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befruchtend, die
Ehe stiftend und behütend, in ehelichem Zerwürfnis aber finster, furchtbar, verderblich. In der
»Ilias«
werden
Argos,
Mykenä
[* 2] und
Sparta ihre liebsten
Städte genannt;
Argos heißt bei
Pindar das »gottgeziemende
Haus der Hera«
, sie war
die Schutzgöttin des
Ortes, alle fünf Jahre wurden ihr hier die
Heräen (s. d.) mit Wettspielen gefeiert;
ihr Haupttempel mit der von Polyklet gefertigten
Statue lag zwischen
Argos und
Mykenä (s.
Heräon). Aber auch in der Nachbarschaft
von
Argos blühte früh ihr
Kultus; außerdem wurde sie in alten
Zeiten schon in
Arkadien (zu Stymphalos und
Mantineia), in
Elis
und
Olympia, in
Korinth,
[* 3]
Corcyra,
Platää,
Sikyon,
Kreta, in
Kleinasien, in
Karthago,
[* 4] besonders aber in
Samos
verehrt.
Die
Mehrzahl der
Sagen bezieht sich auf ihr eheliches
Verhältnis zu
Zeus.
[* 5] Die Vermählung desselben mit ihr ward auf der
Insel
Kreta unweit des
Flusses
Theron feierlich vollzogen. Der
Kultus feierte diese Vermählung im
Frühling als eine heilige
Hochzeit
und liebende Vereinigung der beiden großen Himmelsmächte, von denen alle
Fruchtbarkeit der
Erde abhängt.
Die kosmogonische
Dichtung weiß von dem segenströmenden
Beilager des
Zeus mit der Hera
in den seligen Gegenden des
Okeanos zu
erzählen, wo
Ambrosia fließt, und wo die
Erde den
Baum des
Lebens mit den goldenen Hesperidenäpfeln wachsen
läßt.
Nach
Homer genoß
Zeus ihre Umarmung schon
vor der Vermählung ohne Vorwissen der Eltern; nach einem
Scholiasten des Theokrit
errang er die Geliebte mittels einer
List. Mit ihrer Vermählung tritt Hera
in den
Kreis
[* 6] der olympischen Götterfamilie ein,
und so erscheint sie besonders in den Homerischen Gedichten. Als
Königin des
Olymps tritt sie vor uns,
wenn die
Götter ihr dieselbe
Ehre wie dem
Zeus erweisen, wenn der
Olymp erzittert vor ihrem
Zorn, wenn sie dem
Helios
[* 7] befiehlt,
den
Tag früher zu enden, wenn sie des
Donners und
Blitzes sich bedient, über
Sturm und
Meer gebietet,
Wolken und
Regenbogen in
ihrem
Dienst hat etc.
Zeus selbst ehrt sie als seine Gemahlin
hoch und teilt ihr seine geheimen Ratschlüsse mit.
Dieser ihrer hehren Stellung entspricht das Bild ihrer äußern Erscheinung. Ihr großes und glänzendes Auge [* 8] (»Kuhauge«),
ihre lilienweißen Arme, ihr hoher Wuchs sind sprichwörtlich geworden, und ihre erzhallende Stimme ertönt wie die von 50 Männern zusammen. Wenn sie sich schmückt, badet sie den reizenden Leib in Ambrosia, legt sich das ambrosische, von Athene [* 9] gefertigte, die ganze Gestalt verhüllende Gewand, das goldene Spangen unter dem Busen festhalten, dann den Gürtel, [* 10] das strahlende Ohrgehänge, den leuchtenden Schleier und die goldenen Sandalen [* 11] an. Sie sitzt auf goldenem Thron, [* 12] wandelt in gewaltigen Luftschritten einher, wobei der Fuß den Boden nicht streift und die Waldhöhen erbeben.
Fährt sie daher, so stiegen die göttlichen Rosse in mächtigen Sprüngen, deren Maß die Sehweite eines spähenden Mannes ist. Ihr glühender Zorn und Haß gegen Ilion, angefacht durch des Paris [* 13] zurücksetzendes Urteil, macht sie zur leidenschaftlichen Bundesgenossin der Achäer. Ja, ihr Benehmen nimmt den Charakter der Falschheit an; argwöhnisch beobachtet sie des Zeus Schritte u. macht, wenn er ihren Wünschen nicht Folge leistet, ihrem Ärger durch unbändiges Gezänk Luft. Zu thätigem Widerstand fehlt ihr jedoch der Mut; droht er ihr, so lenkt sie alsbald ein.
