mehr
Formen, wie die flektierenden Sprachen;
die Wurzel [* 2] kann meist noch nominal, verbal oder adverbial aufgefaßt werden. Es gibt im Altägyptischen nicht besondere Formen für die Tempora, Modi und Kasus;
auch wird das
Aktiv kaum vom
Passiv unterschieden;
die grammatischen Beziehungen werden nur durch Partikeln ausgedrückt;
die ägyptische Grammatik ist vorwaltend Syntax.
Die ägyptische Sprache [* 3] hat während der langen Dauer ihres Bestehens einige Veränderungen erfahren; einen von dem altägyptischen abweichenden Sprachcharakter zeigen schon die profanen Schriften der hieratischen Papyrus, welchen man neuägyptisch genannt hat. Weiter entwickelt ist die demotische Tochtersprache, die gleichfalls vorwaltend zu profanen Schriften verwandt wurde; aber erst im Koptischen, der Sprache der christlichen Ägypter, gelangt die Sprache zu der vollsten Entfaltung ihrer diakritischen Fähigkeiten. In der wissenschaftlichen Behandlung sind jedoch kaum die ersten Anfänge gemacht worden; die nötigsten Regeln gaben E. de Rouge in seiner »Chrestomathie égyptienne« (Par. 1868),
Hiëroglyphen Brugsch in seiner »Hieroglyphischen Grammatik« (Leipz. 1872) und P. Le [* 4] Page Renouf in der seinigen (»An elementary grammar of the ancient Egyptian language«, Lond. 1875). Eine Erklärung der den hieroglyphischen entsprechenden hieratischen Schriftzeichen veröffentlichte S. Levi (»Raccolta dei segni ieratici egizj nelle diverse epoche con i correspondenti geroglifici e di loro differenti valori fonetici«, Tur. 1880). Hiëroglyphen Brugsch hat auch eine »Grammaire démotique« (Berl. 1855) veröffentlicht, das erste eingehendere Werk über diesen Dialekt, welches die vorangegangenen Arbeiten Youngs, Kosegartens, Leemans', Hincks', de Saulcys und de Rougés weit übertrifft. Erfreuliche Fortschritte in der Erkenntnis der altägyptischen Sprache wurden neuerdings von E. Révillout in seinen genialen demotischen Forschungen und von A. Erman in seiner »Neuägyptischen Grammatik« (Leipz. 1880) gemacht. Neue Gesichtspunkte für die Behandlung der ägyptischen Sprache nach streng wissenschaftlicher Methode suchte die »Koptische Grammatik« von L. Stern (Leipz. 1880) zu gewinnen. Die koptische Sprache ist das wichtigste Hilfsmittel zur Erklärung der Hiëroglyphen, da sie den nämlichen Wortschatz hat, der uns namentlich aus der Bibelübersetzung bekannt geworden ist. Theodor Benfey (»Über das Verhältnis der ägyptischen Sprache zum semitischen Sprachstamm«, [* 5] Leipz. 1844) wies nach, daß diese Sprache mit dem Semitischen Verwandtschaft und einen gemeinsamen Ursprung hat.
Obwohl nun das Ägyptische sich vom Semitischen früh getrennt und einen andern Weg eingeschlagen hat, so bietet es doch in den Wurzeln und in der Bildung der Stämme so große Analogien mit dem asiatischen Sprachstamm, daß dieser, wenn mit Sachkenntnis und Mäßigung verglichen, ein Hilfsmittel bei der Interpretation der Hiëroglyphen werden kann. Ob auch die indogermanischen Sprachen mit dem Ägyptischen und Semitischen verwandt sind, ist noch fraglich; beim heutigen Stande dieser Untersuchungen sind Vergleichungen auch dieses Sprachstammes mit dem Altägyptischen nicht angebracht.
