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holen, die auf der Insel Eurytheia im Ozean vom Riesen Eurytion und dem zweiköpfigen Hund Orthros bewacht wurden (s. Geryon). Da ihm der gewaltige Faustkämpfer Eryx eins der Rinder [* 2] geraubt hatte, so erschlug er denselben. An der Grenze von Libyen und Europa [* 3] errichtete er als Markzeichen seiner äußersten Fahrten zwei Säulen [* 4] (Säulen des [* 5] unter welchen das Altertum die zwei in der Straße von Gibraltar [* 6] einander gegenüberliegenden Felsberge Kalpe und Abyla verstand.
Als ihn hier der nahe Helios [* 7] allzu sehr brannte, spannte er seinen Bogen [* 8] gegen ihn, und Helios lieh ihm wegen dieser Kühnheit seinen goldenen Sonnenkahn oder Sonnenbecher, auf dem er über den Ozean fuhr. Auf der Heimreise zog Herakles mit seiner Beute über die Pyrenäen und Alpen, [* 9] durch Ligurien und Etrurien, nicht ohne mancherlei Kämpfe, in die Gegend von Rom, [* 10] wo er den Unhold Cacus (s. d.) bezwang, und kam nach vielen andern abenteuerlichen Erlebnissen endlich glücklich zum Eurystheus zurück, der die Rinder der argivischen Hera [* 11] opferte. Da Eurystheus die Reinigung des Stalles des Augeias und die Besiegung der lernäischen Schlange [* 12] nicht als gültig anerkennen wollte, so mußte Herakles noch zwei weitere Arbeiten auf sich nehmen.
Seine nächste Aufgabe war, drei der goldenen Äpfel der Hesperiden (s. d.) nach Mykenä [* 13] zu bringen, und sie hatte um so mehr Schwierigeit ^[richtig: Schwierigkeit], als Herakles gar nicht wußte, wo die Gärten der Hesperiden zu suchen seien. Die weite Reise, die man ihn machen ließ, gab Gelegenheit, die entlegensten Fabeln anzuknüpfen und in seiner Person zu vereinigen. Herakles wanderte zunächst durch Illyrien zu den Nymphen am Eridanos (Po), von denen er erfuhr, wie er den Nereus fesseln und von ihm Kunde über seinen Weg erhalten könnte.
Dies geschah, und Herakles ging nun nach Libyen, wo er seinen Kampf mit Antäos (s. d.) bestand. Weiter ging des Helden Weg nach Ägypten, [* 14] wo er den die Fremdlinge opfernden Busiris erschlug, dann nach Äthiopien, wo er den grausamen Emathion, den Sohn des Tithonos und der Eos, [* 15] tötete. Darauf setzte er über das Meer, erlegte am Kaukasus den Adler, [* 16] der die Leber des Prometheus fraß, befreite den Gefesselten und gelangte endlich zu den Hyperboreern und zum Atlas [* 17] (s. d.), dem Ziel seiner Fahrt.
Auf den Rat des Prometheus ging er nicht selbst nach den Äpfeln aus, sondern schickte den Atlas danach und trug für diesen unterdes den Himmel. [* 18] Bei seiner Rückkehr hatte Atlas nicht Lust, die Last wieder auf sich zu nehmen, und wollte die Äpfel selbst dem Eurystheus überbringen. Aber Herakles bat ihn, ihn nur so lange abzulösen, bis er sich ein Polster für seinen Rücken zurecht gemacht hätte. Atlas ließ sich überlisten, und Herakles eilte mit den Äpfeln davon. Eurystheus machte ihm dieselben zum Geschenk; er aber weihte sie der Athene, [* 19] welche sie an ihren alten Ort zurückbrachte.
Das letzte und verwegenste unter allen Abenteuern des Herakles war das Heraufholen des Kerberos [* 20] aus der Unterwelt. Nach der gewöhnlichen Annahme stieg er beim Vorgebirge Tänaron in Lakonien, begleitet von Hermes [* 21] und Athene, zur Unterwelt hinab. Nahe der Pforte des Hades findet er die kühnen Helden Theseus und Peirithoos, die, wegen des versuchten Raubes der Persephone [* 22] an einen Felsen angeschmiedet, ihre Arme ihm entgegenstrecken. Den Theseus befreit er glücklich; als er aber bei dem andern dasselbe versuchte, erbebte die Erde. (Einer andern Sage zufolge befreit er beide.) Nach mancherlei andern Erlebnissen gelangt er zum Beherrscher der Unterwelt. Dieser gibt ihm den Kerberos preis unter der Bedingung, daß sich Herakles seiner ohne Waffen [* 23] bemächtige. Der Held bemächtigt sich auch des wütenden Tiers, fesselt es und führt es zu Eurystheus, um es dann zu seinem Herrn zurückzubringen. Dies die Sage von den zwölf Arbeiten des Herakles, durch die er sich aus der Dienstbarkeit des Eurystheus befreite.
