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Das Hügelland (Sandgeest) nimmt einen Raum von 21,500 qkm (391 QM.) ein und besteht größtenteils aus sandigen, wenig fruchtbaren Flächen. Bekannt ist die Lüneburger Heide [* 2] (s. d.), im Hohen Mechtin 188 m hoch, die sich zwischen der Aller und Elbe ausbreitet, an der Aller ausgedehnte Sumpfstriche enthält, auf der Höhe weithin nur Heidekraut trägt und nur in den Einsenkungen der Flüsse [* 3] und Bäche und in dem östlichen Hang zur Elbe (wo der schöne Wald »die Göhrde«) bessern Boden zeigt. Der Kultur der Heide widersteht ein unterhalb der Oberfläche liegender, vorzugsweise aus Quarzsand bestehender fester Stein, Ortstein genannt. Von ähnlicher Beschaffenheit ist der Hümmling (s. d.) im Kreis [* 4] Meppen, auf der rechten Seite der Ems. [* 5]
[Gewässer, Klima.]
Die drei Hauptflüsse (Elbe, Weser, Ems) erweitern sich an der Mündung zu Meerbusen, unter denen der Dollart (s. d.) an der Ems der bemerkenswerteste ist. Die Elbe bildet im NO. größtenteils die Grenze und nimmt als schiffbare Nebenflüsse die Jeetze, Ilmenau, Seve, Este, Lühe, Schwinge, Oste und Medem auf. Die Weser durchströmt Hannover [* 6] etwa in der Mitte in einer Länge von 220 km. Ihr wichtigster Nebenfluß ist die von Celle [* 7] ab schiffbare Aller, der wiederum die Oker, Fuhse und Leine zufließen.
Weiterhin empfängt die Weser rechts die Lesum und Geeste, links die Hunte. Die Ems, im westlichen Teil, durchströmt die Provinz auf mehr als 150 km Länge, ist in dieser ganzen Ausdehnung [* 8] schiffbar und verstärkt sich (rechts) durch die Aa, Hase [* 9] und Leda. Noch weiter westlich fließt die Vechte. An Seen ist Hannover nicht reich. Zu erwähnen sind: das Steinhuder Meer (41 m tief) auf der Grenze gegen Schaumburg-Lippe, der Dümmersee auf der Grenze gegen Oldenburg, [* 10] der See von Bederkesa und einige andre in den nördlichen Mooren, der Seeburger See unweit Duderstadt und der 724 m hoch liegende Oderteich auf dem Harz.
Die Kanäle, sowohl zur Entwässerung der Moore als zur Schiffahrt dienend, sind zahlreich; hervorzuheben sind: der Bremische Kanal [* 11] zwischen Oste und Hamme, der Kanal von Bremervörde zwischen Oste und Schwinge, der Hadelnsche Kanal, der aus dem See von Bederkesa nach S. zur Geeste (Ringsteder Kanal) und nach N. zur Medem geht, der Emskanal auf der rechten Seite der Ems bei Lingen und Meppen, der Ems-Vechtekanal zwischen Ems und Vechte, der Nord-Südkanal durch das Bourtanger Moor, der Treckschuitenkanal zwischen Aurich [* 12] und Emden [* 13] und andre in Ostfriesland etc.
Das Klima [* 14] ist nach der Lage der Gegenden verschieden: auf dem Harz rauh und großen Schwankungen unterworfen, in der Ebene ziemlich mild, an der Küste, in den Marschen und Mooren feucht. Die durchschnittliche Jahrestemperatur beträgt nur in der Stadt Hannover über 9° C., sonst etwas darunter, zu Otterndorf und Wilhelmshaven [* 15] 8,12° C., zu Göttingen [* 16] 8,20,° zu Emden, Norderney, Lingen und Lüneburg [* 17] 8,35-8,75,° zu Klausthal auf dem Oberharz in der Höhe von 568 m nur 6° C. Die Regenmenge beträgt in den ebenen innern Landschaften und zwischen den niedern Bergzügen 50-60 cm, an der Küste 70-75 cm, zu Klausthal auf dem Oberharz aber beinahe 150 cm. Die vorherrschenden Winde [* 18] sind die nordwestlichen, welche besonders im Herbst in heftige Stürme übergehen. Der sogen. Herauch, eine Folge des Ausbrennens der Moore, gereicht den westlichen Teilen nicht selten zur Plage.
[Bevölkerung.]
