Bearbeitungen des Tibull (Leipz. 1755) und des Epiktet
(Dresd. 1756) waren. In
Wittenberg,
[* 2] wohin er 1759 als
Erzieher einen
jungen
Edelmann begleitete, setzte er seine
Studien fort und kehrte 1760 nach
Dresden
[* 3] zurück, wo er, durch die Beschießung
der Stadt seiner
Habe beraubt, in Dürftigkeit lebte, bis er 1763 alsProfessor der
Beredsamkeit nach
Göttingen
[* 4] berufen wurde. Im folgenden Jahr ward er erster Universitätsbibliothekar,
Hofrat und
Sekretär
[* 5] der
Akademie der
Wissenschaften
sowie
GeheimerJustizrat. Er starb Durch seine Vorlesungen über das klassische
Altertum sowie durch seine Leitung
des philologischen
Seminars trug er viel zur
Blüte
[* 6] derUniversität und zur Belebung der Altertumsstudien
bei.
Das
Studium der
Sprache
[* 7] und
Grammatik galt ihm nur als Vorbedingung, in den
Geist des
Altertums einzudringen, nicht als Hauptzweck
der
Philologie. Er ward darum, besonders von J. Heyne
Voß, vielfach getadelt; auch
Fr. Aug.
Wolf, erst sein dankbarer Zuhörer,
trat nachher in ein polemisches
Verhältnis zu ihm. Seine Thätigkeit als Schriftsteller umfaßte das
Altertum in seiner Gesamtheit und war ebensowohl auf die
Erklärung dunkler
Punkte der
Mythologie,
Archäologie und Geschichte
wie auf
Erläuterung der alten
Klassiker, namentlich der Dichter, gerichtet.
Von seinen
Schriften sind außer den »Opuscula academica«, einer Sammlung seiner
Abhandlungen und
Programme
(Götting. 1785-1812, 6 Bde.), besonders zu erwähnen die
schon genannte
Ausgabe des Tibull (4. Aufl. von
Wunderlich, Leipz. 1817, 2 Bde.),
des Vergil (das. 1767-75, 4 Bde.;
neue Aufl. von
Wagner, das. 1830-41, 5 Bde.),
des
Pindar
(Götting. 1773, 2 Bde.; 3. Ausg.,
Leipz. 1817, 3 Bde.), die von
Homers
»Ilias« (das. 1802, 8 Bde.)
und von Apollodors »Bibliotheca graeca«
(Götting. 1782, 4 Bde.; 2. Aufl.
1803, 2 Bde.);
2)
RobertTheodor, jurist. Schriftsteller, geb. zu Witznitz bei
Borna, ward 1837
Auditor beim Appellationsgericht
zu
Dresden, 1840 als
Aktuar an das
Landgericht zu
Bautzen
[* 9] versetzt, 1842 als Hilfsarbeiter in das Appellationsgericht
zu
Dresden zurückgerufen und 1843 zum
Beisitzer, 1847 zum
Rate desselben ernannt. Er starb Außer mehreren Abhandlungen
in
Zeitschriften schrieb Heyne:. »Über die Kumulation des Eidesantrags mit andern Beweismitteln«
(Dresd. 1840);
3)
Moritz, germanist. Sprachforscher, geb. zu
Weißenfels,
[* 10] studierte in
Halle,
[* 11] habilitierte sich daselbst 1864 als
Dozent für altdeutsche Litteratur, erhielt
1869 eine außerordentliche Professur und ward zuOstern 1870 als
Professor der deutschen Litteratur und vergleichenden Sprachwissenschaft (an W.
WackernagelsStelle) nach Basel
[* 12] berufen. Er schrieb:
»KurzeLaut- und Flexionslehre der altgermanischen
Dialekte« (Paderb. 1862, 3. Aufl. 1874),
Ȇber die
Lage und
Konstruktion der
Halle Heorot im angelsächsischen Beowulflied« (das. 1864),
»Altniederdeutsche
Eigennamen aus dem 9.-11. Jahrh.«
(Halle
1868) u. a. und besorgte
Ausgaben des
Beowulf (Paderb. 1863, 4. Aufl. 1879),
von
dem er schon vorher eine metrische Übersetzung
(das. 1863) veröffentlicht hatte, des
Heliand (das. 1865, 3. Aufl. 1883),
des
Ulfilas (8. Aufl., das. 1885). Seit 1867 einer der Fortsetzer
von
Grimms »Deutschem
Wörterbuch«, hat Heyne bis jetzt die
BuchstabenH, I, L,
M und einen Teil von R bearbeitet.
starb daselbst. Er schrieb unter
anderm: »Verdeutschungswörterbuch« (Oldenb.
