preuß.
Provinz, 1867 und 1868 aus Landesteilen gebildet, welche infolge
des
Kriegs von 1866 an
Preußen kamen, nämlich aus dem ehemaligen Kurfürstentum
Hessen-Kassel und dem ehemaligen Herzogtum
Nassau mit geringen Ausnahmen, welche einen Austausch zur Abrundung der großherzoglich hessischen
ProvinzOberhessen bezweckten, ferner aus dem größten Teil des Gebiets der ehemaligen freien Reichsstadt
Frankfurt
[* 8] a. M.,
aus dem
Kreis
[* 9]
Biedenkopf und einigen andern
Stücken des Großherzogtums
Hessen, aus der Herrschaft
Homburg
[* 10] der ehemaligen Landgrafschaft
Hessen-Homburg und endlich aus kleinen Gebietsteilen von
Bayern
[* 11]
(Gersfeld,
Orb).
Die
Provinz hat eine
Größe von 15,683 qkm (284,82 QM.). Sie besteht vorzugsweise
aus Bergland von mäßiger
Höhe, in welches das Tiefland nur mit geringen Teilen einschneidet, so im
S. am
Main, wo der nördlichste Teil der
Oberrheinischen Tiefebene mit einem Teil der
Wetterau hierher gehört, und im N., wo
das Tiefland in schmalen
Strichen längs der
Werra und
Fulda
[* 22] hinaufgeht und vorzüglich an der
Schwalm sich zu einem fruchtbaren
Becken
(Ebene von
Wabern und dem südlich davon gelegenen Schwalmgrund) erweitert.
Das Bergland gehört im Regierungsbezirk
Wiesbaden zum rheinisch-westfälischen Schiefergebirge, von
dem sich ein
Ausläufer,
das Hainaische
Gebirge (im
Kellerwald [s. d.] 672 m hoch), halbinselartig zwischen den Buntsandsteinplatten
auch bis zur mittlern
Schwalm in den Regierungsbezirk
Kassel hineinzieht; im Regierungsbezirk
Wiesbaden sind der
Taunus (s. d.)
und der
Westerwald (s. d.) mit den höchsten
Punkten, dem
GroßenFeldberg (880
m) und dem Fuchskauten (657
m). Die Gebirgslandschaften des Regierungsbezirks
Kassel gehören zum rheinischen
System (Buntsandsteingebirge).
Monate von ungeheuern Schneemassen bedeckt ist. Überaus angenehm ist das Klima in den tiefer gelegenen Landstrichen. Die
jährliche Durchschnittswärme ergibt in Kassel und Marburg bei etwa 65 cm jährlicher Regenhöhe beinahe 9°, in Frankfurt a. M.
9,6° C.
Die Zahl der Bewohner belief sich 1885 auf 1,592,454 Seelen gegen 1,554,376
im J. 1880. Unter den Bewohnern waren 1885: 1,110,831 Evangelische, 431,529 Katholiken und 43,145 Juden. Auf die Städte kamen
596,165, auf das platte Land 995,997 Bewohner. Städte gibt es 108, von denen nur 7 (Frankfurt a. M., Kassel, Wiesbaden, Hanau,
[* 33] Bockenheim, Marburg und Fulda) über 10,000 und 52 unter 2000 Einw. haben. Im Durchschnitt wohnen auf 1 qkm 101 Menschen
(im Regierungsbezirk Kassel 79, in Wiesbaden 141). Die Evangelischen sind in den ursprünglich weltlichen, die Katholiken in
den vormals geistlichen Staaten (Fulda, Mainz, Trier)
[* 34] vorherrschend. An Lehranstalten gibt es eine Universität (Marburg), 12 Gymnasien, 38 Realgymnasien,
Realprogymnasien, Real-, Handels- und höhere Bürgerschulen, 7 Schullehrerseminare, 3 Taubstummen-, 2 Blindeninstitute
etc. Die Hauptbeschäftigungen der Bewohner sind: Landwirtschaft, Viehzucht,
[* 35] die gewöhnlichen Gewerbe, Holzwirtschaft, Bergbau
[* 36] in einzelnen Gegenden (s. unten).
Von der Gesamtfläche kamen 1883: 39,9 Proz. auf Äcker, Gärten und Weingärten, 11,6 auf Wiesen, 4,5 auf Weiden und 40,0 Proz.
auf Wald. Hessen-Nassau ist die waldreichste Provinz des preußischen Staats; von den Waldungen gehören 41,2 Proz.
dem Staat, 34,6 Proz. Gemeinden, 1,5 Proz. Stiftungen, 5,9 Proz. Genossenschaften und nur 16,8 Proz. Privatleuten. Der Buchenhochwald
ist die herrschende Waldart, erscheint aber schon mehrfach mit Nadelhölzern untermischt; die Eiche findet sich vorzüglich
gemischt mit der Buche im Reinhardswald, in gepflanzten Beständen im KreisRinteln, in Schälwaldungen auf
etwa 25,000 Hektar im Regierungsbezirk Wiesbaden; die Kiefer ist bei Fulda und in der Mainebene (auf kiesigem Boden) der herrschende
Waldbaum, die Fichte,
[* 37] mit der Tanne
[* 38] vermischt, im KreiseSchmalkalden auf dem Thüringer Wald.
Bewaldet sind vorzugsweise die Gebirge mit Ausnahme der höchsten Teile der HohenRhön und des Westerwaldes,
sodann alle Berglandschaften u. Bergplatten.
Vgl. Wagner, Die Waldungen des ehemaligen Kurfürstentums Hessen (Hannov. 1886,
Bd. 1).
Für den Ackerbau ist die Provinz nicht gerade sonderlich geeignet, doch sind durch Fruchtbarkeit ausgezeichnet die höhern
Lagen in der Mainebene im S., der GoldeneGrund an der Ems im Nordabhang des Taunus, die Ebene von Wabern und
der Schwalmgrund an der Schwalm sowie die Landschaft an der Werra bei Eschwege. Von besonderer Wichtigkeit sind die Wiesen als
eine Grundbedingung für die bedeutende Rindviehzucht. Garten-, Obst- und Gemüsebau sind ausgezeichnet in
den begünstigten Gegenden, im N. bei Kassel und an der Werra, im S. am Main und am Rhein, sodann noch an der Lahn. Zu Geisenheim
a. Rh. gibt es ein pomologisches Institut und großartige Baumschulen, die außer den gewöhnlichen Obstarten auch Pfirsiche,
Quitten, Mispeln, Maulbeeren, Feigen etc. ziehen.