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(neunte) Kur krëiert und ein Vertrag zwischen jenem und den beiden Linien des Hauses Lüneburg [* 2] geschlossen, laut dessen gegen Erteilung der Kurwürde an [* 3] unter eventueller Beteiligung von Celle [* 4] eine ewige Union zwischen den Häusern Habsburg und Lüneburg stattfinden sollte. Bei allen künftigen Königswahlen sagte Lüneburg außerdem die unbedingte Zustimmung zur Wahl des kaiserlichen Erstgebornen zu.
Hannover in Personalunion mit Großbritannien.
Georg Ludwig, Ernst Augusts Nachfolger seit vereinigte die Gesamtlande des Hauses Braunschweig-Lüneburg beim Tod seines Oheims und Schwiegervaters Georg Wilhelm (1705); er bestieg kraft seiner Abstammung von den Stuarts mütterlicherseits beim Tode der Königin Anna (1714) als Georg I. (s. Georg 11) den englischen Thron [* 5] und verband durch Personalunion Großbritannien [* 6] mit dem deutschen Kurland, [* 7] durch diese Verbindung der mächtigste unter allen deutschen Fürsten.
Der größte Teil seiner Regierung wird von zwei großen Kriegen (dem spanischen Erbfolge- und dem Nordischen Krieg) ausgefüllt, an denen Georg in seiner Eigenschaft als Kurfürst wie als König thätigen Anteil nahm, und die mit einer neuen beträchtlichen Vergrößerung seiner Hauslande endigten. Gleich die Belehnung mit der Kur beim Tode des Vaters führte einen neuen, wenngleich kurzen und wenig blutigen Kampf mit den wolfenbüttelschen Vettern herbei. Diese, welche die Erhöhung der einen Linie ihres Hauses als unerträgliche Zurücksetzung empfanden, verbanden sich, als ihre Proteste dagegen ungehört verhallten, 1700 mit einigen andern deutschen Fürsten in Nürnberg [* 8] zum Bunde der sogen. korrespondierenden Fürsten, um eventuell durch Waffengewalt die Ausübung der Kur seitens der Lüneburger [* 9] zu hindern.
Ihrem Vorhaben wurde schnell ein Ziel gesetzt durch die in demselben Jahr von Georg Wilhelm und Georg Ludwig unter Konnivenz des Kaisers erfolgende Überrumpelung der wolfenbüttelschen Fürsten in ihren Landen, die sie zur Anerkennung der Kur nötigte. Die Union mit England hat dem Land Hannover in politischer Beziehung durch das immer höhere Emporwuchern eines eigensüchtigen und beschränkten oligarchischen Adelsregiments zum Nachteil, in materieller aber durch die enge Verknüpfung beider Lande in handelspolitischer und sozialer Beziehung zu großem Vorteil gereicht.
Das Land, damals in noch höherm Grad als heute vorzugsweise ein ackerbautreibendes, produzierte weit mehr Feldfrüchte, als es für den eignen Gebrauch bedurfte, und fand in dem Inselreich den besten Abnehmer seines Überflusses, während die sich eben damals entwickelnde reiche Industrie Englands das Kurland zum Entgelt mit allen den Artikeln versorgte, an denen es selbst Mangel litt. Erscheint Hannover während des 18. Jahrh. auch fast ausschließlich als Trabant Englands in politischer Beziehung, so hob sich dennoch das Ansehen und die Bedeutung des Landes in den deutschen Angelegenheiten infolge dieser Verbindung entschieden über das ihm sonst zukommende Maß empor, und sein Einfluß in den innerdeutschen Angelegenheiten trat nur hinter dem von Brandenburg-Preußen zurück.