Vgl. Hagen, [* 24] De Herculis laboribus (Königsb. 1827).
An dieselben reihen sich die Nebenarbeiten an als freiwillig vollbrachte. Von den oben noch nicht erwähnten sind die bedeutsamen folgende. Nach erlangter Freiheit begab sich Herakles nach Theben, vermählte hier die Megara mit Iolaos und zog nach Öchalia, um sich vom König Eurytos seine Tochter Iole zur Ehe zu erbitten. Eurytos verweigerte diese, und da bald darauf des Eurytos Rinder weggetrieben wurden, argwöhnte derselbe in Herakles den Thäter. Iphitos, der Sohn des Eurytos, forderte diesen dagegen auf, jene aufsuchen zu helfen; Herakles verstand sich dazu, stürzte aber in einem Anfall von Wahnsinn den Iphitos von der Mauer in Tiryns herab, so daß er starb.
Wegen dieser Unthat in eine schwere Krankheit verfallen, suchte er Heilung beim Orakel zu Delphi, allein Apollon [* 25] wies ihn ab. Da drang Herakles mit Gewalt in den Tempel [* 26] und trug schon den heiligen Dreifuß hinweg, um auf eigne Faust ein Orakel zu errichten, worauf es zwischen ihm und dem zürnenden Gott zum Kampf gekommen wäre, hätte nicht der Blitzstrahl des Zeus [* 27] beide voneinander getrennt. Herakles erhielt darauf von der Pythia den Orakelspruch, er werde gesund werden, wenn er verkauft werde, drei Jahre um Lohn diene und diesen dem Eurytos als Blutgeld gebe. Er ließ sich also von Hermes an Omphale, Königin in Lydien, Witwe des Tmolos, verkaufen. (Diese Sage ist wieder entschieden vorderasiatisch und phönikischer Anschauung. Hier ist es der löwenmutige Gott Sandon, welcher im Dienst eines Weibes steht; er ist die Sonne, [* 28] die im Winter an Kraft [* 29] abnimmt, und erinnert an den hebräischen Simson.) Solange Herakles der Omphale diente, wobei er der spätern Sage nach zuzeiten zum Weib herabsank und Wolle spann, während sie in der Löwenhaut umherging, verrichtete er dennoch viele Thaten. So z. B. fesselte er damals bei Ephesos [* 30] die Kerkopen, verschmitzte neckische Kobolde, ließ sie aber, durch ihre Witze ergötzt, wieder laufen.
Apollodor verflicht ihn auch in die Iasonsage (s. Iason). Auch der von Megasthenes erwähnte Zug nach Indien mag hier seine Stelle gefunden haben. Eine bedeutende Episode bildete ferner der schon bei Homer erwähnte Zug gegen den treulosen König Laomedon von Troja. [* 31] Mit 18 Schiffen und den tapfersten Helden steuerte er gegen diese Stadt. Sie wurde erobert, und Laomedon mit allen seinen Söhnen (Podarkes ausgenommen) erlag den Pfeilen des Herakles. Sein Freund Telamon, der zuerst in Troja eingedrungen war, erhielt als Siegespreis dafür die Hesione zur Frau, welche ihrerseits ihren Bruder Podarkes mit ihrem Schleier loskaufte, weshalb er Priamos (der »Losgekaufte«) genannt wurde.
