mehr
Nordhausen gehörigen Herrschaften Lora und Klettenberg, die vier Kreise Aschersleben, Oschersleben, und Osterwieck des preußischen
Regierungsbezirks Magdeburg.
Das Bistum Halberstadt soll schon von Karl d. Gr. zunächst in Seligenstadt (Osterwieck) gestiftet sein. Hildegrim I., früher Bischof
von Châlons, der 809 jenes Bistum erhielt, verlegte 820 den Sitz nach Halberstadt. Von 840 bis 853 war
der gelehrte Schüler Alkuins, Haimo, Bischof. Von Hildegrim II. (853-888) ward der Dom St. Stephan eingeweiht. Unter Siegmund
I. (894-923) erlangte der bischöfliche Sprengel, der unter dem Erzbistum Mainz stand, schon eine bedeutende Ausdehnung.
Unter seinem Nachfolger Bernhard (924-968) wurden 936 die Eisenwerke von Groningen und die Harzbergwerke
entdeckt und in Betrieb gesetzt. Der Sprengel des Bistums begriff damals in sich die Gaue Nordthüringau, Hartingau, Darlingau,
Hassigau und Schwabgau; doch mußte Bischof Hildeward 968 hiervon mehreres zur Stiftung des Bistums Merseburg und des Erzbistums
Magdeburg abtreten. Er baute den unter seinem Vorgänger 965 eingestürzten Stephansdom wieder auf,
in welchem er 983 eine vom Bischof von Metz geschenkte kostbare Reliquie (Blut vom heil. Stephanus) feierlichst deponierte, und
erwarb 996 vom Kaiser das Markt, Zoll und Bannrecht.
Sein Nachfolger Arnulf (996-1023) erhielt vom Kaiser Heinrich II. die Gerichtsbarkeit über Halberstadt und Seligenstadt und das
Recht des Heerbannes in seinem Sprengel. Unter ihm wurde Halberstadt 998 zur Stadt erhoben und die Liebfrauenkirche
erbaut. Burkhard I. (Bukko, 1036-1059) erbaute eine bischöfliche Residenz (den Petershof), 24 Stiftshöfe oder Kurien für
die Kapitularen und auf dem Huy, einer Anhöhe, eine Kapelle, woraus später die Huyseburg entstand.
Sein Nachfolger Burkhard II. (1059-1088) baute den 1060 samt der Hälfte der Stadt Halberstadt abgebrannten
Dom wieder auf und erwarb 1063 für sein Stift die Immunität. Ein unermüdlicher Gegner Heinrichs IV., wurde er 1075 von diesem
kurze Zeit gefangen gehalten, 1088 aber von den Sachsen in Goslar erschlagen. Bischof Ulrich (seit 1149) rief durch seine feindliche
Gesinnung gegen den Kaiser Friedrich I. mannigfache Unruhen in Halberstadt hervor, weshalb er 1160 abgesetzt ward. Nach dem Frieden von
Venedig (1177) durch Alexander II. in seine Würde restituiert, geriet er mit Heinrich dem Löwen, welchem Bischof Gero inzwischen
einen Teil des bischöflichen Kirchenbesitztums geschenkt hatte, in heftigen Streit und reizte denselben
so, daß Heinrich 1179 Halberstadt eroberte und plünderte und Ulrich gefangen wegführte.
