mehr
herrühren, welchen dieselben zu vorübergehendem oder stetigem Aufenthalt dienten (Wohnhöhlen, Höhlenwohnungen im eigentlichen Sinn), oder von andern entlegenern Stellen her durch Wasserfluten eingeschwemmt sein. Man findet sie infolgedessen entweder ganz wohlerhalten oder durch Rollung in den Wasserfluten abgeschliffen und mehr oder minder verwittert. Die gefundenen Tierknochen stammen meistens von Raubtieren, von Bären (Höhlenbären), Hyänen und Höhlenlöwen oder vielmehr Höhlentigern, Wölfen, Füchsen u. a. Aber auch die Pflanzenfresser sind vertreten durch Mammut, Rhinozeros, Rind, [* 2] Hirsch, [* 3] Pferd [* 4] und Renntier sowie kleine, jetzt den Polarländern angehörige Tiere, wie Lemming, Eishase u. a. Einige der in den Höhlen gefundenen Tierarten gehören besondern, jetzt nicht mehr existierenden Spezies an, wie z. B.
Höhlenbär und Höhlenlöwe; auch hat man von einer besondern Rasse von Höhlenmenschen gesprochen und zwar besonders auf Grund des in einer Höhle an der Düssel in der Nähe von Elberfeld [* 5] nebst einigen Skelettresten gefundenen Schädels, des sogen. Neanderthalschädels. Nach Virchow gehört indes dieser Schädel einem an Knochenkrankheiten leidenden Individuum an und kann nicht als Rassenschädel gelten. Es haben im Lauf der Zeiten die Individuen vieler verschiedener Völker und Stämme in den verschiedenen Ländern die und Grotten als Zufluchts- und Wohnstätten benutzt, und man ist deshalb für die Beurteilung der ethnologischen und chronologischen Stellung wesentlich auf die von ihnen hinterlassenen Manufakte angewiesen. Für die Ermittelung ihrer anthropologischen Stellung ist das vorhandene Material sehr dürftig.
Wir sind somit bei der Klassifizierung und Altertumsbestimmung der Höhlen auf dasselbe Material wie sonst in der prähistorischen Archäologie angewiesen. Boyd Dawkins teilt die Höhlen nach den Funden in historische, prähistorische und pleistocäne od. postpliocäne; andre scheiden sie nach den Tierresten in solche, welche Knochen [* 6] von ausgestorbenen Tierarten (Mammut, Höhlenbär, Höhlenlöwe oder -Tiger etc.) enthalten, und solche, in welchen Reste von ausgewanderten Tieren, als deren Hauptrepräsentant das Renntier gilt, gefunden werden, und nehmen für letztere eine eigne Renntierzeit an, die in zwei Unterabteilungen, je nach dem Nichtvorkommen oder Vorkommen von Thongefäßen, geteilt wird, in prähistorische und historische.
Die Höhlen der Fränkischen Schweiz, vor allen die Gailenreuther Höhle, waren die ersten, welche durch ihren Reichtum an Resten vorweltlicher Tiere die Aufmerksamkeit der Forscher auf sich zogen. Nächstdem waren es die Höhlen Belgiens, namentlich die in den Thälern der Maas und ihrer Nebenflüsse in der Provinz Lüttich, [* 7] welche durch die sorgfältigen und exakten Untersuchungen Schmerlings die breitere wissenschaftliche Basis für die Höhlenforschung geliefert haben.
Die wichtigsten sind die Höhlen bei Furfooz, namentlich das Trou du Frontal, das Trou de la Naulette, die Höhlen von Engis und Engihoul, Chauvaux und Sclaigneux ^[richtig: Sclaigneaux], welche Reste von menschlichen Skeletten lieferten. Großes Aufsehen erregten durch die Menge von menschlichen Artefakten und Knochengeräten mit nicht ganz zweifelsfreien figürlichen Darstellungen (Tierzeichnungen und vereinzelten Darstellungen von Menschen) die Funde in den meist der Renntierzeit angehörigen französischen Höhlen, namentlich in der Dordogne (Périgord), die besonders von Lartet und dem Engländer Christy untersucht wurden, und von denen die von Les Eyzies, Cro-Magnon, La Madeleine, Laugerie und Le [* 8] Moustier die bekanntern sind.
