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Harz; hier werden auch viele Singvögel gefangen, während zu Alfeld eine bedeutende Zucht von Kanarienvögeln betrieben wird. Wichtig ist die Fischerei; [* 2] für die Seefischerei haben sich schon mehrfach Gesellschaften gebildet, doch haben dieselben immer noch nicht eine sichere Grundlage finden können.
Die Produkte des Mineralreichs sind mannigfaltig. Auf dem Harz gibt es Silber-, Blei-, Eisen- und Kupfererze, Eisenerze auch sonst noch vielfach im Bergland, Steinkohlen in der Gegend von Osnabrück [* 3] (Piesberg etc.) sowie in der Wealdenformation am Deister, Osterwald etc., mehrfach auch Braunkohlen. Salinen, auf Steinsalzlagern beruhend, gibt es zu Egestorfshall und Neuhall bei Hannover [* 4] und zu Lüneburg, [* 5] außerdem mehrere kleinere. Ein anscheinend wichtiger Distrikt für Erdöl [* 6] erstreckt sich südlich von Celle, [* 7] wo dasselbe bei Ölheim von einer Aktiengesellschaft durch Bohrlöcher abgezapft wird, zwischen den Dörfern Wieze, Oberg, Hänigsen und Klein Eddesse hin, vielleicht selbst bis Soltau.
Torf, in ungeheuern Lagern, bildet in den waldlosen Teilen des Tieflandes das verbreitetste Brennmaterial. Sonst gibt es noch Gips, [* 8] Kalk, Marmor, Tafelschiefer, Pfeifenthon, Fayenceerde, Asphalt (1885: 19,401 Ton.), einige Mineralquellen (Rehburg etc.) und mehrere Solbäder. Unter den Seebädern sind Norderney und Borkum die bedeutendsten. Der Ertrag an Mineralien [* 9] belief sich 1885 unter anderm auf: 580,499 Ton. Steinkohlen, 4663 T. Braunkohlen, 2695 T. Erdöl, 455,303 T. Eisenerz, 6012 T. Zinkerz, 43,626 T. Bleierz und 22,869 T. Kupfererz. Der Gesamtwert der gewonnenen Mineralien betrug 9,5 Mill. Mk. An Kochsalz wurden in demselben Jahr 91,168 T. gewonnen.
[Industrie, Handel, Verwaltung.]
Die Industrie beschränkt sich mehr auf die Städte und fehlt in einigen Gegenden beinahe gänzlich. Hervorzuheben sind: die Leinweberei, durch die ganze Provinz verbreitet, wenn auch mehr im S. und größtenteils als Nebenbeschäftigung, fabrikmäßig bei Osnabrück und Hildesheim [* 10] betrieben, im Anschluß daran die Bleicherei, die Tuchfabrikation und Wollweberei im südlichen Bergland (Einbeck, [* 11] Göttingen, [* 12] Hameln); [* 13] die Baumwollindustrie mit einigen großen Spinnereien und Webereien zu Hannover, Linden etc.; die Fabrikation von Leder, Papier, Holzwaren, Gummi- und Guttaperchawaren (Harburg), [* 14] Tabak [* 15] und Zigarren (besonders in der Nachbarschaft von Bremen, [* 16] in Osnabrück; Emden, [* 17] Hannover etc.), Zucker [* 18] (im südlichen Bergland), Branntwein, Bier, chemischen Produkten (Goslar), [* 19] Thonwaren [* 20] (Thonpfeifen zu Uslar), Glas, [* 21] musikalischen, optischen und physikalischen Instrumenten (Göttingen).
Besonders wichtig ist die Verarbeitung des Eisens. Hochöfen zur Bereitung des Roheisens gibt es vorzüglich auf dem Harz und bei Osnabrück, großartige Eisengießereien und Maschinenfabriken zu Hannover, Linden, Osnabrück, Hameln, Geestemünde, Harburg, Osterode [* 22] etc., Maschinenwerkstätten zu Hannover und Göttingen, Gewehrfabriken zu Herzberg, Fabriken für Kleineisenwaren in den Städten des Harzes, im Sollinger Wald (Sensen, Messer) [* 23] etc. Seeschiffe werden in den ostfriesischen Hafenstädten, zu Papenburg, [* 24] Geestemünde, Harburg etc. gebaut.
