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Meers. Venedig, [* 2] Genua [* 3] und Marseille [* 4] waren durch die feindliche Abgeschlossenheit der Mohammedaner und durch die Räubereien auf dem Meer an dem Verkehr mit Kleinasien behindert. Nur das kleine Amalfi hatte seine Unabhängigkeit gegen die Mauren zu behaupten gewußt und (im 9.-11. Jahrh.) einen Verkehr mit den Arabern in Sizilien [* 5] und Griechenland [* 6] eingeleitet sowie unter sarazenischem Schutz seine Schiffe [* 7] regelmäßig in die Levante gesendet. Amalfis Schiffer waren es, welche sich bei ihren Fahrten zuerst des Kompasses bedienten.
Seit dem 12. Jahrh. wurde es von den übrigen italienischen Städten in den Hintergrund gedrängt. Unter diesen errang Venedig infolge seiner glücklichen Lage und dadurch, daß es seiner Flotte gelang, die sarazenischen Seeräuber zu bekämpfen, schon im 9. Jahrh. ein großes Ansehen; Genua und Pisa [* 8] verdanken ebenfalls den im 10. und 11. Jahrh. besonders lebhaft entbrennenden Kämpfen gegen sarazenische Seeräuber und normännische Plünderer sowie der gemeinsamen Eroberung von Corsica [* 9] und Sardinien [* 10] ihre erste Bedeutung.
Die Handelsthätigkeit der Hafenstädte hob sich nun rasch, seitdem ihnen von der Regierung in Byzanz einige Vorstädte Konstantinopels eingeräumt wurden und sie einen pontisch-griechischen Zwischenhandel beginnen konnten und anderseits in Italien [* 11] selbst in den lombardischen Städten eine gewerbliche Entwickelung begann. Vom entscheidendsten Einfluß waren jedoch die Kreuzzüge, deren Expeditionen (seit dem 12. Jahrh.) durch die Flotten von Venedig, Genua und Pisa vorgenommen wurden.
Nicht nur gelangten diese dadurch zu Ansehen und Erwerb, sondern es ergab sich von selbst der Anlaß, einen Zwischenhandel zwischen der Levante und dem Abendland herzustellen. Die Eroberung Konstantinopels durch die Kreuzfahrer eröffnete, besonders zu gunsten Venedigs, mit dem lateinischen Kaisertum einen vorteilhaften Verkehr. Der Handel der italienischen Republiken umfaßte bald im Osten die syrische Küste, Ägypten [* 12] (mit Alexandria als Stapelplatz für indische Waren), die Gegenden des Schwarzen Meers, das Mittelmeer, besonders die griechische Küste und die Inseln. Er ging im Norden [* 13] und Westen teils als Landhandel über die Alpen [* 14] nach Deutschland [* 15] und bis Polen, teils zur See nach Flandern.
Zahlreiche kommerzielle Einrichtungen, die Anlage von Lagerhäusern (fondachi), die Entstehung des Bankwesens, des Wechselverkehrs etc., stammen aus der Blütezeit des italienischen Handels (13.-15. Jahrh.). Unter den Häfen des Mittelländischen Meers hatten Venedig und Genua alle andern an Bedeutung überflügelt, waren aber (im 14. Jahrh.) in Kämpfe miteinander geraten. Sie stritten mit wechselndem Glück um den Besitz der Stapelplätze Kleinasiens, auf denen die indischen Waren zu Markte kamen, um die Suprematie im Mittelmeer und um die bevorzugte Stellung in Konstantinopel. [* 16]
Beide Republiken griffen in die Geschicke des byzantinischen Reichs mehrfach ein; im ganzen aber war die Haltung der Regierung in Konstantinopel den Venezianern günstiger, und die Genuesen rächten sich dafür, indem sie die Osmanen, als diese im 15. Jahrh. (1453) Konstantinopel eroberten, direkt unterstützten; sie erreichten dadurch eine Schädigung Venedigs, ohne selbst etwas zu gewinnen, denn die nächste Folge war die Unterbindung des Handels auf dem Mittelländischen Meer. Der Krieg von Chioggia, seit welchem der Verfall der genuesischen See- und Handelsmacht entschieden war, schwächte auch Venedig; der Verlust Cyperns, die Vernichtung des Verkehrs mit der Levante und die Entdeckung des neuen Seewegs nach Indien gaben der Handelsmacht Venedigs den Todesstoß.
