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2) Johann Gottfried Jakob, einer der größten Philologen, geb. zu Leipzig, [* 2] privatim vorgebildet durch Ilgen, bezog schon 1786 die Universität seiner Vaterstadt, um Jurisprudenz zu studieren, wandte sich aber immer mehr, besonders unter dem Einfluß des mit ihm verwandten Reiz, der Philologie zu, ging auf ein Semester nach Jena [* 3] (1793/94), um unter Reinhold sich der Kantschen Philosophie zu widmen, habilitierte sich im Oktober 1794 in Leipzig durch Verteidigung der Schrift »De poeseos generibus«, wurde 1798 außerordentlicher Professor der Philosophie, 1803, nachdem er 1802 die Berufung als Rektor der Schulpforta abgelehnt hatte, ordentlicher Professor der Beredsamkeit, 1809 auch der Poesie und starb als Senior der Universität Hermann war das anerkannte Haupt der kritisch-grammatischen Schule, die in dem Verständnis der antiken Schriftwerke das Ziel der Philologie, in der Erforschung der Sprache [* 4] das erste und unerläßlichste Mittel zur Erreichung desselben erkannte, und trat dadurch in einen gewissen Gegensatz zu der universalen Richtung Böckhs, von der aus ihm eine einseitige Auffassung zum Vorwurf gemacht wurde. Der Streit hierüber veranlaßte ihn zu der Schrift »Über Böckhs Behandlung der griechischen Inschriften« (Leipz. 1826) und der »Rezension von Herrn K. O. Müllers Eumeniden des Äschylos« (das. 1835) nebst »Rezension einer Antikritik und zweier Rezensionen von Herrn K. O. Müller« (das. 1839); doch hat auch diese Fehde allmählich gegenseitiger Anerkennung Platz gemacht. Auf einem mehr freundschaftlichen Austausch verschiedener Ansichten über Mythologie beruhte sein Schriftwechsel mit Creuzer: die »Briefe über Homer und Hesiodus« (Heidelb. 1817) und »Über das Wesen und die Behandlung der Mythologie« (Leipz. 1819). Seine Vorlesungen, meist exegetischer Natur, zeichneten sich durch seltene Lebendigkeit des Vortrags, Klarheit und Bestimmtheit der Darstellung, eine unübertroffene Methode aus; durch die 1799 gestiftete Griechische Gesellschaft sowie seit 1834 als Direktor des philologischen Seminars suchte er das Urteil seiner Schüler auch im engern Kreis [* 5] zu wecken und zu schärfen.
Von seinen schriftstellerischen Arbeiten sind gleich die ersten über antike Metrik bahnbrechend, indem er eine wissenschaftliche Theorie derselben auf Grund der Kantschen Lehre [* 6] von den Kategorien, allerdings unter Übergehung der alten Rhythmiker und Musiker, aufstellte. Wir nennen: »De metris poetarum graecorum et romanorum« (Leipz. 1796);
das »Handbuch der Metrik« (das. 1799);
die reichen »Elementa doctrinae metricae« (das. 1816);
die »Epitome doctrinae metricae« (das. 1818, 4. Aufl. 1869),
ein im einzelnen bereicherter und berichtigter Auszug aus den »Elementa« für Vorlesungen.
Vgl. Freese, De Hermanni metrica ratione (Halle [* 7] 1820), und Geppert, Über das Verhältnis der Hermannschen Theorie der Metrik zur Überlieferung (Berl. 1835).
Ferner ward Hermann der Begründer einer rationellern Behandlung der griechischen Grammatik, die auf eine bessere Gestaltung der Grammatik überhaupt, namentlich auch der deutschen, nicht ohne wesentlichen Einfluß geblieben ist. Hierher gehören: »De emendanda ratione graecae grammaticae pars I« (Leipz. 1801);
die gehaltreichen Zusätze und Exkurse zu Vigers »De praecipuis graecae dictionis idiotismis liber« (das. 1802, 4. Aufl. 1834) und die »Libri IV de particula an ^[αν]« (das. 1831; auch »Opuscula«, Bd. 4).
Am glänzendsten bewährt sich Hermanns Meisterschaft in seinen Ausgaben, besonders der griechischen Dichter. Er vollendete nach Erfurdts Tod (1813) die von diesem begonnene Ausgabe des Sophokles bis 1825 und besorgte neue Auflagen der einzelnen Bändchen. Von Euripides edierte er zunächst einzelne Tragödien für seine Vorlesungen; eine Gesamtausgabe desselben erschien nur bis zum 8. Bändchen (Leipz. 1831-41: »Hecuba«, »Iphigenia Aulica«, »Iphigenia Taurica«, »Helena«, »Andromacha«, »Cyclops«, »Phoenissae«, »Orestes«). Außerdem gab er heraus die »Nubes« des Aristophanes (Leipz. 1799 u. 1830),
»Orphica« (das. 1805),
die Homerischen Hymnen (das. 1806); von lateinischen Dichtern: des Plautus »Trinummus« (das. 1800, 2. Aufl. 1853) und »Bacchides« (das. 1845);
von griechischen Prosaikern: des Aristoteles »De arte poetica« (das. 1802),
das Lexikon des Photios (bloßer Textabdruck, das. 1808) und den Grammatiker Draco Stratonicensis nebst des Tzetzes »Exegesis in Homeri Iliadem« (das. 1812).
