Über die geographische Verbreitung des Hagels ist nach den vorhandenen
Beobachtungen, die freilich noch
sehr der Vervollständigung bedürfen, folgendes zu bemerken. Hagelfälle sind überall auf der
Erde beobachtet worden von
den tropischen Gegenden an bis zum hohen
Norden;
[* 6] im allgemeinen aber werden die mittlern
Breiten am häufigsten vom Hagel heimgesucht.
In denNiederungen der Tropenzone ist unter 600 m Meereshöhe der eine sehr seltene
Erscheinung. Bei größerer
Erhebung über das
Meer kommt er nicht so selten vor, wie z. B. in
Bornu,
Habesch,
Maissur,
Mexiko,
[* 7]
Caracas,
Peru,
[* 8] und in
Ostindien
[* 9] fällt Hagel überhaupt selbst in tiefern Gegenden häufiger. In höhern
Breiten wird Hagel fast überall angetroffen,
wo es regnet, in
Europa besonders häufig zwischen 40 und 55°
Breite
[* 10] (namentlich ist das südliche
Frankreich sehr oft von
schweren Hagelwettern heimgesucht worden); selten fällt er auf dem
Meer und bei
Temperaturen unter 0°.
Daher ist der auch
in den
Polarzonen eine seltene
Erscheinung; doch hat man gefunden, daß
Graupeln namentlich an den
Küsten
des
Polarmeers nicht so selten sind. Im
Gegensatz zu den niedern
Breiten kommt Hagel in der gemäßigten
Zone häufiger in der Tiefe
als in höher gelegenen Gegenden vor.
Hier tritt sein lokaler
Charakter besonders deutlich hervor, denn manche Gegenden leiden häufig vom Hagel (Blanzat,
Chateaugué, Sayat in der
Auvergne am
Fuß des
Gebirges), während benachbarte, eine halbe
Meile davon und 400 m höher gelegene
(zwischen
Mont d'Or und
Puy de Dôme) selten davon betroffen werden; auch in engen Alpenthälern (von
Aosta, Kanton Wallis)
[* 11] fällt Hagel selten,
aber sehr häufig an ihren
Ausgängen in die
Ebene (z. B. bei Borgofranco im Aostathal,
Ivrea,
Lugano und
überhaupt am Südabhang der
Alpen).
[* 12] In neuester Zeit sind von Riniker im Kanton Aargau
Untersuchungen angestellt über die Abhängigkeit
der Hagelschläge von der Form und der Bewaldung der Erdoberfläche. Er gelangte dabei zu den
Resultaten, daß Hagelwetter
eine lokale Erscheinungsform von oft weitverbreiteten und heftigen
Gewittern sind.
Sie entstehen, wenn nach mehreren heißen
Tagen Gewitterwolken über kahle oder schlecht bewaldete Hochflächen ziehen und
unter der Einwirkung von seitlichen
Winden
[* 13] (Querwinden) über erhitzten
Thälern zum Stehen kommen. Aus
Gewittern, die über
geschlossene und hoch gelegene Tannenwaldungen gezogen sind, entsteht kein Hagelwetter; einzelne gut
bewaldete Anhöhen pflegen die Hagelwetter oft zu teilen und abzulenken. Die eigentliche Hagelzone, in welcher der Hagel häufiger
als anderwärts auftritt, liegt auf der nördlichen Erdhälfte zwischen 30 und 60° nördl.
Br. Die Entstehung des Hagels zu erklären, ist mit Schwierigkeiten verbunden; wir besitzen viele
Theorien, doch hat
bis jetzt noch keine allgemeine
Anerkennung gefunden.
Vgl.
Fritz, Die geographische Verbreitung des Hagels
(»Petermanns Mitteilungen«
1876, Heft 10);
Schwaab, Die Hageltheorien älterer und neuerer Zeit
(Kassel
[* 14] 1878).
Instrumente, welche die
Saaten vor dem Hagelschlag durch Elektrizitätsableiter sicherstellen sollen.
Guenaut de Montbeillard machte 1776 zuerst diesen
Vorschlag und fand Beifall, obwohl
Blitzableiter zwar
einzelne Gegenstände gegen den
Blitz sichern, aber nicht den Gewitterregen verscheuchen können, also auch gegen Hagelwetter
ein unnützer
Apparat sind. Preisschriften der bayrischen
Akademie (1785) und der
Berliner
[* 15]
Gesellschaft naturforschender
Freunde
(1800) führten zu dem
Resultat, daß
Elektrizität
[* 16] nicht als
Ursache der Hagelbildung anzusehen sei, und
daß, wenn sie es auch wäre, es weder möglich noch dem beabsichtigten
Zweck entsprechend sei, wenn man dieselbe den Hagelwolken
durch vervielfachte
Blitzableiter entziehen wollte.
Nichtsdestoweniger behauptete La Postolle 1820, es sei hinreichend, auf ein
Feld eine Anzahl
Pfähle mit daran befindlichen
Seilen von
Stroh zu stellen, um es auf immer vor Hagelschlag zu bewahren.
DirekteVersuche in
Frankreich,
in
Savoyen, im Kanton Wallis,
in einem Teil
Italiens
[* 17] haben die vollständige Nutzlosigkeit dieser Vorrichtung gezeigt.
Manche hofften, durch
heftige mechanische
Erschütterung der
Luft, durch große
Feuer, Abfeuern von
Kanonen u. dgl. die Hagelbildung zu verhindern.
