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die Verhandlungen zu Berlin, [* 2] deren Resultat das Dreikönigsbündnis vom zwischen Preußen, [* 3] [* 4] und Sachsen [* 5] und der Verfassungsentwurf vom 28. Mai waren. Hannover trat dem Bündnis nur mit der Klausel: vorbehaltlich des Einverständnisses der übrigen Regierungen, insbesondere Österreichs, bei. Dieser Vorbehalt gab dann bei den ersten Akten selbständigen Auftretens des Bundes Hannover wie Sachsen den Vorwand, aus dem von den drei Teilnehmern gebildeten Verwaltungsrat ihre Vertreter abzuberufen und so dem preußischen Projekt den Boden unter den Füßen wegzuziehen.
Immer mehr lenkte auch Hannover, gleich den übrigen Mittelstaaten, in die verlassene Bahn wieder ein, und als im September 1850 der alte Bundestag wieder zusammentrat, nahm die Regierung keinen Anstand, ihn auch ihrerseits zu beschicken. Ende 1850 hatte die konservative Partei endlich wieder so sichern Fuß gefaßt, daß der König kein Bedenken trug, dem Ministerium Stüve-Bennigsen die lange erbetene Entlassung zu erteilen und ein konservatives, Münchhausen-Lindemann-Rössing, an seine Stelle zu berufen.
Dennoch hielt der König, durch die herben Erfahrungen der letzten Jahre in seinen schroffen Ansichten erschüttert, seitdem bis zu seinem erfolgten Tod an einer mittlern Richtung fest, die ebensowenig den entschieden liberalen Forderungen wie den reaktionären Gelüsten Gehör [* 6] schenkte. Eine seiner letzten Handlungen war 7. Sept. seine Zustimmung zu dem hannöversch-preußischen Vertrag über den Beitritt Hannovers zum Zollverein vom an.
Der neue König, Georg V. (s. Georg 15), bezeichnete seinen Regierungsantritt mit einem Kabinettswechsel, der eine Anzahl Reaktionäre an die Stelle der Männer der Münchhausenschen Richtung setzte. Neben Scheele traten Bacmeister, Windthorst und Borries ins Kabinett. Als indes der Versuch dieses Ministeriums, eine Verfassungsänderung in reaktionärem Sinn herbeizuführen, an der Festigkeit [* 7] der Zweiten Kammer gescheitert war, mußte es schon im Herbst 1853 einem entschiedenen, Lütken-Lenthe-Wedemeyer, Platz machen, und als auch dies den Verfassungskonflikt in der dem König allein genehmen Weise nicht zu lösen vermochte, auch zugleich in eine schiefe Stellung zum Bundestag geriet, berief König Georg im Sommer 1855 ein drittes Kabinett, ausschließlich aus Vertretern der feudal-ritterschaftlichen Partei, Kielmannsegge-Platen(-Hallermund)-Borries.
Den langwierigen Verhandlungen mit der Kammeropposition bereitete eine königliche Proklamation vom ein Ende, worin erklärt wurde, daß in anbetracht der Unfruchtbarkeit aller bisherigen Bemühungen zur Herstellung verfassungsmäßiger Zustände die vom Bundestag gewünschte Verfassungsrevision auf dem Weg der Oktroyierung vorgenommen werden würde. Der 4. August brachte die angekündigte Oktroyierung in Form einer königlichen Verordnung. Darin wurden die vom Ausschuß des Bundestags angefochtenen Bestimmungen der Verfassung von 1848 und die damit zusammenhängenden Vorschriften der ständischen Geschäftsordnung wie auch mehrere andre Gesetze neuern Datums für erloschen erklärt, das Wahlgesetz und die Zusammensetzung der Kammern von 1840 wiederhergestellt. In dieser Richtung schritt das neue Ministerium nun weiter vor, und so oft die Kammern den Absichten des Königs oder seiner Berater Widerspruch entgegensetzten, wie dies besonders in finanziellen Fragen betreffs der Domänenverwaltung und der königlichen Zivilliste der Fall war, mußten Kammerauflösungen, eventuell Oktroyierungen darüber hinweghelfen.
Der reaktionären Haltung im Innern entsprach die konservativ-großdeutsche Richtung des Kabinetts in den deutschen Angelegenheiten. So protestierte am Bundestag im Februar 1860 entschieden gegen die von Preußen in Vorschlag gebrachte Zweiteilung des Bundesheers, da durch eine solche die Selbständigkeit der gemischten Kontingente beseitigt und der Verfall der mittlern und kleinern deutschen Staaten herbeigeführt würde. Ebenso suchte es Preußens [* 8] Anspruch auf Führung der zu schaffenden maritimen Streitkräfte in der Nord- und der Ostsee durch seinen fortgesetzten Widerspruch zu entkräften. Dem immer stärker hervortretenden Zug nach nationaler Einigung, wie er sich gleichzeitig im Nationalverein, in den deutschen Abgeordnetentagen, in den Sammlungen für die deutsche Flotte etc. aussprach, wurde von oben herab jedes mögliche Hindernis, Verfolgung aller Art bereitet.