Zur Zeit, als die italienischen Hafenplätze ihren Zenith erreicht hatten, beginnt auch schon im Norden Europas der kommerzielle Geist sich zu regen. Im karolingischen Reich nimmt das Erwerbsleben einen raschen Aufschwung, insbesondere aber zeichnet sich das Zeitalter der Städtegründung durch das Aufblühen des deutschen Gewerbes (Zunftbewegung) aus. Seit dem 11. Jahrh. nimmt auch der Handel einen regern Aufschwung; die Kreuzzüge tragen das meiste zur Hebung [* 17] des Binnenverkehrs und der Beziehungen mit Italien und der Levante bei.
Nach dem Untergang der Hohenstaufen verbanden sich (um die Mitte des 13. Jahrh.) die deutschen Städte zu gegenseitigem Schutz u. zur Erhaltung ihrer Freiheit gegen den räuberischen Adel. Der 1241 gegründete norddeutsche Bund der Hansa (s. d.) hatte sich die norddeutschen Reiche zum Feld seiner Wirksamkeit erkoren. Vor allen war Lübeck [* 18] damals groß und blühend. Bald umschloß die Verbindung alle Städte der Küste, von Riga [* 19] bis nach Ostende, [* 20] und landeinwärts bis nach Köln, [* 21] Erfurt, [* 22] Krakau. [* 23]
Der Bund hatte vier Kontore, seine Hauptstapelorte waren Bergen, [* 24] Nishnij Nowgorod, London [* 25] und Brügge. Die bergensche Faktorei war besonders wegen des Fischfanges wichtig. Durch die Hauptfaktorei in Nishnij Nowgorod, dem Stapelplatz für die orientalischen Güter, und die Kontore in Pskow und Moskau [* 26] beherrschte die Hansa den ganzen nordischen Handel. Die Londoner Faktorei lieferte ihr den Verkehr mit den britischen Inseln und den Zwischenhandel mit indischen und italienischen Produkten in die Hände.
Die größten Geschäfte der Hansa konzentrierten sich in Brügge, bez. im nahen Antwerpen, [* 27] welches die Verbindung zwischen der Hansa und Italien vermittelte. Durch die geänderten politischen Verhältnisse und die größere Verkehrssicherheit entfielen die frühern Ursachen des Bündnisses; England, Dänemark, [* 28] Rußland kündigten der Hansa das Privilegien; viele Städte sagten sich von derselben los, und der allmählich vorbereitete Verfall der Hansa war am Ende des 15. Jahrh. unaufhaltsam geworden. Im 16. Jahrh. hatte die Hansa nur noch eine geringe Bedeutung für den Welthandel, und im J. 1669 ward die letzte Tagsatzung von Bremen, [* 29] Lübeck, Hamburg, [* 30] Braunschweig, [* 31] Danzig [* 32] und Köln gehalten.
Zeitalter der Entdeckungen bis zum 19. Jahrh.
Mit den Entdeckungsreisen zu Ende des 15. und Anfang des 16. Jahrh. beginnt eine völlige Umwälzung des Welthandels. Die Wege des Handels werden verlegt, das Mittelländische Meer, welches während zweier Jahrtausende der Schauplatz der Kulturthätigkeit war, wird allmählich verlassen, der Atlantische und Indische Ozean werden die Verkehrsstraßen der Völker. Die Staaten, deren Handelsflotten an den Kolonisationen der neuerschlossenen Gebiete aktiven Anteil nehmen, werden zu Trägern des Welthandels, und die andern versinken; die Handelsmacht geht von den italienischen Republiken auf die Portugiesen und Spanier, von der Hansa auf die Niederländer und Engländer über, und Frankreich tritt in die Reihe der Handelsstaaten ein. Ganz neue Waren gelangen in den Kreis [* 33] des Verkehrs, und dieser erreicht einen ungeahnten Umfang.
