freiem Entschluß oder durch fremde
Stiftung. Die freiwillige
Hierodulie bei den Griechen ist wahrscheinlich durch orientalischen
Einfluß entstanden. Im
Orient waren die Hiërodulen
Knechte,
Diener derPriester, welche den um einen
Tempel
[* 2] gelegenen heiligen
Boden bebauten
und von dem
ErtragPriester und Heiligtum zu erhalten, ferner die niedern
Dienste
[* 3] des
Tempels und des
Kultus
zu verrichten hatten oder die
Musik und den
Gesang bei den
Opfern besorgten. Die weiblichen Hiërodulen gaben sich an einzelnen
Orten
den Tempelbesuchern gegen ein der
Gottheit dargebrachtes
Geschenk preis.
Strabon erwähnt einen Hierodulenstaat zu
Komana in
Kappadokien, den mehr als 6000 für den
Priester eines
mit weiten Ländereien ausgestatteten
Tempels arbeitende Hiërodulen bildeten. Das Heiligtum der
Venus Erycina in
Sizilien
[* 4] hatte von
alters her weibliche und wurde von
Jungfrauen verwaltet. In
Hellas durften Tänzerinnen und Buhldirnen im allgemeinen nicht
als Hiërodulen fungieren; speziell in
Korinth
[* 5] aber waren die Hiërodulen zugleich
Hetären und entrichteten von ihrem
Gewerbe
der
Göttin eine
Steuer.
Schenkungen von Hiërodulen, vorzüglich nach
Delphi, werden häufig erwähnt.
Kriegsgefangene, welche als Hiërodulen dem
Schutz der
Götter anheimfielen, hatten ihr
Los nicht zu beklagen. Ein uralter Hierodulenstaat, der selbst dem Feind als unverletzlich
galt, war auf
Delos; andre dergleichen
Institute fanden sich zuDelphi,
Dodona,
Eleusis,
Ephesos
[* 6] u. a. O.
Bezeichnung der Bilderschrift, deren sich die alten
Ägypter fast 4000 Jahre hindurch zur Aufzeichnung namentlich religiöser
Texte bedienten. Die Anfänge dieser
Schrift fallen
mit den Anfängen der ägyptischen Geschichte zusammen, und erst in der zweiten Hälfte des 3. Jahrh.
n. Chr. machte die merkwürdigste und älteste aller
Schriften in
Ägypten
[* 7] der koptischen Platz, welche als die christliche
Schrift das griechische
Alphabet gebraucht.
KaiserDecius (gest. 251) ist der letzte römisch-ägyptische König, dessen
Namen
wir in den Hiëroglyphen finden. Das
Material an hieroglyphischen
Schriften ist ein so unendlich reiches, daß das
Studium derselben mit den darauf gegründeten historischen, chronologischen und geographischen Forschungen eine eigne,
umfangreiche
Wissenschaft ausmacht: die Ägyptologie.
Die Hiëroglyphen sind entweder eingeschnitten, sei es einfach oder als sehr flaches
Relief ausgearbeitet, bald mit
größerer, bald mit geringer Sorgfalt in der Ausführung, oder sie sind gemalt und dann mitunter in verschiedenen
Farben,
von welcher Art künstlerischer
Arbeit das
Grab Setis I. in
Bibán el Meluk ein wahrhaft bewunderungswürdiges
Beispiel ist.
Figuren, die nur in
Umrissen gezeichnet sind, heißen lineare; dieser Art pflegen die zu sein, welche in
Publikationen von
Texten und ägyptologischen
Schriften gebraucht werden.