Erst nach seinem Tod erschien seine Ausgabe der Bukoliker Bion und Moschos (Leipz. 1849) sowie die schon ein halbes Jahrhundert vorher von ihm beabsichtigte, nie aus den Augen gelassene Rezension des Äschylos (von seinem Schwiegersohn M. Haupt besorgt, das. 1852, 2 Bde.; 2. Aufl. 1859). Seine kleinern Aufsätze über die verschiedensten Gegenstände, meist in musterhafter lateinischer Darstellung, nur selten in der Muttersprache, sowie seine Oden und übrigen lateinischen, auch griechischen Gedichte und Nachbildungen, die einen wahrhaft klassischen Geist atmen, sind gesammelt in den »Opuscula« (Bd. 17, Leipz. 1827-39 von ihm selbst, Bd. 8, das. 1877 von seinem Enkel Theodor Fritzsche herausgegeben). »G. Hermanns lateinische Briefe an seinen Freund Volkmann« gab A. B. Volkmann (Heidelb. 1882) heraus.
Vgl. O. Jahn, Gottfr. Hermann. Eine Gedächtnisrede (Leipz. 1849);
Köchly, Gottfr. Hermann. Zu seinem hundertsten Geburtstag (das. 1874).
3) Friedrich Benedikt Wilhelm von, Nationalökonom, geb. zu Dinkelsbühl, arbeitete erst als Gehilfe in einem Rechnungsamt, besuchte erst spät das Gymnasium zu Erlangen [* 8] und studierte hierauf daselbst und in Würzburg [* 9] Mathematik und Kameralwissenschaften. Nachdem er einer Privat-Erziehungsanstalt zu Nürnberg [* 10] vorgestanden und seit 1821 als Lehrer der Mathematik am Gymnasium zu Erlangen, seit 1823 auch als Privatdozent im Kameralfach an der dortigen Universität thätig gewesen, wurde er Professor der Mathematik am Gymnasium und an der polytechnischen Schule zu Nürnberg, wo er bis 1827 blieb. Sein »Lehrbuch der Arithmetik und Algebra« (Nürnb. 1826, 2. Aufl. 1845) und die Schrift »Über polytechnische Institute« (das. 1826-1828, 2 Hefte) machten ihn bald in weitern Kreisen bekannt. Er bereiste darauf Frankreich und ward nach seiner Rückkehr außerordentlicher und 1833 ordentlicher Professor der Staatswirtschaft an der Universität zu München. [* 11] In dieser Stellung schrieb er seine »Staatswirtschaftlichen Untersuchungen« (Münch. 1832, 2. Aufl. 1870), die ihm im Gebiet der volkswirtschaftlichen Litteratur einen bleibenden Namen sichern.
Wiederholt zu wissenschaftlichen Reisen verwendet, wurde Hermann 1837 zum Mitglied des obersten Kirchen- und Schulrats, 1839 zum Direktor des Statistischen Bureaus, 1845 zum Ministerialrat im Ministerium des Innern und 1855 zum Wirklichen Staatsrat ernannt. 1848 in die konstituierende Nationalversammlung zu Frankfurt [* 12] als Abgeordneter des ersten oberbayrischen Wahlbezirks gewählt, gehörte er dem linken Zentrum an und sprach hier wie auch später in der bayrischen Kammer für die deutsch-österreichische Zolleinigung. Eine große Zahl von Arbeiten Hermanns ¶
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sind in den »Beiträgen zur Statistik des Königreichs Bayern« [* 14] enthalten (Heft 1-13, Münch. 1850-67) sowie in Raus »Archiv« und in den »Abhandlungen der bayrischen Akademie«. Hermann starb
4) Karl Heinrich, Maler, geb. zu Dresden, [* 15] ward Zögling der Akademie daselbst, dann der Akademie zu Düsseldorf [* 16] unter Cornelius. Mit Götzenberger und Förster malte er gemeinsam die Fresken in der Aula der Universität zu Bonn, [* 17] worunter die von ihm entworfene Theologie ein Werk von besonders tiefsinniger Erfindung, aber unvollkommener Färbung ist. Später begleitete er Cornelius nach München, wo er an der Ausführung der Fresken in der Glyptothek und in der Ludwigskirche beteiligt wurde.