Dafür aber sucht sie andre zum offenen Widerstand heimlich anzureizen, und einmal macht sie sogar mit Poseidon [* 14] u. der Athene den Anschlag, den Zeus zu fesseln, aus welcher Gefahr ihn Thetis durch Herbeirufen des hundertarmigen Briareos rettet. Zeus selbst fürchtet ihre schnelle Zunge: bald bringt er sie durch heftigen Zornausbruch zum Schweigen, bald begnügt er sich, ihr seine Überlegenheit auszudrücken;
bald aber droht er ihr auch mit Schlägen, hat auch wohl schon die Geißel gegen sie gebraucht;
ja, einmal, wegen der feindlichen Nachstellungen, die sie dem Herakles [* 15] bereitet, hat er sie in dem Äther und den Wolken schwebend aufgehängt, die Hände mit goldener Fessel gebunden und an den Füßen zwei Ambosse, und nur durch einen schweren Meineid weiß sie sich vor einem gleichen Ausbruch seines Zorns zu schützen.
Meist sucht sie durch List und auf heimlichen Wegen ihre Zwecke zu erreichen. Heimlich eilt sie mit Athene den Achäern zu Hilfe, heimlich regt sie auch den Achilleus zur Teilnahme am Kampf auf, und tückisch weiß sie die Troer durch Athene zum Bruch des geschlossenen Vertrags zu veranlassen. Am glänzendsten aber zeigt sie ihre List, als sie, des Zeus Schwachheit kennend, durch Liebeszauber ihn berückt, um seine Aufmerksamkeit vom Kampf abzuziehen, damit Poseidon den Achäern
[* 1]
^[Abb.: Fig. 1.
Kopf der Hera
Farnese
(Neapel).
[* 16]
Fig. 2.
Kopf der Hera
Ludovisi
(Rom,
[* 17]
Villa
Ludovisi).]
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helfen könne. Homers Auffassung blieb maßgebend für die spätere poetische Darstellung der Göttin. Nur ist das Hauptinteresse, das sie hier beherrscht, während es bei Homer nur nebenbei spielt, die Eifersucht auf ihre Schönheit und ihre Rechte als Gattin des Zeus. Side, die Gemahlin des Orion, wird von ihr in den Hades verbannt, weil sie ihr den Vorzug der Schönheit streitig macht, Gerane ebendeshalb in einen Kranich verwandelt. Vornehmlich erregen aber des Zeus Liebschaften ihre Eifersucht. So wird Kallisto, weil sie dem Zeus zu Willen gewesen, in eine Bärin verwandelt und auf ihren Betrieb von den Pfeilen der Artemis [* 19] getötet; gegen Jo, die als Kuh auf ihr Anstiften von einer Bremse verfolgt wird, gegen Leto, Alkmene, Galanthis, Danae, Europa, [* 20] Semele, die auf ihren heimtückischen Rat von Zeus ihr Verderben erfleht, u. a. verfährt sie mit demselben rücksichtslosen Haß.
Selbst auf des Zeus Liebling Ganymed ist sie eifersüchtig, wie sie aus Eifersucht auch die Kinder der genannten
Frauen verfolgt, namentlich den Herakles. Die Bedeutung dieser Hera
konzentriert sich ganz in dem Begriff der Gattin und Ehegöttin
(Hera
Teleia), der Walterin über die Heiligkeit der ehelichen Rechte und Gesetze. Als solche bleibt sie leidenschaftlicher Liebe
fremd und weist als des Zeus treue, keusche Gattin des Ixion, Porphyrion, Ephialtes Angriff ab; nur eine spätere
isolierte Sage weiß von ihrem Verhältnis zum Titanen Eurymedon, von dem sie den Prometheus geboren haben soll, und von ihrer
Liebe zu dem schönen Knaben Aetos, der in einen Adler
[* 21] verwandelt ward, zu erzählen.
Vielmehr sind die Kinder, als deren Mutter sie in der ältern Sage erscheint, alle auch Kinder des Zeus. So
Ares,
[* 22] Hebe, die Eileithyien, jene die reife, mannbare Jungfrau, diese die Geburtsgöttinnen, endlich Hephästos.