Handel und Schiffahrt sind bedeutend. Die hannöversche Reederei zählte zu Anfang 1884: 1005 Segelschiffe und 11 Dampfschiffe mit zusammen 102,892 Registertons Raumgehalt. Größere Schiffe [* 25] besitzt aber nur Geestemünde. Als die wichtigsten Seeplätze müssen Geestemünde, Emden, Papenburg, Leer, [* 26] Weener, Karolinensiel, Großefehn und Harburg genannt werden; den natürlichen Mittelpunkt für den Seehandel der Provinz bildet aber Bremen mit seinem Hafenort Bremerhaven, gegen welchen Geestemünde mit seinen vortrefflichen Hafenanlagen ebensowenig aufkommen konnte wie das mit gleichen Anlagen versehene Harburg an der Elbe gegen Hamburg. [* 27]
Die Binnenschiffahrt wird durch die Elbe, Weser, Ems und [* 28] zahlreiche kleine Flüsse [* 29] (s. oben) gefördert, hat aber durch die Eisenbahnen verloren. Für diese ist die Stadt Hannover der Mittelpunkt. Zu den wichtigsten die Provinz durchschneidenden Linien gehören: Berlin-Bremen-Emden, Berlin-Amsterdam (über Hannover und Osnabrück), Berlin-Köln (einerseits über Hannover, anderseits über Kreiensen), Hannover Altenbeken, Berlin-Frankfurt a. M. (über Kreiensen), von Bremen und Hamburg nach Frankfurt [* 30] a. M., Venloo-Hamburg und die Linie von Emden in das Ruhrkohlengebirge.
Die Provinz zerfällt nach dem am erlassenen und in Kraft [* 31] getretenen Gesetz über die Kreisordnung unter Umänderung der Landdrosteien in Regierungsbezirke und Aufhebung der Ämter in 6 Regierungsbezirke: Hannover mit 13, Hildesheim mit 17, Lüneburg mit 16, Stade [* 32] mit 14, Osnabrück mit 11 und Aurich [* 33] mit 7 Kreisen. Die Hauptstadt ist kreiseximiert. Hannover besitzt eine provinzialständische Verwaltung, ferner sieben Landschaften: für die Fürstentümer Kalenberg, Göttingen und Grubenhagen, für das Fürstentum Lüneburg, für die Grafschaften Hoya und Diepholz, für die Herzogtümer Bremen und Verden, [* 34] für das Fürstentum Osnabrück, für das Fürstentum Hildesheim und für das Fürstentum Ostfriesland. Gerichtlich bildet die Provinz einen Oberlandesgerichtsbezirk (Celle) mit acht Landgerichten. Militärisch gehört der größere Teil zum Bezirk des 10., die Landdrostei Stade zu dem des 9. Armeekorps. In den deutschen Reichstag entsendet Hannover 19, in das preußische Abgeordnetenhaus 36 Mitglieder. Das Wappen [* 35] der Provinz ist ein weißes Roß in rotem Felde, die Farben sind Gelb und Weiß.
Vgl. Guthe, Die Lande Braunschweig [* 36] und Hannover (2. Aufl., Hannov. 1880);
J. Meyer, Die Provinz Hannover in Geschichts-, Kultur- und Landschaftsbildern (das. 1886);
Rustmann, Heimatkunde für die Provinz Hannover (Osnabr. 1885);
Ringklib, Statistisches Handbuch der Provinz Hannover (5. Ausg., das. 1885);
Tappen, Handbuch für die provinzialständische Verwaltung der Provinz Hannover (das. 1880);
A.
Papen, Topographische
Karte von und
Braunschweig (1:100,000, 70
Bl., 1832-47).
Geschichte.
Die älteste Geschichte des 1866 dem Königreich Preußen [* 37] einverleibten Königreichs Hannover fällt mit der des Herzogtums Braunschweig (s. d.) zusammen. Den Kern beider Länder bilden die welfischen Allodialgüter in Niedersachsen, die 1235 unter der Benennung Herzogtum Braunschweig-Lüneburg als ein deutsches Territorium unter Otto dem Kinde, dem Enkel Heinrichs des Löwen, erscheinen. Otto ist der Stammvater der im J. 1884 ausgestorbenen Linie Braunschweig-Lüneburg-Wolfenbüttel (neubraunschweigische Linie, anfangs Braunschweig-Lüneburg-Dannenberg) und der jüngern oder neuen Linie Braunschweig-Lüneburg (neulüneburgische Linie), welcher die Königsfamilien von England und dem ehemaligen Staat Hannover angehören.
