(»Lehrbuch der
Harmonik«, Leipz. 1880); doch sind dieselben durch die Beibehaltung der Generalbaßmethode
und Generalbaßterminologie an einem glücklichen weitern Verfolg der anfänglich aufgestellten grundlegenden
Sätze verhindert.
Was der Harmonielehre not thut, ist aber eine neue
Methode, welche gestattet, die Fortschritte in der
Erkenntnis der Prinzipien der
Harmonie
beim
Unterricht nutzbringend zu verwerten. Die Harmonielehre soll dem
Schüler das musikalische
Denken erleichtern,
d. h. sie soll ihm nicht nur sagen, daß diese oder jene Akkordfolge möglich, üblich und
korrekt ist (das zu »beweisen«, gibt jede Harmonielehre vor), sondern
soll ihm das Verständnis des innern
Wesens derselben erschließen, so daß er in den
Stand gesetzt wird,
dieselbe selbst an rechter
Stelle und mit guter
Wirkung zu schreiben; dazu gehört aber ein ganz andrer
Aufbau des Lehrmaterials,
eine andre
Bezifferung, eine andre
Terminologie.
Daß wir auf dem Weg zu einer derartigen neuen
Methode der Harmonielehre sind, dafür fehlen die
Anzeichen nicht. Bereits
GottfriedWeber
(»Theorie der Tonsetzkunst«, 1817-21) machte einen
Anlauf
[* 2] dazu; den
Kern seines
Systems bildet die
Bezifferung der
Dreiklänge
und
Septimenakkorde nach ihrer klanglichen
Natur (G, g, g0, G7, g7, G?, 0g7 = g h d, g b d, g b des, g h
d f, g b d f, g h d fis, g b
des f). Daß er die
Generalbaßbezifferung nicht für ein brauchbares
Vehikel
der Harmonielehre hielt, spricht er (S. 563, Anm.) unzweideutig genug aus; er sieht in
ihr nur eine abbreviierte Notenschrift, was sie historisch auch ist.
Vervollständigt wurde
Webers Bezifferungsart durch E. F.
Richter, welcher auch den übermäßigen
Dreiklang
als selbständigen
Akkord aufnahm (G' = g h dis, G'7= g h dis f, g? = g b d fis, G'? = g h dis fis, 0g70 =
g b des fes).
Richter macht auch bereits den
Versuch, diese Bezifferungsart für die praktischen
Arbeiten zu verwerten, und
hebt damit die
Einseitigkeit auf, daß der Harmonieschüler nur mit gegebener
Baßstimme arbeiten lernt;
in der letzten
Auflage seiner »Harmonielehre« enthalten die Schlußkapitel
eine erhebliche Anzahl von Aufgaben, in denen eine gegebene
Sopran- oder
Mittelstimme in der hier angedeuteten
Weise beziffert
ist. Damit ist der Anfang zur Beseitigung der Generalbaßmethodegemacht; es wird nur darauf ankommen,
diese
Bezifferung noch weiter ins
Detail auszuarbeiten und sich ihrer nicht erst gegen Ende des
Kursus, sondern von Anfang an
und durchweg zu bedienen.
Diesen Weg hat HarmonielehreRiemann in der
oben genannten
»Skizze einer neuen
Methode der Harmonielehre« eingeschlagen.
s. v. w.
Glasharmonika (s. d.). Auch heißt so ein Kinderinstrument, bestehend aus
einem kleinen
Kasten, dessen obere
Decke
[* 3] einen ungefähr drei
Finger breiten
Einschnitt hat, unter welchem
verschieden große, in einer
Skala abgestimmte Glasplättchen oder Metallstäbe auf zwei straff angezogenen
Bändern liegen,
die mit kleinen Hämmerchen geschlagen und so zum
Klingen gebracht werden. Verwandt damit ist die
Strohfiedel (s. d.).