Letzterer starb 1181. Um 1200 brannte der Dom wiederum ab, und wenn auch Bischof Friedrich II. (1209-36) den Bau des neuen begann,
so verzögerte sich die Vollendung jenes gewaltigen Bauwerkes doch bis 1491. Unter dem Bischof Johann von
Hoyne brach 1420 eine Empörung des Volkes aus, die erst 1425 mit Hilfe Braunschweigs und Magdeburgs unterdrückt wurde. Obgleich
die Reformation in Halberstadt schon 1542 Eingang fand, so herrschten hier doch noch bis 1566 katholische Bischöfe. Um diese Zeit wählte
das Kapitel den zweijährigen Herzog Heinrich Julius von Braunschweig zum Bischof, um während der Administration
die bedeutenden Schulden des Stifts tilgen zu können. Im J. 1578 zur Regierung gelangt und 1589 auch als Herzog von Braunschweig
eingesetzt, schaffte Heinrich Julius 1591 in Halberstadt die katholischen Gebräuche ab. Er starb 1613. Nach
der Regierung seiner Söhne
Heinrich Karl, Rudolf und Christian, des bekannten Parteigängers im Dreißigjährigen Krieg, folgte als letzter
Bischof von Halberstadt Leopold Wilhelm von Österreich, unter welchem 1641 die Grafschaft Regenstein zum Hochstift kam, was indes einen
langen Prozeß mit Braunschweig zur Folge hatte.
Durch den Westfälischen Frieden kam das Hochstift 1648 als Fürstentum (s. oben) an Brandenburg, welches jedoch
erst nach dem Tod Leopold Wilhelms 1662 von demselben Besitz nahm.
Vgl. Lucanus, Historische Bibliothek des Fürstentums Halberstadt (Halberst.
1778-84, 2 Bde.);
Derselbe, Beitrag zur Geschichte des Fürstentums Halberstadt (das. 1784-88, 2 Bde.);
Frantz, Geschichte des Bistums, nachmaligen Fürstentums Halberstadt (das. 1853);
»Urkundenbuch des Hochstifts und
seiner Bischöfe« (hrsg. von G. Schmidt, Leipz. 1883 ff.);
Langenbeck, Geschichte der Reformation des Stifts Halberstadt (Götting. 1886).
ehedem Hauptstadt des Fürstentums (s. oben), jetzt Kreisstadt im preuß. Regierungsbezirk Magdeburg, 123 m ü. M.,
liegt in fruchtbarer Gegend an der Holzemme und ist Knotenpunkt der Linien Halle-Zellerfeld und Magdeburg-Halberstadt der Preußischen
Staatsbahn und der Eisenbahn Halberstadt-Blankenburg. Die Bauart der Stadt ist wie die andrer Harzstädte altertümlich, der sogen.
Holz- oder Überbau, der darin besteht, daß auf hervorragenden Balken jedesmal das höhere Stockwerk über das untere heraustritt,
im allgemeinen vorherrschend.
Viele Hauser sind durch altes Holzschnitzwerk künstlerisch interessant (namentlich der Schuhhof, der
Ratskeller, die Ratswage etc.). Das sehenswerteste Gebäude ist der Dom, an der Ostseite des länglich viereckigen Domplatzes.
Er hat die Form eines lateinischen Kreuzes, ist 135 m lang, 23 m breit, 30 m hoch u. enthält außen 24 zum Teil sehr reich
gestaltete Strebepfeiler. Das Innere mit den schlank aufragenden Säulen und den schmalen, hohen Seitenschiffen
macht in seinem durch treffliche Glasmalereien gedämpft einfallenden Licht einen majestätischen Eindruck.
Das Chor, durch einen prachtvollen, in den üppigen Formen spätester Gotik ausgeführten Lettner vom Schiff getrennt, bildet
einen Dom im Dom. Der trefflich geordnete Domschatz, größtenteils im ehemaligen Kapitelsaal untergebracht, enthält eine
seltene Fülle von Reliquien und Kunstgegenständen. Von 1850 bis 1871 ist das Gebäude vollständig restauriert worden. Nichtsdestoweniger
mußte der nördliche der beiden schlanken Türme, um dem Einsturz vorzubeugen, 1883-84 abgetragen werden.
