[* 5] (hierzu die Tafeln »Handfeuerwaffen I-III«),
im
Gegensatz zu den
Geschützen diejenigen tragbaren
Feuerwaffen,
welche aus der
Hand
[* 6] abgefeuert werden. Die Handfeuerwaffen mit langem
Lauf werden schlechtweg
Gewehr, die mit kürzerm
LaufKarabiner, mit noch kürzerm
Pistolen,
[* 7]
Revolver,
[* 8] ganz kleine
Pistolen auch
Terzerole genannt. Je nachdem die Handfeuerwaffen von der Mündung
oder von hinten geladen werden, heißen sie Vorder-, resp. Hinter- oder Rückladegewehre etc.
Muß das Hinterladungsgewehr zu jedemSchuß geladen werden, so ist es ein Einlader; hat dasselbe aber
eine Einrichtung zur
Aufnahme einer Anzahl von
Patronen, welche durch den
Mechanismus in den
Lauf eingeführt werden, so heißt
es
Mehrlader,
Magazin- oder
Repetiergewehr und, wenn es nur die
Größe einer
Pistole besitzt,
Revolver. Je nachdem die innern
Laufwandungen glatt oder mit
Zügen versehen sind, hat man glatte oder gezogene
Handfeuerwaffen; die glatten
Gewehre
heißen
Flinten, die gezogenen, mit außen kantigem
Lauf,
Büchsen, die entweder
Jäger- oder Scheibenbüchsen sind.
Jagdgewehre
sind entweder ein- oder doppelläufig, im letztern
Fall häufig mit einem glatten
(Flinten-) und einem gezogenen
(Büchsen-)
Laufe versehen und werden dann Büchsflinte genannt.
Die Handfeuerwaffen bestehen in der
Regel aus dem
Lauf oder
Rohr,
Schloß,
Schaft, der
Garnitur und Zubehörstücken. Der
Lauf ist aus
Eisen
[* 9] oder
Stahl gefertigt und oft damasziert. Die Höhlung des
Laufs heißt
Seele, deren Mittellinie die Seelenachse, die vordere Öffnung
Mündung. Die Rohrwandungen nehmen in der
Regel nach der Mündung zu an
Stärke
[* 10] ab und haben ihre größte
Stärke an der
Kammer, wo die
Patrone liegt. Das
Schloß der Vorderlader umschließt den
Mechanismus zum Abfeuern, bei den
Hinterladern
den zum Verschließen des
Rohrs und zum Abfeuern des
Gewehrs und ist meist aus
Stahl oder auch aus
Phosphorbronze,
der
Schaft aus
Holz,
[* 11] vorzugsweise
Nußbaum, gefertigt und mit dem
Lauf durch
Ringe verbunden. - Die ersten Anfänge der Handfeuerwaffen sind
die kurz nach dem Bekanntwerden des
Schießpulvers fast zugleich mit den
Geschützen im 14. Jahrh. aufkommenden sogen.
Donnerbüchsen,
Stand-,
Hand- (Textfig. 1) oder
Faustrohre, aus denen sich die
Hakenbüchsen (s. d.) zu Anfang des 15. Jahrh.
entwickelten.
Der
Lauf war aus Schmiedeeisen über einen
Dorn geschweißt und in einem geraden
Schaft befestigt. Sie wurden mit glühender
Kohle oder
Lunte abgefeuert. Zu Anfang des 15. Jahrh. versah man die
Büchsen mit einem
Hahn
[* 12] in Drachenform, in dessen
Kopf die
brennende
Lunte geschraubt wurde, daher Luntenschloß (Textfig. 2). Durch einen Abzug wurde der
Hahn auf die rechts am
Lauf
sitzende Zündpfanne geleitet. Die
Büchsen erhielten um diese Zeit
Visier und
Korn, eine Ladestockrinne im Vorderschaft und
die Kolbendünnung. 1429 fand zu
Nürnberg
[* 13] bereits ein Scheibenschießen mit
Handrohren statt. Ein wesentlicher
Fortschritt war die
Erfindung des
Radschlosses (s. d.) 1517 durch einen Uhrmacher in
Nürnberg. Da dasselbe häufig versagte,
blieb das Luntenschloß bis zum Ende des 17. Jahrh. noch im
Gebrauch. In
Frankreich wurden 1543 für
Reiter und
Mineure die ersten
Karabiner eingeführt. Um dieselbe Zeit ward in
München
[* 14] der Doppelabzug oder
Stecher und in
Spanien
[* 15] das
Schnapphahnschloß (Textfig. 3) erfunden, aus welchem sich das Steinschloß entwickelte, das,
um 1630 in
Frank-
reich erfunden, 1648 als fertiges Batterie- oder Steinschloß auftrat. Es bestand aus einem Hahn, in dessen Kopf ein Feuerstein
durch eine Schraube eingeklemmt war. Er schlug gegen die aufrecht stehende Schlagfläche des stählernen Pfanndeckels, wodurch
Funken erzeugt wurden, und da durch den Schlag gleichzeitig der Pfanndeckel zurückgeschlagen wurde, konnten die
Funken das in der nun geöffneten Pfanne liegende Pulver entzünden. Der Schloßmechanismus war im Steinschloß von 1648 schon
derselbe, wie er im Perkussionsschloß (Textfig. 4) gegenwärtig noch besteht. Letzterm liegt die Anwendung
von Knallpräparaten (knallsaurem Quecksilberoxyd) zu Grunde. Die erste Anwendung desselben zur Entzündung von Gewehrladungen
machte 1807 der SchotteAlexanderForsyth.
