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nordwestlich vom Brockengebirge an der Oker, kurz vor dem Austritt derselben aus dem Gebirge. Auf den Kerngebirgsschichten lagern diskordant die randlich auftretenden Ablagerungen: flach abfallend am Südrand und deswegen große Oberflächen einnehmend;
steil ausgerichtet, zum Teil übergekippt und gegen das Gebirge einfallend, in Form schmaler Bänder am Nordrand.
Obere oder produktive Steinkohlenformation mit geringwertigen, dünnen Kohlenflözen wird bei Meisdorf im N. und bei Grillenberg und Ilfeld im S. angetroffen. Den größten Teil des Harzes fassen das Rotliegende und der Zechstein ein. Mit dem Rotliegenden tritt nördlich von Nordhausen [* 2] noch ein Gebiet von Porphyrit und Melaphyr in Verbindung, in dem das liebliche Bährethal sich gebildet hat. Am bedeutendsten ist das Rotliegende im O. entwickelt, während es ganz im NW. sich nur in schmaler Zone zeigt.
Der Zechstein dagegen erscheint in schmaler Zone ununterbrochen vom Neuen Krug im äußersten Nordwesten längs der Südseite bis in die Gegend von Sangerhausen, [* 3] dann auch im O., wo er unter jüngern Formationen im Becken von Eisleben [* 4] durch seine Kupferschiefer die Grundlage für den Mansfelder Bergbau [* 5] geworden ist. Längs der Nordseite des Harzes erstreckt sich gleichfalls der Zechstein, hier aber in noch schmälerer Zone und auf langen Zwischenräumen unterbrochen.
Die Triasformation [* 6] legt sich bandartig um den Nordrand des Harzes, im S. entfernt sie sich vom eigentlichen Gebirgsrand und breitet sich alsdann über große Flächen aus. Jura und Kreide [* 7] sind nur an der Nordseite des Harzes vorhanden, ersterer als schmales Band [* 8] zwischen Goslar [* 9] und Harzburg, letztere, wenigstens in ihren jüngern Gliedern, in großer Verbreitung im nördlichen Harzvorland. Innerhalb der Kreideformation [* 10] liegen die Quadersandsteinmassen der Teufelsmauer und des Regensteins bei Blankenburg.
Der Harz ist sehr reich an Metallen: der Oberharz an Silber, Blei, [* 11] Kupfer [* 12] und Eisen [* 13] in der Devon- und Kohlenformation, der Unterharz in der Gegend von Harzgerode an Silber und Blei im Hercyn und (meist bereits außerhalb des Gebirges) an Silber und Kupfer in der Zechsteinformation des mansfeldischen Landes (s. Mansfelder Kupferschiefer bauende Gesellschaft). Der Bergbau auf dem Oberharz in seinen Anfängen führt bis ins Mittelalter zurück; jedoch war er, mit Ausnahme des Bergbaues im Rammelsberg, vor 1500 nicht bedeutend.
Kaiser und Fürsten des Mittelalters betrachteten das Gebiet fast nur als ein großes Jagdrevier. Geschichtlich tritt zuerst das Kloster Zella an Stelle des heutigen Zellerfeld hervor, das um 1150 gestiftet wurde, niemals aber eine Bedeutung erlangte. Der Bergbau in größerer Ausdehnung [* 14] begann bald nach 1500 an mehreren Orten. Die Herzogin Elisabeth, Witwe des Herzogs Wilhelm von Braunschweig, [* 15] eröffnete ihn von ihrem Witwensitz Staufenburg mit der Förderung von Eisenerzen am Iberg bei Grund, Bergleute aus Joachimsthal in Böhmen [* 16] 1524 bei Andreasberg, Herzog Heinrich der jüngere 1524 bei Wildemann; 1553 wurden die reichen Erzgänge bei Klausthal entdeckt, 1554 dieses selbst angelegt.