Nahe dem Haupteingang liegt der sogen. Teufels-, Leggen- oder Lügenstein, eins der Wahrzeichen Halberstadts, wahrscheinlich
ein heidnischer Opferaltar. Das Westende des Domplatzes nimmt die in ihrem Hauptbau 1146 geweihte viertürmige
Liebfrauenkirche ein, eine Pfeilerbasilika mit merkwürdigen alten Relieffiguren und Wandmalereien, 1848 restauriert. Die
Mitte des Domplatzes ziert ein 1874 errichtetes Kriegerdenkmal. Unter den übrigen Kirchen (im ganzen 8, 6 evangelische und 2 katholische),
verdient noch Erwähnung die Martinikirche im Spitzbogenstil, mit guten Glasmalereien und zwei ungleichen
Türmen; unter den sonstigen Gebäuden sind bemerkenswert: das altertümliche Rathaus (1360-81 erbaut), vor dem eine riesige
Rolandssäule steht, der Ratskeller (von 1461), der Petershof (ehemals Residenz der Bischöfe), das Gymnasialgebäude (von 1875)
etc. Die Zahl der
[* ]
^[Abb.: Wappen von Halberstadt.]
mehr
Einwohner beträgt (1885) mit der Garnison (3 Eskadrons Kürassiere Nr. 7 und 1 Füsilier-Bat.
Nr. 27) 34,037, darunter 3190 Katholiken und 698 Juden. Die Industrie der Stadt erstreckt sich auf Handschuh-, Hanfschlauch-,
Leder-, Knochenkohle-, Gummiwaren-, Papier-, Zigarren-, Zucker-, Bleiweiß-, Zichorien- und Maschinenfabrikation, Spiritusbrennerei
etc.; auch befindet sich in eine große Eisenbahn-Reparaturwerkstatt mit 500 Arbeitern. An ein ehemals
hochberühmtes Erzeugnis der Stadt erinnert eins der Wahrzeichen, das Broyhanmännchen an einem Haus der Worth, der Sage nach
Konrad Broyhan, der 1526 zuerst in Halberstadt (nach andern in Hannover) das nach ihm benannte Getränk braute. Halberstadt hat ein Gymnasium (seit
1675, mit Bibliothek von 30,000 Bänden), ein Realgymnasium, eine Oberrealschule, ein Lehrerseminar, eine
Provinzial-Taubstummenanstalt und ist Sitz eines Landgerichts (für die acht Amtsgerichte zu Aschersleben, Egeln, Gröningen, Halberstadt, Oschersleben,
Osterwieck, Quedlinburg und Wernigerode), eines Hauptsteueramtes, einer Handelskammer und einer Reichsbankagentur. Südlich von
Halberstadt liegen die Spiegelsberge, eine vom Domherrn v. Spiegel aus öden Sandhügeln gebildete anmutige Parkanlage,
und die Klusberge, mit uralten menschlichen Wohnungen in den Sandsteinfelsen. - Halberstadts Ursprung fällt mit der Gründung
des Hochstifts Halberstadt zusammen.
Unter dem Bischof Arnulf soll es 998 Stadtrechte erhalten haben. 1113 ward die Stadt vom Kaiser Heinrich V. niedergebrannt, ebenso
von Heinrich dem Löwen 1179. Im Dreißigjährigen Krieg war sie abwechselnd im Besitz der Kaiserlichen und
der Schweden; von letztern kam sie 1648 an Brandenburg. In den Anfang des 18. Jahrh. fällt die Anlage der Gröpervorstadt jenseit
der Holzemme. Durch Gleim, der als Domsekretär in Halberstadt lebte, erhielt auch eine Bedeutung für die Litteratur.
Namhafte Dichter, wie Lichtwer, Klamer-Schmidt u. a., haben in Halberstadt gewohnt; andre sprachen häufig dort
vor, und man spricht von einer Halberstädter Dichterschule. Im Juli 1809 wurde hier vom Herzog von Braunschweig-Öls ein Regiment
Westfalen gefangen genommen.
Vgl. Lucanus, Wegweiser durch Halberstadt (2. Aufl., Halberst.
1866);
»Urkundenbuch der Stadt Halberstadt« (hrsg.
von Schmidt, Halle 1878, 2 Bde.);
Zschiesche, Halberstadt sonst und jetzt (Halberst. 1882);
Elis, Der Dom zu Halberstadt (Berl. 1883).