Die jüngere Linie Braunschweig-Lüneburg.
Die besondere Geschichte Hannovers beginnt mit der Stiftung der jüngern Linie Braunschweig-Lüneburg. Stifter dieser Linie ist Wilhelm, jüngster ¶
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Sohn Ernsts I., des Bekenners, der nach dem Tode des Vaters (gest. 1546) und der beiden ältern Brüder, Otto (gest. 1559) und Friedrich (gest. 1553), bei der Teilung mit seinem Bruder Heinrich (1569) den größern und bessern Teil der Lande, Lüneburg und Celle, erhielt. Von seiner Residenz Celle führte Wilhelm auch zuweilen den Titel Herzog zu Celle. Nachdem Wilhelm und Heinrich 1582 die Ämter Hoya, Nienburg, [* 39] Liebenau und Bruchhausen und 1585 gemeinschaftlich mit Wolfenbüttel [* 40] die Grafschaft Diepholz mit ihrem Gebiet vereinigt hatten, starb der erstere nach einer trefflichen, nur zuletzt durch anhaltende Schwermut getrübten Regierung 1592 in Celle und hinterließ sieben Söhne: Ernst II., Christian, August, Friedrich, Magnus, Georg und Johann.
Nach Ernsts II. Tod (1611) trafen die sechs überlebenden Brüder, als Ersatz für das dem Haus mangelnde Primogeniturgesetz, zur Verhütung der Zerstückelung des Landes durch Teilungen das Abkommen, daß nur einer von ihnen sich vermählen und das Los hierüber entscheiden solle. Es fiel auf Georg (s. Georg 7). Derselbe vermählte sich mit Amalie Eleonore, Tochter Ludwigs V. von Hessen-Darmstadt, und diese beiden sind die Stammeltern des kurfürstlichen Hauses Braunschweig und des englischen Königshauses.
Kraft des Vergleichs von 1611 trat Christian (s. Christian 5), nach Ernsts Tode der älteste der Brüder, allein die Regierung an, der 1617 das durch Herzog Philipps II. Tod erledigte Grubenhagen erwarb. Ihm folgte 1633 August, der dritte Prinz, unter dessen Regierung die Linie Braunschweig-Lüneburg-Dannenberg, die 1634 vertragsmäßig die wolfenbüttelsche Erbschaft angetreten hatte, 1635 einen Teil der erlangten Länder, namentlich Kalenberg sowie Hoya und Diepholz, an Lüneburg abtrat, welche Besitzungen jedoch August wieder seinem jüngern Bruder, Georg, überließ. August trat 1635 dem Prager Frieden bei und starb 1636. Unter seinem Nachfolger Friedrich fiel 1643 Harburg von der mittlern Linie Braunschweig-Lüneburg an die jüngere zurück. Friedrich überlebte alle seine Brüder, auch Georg, welcher 1641 starb, bevor er noch zur Regierung gelangte.
Bei Friedrichs Tod (1648) teilten die zwei ältesten Söhne Georgs, Christian Ludwig und Georg Wilhelm, den Bestimmungen des väterlichen Testaments gemäß das Land, dem zufolge Lüneburg, Grubenhagen, Diepholz und Hoya mit der Residenz Celle an erstern, Kalenberg und Göttingen, die seit 1641 Christian Ludwig besessen hatte, mit der Residenz Hannover an letztern fielen. Auf diese Weise spaltete sich der Stamm wieder in die beiden Linien Celle und Hannover (Kalenberg). Christian Ludwig von Celle war unablässig bestrebt, die schweren materiellen Schäden, die das Land im Dreißigjährigen Krieg erlitten, wieder zu heilen und durch Verbesserungen in der Verwaltung, strenge Rechtspflege, Sorge für die geistige Entwickelung seiner Unterthanen es seinem brandenburgischen Nachbar gleichzuthun.
Aus den Entschädigungen des Westfälischen Friedens fiel ihm gemeinschaftlich mit der Linie Hannover das Bistum Osnabrück zu, derart, daß der bischöfliche Stuhl alternierend mit einem katholischen Prälaten und einem lutherischen Prinzen aus dem Haus Lüneburg besetzt werden sollte. Bei Christian Ludwigs Tod (1665) entspann sich zwischen den drei ihn überlebenden Brüdern, Georg Wilhelm von Kalenberg und den bisher apanagierten Prinzen Johann Friedrich und Ernst August, ein heftiger Streit über das vom erstern hier noch einmal in Anwendung gebrachte sogen. Kurrecht, wonach dem ältesten die freie Wahl eines der Landlose zustand.