1804),
welches von der 4.
Auflage (1825) an als
»Allgemeines Fremdwörterbuch« (16. Aufl. von
Gustav Heyse, Hannov. 1879; daneben
in andrer Bearbeitung von
Böttger, Leipz. 1874 u. öfter) erschien;
»Kleines Fremdwörterbuch«,
Auszug
aus dem vorigen (das. 1840);
»Theoretisch-praktische deutsche
Grammatik« (Hannov. 1814; 5. von seinem Sohn
KarlWilhelmLudwig
umgearbeitete
Auflage 1838-49, 2 Bde.);
»Leitfaden zum
Unterricht in der deutschen
Sprache« (25. Aufl., das. 1885).
2)
KarlWilhelmLudwig, ebenfalls Sprachforscher, Sohn des vorigen, geb. zu
Oldenburg, wurde 1816
Führer
des jüngsten
Sohns von Wilh. v.
Humboldt, lebte 1819-27 als
Hauslehrer in der
Familie des
StaatsratsMendelssohn-Bartholdy, habilitierte
sich 1827 an der
Universität zu
Berlin
[* 17] und erhielt 1829 eine außerordentliche Professur derPhilosophie
daselbst. Er starb Nach seines
VatersTod besorgte er die neuen
Ausgaben von dessen
Schriften und gestaltete auch
dessen größere
Sprachlehre in der 5.
Auflage zu einem »Ausführlichen Lehrbuch der deutschen
Sprache« (Hannov. 1838-49, 2 Bde.)
mit Rücksichtnahme auf die neuen geschichtlichen und vergleichenden Sprachforschungen um. Mit seinem
Vater gemeinschaftlich begonnen, aber von ihm dann allein ausgeführt ist das »Handwörterbuch
der deutschen
Sprache« (Magdeb. 1831-1849, 2 Bde.).
Aus seinem
Nachlaß gab
Steinthal das
»System der Sprachwissenschaft« (Berl. 1856), Heyses bedeutendste
Arbeit, heraus.
3)
TheodorFriedrich, Philolog,
Bruder des vorigen, geb. studierte seit 1822 inBerlin, wurde 1827
Lehrer
an der Erziehungsanstalt auf
SchloßLenzburg im Lippeschen, ging 1832 nach
Rom,
[* 18] wo er
Handschriften verglich, auch als Privatlehrer
wirkte, begab sich 1861 nach
München,
[* 19] kehrte ab er schon 1865 nach
Italien
[* 20] zurück und starb in
Florenz.
[* 21] Er gab
»Polybii historiarum excerpta gnomica« (Berl.
1846),
seinem Nachlaß erschien: »Die Orestie des Äschylus« (hrsg.
von Hartwig, Halle 1884).
Vgl. Hillebrand, Th. Heyse (in der »Gegenwart«, Bd.
25).
4) PaulJohann, Dichter und Novellist, geb. zu Berlin, Sohn von Heyse 2), studierte in Berlin und Bonn
[* 23] klassische, dann
romanische Philologie, machte im März 1852 eine wissenschaftliche Reise nach Italien und ward 1854 vom
König Maximilian nach München berufen, um hier ganz seiner poetischen Ausbildung zu leben. Unter mannigfachen, im ganzen glücklichen
Erlebnissen verblieb der Dichter dauernd in der bayrischen Residenz, auch nachdem er 1867 auf den bis dahin genossenen Jahrgehalt
freiwillig Verzicht geleistet. Mit der Buchtragödie »Francesca da Rimini« (Berl. 1851),
den erzählenden
kleinen Dichtungen: »Urica« und »Die
Brüder« (das. 1852) und seinen ersten Novellen hatte Heyse große Hoffnungen für sein Talent erweckt. Seine Poesie zeigte sich
frisch sinnlich mit einem leisen Zug
zur Lüsternheit, plastisch und farbenreich zugleich, psychologisch sehr fein; dabei lag
eine gewisse sonnige Heiterkeit selbst über seiner Behandlung tragischer Stoffe. Als Lyriker trat Heyse mit den im ersten Band
[* 24] seiner »Gesammelten Werke« vereinigten »Gedichten«
(Berl. 1871, 3. Aufl. 1884) hervor, denen später das prächtige »Skizzenbuch«,
Lieder und Bilder (das. 1877) und die »Verse aus Italien« (1880) folgten. Die erzählenden Dichtungen »Hermen«
(Berl. 1854, die in spätern Auflagen den Titel: »Novellen in Versen« erhielten) und die erste Sammlung seiner »Novellen« (das.
