Hussiten einen sehr kläglichen Verlauf, welcher den tiefen
Verfall der
Kriegsverfassung des
DeutschenReichs zeigte, hauptsächlich aber auf Rechnung des Widerwillens zu setzen ist, den
man inDeutschland
[* 15] gegen eine
Sache hegte, in welche neben denUngarn
[* 16] bald auch die
Polen und Litauer verflochten wurden, und
die man von
Rom
[* 17] aus mit geistlichem
Fanatismus betrieb. Auf den
Reichstagen wurden zwar wiederholt Beschlüsse gefaßt; aber
die Reichsheere, welche aufgeboten worden waren, vermochten bei dem Mangel einheitlicher
Führung keine Erfolge zu erzielen.
In vielen
Schlachten
[* 18] wurden die
Deutschen geschlagen, am entscheidendsten bei
Deutsch-Brod 1422 und
¶
Siegmund lud daher zunächst die Vertreter der kalixtinischen Richtung, welche noch an den vier Artikeln
der Prager festhielten, aber auch die Taboriten zu dem Konzil von Basel
[* 23] ein, welches sich eben versammelt hatte. Eine große Gesandtschaft,
an deren SpitzeJohann Rokytzan und Prokop d. Gr. standen, erschien und legte dem Konzil das Glaubensbekenntnis der gemäßigten
Kalixtiner vor. Obwohl es zu einer Vereinbarung nicht kam, so traten sich die Parteien doch näher, und
das Konzil beschloß nach der Abreise der Böhmen, eine Gesandtschaft nach Prag zu senden, wo auf Grund der vier Artikel
die sogen. Böhmischen oder Prager Kompaktaten (s. d.) abgeschlossen wurden. Da sich jedoch die Taboriten denselben nicht unterwarfen,
so kam es zum Kampf mit den Kalixtinern unter oberster Führung Meinhards von Neuhaus, in welchem die erstern
allmählich erlagen.
In der Schlacht bei Lipan und Hrib (Hřib) unweit Kauřim und Böhmisch-Brod fielen die beiden Prokop zugleich
mit der Sache, welche sie treu verfochten. Mit der Unterordnung der kalixtinischen oder gemäßigten Hussiten
unter die Kirche war indes ihre Unterwerfung unter Siegmund als ihren Erbkönig noch nicht ausgesprochen. Die böhmischen Stände
verlangten zuvörderst die Bestätigung der Kompaktaten von seiten des Kaisers, und auch als er diese gegeben, wollten sie
erst die Sache in nähere Überlegung ziehen.
Auch die Taboriten versprachen, Ruhe zu halten. Nur ein einziger Ritter, Johann von Rohač, mit seinen taboritischen
Genossen auf der BurgSion bei Maleschau und der Stadtrat von Königgrätz
[* 28] unter Führung des hussitischen Priesters Ambrosch zweifelten
an Siegmunds aufrichtiger Gesinnung und verweigerten ihm den Gehorsam. Der ganze Adel aber zog gegen die
Widersetzlichen, worauf sich die Stadt dem König ergeben mußte und der unglückliche Rohač mit seinen Genossen am Galgen
büßte.
Aber bald zeigte sich, daß er und die Seinigen mit Recht Argwohn gehegt hatten: Siegmund berief fremde Domherren und Mönche
verschiedener Orden nach Prag und stellte den katholischen Gottesdienst mit seinen Zeremonien wieder her.
Rokytzan, der hiergegen von der Kanzel aus eiferte, ward aus Prag vertrieben. Als aber die Hussiten wieder zu den Waffen
[* 29] zu
greifen drohten, hielt es Siegmund für geraten, einzulenken. Er gestand den Kalixtinern oder Utraquisten, wie man sie zuletzt
nannte, ein eignes Konsistorium zu, ließ in vier Sprachen öffentlich ausrufen, daß sie die rechten und
ersten Söhne der Kirche wären und von den andern, welche das Abendmahl nur unter einer Gestalt empfingen, auf keine Weise beeinträchtigt
werden sollten. Aber auch dies Versprechen war nicht aufrichtig gemeint, und nur durch den Tod ward Siegmund an der Wiederaufnahme
seiner gegenreformatorischen Versuche gehindert.