Georg Wilhelm (s. Georg 8) beanspruchte die bisher von Christian Ludwig innegehabten Lande Lüneburg und Grubenhagen und setzte seinen Anspruch trotz des heftigen Protestes seines Bruders Johann Friedrich glücklich durch. An den Ereignissen der Zeit thätigen Anteil nehmend, verband sich Georg Wilhelm 1666 mit den Generalstaaten gegen den Bischof von Münster, [* 41] Bernhard v. Galen, sandte der Republik Venedig [* 42] Hilfstruppen gegen die Türken, half 1671 dem Herzog Rudolf August von Braunschweig-Wolfenbüttel bei Unterwerfung der Stadt Braunschweig und erwarb durch Vergleich mit diesem die Ämter Dannenberg, Lüchow, Hitzacker und Scharnebeck.
Infolge seiner Beteiligung an dem Bündnis gegen Frankreich und Schweden [* 43] 1675 erlangte er die Fürstentümer Bremen und Verden, mußte dieselben jedoch schon 1679 wieder an Schweden zurückgeben. Nachdem er noch 1689 Sachsen [* 44] Lauenburg [* 45] an sich gebracht hatte, starb er 1705 ebenfalls ohne männliche Nachkommenschaft, daher sein Land nun an die Linie Hannover (Kalenberg), deren Haupt seit 1665 sein jüngerer Bruder, Johann Friedrich, war, fiel. Dieser war der Vermittler des Friedens zwischen Holland und Münster, und seine Truppen nahmen im Verein mit den Brandenburgern den Schweden die Stadt Bremen.
Während in dem Krieg zwischen dem Kaiser und Frankreich (1673-79) sein Bruder Georg Wilhelm auf seiten des erstern stand, focht er auf seiten der Franzosen. Nachdem er bereits 1651 während seines ersten Aufenthalts zu Rom [* 46] den protestantischen Glauben abgeschworen hatte, trat er nach Übernahme der Regierung mehr und mehr in die Fußstapfen Ludwigs XIV. von Frankreich, den er in seiner Residenz Hannover möglichst getreu zu kopieren suchte. Gleich seinem ältern Bruder suchte er die Macht der Stände zu brechen, führte dann aber eine so luxuriöse Hofhaltung, daß er ohne die französischen Subsidien nicht ausgekommen wäre. Er starb 1679, auf der Reise nach Italien [* 47] begriffen.
Sein Nachfolger wurde der jüngste der Söhne Georgs, Ernst August (1679-98, s. Ernst 4), unter dessen Sohn Georg Ludwig zum drittenmal alle Lande des Hauses Braunschweig-Lüneburg vereinigt waren. Derselbe hatte sich 1658 mit Sophie, der Tochter des unglücklichen Böhmenkönigs, Friedrichs V. von der Pfalz, und der Elisabeth, der Tochter König Jakobs I. von England, vermählt, welche jedoch erst zur Erbin von Großbritannien [* 48] erklärt wurde. 1682 proklamierte er für sein Land das Primogeniturrecht, dem zufolge der älteste Sohn, Georg Ludwig, nicht nur ganz Lüneburg-Grubenhagen, sondern auch die Lande des sohnlosen Georg Wilhelm von Celle, dessen einzige Tochter, Sophie Dorothea (s. d.), Georg Ludwig 1682 heimführte, einst allein erben sollte.
Anderseits ward der Landeshaushalt ins Gleichgewicht [* 49] gebracht, die ganze Verwaltung vom Kabinett des Fürsten aus mit Zuziehung von wenigen vertrauten Ministern, des Grafen von Platen und des Herrn v. Grote, geleitet. Als oberste beratende und kontrollierende Behörde stand dem Fürsten der jetzt wieder zu Ansehen gelangende Geheime Rat zur Seite und unter diesem die verschiedenen Verwaltungskollegien, die Kanzlei, hauptsächlich für Rechtssachen, die Kammer für das Finanzwesen, das Konsistorium und der Kriegsrat, alle mit streng gesonderten Ressorts. Sein sehnlichster Wunsch war die Erwerbung der kurfürstlichen Würde für sein Haus. Schon seit 1689 waren die Unterhandlungen darüber im Gang; [* 50] 1692 wurde dann vom Kaiser die neue ¶