Nach Argos zurückgekehrt, unternahm Herakles den Zug gegen den wortbrüchigen Augeias, nach dessen Besiegung er die Olympischen Spiele einsetzte, dann den gegen Pylos. Hier vernichtete er das Geschlecht des Neleus (mit Ausnahme des Nestor) und verwundete den Hades, der den Pyliern beistand. Hierauf folgte der Zug gegen Hippokoon, den Beherrscher von Lakedämon, der erschlagen ward, worauf Tyndareos (s. d.) die Herrschaft erhielt; die Zeugung des Telephos (s. d.) mit Auge, [* 32] der Tochter des Aleos in Tegea; ferner der Kampf mit dem Flußgott Acheloos, welcher sich in einen Stier verwandelte, um die Deïaneira (s. d.), die er als seine Gattin nach Trachis führte, wo er ¶
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die Gastfreundschaft des Keyx genoß. Unterwegs tötete er am Fluß Euenos den Kentauren Nessos, welcher der Deïaneira Gewalt anthun wollte und sich sterbend rächte, indem er der Deïaneira von seinem geronnenen Blut gab, um daraus nach seiner Angabe eine Zaubersalbe zu bereiten, welche ihr jederzeit die Liebe ihres Gatten sichern würde. Von Trachis aus bekämpfte Herakles zuerst die Dryoper und stand dem dorischen König Ägimios gegen die Lapithen bei; dann hatte er seinen berühmten Zweikampf mit Kyknos, einem Sohn des Ares, [* 34] welcher in dem Hesiodischen Gedicht »Der Schild [* 35] des Herakles« geschildert ist.
Endlich nahte das Ende des Helden, das gewöhnlich mit seinem Rachezug gegen den wortbrüchigen Eurytos (s. oben) in Verbindung gebracht wird, und das wir am besten aus der meisterhaften Darstellung in Sophokles' »Trachinierinnen« kennen. Die Stadt Öchalia wird erobert, Eurytos getötet; die schöne Iole aber führt Herakles gefangen mit sich fort. Auf dem Vorgebirge Euböas, Kenäon, errichtete er dem Zeus einen Altar [* 36] und sandte seinen Waffengefährten Lichas aus, ihm ein weißes Gewand zum Opfern zu holen.
Deïaneira erfuhr zu ihrer Freude von Lichas, daß Herakles siegreich gewesen und auf der Heimkehr begriffen sei. Zugleich brachte ihr dieser die schöne Iole mit. Eifersüchtig, wollte Deïaneira die Salbe des Nessos versuchen, um sich des Gatten Liebe zu bewahren, bestrich mit jener das verlangte Opfergewand und schickte es ihm zu. Kaum war dasselbe auf dem Leib des Herakles warm geworden, so drang das in der Salbe enthaltene Gift, das von des Helden vergiftetem Pfeil herrührte, zerstörend in den Körper des Unglücklichen ein.
Wie von Wahnsinn erfaßt, schleudert er den Überbringer Lichas an einen Felsen des Meers und läßt sich dann nach Trachis bringen, wo Deïaneira in der Verzweiflung sich inzwischen das Leben genommen hatte. aber, von seiner Rettungslosigkeit überzeugt, baute sich auf dem nahe gelegenen Öta einen Scheiterhaufen, bestieg denselben und befahl jedem Vorübergehenden, Feuer darunter zu werfen. Alle scheuten sich, dies zu thun; endlich erfüllt ein Hirt, Poias, der Vater des berühmten Bogenschützen Philoktet, nach andrer Erzählung der letztere selbst, seinen Willen, wofür ihm Herakles Bogen und Pfeile schenkt.
Kaum aber lodert die Flamme [* 37] empor, so senkt sich unter Blitz und Donner eine Wolke vom Himmel und führt den verklärten Helden zum Olymp empor, wo er, unter die Unsterblichen aufgenommen und mit Hera ausgesöhnt, als Gatte der ewig jungen Hebe fortan lebt. Zwei Söhne, Alexiares und Aniketos, werden die Frucht ihrer Verbindung. Homer erzählt über das Ende des Herakles nur, daß auch ihn, den gewaltigen Sohn des Zeus, das Todeslos bändigte; von der Vergötterung des Helden weiß er noch nichts.
Gleich nach seinem Scheiden von der Erde wurde Herakles, wie die Sage berichtet, von seinen Freunden auf der Brandstätte durch ein Opfer als Heros verehrt, worin ihnen alsbald die Nachbarn und allmählich das gesamte Hellenenvolk folgte. Als einem Gott opferte ihm zuerst der Athener Diomos und später alle Griechen, so daß ihm an verschiedenen Orten zugleich Heroen- und Götteropfer dargebracht wurden. In Athen [* 38] war sein Heiligtum das sogen. Kynosarges; einen der ältesten und berühmtesten Tempel hatte er zu Bura in Achaia.