Die Zahl der Einwohner belief sich 1885 auf 2,172,294 Seelen und ist seit 1880 nur um 2,46 Proz. gewachsen. Unter 2,120,168 Einw. im J. 1880 befanden sich 1,842,045 Evangelische, 258,824 Katholiken und 14,790 Juden. Die deutsche Sprache, freilich in vielen Dialekten, wird nur allein gesprochen; im W., namentlich in Ostfriesland, zeigen sich bereits niederländische Klänge; im O., bei Wustrow, findet man noch Spuren aus der Wendenzeit. Die Evangelischen (meist Lutheraner, Reformierte im W.) sind im allgemeinen vorherrschend; die Katholiken sind in den ehemaligen reichsunmittelbaren Bistümern Hildesheim [* 19] und Osnabrück [* 20] am zahlreichsten und auf dem Eichsfeld, in Arenberg-Meppen (ehemals zum Bistum Münster [* 21] gehörig) und in der Niedergrafschaft Lingen fast allein herrschend. An Lehranstalten sind (1886) vorhanden: eine Universität (Göttingen), 23 Gymnasien, 7 Progymnasien, 12 Realgymnasien, 12 Realprogymnasien, 3 höhere Bürgerschulen, 11 Schullehrerseminare, eine technische Hochschule, eine Forstakademie (Münden), eine Bergakademie (Klausthal), eine Kriegsschule (Hannover), mehrere Navigations-, Gewerbeschulen, 4 Taubstummen-, ein Blindeninstitut etc.
[Landwirtschaft, Bodenprodukte.]
Die Hauptbeschäftigungen der Einwohner sind: Landwirtschaft in der ganzen Provinz, Viehzucht [* 22] ganz besonders in den Marschen, Bergbau [* 23] im südlichen Bergland, Schiffahrt in den Küsten- und Hafenstädten. Von der Gesamtfläche kommen 12,504,68 qkm auf Acker- und Gartenland, 3989,56 qkm auf Wiesen, 13,470,90 qkm auf Weiden, 6050,27 qkm auf Holzungen, 147,55 qkm auf Öd- und Unland. Für den Acker- und Gartenbau kommen in erster Linie die Marschen, in zweiter das südliche Bergland in Betracht.
Hier findet man alle norddeutschen Getreidearten, auch Weizen, unter den Handelsgewächsen Raps und im S. auch Zuckerrüben, ferner allerlei Gemüse und Obstarten (Kirschen im Alten Land). Flachs wird überall auf großen Flächen gebaut, jedoch im Bremischen mehr Hanf; Buchweizen ist die Hauptfrucht in den Heidegegenden; der Kartoffelbau findet am wenigsten in den Marschen statt. Allgemein verbreitet ist der Kleebau, und auch die Lupine hat in neuester Zeit auf wenig fruchtbaren Ländereien Verbreitung gefunden.
Die Preißelbeeren des Harzes und die Heidelbeeren der Lüneburger Heide bilden wichtige Handelsartikel. Zu den Weiden werden die großen Heideflächen der Lüneburger Heide und des Hümmling gerechnet. Die Waldungen sind am bedeutendsten in dem südlichen Bergland, wo die Buche auf den niedrigen Berglandschaften und die Fichte [* 24] auf dem Oberharz vorherrschen. Weite Landschaften des Tieflandes, so die Marschen, Moore und große Gebiete des sandigen Hügellandes, sind dagegen ohne jeglichen Waldwuchs.
Nach der Zählung von 1883 gab es in Hannover 198,075 Pferde, [* 25] 79 Maultiere, 218 Esel, 863,050 Stück Rindvieh, 1,495,698 Schafe, [* 26] 760,930 Schweine, [* 27] 195,427 Ziegen und 172,154 Bienenstöcke. Die Pferdezucht, [* 28] vorzugsweise blühend in den Regierungsbezirken Aurich und Stade [* 29] (in den Marschen), Hildesheim und Hannover, wird durch das Landgestüt zu Celle unterstützt. Für die Rindviehzucht ist der Regierungsbezirk Aurich (Ostfriesland) von großer Wichtigkeit, nicht allein durch die Zahl, sondern auch durch die vortreffliche Beschaffenheit der Tiere. Die Schafzucht ist am blühendsten in der Landschaft zwischen der Hauptstadt und dem Harz, woselbst auch die meisten feinen Schafe vorkommen; auf der Heide werden die schwarzen Heidschnucken gezogen. Federvieh gibt es überall, während in den Marschen die Gänsezucht besonders stark ist. Jagdbares Wild (auch Hirsche) [* 30] findet sich vorzüglich in der Göhrde und auf dem ¶
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Harz; hier werden auch viele Singvögel gefangen, während zu Alfeld eine bedeutende Zucht von Kanarienvögeln betrieben wird. Wichtig ist die Fischerei; [* 32] für die Seefischerei haben sich schon mehrfach Gesellschaften gebildet, doch haben dieselben immer noch nicht eine sichere Grundlage finden können.
