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oder Stollen, welche den Zugang ermöglichen oder wohl auch Bäche ein- oder austreten lassen. Vorzugsweise sind Kalk, Dolomit und Gips [* 2] (darin die »Gipsschlotten«) höhlenführende Gesteine. [* 3] Man kennt Höhlen im Kalktuff (Olgahöhle bei Lichtenstein und andre Orte der Schwäbischen Alb, Homburg [* 4] a. M.), Grobkalk (Lunel), Kreidemergel (Teutoburger Wald), im Kreidekalk (Jerusalem), [* 5] im Juradolomit (Fränkische Schweiz und Schwäbische Alb), Muschelkalk (Erdmannshöhle im badischen Oberland, Höhle bei Nagold in Württemberg), [* 6] Zechsteindolomit (Altensteiner oder Liebensteiner Höhle im Thüringer Wald), im Zechsteingips (Barbarossahöhle im Harz, Gegend von Mansfeld), im karbonischen und devonischen Kalk Englands (Kirkdale u. v. a.), der Rheinlande und Westfalens (Sundwicher, Balver und Dechenhöhle bei Iserlohn), [* 7] des Harzes (Baumannshöhle bei Rübeland), im körnigen Kalk (Antiparos, eine zu den Kykladen gehörende griechische Insel).
Ärmer an Höhlen sind die andern Gesteine. So zeigen die Sandsteine fast nur offene Grotten oder Thore (Prebischthor und Kuhstall im Quadersandstein der Sächsischen Schweiz, zahlreiche Grotten im Gebiet des Buntsandsteins), ebenso selten sind die Höhlenbildungen in Thon- und Glimmerschiefer (Sillaka auf Thermia), und die Kristallkeller der Granite und Gneise sind nur als Erweiterungen gangartiger Spalten zu betrachten. Mitunter bergen Basalte (Fingalshöhle auf Staffa) und Laven (Kanarische Inseln) Höhlen. Die Größe der Höhlen, welche oft in mehrere Abteilungen (Kammern, Säle) gegliedert sind, ist eine sehr verschiedene, bei vielen noch nicht einmal gemessen, weil unterirdische Abstürze und Flußläufe einem Vordringen bis zum Ende hinderlich sind. So ist die Dechenhöhle 270 m, mehrere Höhlen des Harzes etwa 200 m, einige der Fränkischen Schweiz über 100 m, die Adelsberger Höhle im Karstgebirge in ihrem zugänglichen Teil über 5 km, die Planinahöhle in Krain [* 8] ebenfalls über 5 km lang, und die Mammuthöhle in Südkentucky soll gangbare Strecken von zusammen 240 km Länge besitzen.
Die Temperatur in den Höhlen ist meist der Mitteltemperatur des betreffenden Ortes gleich, bisweilen aber auch höher oder niedriger. In den Eishöhlen [* 9] schmilzt das Eis [* 10] zu keiner Jahreszeit (Caves froides, Glacières naturelles). Die bekanntesten derselben sind: die von Baume bei Besançon, [* 11] die von St.-Georges am Genfer See, das Schafloch am Rothorn (Thuner See), die Dobschauer u. a. in Ungarn. [* 12] Die Frage nach der Entstehung des Eises in diesen Höhlen ist noch offen. Einige sehen in dieser Aufhäufung während des Winters gebildetes Eis, das ein kurzer Sommer nicht schmelzen kann; nach andern bildet es sich, durch lebhafte Verdunstung, Zugluft etc. begünstigt, gerade während des Sommers; wieder andre erblicken in ihm Reste des Eises der Diluvialperiode.
Gashöhlen sind solche, deren Raum mit Kohlensäure (Dunsthöhle bei Pyrmont, Hundsgrotte bei Neapel) [* 13] oder auch mit schwefliger Säure (Schwefelgrotte am Berg Büdös, Siebenbürgen) gefüllt ist. Die meisten Höhlen sind relativ trocken; manche besitzen unterirdische Wasserbassins oder werden von Bächen und Flußläufen durchströmt. Die sogen. blauen Grotten (außer der oft genannten auf der Insel Capri [* 14] ist nur noch eine auf der dalmatischen Insel Busi bekannt) verdanken die wunderbaren Lichtreflexerscheinungen dem Umstand, daß die Eingangsöffnung direkt über dem Meeresspiegel, bei der Flut sogar unter demselben liegt.