Zuerst gewerkschaftlich betrieben, kam der Bergbau nach und nach in die Hände des Staats (Hannover), [* 17] der bis 1866 sämtliche Werke durch Kauf an sich gebracht hatte. Die tiefe Lagerstätte der Erze (Samsonschacht bei Andreasberg, einer der tiefsten des europäischen Kontinents, 850 m tief, noch 220 m unter der Oberfläche des Meers) hatte wegen der Unmöglichkeit, die Grubenwasser zu bewältigen, mehrfach eine Einstellung der Förderung zur Folge. Der Georgsstollen, 1777-99 angelegt, östlich von Klausthal beginnend, mit dem Mundloch bei Grund, konnte diesen Übelstand nicht beseitigen, weshalb ein neuer Stollen, der Ernst August-Stollen, 1851-64 hergestellt werden mußte, der bei einer Länge von 23 km, einer Breite [* 18] von 2 m, einer Höhe von 3 m und einem Gefälle von 1,6 m auf je 206 m Länge den Bergbau für Jahrhunderte gesichert zu haben scheint; sein Mundloch liegt bei Gittelde am äußersten Westrand des Harzes.
Die klimatischen Verhältnisse des Brockengebirges, auf dessen so häufig vom Nebel eingehülltem Gipfel jährlich nicht weniger als 1,35 m Regen fallen, und auf welchem die mittlere Temperatur nur 2,4° C. beträgt, im Januar bis -5,4° C. sinkt und sich selbst im Juli nicht über 10,7° C. erhebt, bedingen seinen Wasserreichtum und seine Vegetationsverhältnisse, den Reichtum an Torfmooren auf seinem Granit- und Quarzitboden. Bis zur Höhe von 1030 m gedeiht die Fichte, [* 19] welche der vorherrschende Waldbaum des Oberharzes ist, während die Buche schöne Bestände auf dem Unterharz bildet. Im allgemeinen ist aber das Plateau von Wald ziemlich entblößt und dient auf dem Unterharz zum Getreidebau, auf dem Oberharz als Wiese und Weide. [* 20]
Die Harzbewohner, ein kräftiger, aufgeweckter Schlag, sind gemischten Stammes: bis an den Süden des Oberharzes reicht der fränkische (hessische) Stamm;
außerdem sind auf demselben obersächsische (aus dem Süden, zum Teil von Freiberg [* 21] stammend), daher ebenfalls wesentlich fränkische Bergleute in Menge angesiedelt.
Auf dem Unterharz und an dessen Süd- und Ostrand ist der thüringische Stamm zu Hause; den Westen, Nordwesten und größtenteils auch den ganzen Norden [* 22] bewohnt der niedersächsische Stamm. Berg- und Hüttenbau, Waldarbeit, Holzschnitzerei und Zimmerarbeit, Viehzucht, [* 23] Klöppeln grober Spitzen, Suchen von Waldbeeren verschaffen den Bewohnern des Oberharzes spärliches Brot. [* 24] Mehr Kargheit der Erwerbsquellen als Freude am Vogelgesang hat hier als eigentümlichen Erwerbszweig den Handel mit Singvögeln hervorgerufen; aber es werden nicht mehr bloß Kreuzschnäbel, Finken und Dompfaffen gefangen und gelehrt, sondern auch Kanarienvögel in Menge gezüchtet und ausgeführt.
Viele aus dem Oberharz suchen auch als Brunnen- und Schachtgräber auswärts ihr Brot oder ziehen als Bergleute selbst in ferne Länder. Im Unterharz kommt als wichtiger Erwerbszweig der Ackerbau hinzu. In seiner teilweise ganz unmittelbaren Nähe ist der Harz von einem Gürtel [* 25] von Eisenbahnen umgeben. In das Gebirge hinein führen von S. her die Linie Scharzfeld-St. Andreasberg, von N. die Linie Langelsheim-Zellerfeld-Klausthal, von NO. die Zahnradbahn Blankenburg-Tanne, während in der gleichen Richtung die Verwirklichung der Linie Ballenstedt-Harzgerode-Nordhausen in Aussicht steht.
Viele Tausende von Reisenden strömen jährlich dem Harz zu, zahlreiche Norddeutsche suchen in der Sommerfrische am Nord- und Nordostfuß des Gebirges Erholung oder in den Molken- und Kaltwasserheilanstalten von Harzburg, Thale und in den Bädern von Harzburg, Thale und Alexisbad Heilung. Der 1886 gegründete Harzverein bestrebt sich, auch weniger besuchte schöne Gegenden des Harzes dem Fremdenverkehr aufzuschließen, für Neuanlage von Wegen etc. Sorge zu tragen, Schutzhütten zu bauen u. dgl.