Die Produkte des Mineralreichs sind mannigfaltig. Auf dem Harz gibt es Silber-, Blei-, Eisen- und Kupfererze, Eisenerze auch sonst noch vielfach im Bergland, Steinkohlen in der Gegend von Osnabrück (Piesberg etc.) sowie in der Wealdenformation am Deister, Osterwald etc., mehrfach auch Braunkohlen. Salinen, auf Steinsalzlagern beruhend, gibt es zu Egestorfshall und Neuhall bei Hannover und zu Lüneburg, außerdem mehrere kleinere. Ein anscheinend wichtiger Distrikt für Erdöl [* 33] erstreckt sich südlich von Celle, wo dasselbe bei Ölheim von einer Aktiengesellschaft durch Bohrlöcher abgezapft wird, zwischen den Dörfern Wieze, Oberg, Hänigsen und Klein Eddesse hin, vielleicht selbst bis Soltau.
Torf, in ungeheuern Lagern, bildet in den waldlosen Teilen des Tieflandes das verbreitetste Brennmaterial. Sonst gibt es noch Gips, [* 34] Kalk, Marmor, Tafelschiefer, Pfeifenthon, Fayenceerde, Asphalt (1885: 19,401 Ton.), einige Mineralquellen (Rehburg etc.) und mehrere Solbäder. Unter den Seebädern sind Norderney und Borkum die bedeutendsten. Der Ertrag an Mineralien [* 35] belief sich 1885 unter anderm auf: 580,499 Ton. Steinkohlen, 4663 T. Braunkohlen, 2695 T. Erdöl, 455,303 T. Eisenerz, 6012 T. Zinkerz, 43,626 T. Bleierz und 22,869 T. Kupfererz. Der Gesamtwert der gewonnenen Mineralien betrug 9,5 Mill. Mk. An Kochsalz wurden in demselben Jahr 91,168 T. gewonnen.
[Industrie, Handel, Verwaltung.]
Die Industrie beschränkt sich mehr auf die Städte und fehlt in einigen Gegenden beinahe gänzlich. Hervorzuheben sind: die Leinweberei, durch die ganze Provinz verbreitet, wenn auch mehr im S. und größtenteils als Nebenbeschäftigung, fabrikmäßig bei Osnabrück und Hildesheim betrieben, im Anschluß daran die Bleicherei, die Tuchfabrikation und Wollweberei im südlichen Bergland (Einbeck, [* 36] Göttingen, Hameln); [* 37] die Baumwollindustrie mit einigen großen Spinnereien und Webereien zu Hannover, Linden etc.; die Fabrikation von Leder, Papier, Holzwaren, Gummi- und Guttaperchawaren (Harburg), [* 38] Tabak [* 39] und Zigarren (besonders in der Nachbarschaft von Bremen, [* 40] in Osnabrück; Emden, Hannover etc.), Zucker [* 41] (im südlichen Bergland), Branntwein, Bier, chemischen Produkten (Goslar), [* 42] Thonwaren [* 43] (Thonpfeifen zu Uslar), Glas, [* 44] musikalischen, optischen und physikalischen Instrumenten (Göttingen).
Besonders wichtig ist die Verarbeitung des Eisens. Hochöfen zur Bereitung des Roheisens gibt es vorzüglich auf dem Harz und bei Osnabrück, großartige Eisengießereien und Maschinenfabriken zu Hannover, Linden, Osnabrück, Hameln, Geestemünde, Harburg, Osterode [* 45] etc., Maschinenwerkstätten zu Hannover und Göttingen, Gewehrfabriken zu Herzberg, Fabriken für Kleineisenwaren in den Städten des Harzes, im Sollinger Wald (Sensen, Messer) [* 46] etc. Seeschiffe werden in den ostfriesischen Hafenstädten, zu Papenburg, [* 47] Geestemünde, Harburg etc. gebaut.