[* 23] Hera
ist auch
Wächterin über die Geheimnisse des ehelichen Lebens. Sie erscheint darum auch als Helferin in den Nöten der Entbindung, und
in Argos wurde sie geradezu als Eileithyia, als Geburtsgöttin, verehrt. Wenn sie den Dionysos
[* 24] verfolgt und
in Raserei stürzt und das gleiche Los über Athamas verhängt, weil er Erzieher des Gottes war, sowie über Ino, die denselben
von Hermes
[* 25] zur Pflege empfangen hatte, so erscheint sie als Wächterin der Reinheit des olympischen Stammes.
Vieles im Mythus der Hera
wird mit Recht aus Naturerscheinung und Naturanschauung erklärt. So ist der eigentliche Grund der Streitigkeiten
des Zeus und der Hera (von deren physikalischer Bedeutung freilich Homer keine klare Vorstellung mehr hatte) in der Naturbedeutung
der beiden Gottheiten zu suchen. Bei der eigentümlichen Beschaffenheit des griechischen Himmels entwickeln
sich
alle Erscheinungen der Atmosphäre oder des Wolkenhimmels, Regen, Sturm etc., so heftig und stürmisch und in so gewaltigem
Gegensatz, daß das Bild eines ehelichen Zankes der herrschenden Mächte ein sehr natürliches und ausdrucksvolles ist.
Wenn es z. B. heißt, daß Zeus die Hera im Grimm gepeitscht und ihren Sohn Hephästos vom Olymp heruntergeschleudert habe, so sollten damit wohl ursprünglich die Aufregungen des Himmels ausgedrückt werden, wenn Zeus in Stürmen und Wetterwolken einherfährt, die Luft gleichsam geißelt und mit Feuerstrahlen um sich wirft. Wenn ferner Zeus die Göttin am Himmel [* 26] aufhängt und sie in der Luft schweben läßt, so ist auch dies ein Bild von der Gewalt des höchsten Himmelsgottes, der die Luft und die Wolken gleichsam herabhängen läßt.
Der Versuch der Hera, in Verbindung mit Poseidon und Athene den Zeus zu fesseln, deutet wohl ebenfalls auf einen Aufruhr der Natur hin. Wenn Hera sich mit den finstern Mächten der Tiefe verbindet und verderbliche Mächte erzeugt, so ist dies ein Bild der gefährlichen, in dichten Nebeln über der Erde gelagerten Luft. Auch der Pfau, welcher ihr als Attribut beigegeben ist, und dessen Augen im entfalteten Schweif die Pracht des gestirnten Himmels bedeuten, hat eine Beziehung zu ihrem Wesen. Doch ist zuzugestehen, daß eine Reihe von Zügen im Mythus der auch auf sie als Mondgöttin paßt. Eine solche war ursprünglich auch die mit der griechischen Hera identifizierte italische Juno (s. d.).
Die plastischen Darstellungen der Hera, deren wir aber aus der guten griechischen Zeit nur sehr wenige haben, halten sich vornehmlich an die Homerische Schilderung: große, runde, offene Augen, strenger, majestätischer Gesichtsausdruck, ein etwas stark hervortretendes Kinn (die unbeugsame Entschlossenheit des Willens ausdrückend), Körperformen einer blühenden Matrone;
dazu züchtige Bekleidung: aufgeschürzter Chiton, [* 27] der nur Hals und Arme bloßläßt, mit weitem, die ganze Gestalt verhüllendem Obergewand, die königliche Kopfbinde (Stephane), öfters auch ein Schleier.
Der Granatapfel in ihrer Hand [* 28] ist das Symbol ehelicher Fruchtbarkeit, was auch jene verhängnisvollen Äpfel bezeichnen, welche Gäa bei ihrer Hochzeit hatte wachsen lassen. Die gewöhnlichsten Attribute sind außerdem: das Zepter als Zeichen der Herrschaft, die Patera oder Opferschale in der Hand, der Pfau zu ihren Füßen, auch wohl der Kuckuck (als Bote des Frühlings), Blumen und Blätter (als Symbole des Natursegens). Berühmt vor allen andern Bildern war die kolossale Goldelfenbeinstatue des Polyklet in ihrem Tempel [* 29] bei Argos, von der uns römische Münzbilder noch eine Vorstellung ge-
[* 18] ^[Abb.: Fig. 3. Hera (Barberinische Juno; Rom, Vatikan).] [* 30] ¶