Die mannigfachen Landesteilungen unter die verschiedenen Linien, in welche sich das welfische Haus zersplitterte, trafen auch den Harz; infolge derselben war ¶
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zwar der größere Teil des Oberharzes, der zum Fürstentum Grubenhagen gehörte, ausschließlich in braunschweig-lüneburgischem Besitz, die vier Bergstädte Zellerfeld, Wildemann, Grund und Lautenthal nebst dem Rammelsberg, von welchem nur noch ein unbedeutender Anteil der Reichsstadt Goslar gehörte, dagegen im gemeinsamen Besitz der lüneburgischen und wolfenbüttelschen (später herzoglich braunschweigischen) Linie. Durch den Rezeß von 1788 aber trat Wolfenbüttel [* 27] seinen Anteil an der Landeshoheit des gemeinschaftlichen oder Kommunion-Oberharzes gegen drei Siebentel aller braunschweigischen Forste am Harz ab, und es blieben nur Berg- und Hüttenwerke des deshalb sogenannten Kommunion-Unterharzes (besser Kommunion-Vorharzes): der Rammelsberg mit seinen zugehörigen Hütten, [* 28] die Eisengruben am Iberg bei Grund, am Schweinsrücken bei Klingenhagen und im Gegenthal bei Seesen nebst der Eisenhütte von Gittelbe und der Saline Juliushall in Harzburg, im gemeinsamen Besitz und zwar so, daß das jetzt depossedierte lüneburgische Haus vier Siebentel, das herzogliche drei Siebentel des Ertrags erhielt.
Infolge einer 1874 getroffenen Übereinkunft zwischen Preußen [* 29] und Braunschweig hat letzteres seine ehemaligen Hoheitsrechte im Gebiet des Kommunionharzes aufgegeben. Vom Unterharz gehören zwei Parzellen zur Provinz Hannover: das grubenhagensche Elbingerode und die Grafschaft Hohnstein. Zum Herzogtum Braunschweig gehören Kloster Walkenried, ein schmaler Streifen von da zum Brocken und getrennt davon die Grafschaft Blankenburg. Auch hier wird, neuerlich durch Privathand, ziemlich ausgedehnte Eisenindustrie betrieben.
Rübeland bei Elbingerode, dem sich auf preußischem (früher hannöverschem) Gebiet Rothehütte an die Seite stellt, Hüttenrode, Wieda, Zorge sind unter anderm hier zu nennen. In das östliche Dritteil des Harzes teilen sich Preußen und Anhalt, [* 30] welch letzterm Ballenstedt und Harzgerode gehören, während Preußen die Besitzungen des alten Stifts Quedlinburg [* 31] und des Bistums Halberstadt [* 32] sowie die früher sächsischen Anteile nebst der Hoheit über die Grafschaft Stolberg [* 33] innehat.
Vgl. Zimmermann, Das Harzgebirge (Darmst. 1834, 2 Bde.);
Brederlow, Der Harz (2. Aufl., Braunschw. 1851);
Spieker, Der Harz, seine Ruinen und Sagen (2. Aufl., Berl. 1856);
Pröhle, Harzsagen (2. Aufl., Leipz. 1886);
Günther, Der Harz in Geschichts-, Kultur- und Landschaftsbildern (Hannov. 1885);
»Wegweiser« in Meyers Reisebüchern (8. Aufl., das. 1885);
v. Groddeck, Abriß der Geognosie des Harzes (2. Aufl., Klausth. 1883);
Hampe, Flora hercynica (Halle [* 34] 1875);
Hautzinger, Der Kupfer- und Silbersegen des Harzes (Berl. 1877);
Hoppe, Die Bergwerke etc. im Ober- und Unterharz (Klausth. 1883);
»Höhenschichtenkarte des Harzgebirges« (1:100,000, offiziell, Berl. 1882);
Lossen, Geognostische Übersichtskarte des Harzes (1:100,000, das. 1882).