Handel und Schiffahrt sind bedeutend. Die hannöversche Reederei zählte zu Anfang 1884: 1005 Segelschiffe und 11 Dampfschiffe mit zusammen 102,892 Registertons Raumgehalt. Größere Schiffe [* 48] besitzt aber nur Geestemünde. Als die wichtigsten Seeplätze müssen Geestemünde, Emden, Papenburg, Leer, [* 49] Weener, Karolinensiel, Großefehn und Harburg genannt werden; den natürlichen Mittelpunkt für den Seehandel der Provinz bildet aber Bremen mit seinem Hafenort Bremerhaven, gegen welchen Geestemünde mit seinen vortrefflichen Hafenanlagen ebensowenig aufkommen konnte wie das mit gleichen Anlagen versehene Harburg an der Elbe gegen Hamburg. [* 50]
Die Binnenschiffahrt wird durch die Elbe, Weser, Ems und zahlreiche kleine Flüsse (s. oben) gefördert, hat aber durch die Eisenbahnen verloren. Für diese ist die Stadt Hannover der Mittelpunkt. Zu den wichtigsten die Provinz durchschneidenden Linien gehören: Berlin-Bremen-Emden, Berlin-Amsterdam (über Hannover und Osnabrück), Berlin-Köln (einerseits über Hannover, anderseits über Kreiensen), Hannover Altenbeken, Berlin-Frankfurt a. M. (über Kreiensen), von Bremen und Hamburg nach Frankfurt [* 51] a. M., Venloo-Hamburg und die Linie von Emden in das Ruhrkohlengebirge.
Die Provinz zerfällt nach dem am erlassenen und in Kraft [* 52] getretenen Gesetz über die Kreisordnung unter Umänderung der Landdrosteien in Regierungsbezirke und Aufhebung der Ämter in 6 Regierungsbezirke: Hannover mit 13, Hildesheim mit 17, Lüneburg mit 16, Stade mit 14, Osnabrück mit 11 und Aurich mit 7 Kreisen. Die Hauptstadt ist kreiseximiert. Hannover besitzt eine provinzialständische Verwaltung, ferner sieben Landschaften: für die Fürstentümer Kalenberg, Göttingen und Grubenhagen, für das Fürstentum Lüneburg, für die Grafschaften Hoya und Diepholz, für die Herzogtümer Bremen und Verden, [* 53] für das Fürstentum Osnabrück, für das Fürstentum Hildesheim und für das Fürstentum Ostfriesland. Gerichtlich bildet die Provinz einen Oberlandesgerichtsbezirk (Celle) mit acht Landgerichten. Militärisch gehört der größere Teil zum Bezirk des 10., die Landdrostei Stade zu dem des 9. Armeekorps. In den deutschen Reichstag entsendet Hannover 19, in das preußische Abgeordnetenhaus 36 Mitglieder. Das Wappen [* 54] der Provinz ist ein weißes Roß in rotem Felde, die Farben sind Gelb und Weiß.
Vgl. Guthe, Die Lande Braunschweig [* 55] und Hannover (2. Aufl., Hannov. 1880);
J. Meyer, Die Provinz Hannover in Geschichts-, Kultur- und Landschaftsbildern (das. 1886);
Rustmann, Heimatkunde für die Provinz Hannover (Osnabr. 1885);
Ringklib, Statistisches Handbuch der Provinz Hannover (5. Ausg., das. 1885);
Tappen, Handbuch für die provinzialständische Verwaltung der Provinz Hannover (das. 1880);
A. Papen, Topographische Karte von und Braunschweig (1:100,000, 70 Bl., 1832-47).
Geschichte.
Die älteste Geschichte des 1866 dem Königreich Preußen [* 56] einverleibten Königreichs Hannover fällt mit der des Herzogtums Braunschweig (s. d.) zusammen. Den Kern beider Länder bilden die welfischen Allodialgüter in Niedersachsen, die 1235 unter der Benennung Herzogtum Braunschweig-Lüneburg als ein deutsches Territorium unter Otto dem Kinde, dem Enkel Heinrichs des Löwen, erscheinen. Otto ist der Stammvater der im J. 1884 ausgestorbenen Linie Braunschweig-Lüneburg-Wolfenbüttel (neubraunschweigische Linie, anfangs Braunschweig-Lüneburg-Dannenberg) und der jüngern oder neuen Linie Braunschweig-Lüneburg (neulüneburgische Linie), welcher die Königsfamilien von England und dem ehemaligen Staat Hannover angehören.
Die jüngere Linie Braunschweig-Lüneburg.
Die besondere Geschichte Hannovers beginnt mit der Stiftung der jüngern Linie Braunschweig-Lüneburg. Stifter dieser Linie ist Wilhelm, jüngster ¶