Georgs I. Regierung war für Hannover oder die kurbraunschweigischen Lande, wie sie seit 1705 meist genannt wurden, in jeder Beziehung belangreich. Von der Kampagne am Rhein (Ende 1709) zurückgekehrt, wandte der Kurfürst den auch an seinen Grenzen [* 10] geführten Kämpfen des Nordischen Kriegs - Bremen, [* 11] Verden [* 12] und Vorpommern waren noch in schwedischem Besitz, und der dänisch-schwedische Kampf hatte so einen Teil Niederdeutschlands mit ergriffen - seine ganze Aufmerksamkeit zu. Der mit Dänemark [* 13] (1712) geplante Defensiv- und Offensivbund gegen Karl XII. kam freilich nicht zu stande; dennoch stand Hannover seit dieser Zeit hier kampfgerüstet auf der Wacht, bereit, im geeigneten Augenblick einzugreifen, um die zu Osnabrück [* 14] 1648 vergeblich erstrebten reichen Herzogtümer Bremen und Verden, die das Land trefflich arrondiert hätten, wenn nötig mit Waffengewalt, zu erringen.
Inzwischen begnügte sich der Kurfürst, die Protestanten in den niederdeutschen Bistümern Münster, [* 15] Paderborn, [* 16] Hildesheim, [* 17] in letzterm nach einer Verwickelung, die zur militärischer Besetzung des Bistums führte, in seinen Schutz zu nehmen, wie er seinerseits den Katholiken in seinen Landen völlige Glaubensfreiheit gewährte. Die bald darauf erfolgende Erledigung des englischen Throns durch den Tod der Königin Anna führte mit der Übersiedelung des Kurfürsten von Hannover nach London [* 18] keine direkte Verfassungsänderung in dem Kurland herbei; nur indirekt lernte dies allmählich empfinden, daß Statthalter u. Geheimer Rat (der erste Statthalter war der General der Kavallerie v. Bülow) fortan die eigentlichen Regenten waren.
Der Geheime Rat behielt die Verhandlungen mit den Ständen, die Kontrolle der Landesverwaltung, der Finanzen, der Rechtspflege, der geistlichen, Militär- und auswärtigen Angelegenheiten sowie unter Vorbehalt kurfürstlicher Bestätigung die Ernennung der Beamten mit Ausnahme der höchsten Chargen, also die eigentliche Regierung des Landes, unter der Bedingung regelmäßiger Berichterstattung an den Landesherrn in seiner Hand. [* 19] Die unter ihm stehenden Kollegien für die einzelnen Ressorts, Kanzlei, Kammer, Konsistorium, Kriegskanzlei, standen mit ihm durch die ausschließlich aus seiner Mitte entnommenen Departementschefs in steter unmittelbarer Verbindung.
Die reichen Einkünfte aus den Domänen, aus direkten und indirekten Steuern, die selbst während der glänzenden Hofhaltung der Fürsten der letzten Generation bei trefflicher Verwaltung zeitweise Überschüsse ergeben hatten, wanderten, unter Abzug der verhältnismäßig beträchtlichen Ausgaben für das Beamtentum und die zu Hannover bestehen bleibende Hofhaltung, in die Kasse des Kurfürsten-Königs und ermöglichten trotz bedeutenden Aufwandes für das stehende Heer aus der Schatulle die Begründung eines bedeutenden Hausschatzes.
Inzwischen führten die Hartnäckigkeit des Schwedenkönigs Karl XII., die drohende Nähe der russischen Truppen in Mecklenburg, [* 20] die Furcht, daß der Nordische Krieg ganz Niederdeutschland ergreifen und zuletzt nur dem Zaren zum Vorteil gereichen möchte, eine Annäherung des Königs von Dänemark, Friedrichs IV., an Kurbraunschweig und die übrigen dabei interessierten deutschen Fürsten herbei, die zunächst (Anfang 1714) zu dem Braunschweiger Kongreß behufs Einigung über die nordischen Friedenstraktate, ein Jahr später aber zu einer Offensiv- und Defensivallianz zwischen Dänemark und Kurbraunschweig führte mit gegenseitiger Garantie, Dänemarks: für das Verbleiben der damals unter dänischer Verwaltung stehenden schwedischen Herzogtümer Bremen und Verden bei Kurbraunschweig, dieses: für die dauernde Verbindung Schleswigs mit Dänemark. Eine endgültige Sicherung im Besitz der Herzogtümer Bremen und Verden, die wegen ihrer reichen Einkünfte (jährlich ¼ Mill. Thlr.) wertvoll waren, gewährt der Vertrag von Stockholm [* 21] (November 1719), worin Schweden [* 22] sein Anrecht auf die Herzogtümer ¶
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an Hannover gegen Zahlung von 1 Mill. Thlr. zedierte, wenngleich die kaiserliche Belehnung mit denselben, in die auch Braunschweig-Wolfenbüttel aufgenommen ward, erst 1733 erfolgte. In die große Politik wurde Hannover bis zum Tod Georgs I. (1727) nur noch einmal hineingerissen, indem der König-Kurfürst den weit aussehenden Plänen Österreichs und Spaniens zu Anfang der 20er Jahre gegenüber mit Frankreich und Friedrich Wilhelm I. von Preußen [* 24] die sogen. hannoversche Allianz in Herrenhausen (s. d.) zur Erhaltung des bestehenden Rechtszustandes schloß.
