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und Telegraphenwesen steht unter der Verwaltung des Reichs. Die Länge der im Betrieb befindlichen Eisenbahnen beträgt 837, die der Staatsstraßen 1859 km. Sonstige Förderungsmittel des Handels sind die Bank für Handel und Industrie und die Bank für Süddeutschland (beide zu Darmstadt) [* 2] sowie die sechs Handelskammern in Darmstadt, Offenbach, [* 3] Gießen, [* 4] Mainz, [* 5] Worms [* 6] und Bingen. [* 7] Außerdem befinden sich in [* 8] eine Haupt- (in Mainz) und vier Nebenstellen (in Darmstadt, Offenbach, Gießen und Worms) der Reichsbank.
Das in Hessen seit 1817 bestehende, auf dem metrischen System beruhende Maß- und Gewichtssystem hat durch die Reichsgesetze vom und wodurch für ganz Deutschland [* 9] einheitliches Maß und Gewicht eingeführt wurde, nur teilweise eingreifende Abänderungen erfahren. Nachdem durch das Reichsmünzgesetz vom für das Deutsche Reich [* 10] die Goldwährung und Markrechnung eingeführt worden ist, hat der Übergang von dem frühern 52½-Guldenfuß zur Reichsmarkrechnung in Hessen stattgefunden.
Von den Humanitäts- und Wohlthätigkeitsanstalten sind hervorzuheben: die Staatsunterstützungskasse in Darmstadt, die schon erwähnte Landeswaisenanstalt, das Landeshospital zu Hofheim, die Landesirrenanstalt zu Heppenheim, die schon genannten Taubstummenanstalten, die Blindenanstalt in Friedberg, [* 11] das Kaufunger Stift (für arme adlige Töchter), die Ludwigs- und Mathilden-Landesstiftung, verschiedene Witwen-, Sterbe- und Krankenkassen, Krankenhäuser, Entbindungsanstalten, die Idiotenanstalt und die Knabenarbeitsanstalt zu Darmstadt etc.
Staatsverfassung und Verwaltung.
Das souveräne Großherzogtum Hessen, zu einem solchen 1806 erhoben, bildet laut Verfassungsurkunde vom als ein unter einer und derselben Verfassung stehendes Ganze, eine unteilbare konstitutionelle Monarchie. Der Landesherr, welcher den Titel »Großherzog von und bei Rhein« mit dem Prädikat »Königliche [* 12] Hoheit« führt, genießt alle mit der königlichen Würde verbundenen Rechte, Ehren und Vorzüge und vereinigt in sich alle Rechte der Staatsgewalt, die er unter den in der Verfassung festgesetzten Bestimmungen auszuüben hat. Er ist das Oberhaupt des großherzoglichen Hauses wie auch der evangelischen Kirche des Landes und bezieht eine Zivilliste von 1,096,288 Mk., welche, gleich den übrigen Bedürfnissen des Hofs, auf die als Familieneigentum anerkannten zwei Drittel der Domänen radiziert ist.
Die Regierung ist im großherzoglichen Haus erblich nach Erstgeburt und Linealerbfolge, auf Grund der Abstammung aus ebenbürtiger, mit Bewilligung des Großherzogs geschlossener Ehe. In Ermangelung eines durch Verwandtschaft oder Erbverbrüderung zur Nachfolge berechtigten Prinzen geht die Regierung auf das weibliche Geschlecht über. Beim Erlöschen des Mannesstamms ist zur Thronfolge zunächst Hessen-Kassel berechtigt, sonst bestehen noch Erbverbrüderungen zwischen den hessischen Häusern, Sachsen [* 13] und Brandenburg, [* 14] die zuletzt 1614 erneuert wurden.
Gegenwärtiger Regent ist der Großherzog Ludwig IV., der seit regiert. Alle Staatsbürger sind vor dem Gesetz gleich. Jedem ist vollkommene Gewissensfreiheit zugesichert, und die Freiheit der Person und des Eigentums ist keiner andern Beschränkung unterworfen, als welche Recht und Gesetz bestimmen. Die Verschiedenheit des Religionsbekenntnisses hat keine Verschiedenheit in den politischen und bürgerlichen Rechten zur Folge. Niemand soll seinem gesetzlichen Richter entzogen werden. Die frühern Vorrechte der Standesherren etc., welche in der Ausübung von Hoheitsrechten bestanden, sind seit 1848 erloschen.