Chemische
[* 4] Harmonika heißt ein von Higgins 1777 angegebener Tonerzeugungsapparat, welcher
aus einer kleinen Gasflamme (von
Wasserstoff,
Leuchtgas,
[* 5]
Kohlenwasserstoff,
Kohlenoxyd oder
Schwefelwasserstoff) und einem senkrecht
über dieselbe gestülpten
Rohr besteht. Der
Ton wird nur dann erzeugt, wenn sich die
Flamme
[* 6] innerhalb des
Rohrs in einer gewissen
Höhe befindet, und ist immer einer von denen, welche dieselbe Luftsäule gibt, wenn sie auf andre
Weise in
Schwingungen versetzt wird; er wird durch Verlängern der
Röhre, durch
Decken und Halbdecken auf dieselbe
Weise wie
beim Anblasen abgeändert, und wenn man eine
Flöte, an welcher man das
Mundloch verstopft und den
Pfropfen
[* 7] herausgezogen hat,
statt des Glasrohrs nimmt, so kann man mit derFlammeMelodien blasen.
Die Luftschwingungen, welche in der chemischen Harmonika den
Ton erzeugen, werden erregt, indem der
Wasserstoff den
Sauerstoff
der zuströmenden
Luft nicht gleichmäßig, sondern stoßweise, wie Ofenfeuer bei lebhaftem Zug,
aber in viel rascherm
Tempo, verzehrt.
Es werden sich deshalb kleinere
QuantitätenWasserstoff nach jedesmaliger
Verbrennung ansammeln und erst
plötzlich unter
Verpuffung mit dem nachgeströmten
Sauerstoff verbinden. Diese
Erschütterungen folgen sehr schnell aufeinander
und erzeugen mit dem ungleichmäßigen Luftstrom die
Schwingungen, welche ihrerseits dann wohl das
Tempo bestimmen mögen,
in welchem die
Verpuffungen stattfinden.
Wenn diese
Erklärung richtig ist, so sollte die
Flamme Schwankungen erkennen lassen, während sie scheinbar
ganz ruhig brennt. Läßt man aber nach dem
Vorschlag von
Wheatstone (1834)
vor derFlamme einen
Würfel rotieren, dessen vier
vertikale Seiten mit Spiegelglas belegt sind, so erblickt
man in der That ein leuchtendes
Bild, welches etwas einer groben
Säge
[* 8] mit sehr langen
Zähnen gleicht. Zwischen den leuchtenden
Zungen befinden sich dunkle
Intervalle, welche
auf die successiven
Explosionen hindeuten.
Ein in der
Nähe einer chemischen Harmonika erregter musikalischer
Ton, der mit dem der Harmonika nahezu im
Einklang steht oder
um eine
Oktave höher ist, übt nach
Schaffgotsch (1857) auf die schwingende Luftsäule im
Rohr einen so mächtigen Einfluß
aus, daß die
Flamme in lebhafte
Bewegung gerät und bei genügender
Stärke
[* 9] des
Tons erlischt. Eine noch
schweigende
Röhre kann durch einen äußern
Ton zum
Singen gebracht werden, wenn letzterer nur geringen Unterschied in der
Tonhöhe von dem zu erzeugenden
Ton besitzt.
d. h. wenn ^[img] ist. Statt dieser Gleichung kann man auch schreiben AC : CB = AD : BD oder, wenn O der Halbierungspunkt von
AB ist, OA² = OB² = OC . OD. Beispielsweise wird ein Kreisdurchmesser AB
[* 10]
(Fig. 1) durch einen
Punkt D aus seiner Verlängerung und die zu diesem gehörige Berührungssehne TU in C harmonisch geteilt.
Die vier Punkte A und B, C und D nennt man harmonische Punkte; verbindet man sie mit einem beliebigen Punkt M, so bekommt man
vier harmonische StrahlenMA, MB, MC und MD. Diese schneiden jede beliebige Gerade in vier harmonischen Punkten. Wenn
man in dem Viereck
[* 15] M E H F
[* 10]
(Fig. 2) die GegenseitenM E und F H, desgleichen M F und E H bis zu ihren Schnittpunkten A und B verlängert,
so erhält man ein vollständiges Vierseit; AB, EF und MH sind die Diagonalen desselben. Es wird nun jede Diagonale
eines vollständigen Vierseits von den beiden andern harmonisch geteilt, also AB in C und D, E F in G und D, MH in G und C.
Die
[* 10]
Figur gibt ein bequemes Mittel, zu drei Punkten A, B, C oder A, B, D den vierten harmonischen Punkt bloß mit dem Lineal
zu finden. Die harmonische Teilung spielt in der neuern Geometrie eine wichtige Rolle; eine MengeEigenschaften derselben findet man inSteiners
»GeometrischenKonstruktionen« (Berl. 1833).