Der Nachfolger Georgs I., Georg II. (1727-60, s. Georg 12), teilte mit seinem Vater die Vorliebe für das deutsche Stammland, wo er sich gern aufhielt. Mit seinem Vetter und Schwager Friedrich Wilhelm I. stand er teils aus persönlicher Antipathie, beruhend auf der Verschiedenheit ihrer Charaktere, teils aus gegenseitiger Rivalität durchweg in einem sehr mißlichen Verhältnis. Die ernstlichste Verwickelung führte 1731 eine Ursache von geringem Belang, die Vorliebe des Preußenkönigs für die langen Soldaten und die Rücksichtslosigkeit seiner Werbeoffiziere im Hannöverschen, herbei.
Schon standen die Heere beider Fürsten kampfbereit an der Landesgrenze einander gegenüber, als durch Vermittelung der Herzöge von Gotha [* 25] und Braunschweig [* 26] noch im letzten Augenblick dem Bruderkampf vorgebeugt wurde. Ein wirkliches Anrecht auf die Dankbarkeit seiner Erblande erwarb sich der Kurfürst durch die Stiftung der Universität Göttingen [* 27] (s. d.) 1737, welche, durch die Bemühungen des vortrefflichen Ministers v. Münchhausen ins Leben gerufen und reich dotiert, bald die ausgezeichnetsten Gelehrten Deutschlands [* 28] und eine große Zahl Studierender an sich zog.
Als Kurfürst des Reichs und Garant der Pragmatischen Sanktion stand Georg II. während des österreichischen Erbfolgekriegs 1741-48 auf seiten Maria Theresias. Der Sieg von Dettingen ist der letzte Sieg, den ein englischer König an der Spitze seiner Truppen selbst errang. Der Siebenjährige Krieg brachte Drangsale aller Art über Hannover. Der Bund Österreichs mit dem alten Feind Frankreich hatte die politischen Verhältnisse verrückt und im Gefolge Englands auch Hannover zum Bund mit Friedrich d. Gr. von Preußen getrieben.
Leider war das Waffenglück der ersten Jahre in Niederdeutschland den preußisch-englischen Streitkräften nur vorübergehend günstig, und selbst die Führerschaft des bewährten Herzogs Ferdinand von Braunschweig, welchen der Preußenkönig bereitwillig seinem Alliierten als Oberbefehlshaber des englisch-holländisch-hessischen Heers überließ, konnte die Verluste der beiden ersten Jahre, vor allen die Niederlage des Herzogs von Cumberland bei Hastenbeck (1757) und die sich daran schließende Konvention von Kloster-Zeven, die das ganze Land den Franzosen ein Jahr lang wehrlos in die Hände gab, nicht völlig wieder gutmachen.
Georgs II. Nachfolger war 1760 sein Enkel Georg III. (1760-1820, s. Georg 13). Die Art und Weise der Regierung blieb auch unter dem neuen Regenten dieselbe, die sie seit 1714 gewesen war, nur daß Statthalter und Geheimer Rat um so selbständiger verfuhren, als der König-Kurfürst fortan seine bleibende Residenz in England, dem Land seiner Geburt, nahm, wo er freilich ein stehendes Kabinett für die Kurlande einrichtete. Bis zu den Zeiten der französischen Revolution, ein volles Menschenalter hindurch, erfreute sich Hannover gleich dem gesamten Deutschland [* 29] zum erstenmal wieder einer Zeit ungestörten Friedens.