Das im Dezember 1862 neugebildete Ministerium Hammerstein, welches sich aus Vertretern verschiedener Richtungen zusammensetzte, verfolgte in der innern Politik im ganzen dieselbe konservative Richtung, während es bei äußern Fragen, der ausgesprochenen Sinnesart des Königs nachgebend, die Rücksicht auf Wahrung der Souveränität des »Welfenhauses« stetig in den Vordergrund treten ließ. Die vom Kabinett in der schleswig-holsteinischen Frage eingehaltene Richtung, die auf die Erhaltung der Integrität des dänischen Gesamtstaats ausging, stand nicht nur zur Haltung der Zweiten Kammer, sondern selbst zu den Beschlüssen des Bundestags in schroffem Widerspruch.
Zwar hatte Hannover dem letzten Beschluß des Bundestags gemäß seine Truppen nebst den sächsischen als Exekutionsheer nach den Herzogtümern gesandt; doch mußte es noch vor Ablauf [* 9] des Jahrs 1863 die Demütigung erleben, daß sie von den Truppen der beiden Großmächte aus den Herzogtümern herausgedrängt wurden. Das Gefühl des Widerspruchs, in welchem ein Teil seiner Bevölkerung [* 10] zu ihm stand, und der steten diplomatischen Niederlagen in allen deutschen Fragen trieb den König in eine immer extremere Richtung hinein, wie sich dies aus der Neubildung des Kabinetts (Herbst 1865) ergab, dessen Seele fortan der ebenso begabte wie antinational gesinnte Minister des Innern, Bacmeister, wurde.
Bis gegen Ende März 1866 blieben die diplomatischen Beziehungen Hannovers zu Preußen noch erträglich. Die Kriegsrüstungen in den Monaten April und Mai nötigten indes das Berliner [* 11] Kabinett, aus der bisher Hannover gegenüber eingehaltenen Reserve hervorzutreten, und als Graf Platen in Berlin eröffnen ließ, daß, falls der Bund die Mobilmachung anordnen würde, auch Hannover sich dem nicht werde entziehen können, auch den Anträgen Sachsens und Bayerns beistimmte, welche die Mobilisierung der Bundeskontingente und Sicherheitserklärungen seitens Preußens verlangten: da antwortete Preußen mit der Mobilmachung des westfälischen Armeekorps und zugleich mit einer Depesche vom 9. Mai, die dem König Georg zum letztenmal einen Neutralitätsvertrag mit Preußen anbot. Doch siegte auch jetzt wieder der österreichische Einfluß, und die letzten höchst maßvollen Forderungen Preußens vom 20. Mai wurden von der Hand [* 12] gewiesen, als in demselben Augenblick der österreichische General Prinz zu Solms-Braunfels, ein Halbbruder des Königs, in Hannover eintraf mit Versprechungen und Darlegungen, welche Österreich [* 13] und seinen Bundesgenossen eine ziemlich sichere Aussicht auf glänzende Erfolge zu gewähren schienen. ¶
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Von diesem Augenblick an suchte Hannover Preußen auszuweichen und die Verhandlungen über die Neutralität hinzuziehen. So trat es trotz der unzweideutigen Erklärungen des letztern dem Antrag auf Mobilisierung der Bundeskontingente bei. Auch die preußische Sommation vom 15. Juni verfehlte ihre Wirkung, denn der Gedanke einer militärischen Führung Norddeutschlands durch Preußen hatte nun einmal in den höchsten Kreisen Hannovers eine Erbitterung hervorgerufen, welche gegen jede gründliche Erwägung taub machte. Am 16. erfolgte daher die Ablehnung der in der Sommation gestellten Forderungen und infolge davon die preußische Kriegserklärung. aber sprach sich an demselben Tag in Frankfurt [* 15] dahin aus, es werde unter allen Umständen zu Österreich stehen.
Die Armee wurde in aller Eile nach Göttingen [* 16] geworfen, wohin in der Nacht zum 16. Juni auch der König mit dem Kronprinzen gegangen war. Die Okkupation des Landes durch Preußen vollzog sich in wenigen Tagen (s. Preußisch-deutscher Krieg). Am 20. bereits übernahm General Vogel v. Falckenstein, welchem v. Hardenberg als Zivilkommissar an die Seite trat, die oberste Leitung in Hannover; die ganze Verwaltung blieb unter neuen Chefs in ihrem alten Bestand. Das Schicksal der hannöverschen Armee aber entschied sich sehr rasch.