Auch feierte man ihn durch Kampfspiele; die ihm gewidmeten Feste hießen Herakleen, und es gab solche zu Sikyon, Theben, Lindos, auf Kos etc. Zu Athen wurden ihm zu Ehren unter Scherzen und Späßen die Diomeen gefeiert. Auch in Italien [* 39] hatte Hercules (Umformung des griech. Herakles) einen ausgebreiteten Kultus; dort knüpft die Sage an seinen Zug nach Westen gegen Geryon an. Namentlich in Rom hatte er unter verschiedenen Beinamen zahlreiche Tempel und Heiligtümer. Wahrscheinlich war durch den Einfluß Großgriechenlands der Kultus des griechischen Herakles mit dem eines altitalischen Heros ähnlichen Charakters (als dessen Name Garanus angesehen worden ist) zusammengeschmolzen. Auch nach Sizilien, [* 40] Corsica, [* 41] Sardinien, [* 42] Spanien [* 43] (Gades) wurde der Herakleskult (vielleicht schon durch die Phöniker) verpflanzt. Bei den Sabinern hieß er Semo oder Semo Sancus, und unter diesem Namen war ihm zu Rom schon in uralter Zeit ein Tempel geweiht. Heilig waren ihm die Silberpappel, der Ölbaum, der Eppich und die warmen Quellen.
Während der griechische Herakles sich durch die Mühseligkeiten des Menschenlebens zu göttlicher Würde emporarbeitet, tritt der orientalische Herakles gleich von Anfang an als Gott auf und ist demnach auch ungleich älter als der Sohn der Alkmene. Der ägyptische Name des Herakles war Som oder Dsom, sein Vater Ammon [* 44] (Zeus). Er wird als stark und tapfer geschildert, soll die Erde weit und breit durchwandert und sie von Ungeheuern gereinigt haben. Er galt den Ägyptern als Sinnbild der Sonne, der »stets ringenden und endlich immer wieder siegenden Sonnenkraft«. (Vgl. Raoul Rochette in den »Mémoires de l'académie des inscriptions«, XVII, 2, 303 ff.) Den Sonnengott Herakles feiert auch der orphische Herakleshymnus, nach welchem der unermüdliche Gott zwölf Kämpfe von Morgen nach Abend vollendet (symbolische Darstellung des Durchganges der Sonne durch die zwölf Zeichen des Tierkreises).
Der tyrische oder phönikische Herakles heißt Melkart (»König der Stadt«),
sein Vater Demaroon, Halbbruder des Kronos, und seine Mutter Asteria (Astarte), seine Tochter Karthago [* 45] (vgl. Movers, Die Phönikier, Bd. 1, S. 431 ff., Bonn [* 46] 1841). Er und Astarte waren die großen Nationalgottheiten der Phöniker, Herakles insbesondere Schirmvogt des großen Tyros. Mit den Fahrten der Phöniker verbreitete sich sein Kult auch in die Ferne. Auch der phönikische Herakles ist Sonnenkönig, Fürst des Weltalls, der die Pole umfährt und den Sohn der Zeit, das zwölfmonatliche Jahr, in steten Kreisen mit sich führt, dann aber auch Handelsgott.
Sein Dienst dauerte auch unter der römischen Herrschaft bis gegen Konstantins d. Gr. Zeit hin fort. Verwandt mit diesem ist der assyrische (als Gott Sandan oder Sandon genannt), dessen Verbrennung, um zu einem neuen Leben aufzuerstehen, sogar höchst wahrscheinlich Veranlassung gab zu der Selbstverbrennung des griechischen Herakles auf dem Öta. (Vgl. O. Müller, Kleine Schriften, Bd. 2, S., 100 ff.) Beiden ähnlich, vielleicht identisch mit ihnen, war der thasische, wie auch der idäische Daktyl Herakles mit beiden vielfach verwandt erscheint. Er stammte aus Kreta, war Zauberer, aber auch Feldherr, galt bei den Kretern als Sohn des Zeus von einer unbekannten Mutter und war ebenfalls viel älter als der Sohn der Alkmene.
Unüberwindliche Körperstärke, Wanderungen über die ganze Erde, Vertilgung der Ungeheuer werden auch ihm zugeschrieben. Die Sagen von einem indischen Herakles, d. h. von einem Herakles, der bis nach Indien vorgedrungen sei, tragen das Gepräge des später dorthin gedrungenen griechischen Mythus. Ferner wird ein persischer Herakles, Namens Sam Dew (»Dämon Sam«),
genannt, der in den Zendbüchern eine große Ähnlichkeit [* 47] mit dem griechischen Herakles zeigt. Er ist Kämpfer im Reich des Lichts und der Gerechtigkeit. Der von Tacitus erwähnte germanische Herakles ist ein ¶