Unter seinen eignen Kompositionen sind die Fresken zu Eschenbachs »Parzival« im Königsbau, das Deckengemälde der protestantischen Kirche: die Himmelfahrt Christi, und eins der Bilder aus der bayrischen Geschichte in den Arkaden des Hofgartens, den Sieg Kaiser Ludwigs des Bayern bei Ampfing darstellend, hervorzuheben. 1841 wurde Hermann nach Berlin [* 18] berufen, um die Entwürfe Schinkels für die Vorhalle des Museums auszuführen, trat aber 1842 wieder zurück, da er Schinkels Entwürfe auf Lichteffekte berechnet fand, welche der Freskomalerei nicht zu Gebote stehen.
In der Klosterkirche zu Berlin malte er 14 Freskobilder, die Erzväter, die Propheten, die Evangelisten und die Apostel Petrus und Paulus darstellend. Später zeichnete er 15 große Kompositionen, welche die Hauptentwickelungsmomente der deutschen Geschichte, von den in jedem Zeitalter vorherrschenden Architekturformen umgeben, zum Gegenstand haben und durch den Stich vervielfältigt worden sind. Die großen Hoffnungen, die Cornelius auf ihn gesetzt hatte, sind bei seiner schwachen schöpferischen Kraft [* 19] und dem Zeitgeschmack, welcher schnell über die Cornelius-Schule hinwegging, nicht in Erfüllung gegangen. Er starb in Berlin.
5) Karl Friedrich, bedeutender Altertumsforscher, geb. zu Frankfurt a. M., studierte seit 1820 in Heidelberg [* 20] und Leipzig unter Creuzer, Schlaffer, Gottfr. Hermann und Spohn, promovierte 1824, unternahm eine monatliche Reise nach Österreich [* 21] und Italien, [* 22] habilitierte sich 1826 in Heidelberg, wurde 1832 ordentlicher Professor in Marburg, [* 23] 1842 als Nachfolger O. Müllers Professor der Philologie und Archäologie sowie Direktor des philologischen und des pädagogischen Seminars in Göttingen [* 24] und starb daselbst. Hermann hat fast alle Gebiete der Altertumswissenschaft umfaßt; mit rastlosem Eifer wirkte er auch als Lehrer.
Sein Hauptwerk ist das »Lehrbuch der griechischen Antiquitäten« (Teil 1: »Staatsaltertümer«, Heidelb. 1831; 5. Aufl. von Bahr und Stark, 1875; Teil 2: »Gottesdienstliche Altertümer«, 1846; 2. Aufl. von Stark, 1857; Teil 3: »Privataltertümer«, 1852; 2. Aufl. von Stark, 1870), ein Denkmal umfassendster Belesenheit und gründlicher Forschung (eine durch Blümner und Dittenberger geleitete Neubearbeitung des Werkes in 4 Bänden erscheint seit 1882). Außerdem sind besonders zu nennen: »Geschichte und System der Platonischen Philosophie« (Heidelb. 1839, Bd. 1.; leider unvollendet);
die nach seinem Tod von G. Schmidt herausgegebene »Kulturgeschichte der Griechen und Römer« [* 25] (Götting. 1857-58, 2 Bde.);
die Bearbeitung des Beckerschen »Charikles« für die 2. Auflage (Leipz. 1854);
die treffliche Ausgabe von Lukians »De conscribenda historia« (Frankf. 1828) sowie die Textrezensionen des Platon (Leipz. 1851-53), des Persius und Juvenal (das. 1854).
Daran reiht sich eine Menge zum Teil höchst bedeutsamer Abhandlungen zu den griechischen Antiquitäten, der Mythologie und Geschichte, der alten Litteraturgeschichte, der Kunstarchäologie, der alten Philosophie sowie zur Kritik und Erklärung alter Schriftsteller. Nur ein kleiner Teil derselben ist von ihm vereinigt in »Gesammelte Abhandlungen« (Götting. 1849).
Vgl. M. Lechner, Zur Erinnerung an K. F. Hermann etc. (Berl. 1864).
6) Konrad, philosoph. Schriftsteller, Sohn von Hermann 2),
geb. zu Leipzig, wo er studierte, 1849 Privatdozent, 1860 außerordentlicher und 1881 Honorarprofessor wurde. Er schrieb: »Grundriß einer allgemeinen Ästhetik« (Leipz. 1857);
»Philosophische Grammatik« (1858);
»Geschichte der Philosophie in pragmatischer Behandlung« (1867);
»Philosophie der Geschichte« (1870);
»Die Ästhetik in ihrer Geschichte und als wissenschaftliches System« (1875);
»Die Sprachwissenschaft nach ihrem Zusammenhang mit Logik, menschlicher Geistesbildung und Philosophie« (1875);
»Der Gegensatz des Klassischen und Romantischen in der neuern Philosophie« (1877);
»Hegel und die logische Frage der Philosophie in der Gegenwart« (1878) u. a.