Nachdem König Georg die noch im letzten Augenblick zu friedlicher Vermittelung oder zum Eingehen ehrenvoller Neutralität gebotene Hand des Gegners starr zurückgewiesen, kam es bei Langensalza [* 17] (27. Juni) zwischen der nach dem Süden aufbrechenden hannöverschen Armee und der numerisch weit geringern Avantgarde Falckensteins unter General Flies zu einem blutigen Zusammenstoß, aus dem zwar die Hannoveraner siegreich hervorgingen, aber die Überzeugung gewannen, daß sie auf die Dauer der preußischen Übermacht nicht widerstehen könnten. So ward denn aufs neue unterhandelt und 29. Juni eine Kapitulation vereinbart, laut welcher die Munition und das Kriegsmaterial den Preußen übergeben, die Mannschaften entwaffnet und nach Hause geschickt wurden, die Offiziere ihre Degen behielten, allein mit der Verpflichtung, dieselben in dem gegenwärtigen Krieg nicht gegen Preußen zu gebrauchen. Der König wie der Kronprinz endlich erhielten unter Zusicherung ihres Privatvermögens die Erlaubnis, ihren Wohnsitz außerhalb Hannovers zu nehmen, wo es ihnen beliebe. Bekanntlich begab sich Georg V. mit einem kleinen Kreis [* 18] treuer Anhänger nach Hietzing bei Wien. [* 19]
Am 20. Sept. ergriff der König von Preußen mittels Patents vom Königreich Hannover Besitz, das dem preußischen Staat mit Beibehaltung seiner Einteilung in Landdrosteien, seines Konsistoriums etc. einverleibt wurde. Die preußische Verfassung ward 1. Okt. eingeführt. Die Bevölkerung konnte sich teilweise (namentlich der Adel, die lutherische Geistlichkeit und die Einwohner der Residenz) nicht mit der neuen Herrschaft befreunden. Die Beziehungen zum Welfenhof in Hietzing waren lebhaft und die Hoffnungen auf seine Wiederkehr keineswegs erloschen.
Selbst nach dem Krieg von 1870 regten sich die welfischen Agitationen wieder, zumal der Sohn Georgs V., der Herzog von Cumberland, nach seines Vaters Tod die Gelegenheit der Versöhnung mit Preußen nicht ergriff, sondern seine Successionsrechte in vollstem Umfang wahrte. Freilich erklärten die Anhänger des Welfentums, daß sie die Wiederherstellung des selbständigen Königreichs Hannover nur auf gesetzlichem Weg durch eine freie That der deutschen Fürsten und Völker erstrebten. Die preußische Regierung fuhr inzwischen fort, die Provinz mehr und mehr mit dem preußischen Staat zu verschmelzen, und führte 1885 eine neue Provinzial- und Kreisordnung ein, durch welche die Landdrosteien in Regierungsbezirke verwandelt, an die Spitze der Kreise [* 20] Landräte gesetzt und infolge eines neuen Wahlgesetzes das Übergewicht der Ritterschaft im Provinziallandtag beseitigt wurde.
Vgl. Hüne, Geschichte des Königreichs und Herzogtums Braunschweig [* 21] (Hannov. 1824-30, 2 Bde.);
Havemann, Geschichte der Lande Braunschweig und Lüneburg [* 22] (2. Aufl., Götting. 1855-57, 3 Bde.);
Schaumann, Handbuch der Geschichte der Lande und Braunschweig (Hannov. 1864);
Heinemann, Geschichte von Braunschweig und Hannover (Gotha [* 23] 1883-1886, Bd. 1 u. 2);
Köcher, Geschichte von und Braunschweig 1648-1714 (Leipz. 1884 ff.);
Ebhardt, Die Staatsverfassung des Königreichs Hannover (Hannov. 1860);
Grotefend, Geschichte der landständischen Verfassung des Königreichs Hannover (das. 1857);
Oppermann, Zur Geschichte des Königreichs Hannover von 1832 bis 1860 (2. Aufl., Berl. 1868, 2 Bde.);
v. Sichart, Geschichte der königlich hannöverschen Armee (das. 1866-71, 4 Bde.);
Meding, Memoiren zur Zeitgeschichte (Leipz. 1881-84, 3 Bde.);
von der Wengen, Geschichte der Kriegsereignisse zwischen Preußen und Hannover 1866 (Gotha 1885).