Gebildet wurde die größte Anzahl der Höhlen durch Wasser und zwar zunächst wohl durch Lösung von Gips und, bei einem Gehalt an Kohlensäure, von kohlensaurem Kalk, während die Ausweitung schon vorhandener Hohlräume oft durch die mechanische Erosion [* 15] fließenden Wassers begünstigt wurde. Eine Kontrolle für den Höhlen bildenden Prozeß bietet die Bestimmung des Gehalts der Quellwasser dar, welche den Höhlen führenden Kalkgebirgen entfließen. So berechnet Szombathy aus Wassermenge und Gehalt, daß die beiden die Wiener Wasserleitung [* 16] speisenden Quellen den Gesteinen jährlich über 4 Mill. kg kohlensaures Calcium entführen, während Regelmann nachweist, daß die in der Schwäbischen Alb entspringenden Quellen jährlich ein Material fortführen, welches einem dadurch erzeugten Hohlraum von 60,000 cbm entspricht.
Die Bildung künstlicher Höhlen durch die sogen. Senkwerke (österreichische und bayrische Steinsalzbergwerke in den Alpen, [* 17] Wilhelmsglück in Württemberg) bietet eine der Technik entnommene Analogie der in der Natur sich abspielenden Prozesse dar. Seltener und wohl nur in kleinerm Maßstab [* 18] sind Höhlen auf Spaltenbildungen zurückzuführen, und ebenfalls nur selten bilden sich Höhlen bei vulkanischen Eruptionen durch Abfließen der Lava unter schon erstarrter Decke. [* 19] Auch bei dem letzgenannten ^[richtig: letztgenannten] Prozeß kann, die Höhlen erweiternd und vergrößernd, die mechanische Erosion durch fließendes Wasser oder durch die Meereswogen mitwirken.
Boden, Seitenwände und Decken der Höhlen sind oft mit neugebildetem Material überzogen, in den meisten Fällen Kalkspat [* 20] (Höhlenkalk, Tropfstein und zwar die von oben nach unten sich bildenden Stalaktiten, die ihnen entgegenwachsenden Stalagmiten oft zu Säulen [* 21] oder Orgeln vereinigt), seltener Aragonit [* 22] (Antiparos), noch seltener Schwefelmetalle (Bleiglanz, Eisenkies [* 23] und Zinkblende am obern Mississippi und bei Raibl in Kärnten). Auch die Auskleidung der Kristallkeller durch Bergkristalle, Rauchquarze etc. ist hierher zu rechnen. Im weitern Verlauf kann der Höhlenbildungsprozeß, namentlich dann, wenn die Hohlräume nicht tief unter der Erdoberfläche liegen, zur Erzeugung von Erdfällen, Dolinen und Klammen führen.
[Prähistorisches.]
Die Höhlen sind die von der Natur den Menschen und Tieren gebotenen, gegen böse Wetter, [* 24] auch gegen die Angriffe von Feinden den besten Schutz gewährenden Zufluchtsstätten und deshalb von der allerältesten bis in die neueste Zeit hinein als solche auch benutzt worden. Man trifft daher in ihnen Reste der verschiedensten Zeiten, und es erfordert somit ihre Untersuchung eine ganz besondere Sorgfalt, um die Schichtung und Lagerung der in ihnen vorkommenden Funde möglichst streng zu sondern.