Man berichtet, daß sich die
Gemeinden von
Cesena in der
Romagna durch viele
Feuer von
Stroh und
Holz
[* 18] gegen
Hagel zu schützen suchten, und daß viele
Gemeinden in
Frankreich von Anhöhen aus gegen die
Wolken kanonierten. Diese
Mittel
sind aber ebenso erfolglos wie die aus
Strohseilen, und ihre Wirksamkeit könnte höchstens für Hagelwetter
von rein lokalem Ursprung zugegeben werden. Nach allem, was wir vom
Hagel wissen, ist wenig Aussicht vorhanden, daß jemals
Mittel gefunden werden sollten, um seine
Bildung zu verhindern.
Zweck derselben ist die
Versicherung der
Feldfrüchte gegen aus Hagelschäden erwachsende Verluste.
Einige
Gesellschaften übernehmen auch eine Hagelversicherung für
Spiegel,
[* 24]
Fenster,
Dächer etc. Dieselbe ist für den Landwirt von hoher Bedeutung,
da dessen wirtschaftliche
Existenz durch Vernichtung der
Ernte
[* 25] vollständig untergraben werden kann. Wenn
sich diese Art der
Versicherung trotzdem erst sehr spät ausgebildet hat, so beruht dies im wesentlichen in den Schwierigkeiten,
mit welchen die Berechnung von
Prämie und
Schaden zu kämpfen hat, dann aber auch wohl in dem
Glauben, daß der Hagelschade
als eine göttliche Schickung geduldig ertragen werden müsse. Die ersten Anstalten wurden Anfang des
vorigen
Jahrhunderts in
Frankreich und
England ins
Leben gerufen. Die erste größere, auf Gegenseitigkeit beruhende deutsche
Anstalt war die 1797 zu
¶
mehr
Neubrandenburg
[* 27] gegründete. Derselben reihten sich an Schwedt
[* 28] (1826), Güstrow
[* 29] (1840), Greifswald
[* 30] (1840), Brandenburg
[* 31] a. H. (1845),
Marienwerder
[* 32] (1848). Die Hagelversicherung wird insbesondere durch den Umstand erschwert, daß die Hagelschäden
statistisch nicht genau erfaßbar sind. Dieselben unterliegen starkem Schwanken und sind außerdem noch nicht seit langer
Zeit beobachtet, so daß es unmöglich ist, richtige Gefahrenklassen nach örtlichen Gebieten und nach
der Verschiedenheit der Früchte zu bilden und demgemäß die Prämie zu bemessen.
Die Gesellschaften helfen sich deswegen meist in der Art, daß sie, wenn es in einer Gegend öfters gehagelt hat, für diese
die Prämiensätze erhöhen, während andern, welche längere Zeit verschont blieben, Ermäßigungen
zugestanden werden. Dann ist die Abschätzung des Schadens schwer. Zu vergüten ist nämlich der Unterschied zwischen dem Ertrag,
welcher ohne Hagel zu erwarten gewesen wäre, und dem verminderten, welcher infolge des Hagelschadens wirklich bezogen wird.
Ersterer ist schwer zu schätzen, es wird statt seiner ein normaler Ertrag angenommen, und der Unterschied
zwischen ihm und dem wirklichen Ertrag ist nicht immer genau gleich dem durch den Hagel erwachsenen Verlust. Der wirkliche
Schade ist um so schwerer zu bemessen, je weiter die Früchte von der Erntereife noch entfernt sind, je leichter Witterung und
Maßregeln des Eigentümers ihn wieder gutmachen können. Aus diesem Grund wird auch, wenn der Hagel sehr
frühzeitig eintritt, so daß nochmalige Bestellung möglich, meist nur ein Teil der Versicherungssumme entschädigt und bei
kleinen Schäden überhaupt keine Vergütung gewährt.
Von all diesen Gesellschaften hat 1884 nur eine einen unbedeutenden Überschuß erzielt, sämtliche andre haben mit Verlust
gearbeitet. Die 1884 gegründete königlich bayrische staatlich geleitete Hagelversicherungsanstalt auf Gegenseitigkeit (angelehnt
an die staatliche Brandversicherungsanstalt, vom Staat unterstützt, Beitritt freiwillig) hatte 1884 eine Versicherungssumme
von 11 Mill. und 1886 von 33 Mill. Mk. Die Einnahmen waren 1884: 182,303 und 1885: 279,508 Mk. (worunter
141,986 und 238,067 Mk. Beiträge), die Ausgaben für Entschädigungen 1884: 74,289 und 1885: 270,535 Mk. -
In Österreich-Ungarn
[* 42] gab es 1884: 15 Privat-Hagelversicherungsgesellschaften mit einem Versicherungsbestand von etwa 800 Mill.
Mk., wovon auf 6 Gegenseitigkeitsanstalten etwas über 100 Mill. Mk.
kamen. An Prämien wurden etwa 23 Mill. Mk. vereinnahmt, für Schäden etwa 13½ Mill. Mk. verausgabt. Sämtliche Anstalten
erzielten einen Überschuß von etwa 1,735,000 Mk. Die größten dieser Gesellschaften waren die Generali mit ca. 4,900,000
Mk., die Riunione mit etwa 4,270,000 Mk. und die Erste ungarische mit etwa 4,275,000 Mk. Prämieneinnahmen.