Den Anstoß zu diesen Veränderungen boten die Entdeckungen der Portugiesen auf den östlichen, jene der Spanier auf den westlichen Meeren. Als Vasco da Gama im J. 1497 Afrika [* 34] umschiffte, legte er den Keim nicht bloß der kurz dauernden Handelsmacht ¶
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seines Vaterlandes, sondern auch der bleibenden Suprematie der Holländer und Engländer, und als Christoph Kolumbus die Insel Guanahani (San Salvador) erreichte, schuf er die Grundlage des rasch aufflackernden Reichtums Spaniens und jene der britischen und niederländischen Wirtschaftsmacht. Schon im Beginn des 16. Jahrh. nutzen die Portugiesen die Vorteile des neuen Seewegs nach Ostindien [* 36] aus und machen sich für einige Zeit zu Herren des indischen Handels; noch ehe ein Vierteljahrhundert verging, blühte der portugiesische Handel in unzähligen Häfen vom Kap der Guten Hoffnung bis zum Fluß Kanton [* 37] auf einer Küste von 4000 Seemeilen Länge.
Malakka wurde der Zentralpunkt und größte Stapelplatz dieses ungeheuern Handelsgebiets. Aber auch der afrikanische Handel war in den Händen der Portugiesen, welche in Mosambik festen Fuß faßten. Die uralten Handelsstraßen durch Persien [* 38] und nach dem Kaspischen Meer, über den Taurus nach den Häfen Anatoliens, durch die Wüste nach Kairo, [* 39] durch das Rote Meer nach Alexandria und Damiette verödeten mehr und mehr, manche wurden gänzlich verlassen. So wurde Lissabon [* 40] das, was Venedig gewesen war, und nachdem Venedig gesunken, verloren auch die Vermittler seines Verkehrs mit dem Norden, die deutschen großen Binnenmärkte (Nürnberg, [* 41] Augsburg, [* 42] Basel, [* 43] Straßburg, [* 44] Ulm, [* 45] Regensburg, [* 46] Erfurt), im Welthandel ihre Bedeutung. Um Venedig den einzigen Bezugsweg der indischen Waren über Persien vollends abzuschneiden, erwarben die Portugiesen die Insel Ormus im Persischen Meerbusen und gründeten auf derselben eine rasch aufblühende Niederlassung.
Aber auch die portugiesische Handelsmacht hatte nur kurze Dauer; zu ihrem bereits in der zweiten Hälfte des 17. Jahrh. beginnenden Verfall trugen die fehlerhafte Kolonialverwaltung und die Übermacht der Holländer ebensoviel bei wie die Veränderung der Wirtschaftsverhältnisse Europas. Spanien [* 47] war durch die wichtigen überseeischen Erwerbungen in der zweiten Hälfte des 17. Jahrh. auf den Höhepunkt seiner Entwickelung gelangt und hatte aus Amerika [* 48] unermeßlichen Reichtum an edlen Metallen erhalten wie auch große Kolonien in Ostindien erworben; in der Zeit, in welcher es Portugal erobert hatte (1580), erreichte sein überseeischer Besitz den größten Umfang, und es schien berufen, die erste Handelsmacht der Welt zu werden. Die Fehler der innern und äußern Politik ließen aber bald diese anscheinend unerschöpflichen Hilfsquellen versiegen. Die gewaltigen Anregungen, welche und Kolonisation in Ostindien, Westindien [* 49] und Amerika gaben, riefen schon im 16. und noch mehr im 17. Jahrh. sowohl in Holland als in England die Begründung neuer Welthandelszentren hervor.
Die Niederlande, [* 50] deren Bewohner (besonders in Flandern, Brabant, Limburg) [* 51] frühzeitig im Gewerbe- und Handelsbetrieb hervorragten, wurden als spanische Provinz der Sitz eines lebhaften europäisch-amerikanischen Verkehrs, der im Zusammenhang mit der ins 12. und 13. Jahrh. reichenden Blüte [* 52] Brügges besonders in Antwerpen so groß wurde, daß er bei weitem den von Venedig in der glänzendsten Epoche übertraf. Nach der Loslösung von Spanien waren sie vom transatlantischen Verkehr und auch von den ostindischen Märkten ausgeschlossen; sie rüsteten deshalb mehrere Expeditionen nach Ostindien aus, welche von günstigen Erfolgen begleitet waren und zur Gründung der Holländisch-Ostindischen Kompanie (1602) Anlaß gaben.