Die
Denkmäler der ältesten Zeit, der Pyramidenzeit, zeigen uns die Hiëroglyphen von hervorragender
Schönheit; die eigentliche
Blütezeit
des ägyptischen Schriftwesens fällt aber unter die 18. Dynastie, um 1600
v. Chr. Danach sank die
Kunst
allmählich, hatte eine neue
Blüte
[* 32] im
Zeitalter der
Psammetiche und verfiel wieder, bis sie endlich ganz erlosch. Die Ägypter
schrieben auf
Stein,
Holz
[* 33] und
Papyrus;
Neben der Hieroglyphenschrift bestand bei den alten Ägyptern eine Kurrentschrift, die sich zu jener verhält wie unser Geschriebenes
zum Gedruckten; man nennt sie nach den alten Schriftstellern die
hieratische Schrift, d. h. Priesterschrift
(welcher
Name aber nicht genau zu nehmen ist, da das
Hieratische die eigentliche im alten
Ägypten übliche und in den
Papyrus
vorwaltend angewandte
Schrift ist), von welcher fast die ganze zivilisierte
Welt ihre
Schrift ableitet. Denn nach der
ägyptischen
Schrift, wie de
Rouge ziemlich überzeugend nachwies, bildeten die Phöniker ihr
Alphabet; von den Phönikern nahmen
es die Griechen, von den Griechen die
Römer,
[* 45] von den
Römern fast ganz
Europa
[* 46] an. Unser a z. B. ist schließlich nur die zusammengeschrumpfte
Gestalt eines
Adlers, d. h.
¶
mehr
eines ägyptischen a, entstanden aus dem griechischen α, phönikisch ^[img], hieratisch ^[img], hieroglyphisch ^[img]; ähnlich
ist es mit den übrigen Buchstaben. Eine weitere Verkürzung der hieroglyphischen Schrift bildet die etwa im 8. Jahrh. v. Chr.
aufgekommene enchorische (wie sie Herodot nennt) oder demotische Schrift (wie sie Clemens von Alexandria nennt). Zunächst
für den alltäglichen Verkehr bestimmt, daher auch wohl epistolographische Schrift genannt, ist diese Schreibart noch verkürzter,
flüchtiger und schwieriger als die hieratische; aber auch die Sprache,
[* 48] welche mit ihr geschrieben wurde, ist nicht mehr das
Altägyptische, sondern ein Volksdialekt, der zwischen jenem und dem Koptischen in der Mitte steht.
Wenigstens wird in altägyptischen Schriften der Handwerker und Bauern kaum gedacht. Wir lesen wohl die
hochtönenden Titel der Könige, die tapfern Thaten der Kriegsmänner, die vielen Würden und Verdienste der Priester; aber von der
niedern Volksklasse ist weder in den Gräbern noch in den Tempeln die Rede. Als daher die phantastische Götterlehre der alten
Ägypter, an welcher griechische Philosophie noch in letzter Stunde auszubessern versuchte, vor dem Anprall
des Christentums ohnmächtig zusammenbrach, da war es auch mit den Hierogrammaten zu Ende; die mystische Wissenschaft, mit welcher
sie umgingen, wurde verachtet, ihre lange gepflegte Kunst war nutzlos geworden und wurde rasch vergessen.
Die alten Schriftsteller, welche über Ägypten geschrieben haben, konnten sich nur unvollkommene Auskunft
verschaffen, haben auch ihre ägyptischen Quellen mitunter durch Gräzisierung getrübt. Bei Herodot, Diodoros von Sizilien
und Plutarch in dem wertvollen Traktat »De Iside et Osiride« sowie in den »Stromata« des Clemens von Alexandria finden sich
manche Winke über das hieroglyphische Schriftsystem, aber keiner ist auf dasselbe näher eingegangen.
Nach ihnen unternahm es ein gewisser Horapollon (Horos
[* 49] Apollon),
[* 50] ein eignes Werk über die Hiëroglyphen in ägyptischer Sprache abzufassen,
das uns in einer griechischen Übersetzung erhalten ist.
Gerade diese Schrift hat aber die Veranlassung zu einer unrichtigen Deutung der Hiëroglyphen gegeben, weil sie dieselben als
reine Bilderschrift, in der jedes einzelne Zeichen einen selbständigen Begriff darstelle, betrachtet
wissen wollte und daher die wunderlichsten Erklärungen einzelner Schriftbilder gab. Die Angaben des Horapollon beruhen auf
einem Schriftsystem, das in später Ptolemäischer
[* 51] Zeit vielfache Anwendung fand, und das man um seiner Gesuchtheit und Kompliziertheit
willen das änigmatische genannt hat.