Außerdem sind die Grotten von Aurignac (Obergaronne), Bruniquel (Tarn-et-Garonne) und Solutré (Saône-et-Loire), letztere wegen der ungeheuern Menge von Pferderesten, erwähnenswert. Unter den Höhlen Englands sind die der Mendipberge, die Viktoriahöhle bei Settle, die von Kirkdale in Yorkshire, die Kenthöhle und die Dream cave in Derbyshire von Interesse. In einzelnen englischen Höhlen wurden römische Artefakte gefunden. In Deutschland [* 9] sind außer den schon erwähnten und Grotten der Fränkischen Schweiz, welche neuerdings durch die Publikationen von Engelhardt, Ranke und Nehring wieder bekannter geworden sind und großenteils bis in eine ziemlich späte Zeit bewohnt waren, in Mitteldeutschland diejenigen Westfalens (von Balve, Sundwig u. a.), die Neanderthalhöhle, von Fuhlrott untersucht, und die in der Rheinprovinz, [* 10] Nassau und dem Harz durch die Untersuchungen Schaaffhausens, Brachts, Cohausens, Virchows, Dückers u. a. erschlossen.
Von besonderm Interesse sind die süddeutschen Höhlen, namentlich der Hohlefels in der Schwäbischen Alb und die Räuberhöhle im Schelmengraben nicht weit von Regensburg, [* 11] von Fraas und Zittel untersucht. Zu lebhafter Disputation gab die Höhle von Thayingen im Kanton Schaffhausen [* 12] (Schweiz) [* 13] durch die in ihr angeblich gefundenen, zum Teil als Fälschungen nachgewiesenen Tierzeichnungen Veranlassung. Um die Höhlenuntersuchung in Österreich [* 14] haben sich namentlich in Mähren [* 15] (Vypustek und Byciskálahöhle) Wankel, v. Hochstetter, Szombáthy u. a., in Steiermark [* 16] (im Kalkgebirge bei Peggau) Graf Wurmbrand verdient gemacht. Im nördlichen Ungarn, [* 17] im Komitat Liptau wurden mehrere an Funden sehr ergiebige Höhlen von v. Mailáth, v. Nyáry und v. Lóczy sorgfältig untersucht und beschrieben; in Siebenbürgen erwarb sich Frl. v. Torma um diesen Zweig der Forschung besondere Verdienste.
Auch im Königreich Polen sind einige Höhlen näher untersucht worden, besonders durch Graf Zawisza, der in der Wierszchower Höhle Artefakte aus Mammutzahn fand. Erwähnenswert sind auch noch die sogen. roten Höhlen in Mentone am Gestade des Mittelmeers [* 18] in der Nähe von Nizza, [* 19] die ebenfalls zahlreiche Artefakte von Knochen und Steinen geliefert haben. Nichts gemein mit den eigentlichen Höhlen haben die sogen. Höhlenwohnungen, welche in Mecklenburg [* 20] gefunden wurden und richtiger »Grubenwohnungen« genannt werden, da dieselben nur in Vertiefungen bestehen, welche künstlich 1,60-1,70 m tief in den Boden gegraben wurden, und in denen man auf einem Feldsteinpflaster Trümmer von Gefäßen, Kohlen, zerschlagene Tierknochen und Steinaltertümer fand. S. auch Diluvium. [* 21]
Vgl. Dawkins, Die und die Ureinwohner Europas (a. d. Engl. von Spengel, Leipz. 1876);
Fraas, Die alten Höhlenbewohner (Berl. 1873);
Fruwirth, Über Höhlen (Salzb. 1885);
Thury, Études sur les glacières naturelles (Genf [* 22] 1861);
Krenner, Die Eishöhle von Dobschau (Pest 1874);
Fugger, Die Eishöhlen [* 23] (Gotha [* 24] 1883);
Rougemont, Étude de la faune des eaux privées de lumière (Par. 1876);
Wiedersheim, Beitrag zur Kenntnis der württembergischen Höhlenfauna (Würzb. 1873);
Fries, Die Falkensteiner Höhle, ihre Fauna und Flora (das. 1874);
Fuhlrott, Die und Grotten in Rheinland-Westfalen (Iserl. 1869).