Java, die Molukken und Ceylon [* 53] kamen so in ihren Besitz, sie bemächtigten sich namentlich des Alleinhandels mit Gewürzen und verstanden es, in kurzer Zeit auch den größten übrigen Teil des ostindischen Handels den Spaniern und Portugiesen aus den Händen zu winden; sie eroberten das Kap, gründeten Stationen auf dem festen Land und erwarben selbst in China [* 54] und Japan vorteilhafte Handelsprivilegien. Gleichzeitig suchten sie in Amerika festen Fuß zu fassen. Sie eroberten mehrere portugiesische Niederlassungen in Brasilien, [* 55] Surinam, Demerara, Essequibo und Berbice, kolonisierten Guayana, errichteten Schmuggelstationen auf den kleinen westindischen Inseln Curassao und St. Eustach und gründeten Niederlassungen in Nordamerika, [* 56] New York etc.
Die Niederländisch-Westindische Gesellschaft (1621) erreichte es bald, daß der europäische Handel mit den spanisch-portugiesischen Kolonien Amerikas großenteils in ihre Hände kam. Der Fischfang aller Meere, der Walfischfang, der Stockfisch- und Heringsfang, geriet in ihren Besitz. Die Holländer wurden zugleich Herren des Ostseehandels und eines Teils des Handels mit der Levante. Doch war es ihnen nicht möglich, den Rang als erste Handelsnation der Erde auf die Dauer zu behaupten, denn im Lauf des 18. Jahrh. ward ihnen, ohne daß von einem eigentlichen Verfall des holländischen Handels gesprochen werden dürfte, doch allmählich die Handelsherrschaft von den Engländern entrissen.
Die Grundlagen des britischen Welthandels wurden schon unter der Königin Elisabeth gelegt, indem außer der Hebung von Gewerbe und Industrie die Pflege der Schiffahrt und die Gewinnung der Selbständigkeit zur See konsequent im Auge [* 57] behalten wurde. Nachdem die englische Flotte Spaniens Seemacht vernichtet und die französische gedemütigt hatte, trat sie als ebenbürtig der holländischen zur Seite, und bald wußte sie auch Holland zu überflügeln. Schon 1600 errichteten die Engländer ihre Ostindische Handelskompanie, 50 Jahre später demütigten sie Holland völlig, und seitdem blieben sie Sieger in jedem Seekrieg, und ihr Handelsgebiet wurde durch jeden Frieden erweitert.
Durch die Navigationsakte Cromwells (1651), durch die Privilegien, welche der Ostindischen Kompanie erteilt wurden, durch die außerordentliche Eignung zur Kolonisation, welche die Regierung klug begünstigte, durch die große Handelsmarine, welche durch eine mächtige Kriegsflotte beschützt wurde, entstand im Lauf des 17. und 18. Jahrh. ungemein rasch das britische Kolonialreich in Asien, [* 58] Amerika und Afrika. Portugiesen und Spanier wurden ebenso wie die Holländer aus einem großen Teil ihres überseeischen Gebiets von den Engländern verdrängt, neue Länder der britischen Herrschaft unterworfen, Schiffahrtslinien auf allen Weltmeeren eingerichtet, der Zwischenhandel amerikanischer und ostindischer Produkte mit den kontinental-europäischen Staaten usurpiert.
Die Gründung des britisch-ostindischen Reichs und das damit zusammenhängende natürliche Monopol des Handels mit den Tropenerzeugnissen Asiens, der Erwerb vieler westindischer Inseln und der Handel mit den wertvollen Kolonialwaren dieser letztern, die ausgedehnten Niederlassungen und Gebietserwerbungen in Nordamerika und der dadurch zuerst eingeleitete direkte Bezug von Tabak, [* 59] Baumwolle [* 60] etc. wirkten mit der natürlichen Gunst der Lage und des Bodenreichtums zusammen. Zwei Jahrhunderte genügten, um aus dem kleinen England ein gewaltiges Weltreich zu machen.
Der Welthandel im 19. Jahrhundert.
Die zu Ende des vorigen Jahrhunderts eingeleiteten politischen und sozialen Umwälzungen im Zusammenhang mit den Erfindungen und Fortschritten in ¶