Den allmählichen Übergang des Altägyptischen zum
Demotischen und weiter zum
Koptischen in seinen drei
Dialekten (dem unter-,
ober- und mittelägyptischen) zur
Anschauung zu bringen, bleibt einem künftigen
Grammatiker noch vorbehalten. Vorläufig scheint
die hieroglyphische
Sprache noch alle
Kräfte in Anspruch zu nehmen; die Schwierigkeiten derselben sind
immer noch sehr erhebliche, denn obwohl
man durch die
Arbeiten
Goodwins,
Chabas',
Masperos,
Brugsch',
Dümichens u. a. in den letzten
Jahren sehr bede
utende Fortschritte gemacht hat, so ist doch fast kein
Text ohne irgend eine crux interpretum, und
zwar liegt die ganze Schwierigkeit im
Wörterbuch. Das von
Champollion zusammengestellte ist ein rühmlicher Anfang, der aber
heute nicht mehr auf der
Höhe der
Wissenschaft steht;
das von Birch veröffentlichte (in Bunsens »Egypt's place in universal history«, Bd. 5, Lond. 1867) ist eine fleißige Arbeit, welche, kurz gefaßt, über 4000 Wörter nachweist;
das von Brugsch herausgegebene »Hieroglyphische Wörterbuch« (Leipz. 1867-68 und Fortsetzung 1880-82),
den Wortschatz in ziemlicher Vollständigkeit umfassend und durch zahlreiche Beispiele erläuternd, ist vom größten Nutzen gewesen;
auf diese beiden stützt sich in der Hauptsache das »Vocabulaire hiéroglyphique« von Pierret (Par. 1875).
Daß im einzelnen noch manches zweifelhaft bleibt, bedarf kaum der Erwähnung.
V. Altägyptische Litteratur.
Was nun die Litteratur betrifft, welche uns die Entzifferung der Hiëroglyphen zugänglich gemacht hat, so ist sie durchaus so beschaffen, wie sie von einem so alten, am Althergebrachten zäh festhaltenden, in Aberglauben gebannten und ernsten Volk zu erwarten war. Die ganze Litteratur ist von der Religion oder Theologie so durchdrungen, daß sie fast unzertrennlich davon erscheint. Die Inschriften aller Tempel [* 6] und die Texte der bei weitem meisten Papyrusrollen sind religiösen Inhalts und zwar theologisch oder mythologisch oder hymnologisch oder liturgisch.
Die ältern
Tempel sind die von
Abydos,
Theben,
Abu Simbal in
Nubien; die jüngern und an
Inschriften fast
unerschöpflichen die in
Philä, Kom Ombo,
Dendrah,
Edfu,
Esneh. Diese
Tempel sind die
Bethäuser der
Könige; die verschiedenen
Könige, welche einen
Tempel erbaut oder ausgebaut haben, werden hier unzähligemal
vor der
Gottheit opfernd dargestellt; erläuternde
Texte schließen sich an, und wir werden aufs genaueste über die
Gründung und Weihung des
Baues, über
den Tempelritus und die priesterlichen
Gebräuche unterrichtet.
Dümichen (»Altägyptische Tempelinschriften«, Leipz.
1867-68, 2 Bde.;
»Resultate einer wissenschaftlichen Expedition«, Berl. 1871),
Naville (»Textes relatifs au mythe d'Horus«, Genf [* 7] 1870),
Mariette (»Abydos«, Par. 1869-80, 2 Bde.; »Denderah«, das. 1870-73),
de Rougé (»Inscriptions hiéroglyphiques recueillies à Edfou«, das. 1880) und Brugsch (»Reise nach der großen Oase El Khargeh in der Libyschen Wüste«, Leipz. 1878) haben viele dieser Inschriften veröffentlicht.
Vgl. auch Dümichen, Baugeschichte des Denderah-Tempels und Beschreibung der einzelnen Teile des Bauwerkes (Straßb. 1877).