Die Stände des Großherzogtums bilden zwei Kammern, über deren Zusammensetzung das Gesetz vom neue Bestimmungen enthält. Danach besteht die Erste Kammer aus den Prinzen des großherzoglichen Hauses, den Häuptern der standesherrlichen Familien, dem Senior der freiherrlichen Familie v. Riedesel, einem protestantischen Geistlichen, welchen der Großherzog auf Lebenszeit mit der Würde eines Prälaten ernennt, dem katholischen Landesbischof, dem Kanzler der Landesuniversität, 2 von dem angesessenen Adel aus seiner Mitte gewählten Mitgliedern und aus höchstens 12 vom Großherzog auf Lebenszeit berufenen ausgezeichneten Staatsbürgern.
Die Zweite Kammer besteht aus 10 Deputierten der Städte (Darmstadt 2, Mainz 2, Gießen, Offenbach, Friedberg, Alsfeld, Worms, Bingen je 1) und 40 Abgeordneten der kleinern Städte und Landgemeinden. Die Ernennung der Abgeordneten für die Zweite Kammer geschieht durch indirekte Wahl. Der Großherzog beruft, vertagt und löst die Ständeversammlung auf oder schließt dieselbe, die wenigstens alle drei Jahre einberufen werden muß. Erfolgt die Auflösung derselben, so wird binnen sechs Monaten eine neue einberufen, zu welcher neue Wahlen stattfinden müssen.
Ohne Zustimmung der Stände kann weder eine direkte noch indirekte Steuer ausgeschrieben oder erhoben werden. Das Finanzgesetz wird auf drei Jahre gegeben und muß zuerst der Zweiten Kammer vorgelegt werden, welche die Beschlüsse zu fassen hat, die von der Ersten Kammer nur im ganzen angenommen oder verworfen werden können. Im letztern Fall wird das Finanzgesetz in einer gemeinschaftlichen Sitzung beider Kammern, unter dem Vorsitz des Präsidenten der Ersten, diskutiert und der Beschluß nach absoluter Stimmenmehrheit gefaßt.
Ohne Zustimmung der Stände kann kein Gesetz, auch in Beziehung auf das Polizeiwesen, gegeben, aufgehoben oder abgeändert werden. Das Recht der Initiative steht dem Großherzog zu, während die Stände nur auf dem Weg der Petition auf neue Gesetze oder auf Abänderung und Aufhebung bestehender antragen können. Den Präsidenten der Ersten Kammer ernennt der Großherzog, den der Zweiten wählt derselbe aus drei ihm hierzu vorgeschlagenen Kandidaten. Die Sitzungen der Kammern sind öffentlich. Die Minister sind verantwortlich und können von den Ständekammern in Anklagestand versetzt werden.
Die oberste Staatsbehörde bildet das Staatsministerium. Innerhalb des Staatsministeriums bestehen das Ministerium des Innern und der Justiz und das Ministerium der Finanzen. Der Präsident des Staatsministeriums ist zugleich Minister des großherzoglichen Hauses und des Äußern. Das Ministerium des Innern und der Justiz zerfällt in zwei Sektionen, die Sektion für innere Verwaltung und die Sektion für Justizverwaltung. Bei der Sektion für innere Verwaltung bestehen besondere Ministerialabteilungen für Schulangelegenheiten (an Stelle der frühern Oberstudiendirektion) und für öffentliche Gesundheitspflege (früher Obermedizinaldirektion), bei dem Ministerium der Finanzen eine Abteilung für Bauwesen (früher Oberbaudirektion), eine Abteilung für Forst- und Kameralverwaltung (früher Oberforst- und Domänendirektion) und eine Abteilung für Steuerwesen (früher Obersteuerdirektion). ¶
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Über Verwaltungsstreitigkeiten entscheidet der Verwaltungsgerichtshof im öffentlichen und mündlichen Verfahren. Die Verwaltung sämtlicher sogen. innern Angelegenheiten leitet das Ministerium des Innern und der Justiz mit seiner Sektion für innere Verwaltung. Ihm sind für einzelne Geschäftszweige besondere Zentralstellen untergeordnet, z. B. die Zentralstellen für die Landesstatistik, für die Gewerbe und für die Landwirtschaft (sämtlich in Darmstadt).