Mangelhaftes Licht [* 25] durch künstliche Beleuchtung [* 26] erhöht in den meistens vom Tageslicht fast ganz abgeschlossenen Räumen die Schwierigkeiten. Der Boden der Höhlen ist bedeckt mit den Niederschlägen des Wassers, welche aus dem durchflossenen Gebirge stammen, meist lehmiger oder thoniger (Höhlenlehm) oder sandiger Natur sind und häufig Tierknochen (Knochenhöhlen) und Erzeugnisse menschlicher Hand [* 27] enthalten. In den feuchten Höhlen, in welchen Sinterbildungen stattfinden, sind die auf dem Boden lagernden Schichten häufig von Sinterschichten durchsetzt oder überdeckt. Je nach dem Grade der Feuchtigkeit der Höhlenwände und der Löslichkeit des Gesteins geht die Sinterbildung bald schneller, bald langsamer vor sich, und deshalb gibt die Mächtigkeit der Sinterdecke keinen sichern Maßstab für die Berechnung ihres Alters. Die in den Höhlen gefundenen Gegenstände (Höhlenfunde) können nun entweder von Tieren und Menschen ¶
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herrühren, welchen dieselben zu vorübergehendem oder stetigem Aufenthalt dienten (Wohnhöhlen, Höhlenwohnungen im eigentlichen Sinn), oder von andern entlegenern Stellen her durch Wasserfluten eingeschwemmt sein. Man findet sie infolgedessen entweder ganz wohlerhalten oder durch Rollung in den Wasserfluten abgeschliffen und mehr oder minder verwittert. Die gefundenen Tierknochen stammen meistens von Raubtieren, von Bären (Höhlenbären), Hyänen und Höhlenlöwen oder vielmehr Höhlentigern, Wölfen, Füchsen u. a. Aber auch die Pflanzenfresser sind vertreten durch Mammut, Rhinozeros, Rind, [* 29] Hirsch, [* 30] Pferd [* 31] und Renntier sowie kleine, jetzt den Polarländern angehörige Tiere, wie Lemming, Eishase u. a. Einige der in den Höhlen gefundenen Tierarten gehören besondern, jetzt nicht mehr existierenden Spezies an, wie z. B.
Höhlenbär und Höhlenlöwe; auch hat man von einer besondern Rasse von Höhlenmenschen gesprochen und zwar besonders auf Grund des in einer Höhle an der Düssel in der Nähe von Elberfeld [* 32] nebst einigen Skelettresten gefundenen Schädels, des sogen. Neanderthalschädels. Nach Virchow gehört indes dieser Schädel einem an Knochenkrankheiten leidenden Individuum an und kann nicht als Rassenschädel gelten. Es haben im Lauf der Zeiten die Individuen vieler verschiedener Völker und Stämme in den verschiedenen Ländern die und Grotten als Zufluchts- und Wohnstätten benutzt, und man ist deshalb für die Beurteilung der ethnologischen und chronologischen Stellung wesentlich auf die von ihnen hinterlassenen Manufakte angewiesen. Für die Ermittelung ihrer anthropologischen Stellung ist das vorhandene Material sehr dürftig.
Wir sind somit bei der Klassifizierung und Altertumsbestimmung der Höhlen auf dasselbe Material wie sonst in der prähistori
schen
Archäologie angewiesen. Boyd Dawkins teilt die Höhlen nach den Funden in historische, prähistorische
und pleistocäne
od. postpliocäne; andre scheiden sie nach den Tierresten in solche, welche Knochen
[* 33] von ausgestorbenen Tierarten (Mammut, Höhlenbär,
Höhlenlöwe oder -Tiger etc.) enthalten, und solche, in welchen Reste von ausgewanderten Tieren, als deren Hauptrepräsentant
das Renntier gilt, gefunden werden, und nehmen für letztere eine eigne Renntierzeit an, die in zwei
Unterabteilungen, je nach dem Nichtvorkommen oder Vorkommen von Thongefäßen, geteilt wird, in prähistorische
und historische.
Die Höhlen der Fränkischen Schweiz, vor allen die Gailenreuther Höhle, waren die ersten, welche durch ihren Reichtum an Resten vorweltlicher Tiere die Aufmerksamkeit der Forscher auf sich zogen. Nächstdem waren es die Höhlen Belgiens, namentlich die in den Thälern der Maas und ihrer Nebenflüsse in der Provinz Lüttich, [* 34] welche durch die sorgfältigen und exakten Untersuchungen Schmerlings die breitere wissenschaftliche Basis für die Höhlenforschung geliefert haben.
Die wichtigsten sind die Höhlen bei Furfooz, namentlich das Trou du Frontal, das Trou de la Naulette, die Höhlen von Engis und Engihoul, Chauvaux und Sclaigneux ^[richtig: Sclaigneaux], welche Reste von menschlichen Skeletten lieferten. Großes Aufsehen erregten durch die Menge von menschlichen Artefakten und Knochengeräten mit nicht ganz zweifelsfreien figürlichen Darstellungen (Tierzeichnungen und vereinzelten Darstellungen von Menschen) die Funde in den meist der Renntierzeit angehörigen französischen Höhlen, namentlich in der Dordogne (Périgord), die besonders von Lartet und dem Engländer Christy untersucht wurden, und von denen die von Les Eyzies, Cro-Magnon, La Madeleine, Laugerie und Le [* 35] Moustier die bekanntern sind.