An der innerdeutschen Politik begann Hannover sich erst seit dem bayrischen Erbfolgekrieg, welcher die Übergriffe und Velleitäten des Kaiserhauses unverhüllt aufdeckte, lebhafter zu beteiligen und zwar diesmal in Übereinstimmung mit der preußischen Politik. Von seiten Österreichs drohte durch die geplante Annexion Bayerns ein völliger Umsturz des bisherigen innern politischen Machtverhältnisses, welcher katholische wie protestantische, große wie kleine Fürsten gleich sehr gefährdete.
Daher fanden sich die meisten derselben, unter ihnen auch Georg III., in dem von Friedrich d. Gr. gegründeten Fürstenbund (s. d.) 1785 zusammen, dessen Statuten von Preußen, und Kursachsen noch zwei nur für diese drei Kontrahenten verbindliche geheime Separatartikel hinzugefügt wurden, die für den Fall eines Kriegs gegenseitige Unterstützung mit einem Hilfskorps von 15,000 Mann stimulierten, anderseits gemeinsame Maßregeln vorsahen, um das Streben Österreichs, die Mitglieder des Hauses Habsburg in die Koadjutorschaften sämtlicher größerer Hochstifter des Reichs zu bringen, zu nichte zu machen.
Hannover im Zeitalter der französischen Revolution.
An den Kämpfen gegen die französische Revolution nahm Hannover nicht direkt Anteil; wohl aber wurde ein erst 13,000, dann 16,000 Mann starkes Korps dem König von England unter der Führung des Feldmarschalls Freytag überlassen, das wacker mitkämpfte, bis es bei dem Rückzug des englischen Hauptheers auch seinerseits in die Heimat zurückgesandt wurde. Der Abschluß des Baseler Friedens seitens Preußens [* 30] (1795) und die darin stipulierte Demarkationslinie bewahrte Hannover vor den Einfällen der ganz Oberdeutschland verheerenden Franzosen. Das nächste Jahrzehnt war voller Reibungen zwischen und Preußen und brachte jenes gerade infolge seiner Verbindung mit England, das sich nicht gleich den übrigen kriegführenden Mächten zu den Stipulationen des Friedens von Lüneville verstehen wollte, sondern den Kampf noch zwölf Monate länger fortsetzte, in die mißlichste Lage.
Obgleich nämlich Hannover noch im genannten Frieden definitiv das Hochstift Osnabrück zugesprochen erhielt, war von dem Ersten Konsul doch schon sein Untergang geplant und zwar derart, daß in diesen auch sein Rival, das dem Konsul gegenüber sich spröde zurückhaltende Preußen, mit verwickelt werden sollte. Bonaparte lud nicht weniger als dreimal in den Jahren 1796-1801 Friedrich Wilhelm III. ein, den Kurstaat wegen Verletzung der Bestimmungen des Baseler Friedens und zur Deckung gegen England zu besetzen, und der preußische König erkannte es zuletzt, da Rußland ihm zuvorzukommen suchte, fürs beste, dem heimtückischen Rat zu folgen. So erfolgte denn, da eine Verteidigung des Landes bei der unzureichenden Truppenzahl nicht ratsam schien, die erste Besetzung Hannovers durch 24,000 Preußen unter dem General v. Kleist, die ein Jahr lang bis zum Frieden von Amiens [* 31] vom Land unterhalten werden mußten.
Der Reichsdeputationshauptschluß vom Februar 1803 bestätigte Hannover im Besitz von Osnabrück; jedoch mußte es dafür auf das an Preußen fallende säkularisierte Hildesheim verzichten. Die Wiederaufnahme des Kriegs auf seiten des von Bonaparte dazu provozierten England führte endlich 1803 auch die Katastrophe über Hannover herbei. Weder der König noch sein damaliger Kabinettsminister v. Lenthe hatten eine richtige Anschauung von der Lage der Dinge in Hannover wie von dem, was in einer so kritischen Lage notthat. Die mit großen Kosten aus kleinen Anfängen geschaffene ¶