An der Spitze jeder Provinz des Landes steht eine Provinzialdirektion, an der eines jeden der 18 Kreise [* 16] ein Kreisamt (mit einem Kreisrat). Jeder Kreis [* 17] bildet einen Verband [* 18] zur Selbstverwaltung seiner Angelegenheiten, mit den Rechten einer Korporation. Dasselbe gilt von den Provinzen. Für jeden Kreis besteht ein Kreistag, dessen Mitglieder zu ⅓ von den Höchstbesteuerten, zu ⅔ von den Bevollmächtigten der Gemeindevorstände auf 6 Jahre gewählt werden. Nach 3 Jahren scheidet die Hälfte aus.
Den Vorsitz hat der Kreisrat. Zur Verwaltung der Angelegenheiten des Kreises, nach Maßgabe der Gesetze und der Beschlüsse des Kreistags, ist der Kreisausschuß bestellt, welcher aus dem Kreisrat und 6 von dem Kreistag auf 6 Jahre gewählten Mitgliedern besteht. In analoger Weise ist der Provinzialtag, dessen Abgeordnete von den Kreistagen der Provinz ebenfalls auf 6 Jahre gewählt werden, zur Vertretung des Provinzialverbandes und der Provinzialausschuß (bestehend aus dem Provinzialdirektor und 8 von dem Provinzialtag auf 6 Jahre gewählten Mitgliedern) zur Verwaltung der Angelegenheiten der Provinz, beide unter der Leitung des Provinzialdirektors, berufen. Die Oberaufsicht des Staats über die Provinzial- und Kreisverbände übt das Ministerium des Innern und der Justiz. Auf dessen Antrag kann ein Provinzial- sowie Kreistag durch landesherrliche Verordnung aufgelöst werden, worauf neue Wahlen binnen 6 Monaten stattzufinden haben.
Rechtspflege, Kirchenwesen.
Die Justiz ist von der Verwaltung scharf getrennt. Soweit nicht durch die Reichsgesetzgebung (z. B. das Handelsgesetzbuch seit 1862, die Wechselordnung seit 1849, die Konkursordnung seit 1877 etc.) mit den andern deutschen Bundesstaaten gemeinsames Recht eingeführt ist, gilt in Hessen, abgesehen von Rheinhessen, wo das französische Recht in Geltung geblieben ist, für Zivilrecht gemeines Recht, modifiziert durch Landrechte (Katzenelnbogener, Erbacher, Solmser, Kurmainzer, Pfälzer etc. Landrecht), ferner Stadtrechte (z. B. Wimpfen) und einzelne Landesgesetze (insbesondere das Pfandgesetz von 1858, das Gesetz über die Erwerbung des Grundeigentums von 1852, das Gesetz über die Verjährung der persönlichen Klagen von 1853); für den Strafprozeß gilt die deutsche Strafprozeßordnung vom Gemeinsam für das ganze Land sind weiter: das Reichsstrafgesetzbuch von 1872, das Polizeistrafgesetz von 1855, soweit es nach dem Übergangsgesetz vom noch neben dem Reichsstrafgesetzbuch in Geltung geblieben ist, und das deutsche Militärstrafgesetz vom sowie die Disziplinarstrafordnung für das Heer vom Für das Verfahren in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten gilt die Reichszivilprozeßordnung vom Administrativbehörde für die oberste Leitung des Justizwesens ist das Ministerium des Innern und der Justiz mit einer Sektion für Justizverwaltung.