Ein tiefer Kenner der spätern Hieroglyphenschrift findet viele von Horapollons Deutungen bestätigt;
für die Entzifferung und Erklärung sind sie aber fast ganz unfruchtbar. Der letzte klassische Schriftsteller, welcher über
die Hieroglyphenschrift Auskunft gibt, ist Ammianus Marcellinus (4. Jahrh. n. Chr.), welcher in seinem Geschichtswerk (XVII,
4) die von einem ägyptischen Priester herrührende Übersetzung der Inschrift des Obelisken gibt, welchen
Konstantin nach Rom hat bringen lassen. Infolge des Eindringens des Christentums verlor sich das Verständnis der Hieroglyphenschrift
immer mehr, und mit dem letzten ägyptischen Götzenpriester ward der lange bewahrte Schlüssel dieser Schrift zu Grabe getragen.
Was nun die Entzifferung der Hieroglyphenschrift betrifft, welche nach Verlauf eines Jahrtausends von
neuern Kulturvölkern wieder aufgenommen ward, so ging die Meinung der meisten frühern Gelehrten dahin, daß jene Schrift
für Bilderschrift und symbolische Schrift zu halten sei. Da es aber an jeder festen Grundlage für die Erklärung der einzelnen
Zeichen fehlte, so überließ sich jeder seiner mehr oder minder besonnenen Phantasie, und je mehr Erklärer
endlich seit der ersten Hälfte des 17. Jahrh. aufstanden, um so viel größer wurde die Zahl
der willkürlichen Annahmen und Hypothesen. Zu den ersten Erklärern dieser Art gehören Pierius Valerius (»Hieroglyphica«,
Leid. 1629) und Michel Mercati (»Degli obelischi di Roma«,
[* 52] Rom 1589). AthanasiusKircher (»Obeliscus pamphilius«,
Rom 1650, und »Oedipus aegyptiacus«, das.
1652-54, 3 Bde.) hinterließ Foliobände von Übersetzungen ägyptischer
Inschriften; da er aber in engem Anschluß an Horapollon jedem hieroglyphischen Zeichen einen abgeschlossenen Begriff, entweder
mittels natürlicher oder mittels symbolischer Erklärung, unterlegte, so ist es ihm nicht gelungen, auch
nur eine einzige Hieroglyphengruppe richtig zu deuten. Am besonnensten gingen zu Werke Will. Warburton (»On the divine legation
of Moyses«, Bd. 2) und Zoëga, indem sie sich damit begnügten, die Nachrichten über die Hiëroglyphen bei den alten Schriftstellern
zu sammeln und zu kommentieren.
Letzterer brachte in seiner Schrift »De obeliscis« (Rom 1797) die auf den Denkmälern aufgezeichneten 958 Charaktere
in sieben Ordnungen und stellte auch verschiedene Epochen der Ausbildung, Veränderung und Anwendung der Hiëroglyphen auf; Erklärungsversuche
machte er jedoch nicht. Eine neue Epoche für diese Forschungen brach infolge der Expedition NapoleonBonapartes an, indem man
einerseits durch das große von den Mitgliedern der französischen Expedition herausgegebene Werk »Description
de l'Égypte« mit den altägyptischen Denkmälern vertrauter wurde, anderseits ein unschätzbarer Fund, ein in drei Sprachen
abgefaßtes Dekret, die richtige Entzifferung der Hiëroglyphen ermöglichen zu wollen schien.
Dieses wichtige Denkmal, die »Inschrift von Rosette«, befindet sich auf einer Granittafel, welche, 1799 durch einen
französischen Ingenieur, Namens Bouchard, bei Rosette aufgefunden, beim Transport nach Frankreich den Engländern in die Hände
fiel und jetzt im BritischenMuseum aufbewahrt wird. Sie besteht aus drei Abteilungen, von denen die obere, nur halb erhaltene,
hieroglyphische, die mittlere demotische und die untere griechische Schrift enthält. Die griechische Inschrift
meldet, daß dem König PtolemäosEpiphanes im 9. Jahr seiner Regierung (ca. 197 v. Chr.) von der ägyptischen Priesterschaft
gewisse Ehrenbezeigungen bewilligt worden seien, und daß diese Bewilligung mit heiliger, demotischer und griechischer Schrift
auf diesen Stein geschrieben worden sei. Hieraus ergab sich, daß die beiden obern Abteilungen in ägyptischer Schrift
denselben Sinn ausdrückten wie die griechische, und man hatte nun einen festen Punkt, von welchem man bei Entzifferung der
obern
¶