Mariette, lange Jahre hindurch
Direktor der
Ausgrabungen in
Ägypten
[* 8] und des
Museums in
Bulak, hat viele von
Sand und Schutt bedeckte
Denkmäler wieder
an das Tageslicht gebracht, und vieles steckt wohl noch unter der
Erde. Einen besonders
reichen
Ertrag hat ihm die Durchforschung der Nekropole von
Abydos geliefert (»Catalogue général des monuments d'Abydos découverts
pendant les fouilles de cette ville«, Par. 1880). Die
Darstellungen und
Inschriften in den weiten, in die
Felsen gehauenen Grabkammern, in welchen die Überlebenden Totenfeiern zu begehen pflegten, beschäftigen sich vorwaltend
mit dem
Leben nach dem
Tod und mit der
Unterwelt, so namentlich die riesigen Königsgräber in
Theben
(Bibán el Meluk); die
Gräber
der Privatleute der ältern
¶
mehr
Zeit dagegen bis zur 18. Dynastie, in Gizeh, Sakkâra, Sauiet el Meitin, Qasr el Sayyad, Meidum, Abd el Qurna, El Kab, gedenken
in ihren Wandgemälden häufiger des irdischen Lebens des Verstorbenen; die Inschriften geben seine Biographie und rühmen seine
Tugenden. Die Darstellungen aus dem Privatleben mit den dazu gehörigen Inschriften haben manchen sachlichen
und sprachlichen Aufschluß gegeben. Die Inschriften der Sarkophage sind dagegen wieder
durchaus religiösen Charakters; meist
sind es Gebete über den Verstorbenen, oder sie behandeln, wie namentlich in späterer Zeit, die ganze Lehre
[* 10] von der »Amenthes«,
der Unterwelt.
Von den zahlreichen religiösen Büchern der alten Ägypter waren einige im alten Ägypten, nach der Menge
der auf uns gekommenen Exemplare zu schließen, außerordentlich verbreitet. Das bede
utendste und umfangreichste derselben
ist das »Totenbuch der alten Ägypter«, welches Lepsius schon 1842 nach der vollständigsten Turiner Handschrift auf 79 Tafeln
herausgab. Sein ägyptischer Titel ist »Per m heru« (»Der Ausgang aus dem Tag«, d. h. aus dem Leben); dieses
Buch, von den Franzosen weniger passend als »Rituel funéraire« bezeichnet, enthält 165 Kapitel.
Der Verstorbene, dem der das Totenbuch enthaltende Papyrus in den Sarg beigegeben wurde, ist selbst die handelnde und redende
Person darin, und der Text betrifft nur ihn und seine Begegnisse auf der langen Wanderung nach dem irdischen
Tod. Es wird entweder
erzählt und beschrieben, wohin er kommt, was er thut, was er hört und sieht, oder es sind die
Gebete und Anreden
, die er selbst zu den verschiedenen Göttern spricht, zu welchen er gelangt. Einige Teile des Totenbuchs
sind sehr alt und reichen bis in die ersten Königsdynastien;
sie bieten eine kürzere und korrektere Fassung und finden sich auf den Sarkophagen jener Epoche (vgl. Lepsius, Älteste Texte des Totenbuchs, Berl. 1867);
die Texte der 18. Dynastie sind schon ausführlicher, aber noch ziemlich korrekt;
danach kommen die spätern Texte, welche umfangreicher, mit vielen Glossen und Interpolationen versehen und wegen der Nachlässigkeit der Schreiber meist sehr fehlerhaft sind. S. Birch versuchte die erste vollständige Übersetzung dieses Buches (»Egypt's place«, Bd. 5);
eine neuere hat P. Pierret (»Le livre des morts«, Par. 1882) geliefert.
Die Herausgabe der ältern (thebaischen) Redaktion des Totenbuchs wurde auf Vorschlag des Londoner Orientalistenkongresses von 1875 von E. Naville übernommen; seine Ausgabe: »Das ägyptische Totenbuch der XVIII. bis XX. Dynastie« erschien mit Einleitung in 2 Foliobänden (Berl. 1886). Die religiösen Texte, welche sich in den Grabkammern der 1881 geöffneten Königspyramiden bei Sakkâra angeschrieben finden, bilden die sprachlich und inhaltlich wichtige älteste Form des Unsterblichkeitsglaubens der alten Ägypter, das altmemphitische Totenbuch.
Einen Auszug aus dem Totenbuch bildet das »Schai n sinsin« (»Das Buch vom Atmen oder von der Wiederbelebung«),
welches viel kürzer ist und namentlich in späterer Zeit an die Stelle des umfangreichern Werkes trat; das Berliner [* 11] Museum hat drei Exemplare dieses Büchleins. Die erste Ausgabe desselben veröffentlichte Hiëroglyphen Brugsch (»Schai en sinsin«, Berl. 1848),
eine neuere de Horrack (»Schâ en sensen, le livre des respirations«, Par. 1877). Die demotische Version des Totenbuchs, welche in einem Pariser Papyrus erhalten ist, hat E. Révillout teilweise ediert (»Le rituel funéraire de Pamonths«, Par. 1880). Das dritte verwandte Buch enthält die eigentliche Lehre von der Unterwelt und ist betitelt: »Am-tuat«, welches gleichfalls in Papyrusrollen erhalten ist;
es wurde veröffentlicht von Lanzone (»Le domicile des esprits«, Tur. 1879).