Die Rechtspflege wird gehandhabt in Gemäßheit des deutschen Gerichtsverfassungsgesetzes vom Es bestehen: ein Oberlandesgericht zu Darmstadt (letzte Instanz, insofern nicht als solche das Reichsgericht zuständig ist), drei Landgerichte: zu Darmstadt, Gießen und Mainz (für jede Provinz eins), Schwurgerichte zu Darmstadt, Gießen und Mainz, Kammern für Handelssachen zu Darmstadt, Offenbach, Gießen, Mainz und Worms, 49 Amtsgerichte, ein Rheinschifffahrtsgericht zu Mainz, ferner eine kaiserliche Disziplinarkammer zu Darmstadt sowie Militärgerichte.
Das Verhältnis des Staats zur Kirche ist durch die Kirchengesetze vom geregelt:
1) Gesetz, betreffend die rechtliche Stellung der Kirchen- und Religionsgemeinschaften im Staat;
2) Gesetz, betreffend den Mißbrauch der geistlichen Amtsgewalt;
3) Gesetz, betreffend die Vorbildung und Anstellung der Geistlichen;
4) Gesetz, betreffend die Orden [* 19] und ordensähnlichen Kongregationen;
5) Gesetz, betreffend das Besteuerungsrecht der Kirchen- und Religionsgemeinschaften. Nach der Kirchenverfassung vom umfaßt die evangelische Landeskirche sämtliche evangelische (lutherische, reformierte und unierte) Gemeinden des Großherzogtums, unbeschadet des Bekenntnisstandes der einzelnen Gemeinden. Das Kirchenregiment wird von dem evangelischen Landesherrn nach Maßgabe der Verfassung durch die oberste Kirchenbehörde, das Oberkonsistorium, ausgeübt.
Jede Kirchengemeinde verwaltet innerhalb der verfassungsmäßig bestimmten Grenzen [* 20] ihre Angelegenheiten selbst, und zwar zunächst durch die Gemeindevertretung und den Kirchenvorstand. Die Gesamtheit der evangelischen Kirchengemeinden eines Dekanats (die Zahl derselben beträgt 23) findet ihre Vertretung in der in der Regel einmal jährlich zusammentretenden Dekanatssynode, bestehend aus sämtlichen Geistlichen des Dekanats und ebenso vielen von den Gemeindevertretungen gewählten weltlichen Mitgliedern.
Vorsitzender ist der Dekan, welcher von der Dekanatssynode für 6 Jahre gewählt und von dem Großherzog bestätigt wird. Die Gesamtheit der evangelischen Kirche wird durch die Landessynode vertreten. Dieselbe tritt regelmäßig alle 5 Jahre zusammen und besteht aus je einem geistlichen und je einem weltlichen von jeder Dekanatssynode gewählten Abgeordneten, dem evangelischen Prälaten und 7 (3 geistlichen und 4 weltlichen) von dem evangelischen Landesherrn zu ernennenden Mitgliedern. Der Landessynode steht das Gesetzgebungsrecht in allen kirchlichen Angelegenheiten in Gemeinschaft mit dem Landesherrn zu. Die katholische Landeskirche (Landesbistum Mainz) bildet einen Bestandteil der oberrheinischen Kirchenprovinz und steht unter einem Bischof (mit Domkapitel), dem wiederum 16 katholische Dekanate und 158 Pfarreien untergeordnet sind. Für den israelitischen Kultus bestehen 7 Rabbinate (1880: 26,746 Israeliten).
Finanzen, Heerwesen etc.
Die jährlichen Einnahmen des Staats betragen nach dem Staatsbudget für die Finanzperiode 1885 bis 1888: 19,902,099 Mk., nämlich aus:
Domänen | 333189 Mark |
Regalien | 6900 Mark |
Direkten Steuern | 8200186 Mark |
Indirekten Auflagen | 4411298 Mark |
Überschüssen, Strafen etc. | 2950526 Mark |
Die Ausgaben betragen 18,416,098 Mk., nämlich:
Lasten, Abgänge etc. | 1212630 Mk. |
Staatsschuld | 1211734 Mk. |
Pensionen | 990657 Mk. |
Zivilliste und Apanagen | 1255917 Mk. |
Landstände | 44650 Mk. |
Staatsministerium | 315540 Mk. |
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