Diese Handfeuerwaffen schossen bleierne Rundkugeln von 26-32 g mit 9-11 g Ladung. Die Kugeln mußten des leichten Ladens
wegen mit bedeutendem Spielraum in den Lauf gehen; deshalb war trotz der bedeutenden Ladungsquotienten die Treffsicherheit
und Tragweite derselben gering. Die Züge waren zwar längst bekannt, aber als solche noch nicht verstanden. KasparZöllner
in Wien
[* 30] gilt als Erfinder derselben. 1498 ward bereits in Leipzig
[* 31] ein Scheibenschießen mit gezogenen Gewehren
abgehalten.
Diese Züge waren noch gerade (Schmutzräume), die schraubenförmig gewundenen soll AugustinKutter erfunden haben (gest. 1630 in
Nürnberg). Aus diesen Büchsen wurden Rundkugeln geschossen, die, um den Spielraum aufzuheben, in gefettete Leinwand (Talgpflaster)
gehüllt in den Lauf eingekeilt wurden. Die 1631 vom LandgrafenWilhelm vonHessen,
[* 32] 1641 vom KurfürstenMax
von Bayern errichteten Scharfschützenkompanien sowie die preußischen freiwilligen Jäger von 1813 führten solche gezogene
Büchsen.
Eine größere Treffsicherheit (Präzision) konnte nur durch Aufhebung des Spielraums, durch Einpressung des Geschosses in
die Züge und die dadurch herbeigeführte Rotation, die größere Tragweite (leichte Überwindung des Luftwiderstandes)
aber nur durch eine bedeutende Länge und die ogivale (spitzbogenförmige) Zuspitzung des Geschosses erreicht werden. Das störende
Einkeilen des Geschosses in die Züge vermieden Delvigne (1826) und Thouvenin (Auftreiben auf den Kammerrand oder einen Zapfen),
[* 33] erfolgreicher
aber der französische KapitänMinié 1849 durch die Erfindung der Expansionsgeschosse. Es
waren dies lange Spitzgeschosse mit einem am Geschoßboden beginnenden Kanal
[* 34] (s. Geschoß,
[* 35] S. 214), in den ein eisernes Näpfchen
(culot) eingesetzt wurde. Die Pulvergase trieben dasselbe bis zum Boden des Kanals, wodurch die Geschoßwandungen nach außen,
also in die Züge eingedrückt wurden. In der Folge wurden zahlreiche Abänderungen und Verbesserungen
dieses Geschosses angegeben.
Die ersten gezogenen Vorderlader hatten zumeist, wie die glatten Gewehre, ein Kaliber von 15-18 mm, das seiner Größe wegen
für die letztern vorteilhaft, für erstere aber ein Hindernis zur Erreichung einer rasanten Flugbahn war, weil seine Langgeschosse
zu schwer wurden. Dieserhalb mußte das Kaliber verringert werden. Für die Konstruktion der Gewehre wurden
folgende Grundsätze aufgestellt: Das Gewehr darf mit Bajonett 5,3 kg, ohne 4,5-4,8 kg
wiegen;
da ferner eine Rasanz der Flugbahn
nur mit wenigstens 2,5 Kaliber langen Geschossen bei einem Ladungsquotienten von 0,25-0,20 zu erreichen
ist, so ergibt sich hieraus ein Kaliber von 10-11 mm, ein Geschoßgewicht von 22-25 g und eine Ladung von 4,5-5,5 g. Eine Vermehrung derLadung oder Verringerung des Gewehrgewichts würde eine Verstärkung
[* 36] des Rückstoßes zur Folge haben, wie sie für
die Schulter des Schützen auf die Dauer unerträglich wäre. Um aber einem so dünnen Lauf, wie ihn das Gewicht der Waffe bedingt,
die erforderliche Biegungsfestigkeit für den Bajonettkampf zu geben, muß er aus Gußstahl gefertigt werden.
Von allen Vorderladegewehren
ist diesen Grundsätzen allein das 1851 eingeführte schweizerische Ordonnanzgewehr des Obersten Wurstemberger
von 10,5 mm nahegekommen; vollständig konnten sie nur durch Anwendung der Hinterladung und der Einheitspatrone erfüllt werden.
Hinterladungsgewehre.
Versuche mit Hinterladungsgewehren traten schon früh, im 15. Jahrh., auf, wenn auch nicht
so zahlreich wie mit solchen Geschützen. Textfigur 5 ist ein revolverähnliches Gewehr aus dem Anfang des 17. Jahrh. Chaumette
konstruierte 1751 ein solches, das 1776 von Montalembert verbessert wurde. Der französische Gewehrfabrikdirektor Pauli erhielt 1812 ein
Patent auf ein Hinterladungsgewehr, welches als der Vorläufer des Lefaucheux-Gewehrs (s. unten) anzusehen ist. Alle diese Versuche
waren aber noch technisch unvollkommen, weil ihnen der gasdichte Verschluß fehlte. Die Erfindung der Patrone
ist gleichfalls alt. Die Italiener verwendeten 1597 vor Neapel
[* 37] die seit längerer Zeit gebräuchliche Flintenpatrone, d. h.
die Vereinigung von Geschoß und Ladung in einer Papierhülse. Die Erfindung der Einheitspatrone,