Aus den Königsgräbern stammen die von E. Naville unter dem Titel: »La litanie du soleil« (Leipz. 1875) veröffentlichten Texte. Ein liturgisches Buch über gewisse Bestattungsgebräuche ist das von E. Schiaparelli veröffentlichte »Libro dei funerali« (Tur. 1881).
Vgl. auch O. v. Lemm, Das Ritualbuch des Ammondienstes (Leipz. 1882).
Diese Werke sind durchweg mystischen Charakters und ohne ausführliche Kommentare schwer verständlich. Von der gesamten religiösen Litteratur sagen unserm Geschmack am meisten die vielen Hymnen an die Götter zu, deren poetischer Schwung nicht selten an die Sprache der Psalmen erinnert; sie finden sich auf Grabsteinen und in Papyrusrollen.
Die historischen Denkmäler, welche die Thaten der Könige berichten, sind entweder öffentliche Denksteine oder Inschriften an den Tempeln oder in den Gräbern der Privatleute. Lepsius, der Herausgeber der »Denkmäler aus Ägypten u. Äthiopien« (Berl. 1859-60, 12 Bde.), hatte bei der Auswahl des Stoffes besonders auf Inschriften dieser Gattung sein Augenmerk gerichtet, und so ist denn dieses Werk eine wahre Fundgrube für die Geschichte der Pharaonen geworden. Eine sehr wertvolle Ergänzung dazu sind die »Historischen Inschriften« von Dümichen (Leipz. 1867-69) und die Texte aus Karnak von Mariette Bei (das. 1875),
ebenso die aus Dêr el Bahari (das. 1877) und die von E. de Rougé gesammelten Inschriften (»Inscriptions hiéroglyphiques, copiées en Égypte«, Par. 1877 ff.). Die längste aller Papyrusrollen, der große Papyrus Harris im Britischen Museum, aus der 20. Dynastie, dessen Inhalt zuerst A. Eisenlohr (Leipz. 1872) bekannt machte, und der von S. Birch herausgegeben und übersetzt wurde (»Facsimile of an Egyptian hieratic papyrus of the reign of Ramses III.«, Lond. 1876),
ist für die Geschichte dieser Epoche von Bedeutung. Die Geographie des alten Ägypten behandelte Brugsch (»Geographische Inschriften altägyptischer Denkmäler«, Leipz. 1857-60),
ebenso den Kalender (»Matériaux pour servir à la reconstruction du calendrier des anciens Égyptiens«, das. 1864). Weitere nützliche Publikationen dieser Art sind: Dümichens »Kalenderinschriften« (Leipz. 1866),
»Geographische Inschriften« (das. 1866-85) und »Kalendarische Opferfestlisten im Tempel von Medinet Habu« (das. 1881),
E. v. Bergmanns »Hieroglyphische Inschriften« (Wien [* 12] 1879) und Mariettes »Listes géographiques« (Leipz. 1875). Die Zahl der Dekrete, der Triumphsteine, der geographischen und der kalendarischen Listen ist eine sehr erhebliche.
Den anziehendsten Teil der ägyptischen Litteratur bilden aber die nicht religiösen Papyrusrollen, die sämtlich hieratisch geschrieben sind. Einige derselben enthalten Erzählungen oder Märchen, welche für die Geschichte dieser Dichtungsgattung wegen ihres Alters von größter Wichtigkeit sind, oder sie feiern die Thaten der Könige; andre geben nur Briefe, in welche nicht selten ethische Betrachtungen eingekleidet sind; auch fehlt es nicht an Schriften, welche die Lebensweisheit der alten ägyptischen Philosophen zur Anschauung bringen.
Vgl. Maspero, Les contes populaires de l'Égypte ancienne (Par. 1882).
Der in der Wissenschaft als »Papyrus Prisse« (Par. 1857) bekannte Papyrus enthält eine Sammlung moralischer Betrachtungen, welche den Sprichwörtern Salomos ähnlich sind; Chabas hat zuerst dieses »älteste ¶