Außerdem sind die Grotten von Aurignac (Obergaronne), Bruniquel (Tarn-et-Garonne) und Solutré (Saône-et-Loire), letztere wegen der ungeheuern Menge von Pferderesten, erwähnenswert. Unter den Höhlen Englands sind die der Mendipberge, die Viktoriahöhle bei Settle, die von Kirkdale in Yorkshire, die Kenthöhle und die Dream cave in Derbyshire von Interesse. In einzelnen englischen Höhlen wurden römische Artefakte gefunden. In Deutschland [* 36] sind außer den schon erwähnten und Grotten der Fränkischen Schweiz, welche neuerdings durch die Publikationen von Engelhardt, Ranke und Nehring wieder bekannter geworden sind und großenteils bis in eine ziemlich späte Zeit bewohnt waren, in Mitteldeutschland diejenigen Westfalens (von Balve, Sundwig u. a.), die Neanderthalhöhle, von Fuhlrott untersucht, und die in der Rheinprovinz, [* 37] Nassau und dem Harz durch die Untersuchungen Schaaffhausens, Brachts, Cohausens, Virchows, Dückers u. a. erschlossen.
Von besonderm Interesse sind die süddeutschen Höhlen, namentlich der Hohlefels in der Schwäbischen Alb und die Räuberhöhle im Schelmengraben nicht weit von Regensburg, [* 38] von Fraas und Zittel untersucht. Zu lebhafter Disputation gab die Höhle von Thayingen im Kanton Schaffhausen [* 39] (Schweiz) [* 40] durch die in ihr angeblich gefundenen, zum Teil als Fälschungen nachgewiesenen Tierzeichnungen Veranlassung. Um die Höhlenuntersuchung in Österreich [* 41] haben sich namentlich in Mähren [* 42] (Vypustek und Byciskálahöhle) Wankel, v. Hochstetter, Szombáthy u. a., in Steiermark [* 43] (im Kalkgebirge bei Peggau) Graf Wurmbrand verdient gemacht. Im nördlichen Ungarn, im Komitat Liptau wurden mehrere an Funden sehr ergiebige Höhlen von v. Mailáth, v. Nyáry und v. Lóczy sorgfältig untersucht und beschrieben; in Siebenbürgen erwarb sich Frl. v. Torma um diesen Zweig der Forschung besondere Verdienste.
Auch im Königreich Polen sind einige Höhlen näher untersucht worden, besonders durch Graf Zawisza, der in der Wierszchower Höhle Artefakte aus Mammutzahn fand. Erwähnenswert sind auch noch die sogen. roten Höhlen in Mentone am Gestade des Mittelmeers [* 44] in der Nähe von Nizza, [* 45] die ebenfalls zahlreiche Artefakte von Knochen und Steinen geliefert haben. Nichts gemein mit den eigentlichen Höhlen haben die sogen. Höhlenwohnungen, welche in Mecklenburg [* 46] gefunden wurden und richtiger »Grubenwohnungen« genannt werden, da dieselben nur in Vertiefungen bestehen, welche künstlich 1,60-1,70 m tief in den Boden gegraben wurden, und in denen man auf einem Feldsteinpflaster Trümmer von Gefäßen, Kohlen, zerschlagene Tierknochen und Steinaltertümer fand. S. auch Diluvium. [* 47]
Vgl. Dawkins, Die und die Ureinwohner Europas (a. d. Engl. von Spengel, Leipz. 1876);
Fraas, Die alten Höhlenbewohner (Berl. 1873);
Fruwirth, Über Höhlen (Salzb. 1885);
Thury, Études sur les glacières naturelles (Genf [* 48] 1861);
Krenner, Die Eishöhle von Dobschau (Pest 1874);
Fugger, Die Eishöhlen (Gotha [* 49] 1883);
Rougemont, Étude de la faune des eaux privées de lumière (Par. 1876);
Wiedersheim, Beitrag zur Kenntnis der württembergischen Höhlenfauna (Würzb. 1873);
Fries, Die Falkensteiner Höhle, ihre Fauna und Flora (das. 1874);
Fuhlrott, Die und Grotten in Rheinland-Westfalen (Iserl. 1869).