1855, 6. Aufl. 1870) begründeten Heyses Ruf als eines phantasievollen und nach reiner Kunstvollendung und Kunstwirkung strebenden
Dichters, den alle spätern Werke, mit Ausnahme einer Anzahl mehr auf äußerlichen theatralischen Effekt
berechneter Dramen, bekräftigten.
Seine Haupterfolge fand er auf dem Gebiet der Novelle, wo er in rascher Folge vier Sammlungen von »Novellen« (Berl. 1855-62,
wiederholt aufgelegt),
»Himmlische und irdische Liebe« etc. (das. 1886) und »Der
Roman der Stiftsdame« (das. 1886) erscheinen ließ. Daneben erschienen einzeln: »Das Glück von Rothenburg«
[* 25] (Augsb. 1883) und
»Siechentrost« (das. 1883). Durch Anmut des Vortrags und warme Lebendigkeit des Details ausgezeichnet, sind
diese Novellen dem poetischen Gehalt, der Gestaltungskraft nach ziemlich ungleich, viele darunter, wie: »L'Arabbiata«, »Die
Einsamen«, »Das Mädchen von Treppi«, »Im
Grafenschloß«, »Der Weinhüter von Meran«,
[* 26] »Andrea Delfin«, kleine Meisterstücke. Eine bemerkenswerte Entwickelung des Dichters
liegt darin, daß die spätern Novellen auch herbern Konflikten und einem düstern Lebenshintergrund nicht
mehr ausweichen. In den epischen Dichtungen: »Die Braut von Cypern«
[* 27] (Stuttg. 1856) und »Thekla« (das. 1858, 2. Aufl. 1863) und
»Syritha« (Berl. 1867) bewährte er wie in den
Novellen die eigentümlichen Vorzüge seines Talents. Als Dramatiker durchlief er eine eigentümliche Entwickelung. Die
Tragödie
»Meleager« (Berl. 1854),
die Preistragödie »Die Sabinerinnen« (das.
1859, 3. Aufl. 1879, und »Ludwig der Bayer« (1862) trugen noch ziemlich akademisches Gepräge. Mit den Schauspielen: »ElisabethCharlotte« (1864),
»Getrennte Welten« (1886) widerlegten
diesen Vorwurf und behaupteten sich zum Teil gleichwohl besser auf den Brettern als die frühern dramatischen Versuche Heyses.
Alle seine dramatischen Erfolge aber ließ der Dichter hinter sich, als er mit seinem ersten größern Roman: »Die Kinder der
Welt« (Berl. 1873; 7. Aufl. 1880, 3 Bde.),
hervortrat. Derselbe erregte gewaltiges Aufsehen; seine Tendenz wie seine künstlerische Anlage fanden begeisterte Zustimmung
wie heftigen Widerspruch, gleichwohl konnte von keiner Seite her die geistige Bedeutung und der poetische Gehalt des Ganzen
in Frage gestellt werden.
Ein zweiter großer Roman: »Im Paradiese« (Berl. 1875, 3 Bde.; 5. Aufl.
1880), gleichfalls aus der modernen Welt, namentlich Künstlerwelt, in einzelnen Episoden und Figuren von
höchster Meisterschaft zeugend, veranlaßte wiederum heftige Proteste gegen die ihm zu Grunde liegende Lebensanschauung und
den vermeintlichen Eudämonismus. Weitere Veröffentlichungen von Heyse sind: »Jungbrunnen« (Berl. 1875);
mit Laistner den »Neuen deutschen Novellenschatz« (das. 1884 ff.),
außerdem das »NeueMünchener Dichterbuch« (Stuttg. 1882) heraus. 1884 erhielt Heyse für seine
dramatischen Schöpfungen vom deutschen Kaiser den großen Schillerpreis. Seine »Gesammelten Werke« (Berl.
1871-86, bis jetzt 21 Bde.) zeigen den Reichtum und die Anmut seines Talents im besten Licht.
[* 29]